3. Familienunternehmertag Stift Göttweig 2015 Expertenmeinung

Ausgabe 03 I 2015
3. Familienunternehmertag Stift Göttweig 2015
Die Reform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts
Hon.-Prof. LStA Dr. Sonja Bydlinski
Syndikatsverträge in Familienunternehmen
sollten überprüft werden
Univ.-Prof. Dr. Susanne Kalss, LL.M.
Das Pflichtteilsrecht im Entwurf der Erbrechtsreform
Univ.-Prof. Dr. Martin Schauer
Im Gespräch mit:
em. Univ.-Prof. Dr. H. P. Westermann
„Unter den Juristen ist der Jurist beliebt.“
Expertenmeinung
Rechtzeitige Vorbereitung der Unternehmensübertragung
Dr. Dieter Spranz
Betriebsaufspaltung als Alternative in der Unternehmensnachfolge
Dr. Eugen Strimitzer, WP/StB
Die Stiftung 2.0 – Umsetzung unternehmerischer Anforderungen
an Stiftungen nach Ableben des Stifters und in Familienholdings
Dr. Andreas Gratzl
Im Gespräch mit:
Dr. Kari Kapsch
„Wenn man gewohnt ist, immer wieder Dinge durchzusetzen, dann muss man aber
auch die Größe haben, eine andere Meinung zu akzeptieren.“
Inhalt
Vorwort
Die Autoren dieser Ausgabe
Vorwort
Die Reform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts
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Interview mit Dr. Kari Kapsch, dem CEO der Kapsch-Gruppe,
über seine sehr persönlichen Erfahrungen aus der Unternehmensnachfolge über mehrere Generationen hinweg. Um eine
solche Unternehmensübergabe sinnvoll zu planen, schildert
RA Dr. Dieter Spranz die dazu notwendigen Vorbereitungsarbeiten und WP Dr. Strimitzer die Möglichkeiten einer Betriebsaufspaltung als Alternative zu Nachfolgeregelungen.
Schließlich befasst sich Dr. Gratzl mit möglichen Überlegungen eines Stifters zur sachgerechten und sinnvollen Auswahl
seiner Stiftungsvorstände.
Hon.-Prof. LStA Dr. Sonja Bydlinski
BM für Justiz, Abteilung für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht
Syndikatsverträge in Familienunternehmen
sollten überprüft werden
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Univ.-Prof. Dr. Susanne Kalss, LL.M.
Wirtschaftsunviersität Wien
Das Pflichtteilsrecht im Entwurf der Erbrechtsreform
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Univ.-Prof. Dr. Martin Schauer
Institut für Zivilrecht der Universität Wien
Interview mit em. Univ.-Prof. Dr. Harm Peter Westermann
Rechtzeitige Vorbereitung der Unternehmensübertragung
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Dr. Dieter Spranz
Partner der Wirtschaftsanwaltssozietät WOLF THEISS Rechtsanwälte GmbH & Co KG
Betriebsaufspaltung als Alternative in
der Unternehmensnachfolge
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Dr. Eugen Strimitzer, WP/StB
Partner der KPMG Alpen-Treuhand Austria Gruppe
Die Stiftung 2.0 – Umsetzung unternehmerischer Anforderungen 33
an Stiftungen nach Ableben des Stifters und in Familienholdings
Dr. Andreas Gratzl
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UnternehmerCircle Impressum
03 I 2015
Dr. Sonja Bydlinski, zuständig im BMJ u.a. für die Reform der
GesBR, fasst die wesentlichen Eckpunkte der Reform zusammen, Univ.-Prof. Dr. Susanne Kalss beschäftigt sich mit den
Auswirkungen auf bestehende wie auch auf neue Syndikatsverträge. Univ.-Prof. Dr. Martin Schauer stellt die wesentlichen
Eckpunkte der geplanten Erbrechtsreform hinsichtlich Pflichtteilsrecht vor, welche 2017 in Kraft treten werden. Zuletzt findet sich auch noch ein Interview mit dem hochangesehenen
deutschen Gesellschaftsjuristen, em. Univ.-Prof. Dr. Harm Peter
Westermann, der mit seiner jahrzehntelangen Karriere als Professor für Gesellschaftsrecht wie auch in ebenso langer Praxis
als Wirtschaftsanwalt und Berater vieler deutscher börsennotierter Unternehmen und Konzerne auf eine mehr als reichhaltige Berufserfahrung zurückblicken kann.
Wir bedanken uns an dieser Stelle auch ausdrücklich beim
Veranstalter, dem Verein Familienunternehmen, für die angenehme Zusammenarbeit bei dieser Veranstaltung.
Kathrein Privatbank Aktiengesellschaft
Interview mit Dr. Kari Kapsch
In dieser dritten Ausgabe des UnternehmerCircle berichten wir
im ersten Teil ausführlich über den 3. Familienunternehmertag
in Stift Göttweig. Dort wurden neue Themenstellungen für Familienunternehmen erörtert, die sich durch die bevorstehende
Erbrechtsreform sowie die bereits erfolgte Neuregelung der
Gesellschaft bürgerlichen Rechts aktuell ergeben.
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47
Im zweiten Teil dieser Ausgabe finden Sie ergänzend einige
Beiträge zur Nachfolge in Unternehmen – unter anderem ein
Zuletzt noch eine Anmerkung in eigener Sache: Dr. Andreas
Gratzl, der Kathrein UnternehmerServices die letzten zwei Jahre geführt hat, wird sich anderen Aufgabengebieten zuwenden
und die Bank daher verlassen. Für seine Tätigkeit sei ihm hier
nochmals herzlichst gedankt.
Als langjähriger Leiter des Kathrein StiftungsOffice werde ich
auch die Agenden der Kathrein UnternehmerServices übernehmen und Ihnen für beide durchaus artverwandte Bereiche
gerne mit Rat und Tat zur Verfügung stehen.
Ich wünsche Ihnen spannende Lektüre dieser Ausgabe des
Kathrein UnternehmerCircle.
Ihr
Dr. Heinrich Weninger
Leitung Kathrein StiftungsOffice
und Kathrein UnternehmerServices
Tel.: +43 1 534 51-259
[email protected]
UnternehmerCircle 03 I 2015
3
Aktuelle Rechtslage
Aktuelle Rechtslage
Die Reform der Gesellschaft
bürgerlichen Rechts
Hon.-Prof. LStA Dr. Sonja Bydlinski
Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist die älteste Gesellschaftsform
reiche Vertretungsregelung findet sich auch im neuen Recht in § 1197
in der österreichischen Rechtsordnung. Die Regelungen des ABGB aus
Abs. 2 ABGB. Eine zweite Entscheidung des Gesetzgebers des Han-
1811 waren begrifflich und dogmatisch nicht mehr zeitgemäß und vor
delsrechts-Änderungsgesetzes 2005 wird fortgeführt und findet sich
allem bei einer unternehmenstragenden Gesellschaft unzureichend.
weiterhin in § 8 Abs. 3 UGB: Danach muss sich eine unternehmerisch
Lehre und Rechtsprechung hatten den alten Gesetzestext an vielen
tätige GesbR, die die Umsatzschwelle von 700.000 Euro überschreitet,
Stellen überlagert. Es war daher - rund um den 200. Geburtstag des
in das Firmenbuch eintragen lassen. Eine solche Eintragung als Ges-
ABGB - an der Zeit, eine grundlegende Reform dieses Abschnitts in
bR ist freilich mangels Rechtspersönlichkeit nicht möglich, sodass die
Angriff zu nehmen. Nach ausführlichen Beratungen in einer im Bun-
Gesellschafter zugleich verpflichtet sind, eine OG oder KG zu gründen.
desministerium für Justiz eingerichteten Arbeitsgruppe wurde die
Damit wird eine Parallele zur Eintragungspflicht des Einzelunterneh-
grundsätzliche Entscheidung getroffen, das neuere, dogmatisch bes-
mers nach § 8 Abs. 1 UGB hergestellt, die an dieselbe Umsatzschwelle
ser durchdrungene und schon lang erprobte Recht der offenen Ge-
geknüpft ist. Kraft § 4 UGB gilt die Eintragungspflicht aber nicht für
sellschaft als Modell für das Innenrecht der GesbR heranzuziehen.
Angehörige der freien Berufe und für Land- und Forstwirte.
Zugleich wurde auch entschieden, am grundsätzlichen Charakter der
Die starke Anlehnung an das bekannte Innenrecht der OG bringt neben
GesbR als Gesellschaft ohne eigene Rechtspersönlichkeit mit mög-
der gesicherten und gut aufbereiteten Rechtslage auch den Vorteil,
lichst weitem Anwendungsbereich festzuhalten. Die GesbR soll sohin
dass die unternehmerisch tätige GesbR, die die Umsatzschwellen des
wie bisher formfrei zustande kommen können, keine eigene Rechts-
§ 189 UGB überschreitet und daher eine OG oder KG werden muss, ihr
persönlichkeit haben und bis auf wenige zwingende Normen weitest-
bisheriges Innenrecht beibehalten kann.
gehend nach den Bedürfnissen der Gesellschafter frei gestaltbar sein.
Da mit der OG oder KG eine ebenso für alle gesetzlich erlaubten Zwecke einsetzbare Personengesellschaft mit Rechtspersönlichkeit zur
Wahl steht, wurde kein Bedarf gesehen, die GesbR mit Rechtspersön-
Die wichtigsten Inhalte
der Neuregelung
lichkeit auszustatten.
Zwei große Unzulänglichkeiten des alten Rechts wurden schon mit dem
Nicht jede GesbR tritt nach außen in Erscheinung, dementsprechend
Handelsrechts-Änderungsgesetz 2005, BGBl I 2005/120, beseitigt. So
unterscheidet § 1176 ABGB zwischen der Innen- und der Außengesell-
wurde in § 178 UGB die Regelung eingefügt, dass die Gesellschafter
schaft. Es wird vermutet, dass die Gesellschafter eine Außengesellschaft
einer unternehmerisch tätigen GesbR, die unter einem eigenen Namen
vereinbaren wollten, wenn sie einen gemeinsamen Gesellschaftsnamen
auftritt, alle anderen Gesellschafter vertreten und damit verpflichten
führen oder ein Unternehmen betreiben. Die Regelungen zum Außen-
können, sofern der Dritte den Mangel der Vertretungsmacht nicht
recht, wie zB die Vertretungsregelungen und die Solidarhaftung, kom-
kannte oder kennen musste. Eine solche für den Rechtsverkehr hilf-
men daher bei bloßen Innengesellschaften nicht zum Tragen.
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UnternehmerCircle 03 I 2015
Bis zum Handelsrechts-Änderungsgesetz 2005 war im Recht der
Ersatz von Aufwendungen der Gesellschafter, zu den Gesellschafterbe-
GesbR das Kriterium einer unternehmerischen Tätigkeit nicht relevant.
schlüssen, den Kontrollrechten der Gesellschafter und zur Gewinnver-
Über die oben erwähnte Bestimmung des § 8 Abs. 3 UGB zur Ein-
teilung sind so eng wie möglich an die bewährten und von Judikatur
tragungs- und damit Umwandlungspflicht und über die den guten
und Lehre aufgearbeiteten Bestimmungen des UGB (vgl. die §§ 108
Glauben eines Dritten schützende Vertretungsregel des § 178 UGB aF
– 122) angelehnt.
(nun § 1197 Abs. 2 ABGB) wurde diese Differenzierung bedeutsam und
findet sich nun auch an einigen anderen Stellen im ABGB. Neu ist der
Die Bestimmungen über die Rechtsverhältnisse zu Dritten (§§ 1197
letzte Satz des § 1197 Abs. 2, wonach sich diese Vertretungsregelung
ff) sind nur für Außengesellschaften relevant. Auch hier wurde das
auch auf nicht unternehmerisch tätige Außengesellschaften erstreckt,
Recht der OG zum Vorbild genommen, wegen der anders gelagerten
wenn sich die Gesellschafter als Unternehmer an der Gesellschaft
Situation einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit sind die Un-
beteiligen. Gedacht ist hier vor allem an die Arbeitsgemeinschaften,
terschiede zur OG aber größer als im Innenrecht. Festgehalten wurde
deren Tätigkeit oft nicht auf Dauer angelegt und dann nicht als unter-
nun ausdrücklich, dass sich die Geschäftsführungsbefugnis im Innen-
nehmerisch zu qualifizieren ist. Auch § 1187 über das Verbot schädli-
verhältnis mit der Vertretungsbefugnis im Außenverhältnis grund-
cher Nebengeschäfte greift diese Differenzierung auf; weiters kann die
sätzlich deckt. Nach nunmehr geltender dispositiver Rechtslage – das
unternehmerische Tätigkeit bei der Qualifikation einer Gesellschaft als
neue Vertretungsrecht ist auch für Altgesellschaften am 1.1.2015 in
Außengesellschaft relevant sein (vgl. § 1176 Abs. 1 ABGB).
Kraft getreten – ist somit angesichts der grundsätzlichen Einzelgeschäftsführungsbefugnis jeder Gesellschafter auch vertretungsbefugt.
Mangels eigener Rechtsfähigkeit kann die GesbR wie bisher nicht
Der Dritte kennt allerdings – mangels Firmenbuchpublizität – abwei-
Trägerin des Gesellschaftsvermögens sein. Dennoch definiert § 1178
chende Vereinbarungen unter den Gesellschaftern nicht.
ABGB unter der Überschrift „Gesellschaftsvermögen“, was darunter zu
Das bisherige Recht der GesbR enthielt zur Gesellschafternachfolge
verstehen ist. Es ist dies das der Gesellschaft gewidmete Eigentum,
keine Regelungen.
die sonstigen gesellschaftsbezogenen Sachenrechte, die gesellschaftsbezogenen Vertragsverhältnisse, Forderungen und Verbindlichkeiten
§ 1201 ABGB erfasst den Fall des Austritts eines bisherigen Gesellschaf-
und die gesellschaftsbezogenen Immaterialgüterrechte. Körperliche
ters, des Eintritts eines zusätzlichen Gesellschafters und des Wechsels
Sachen stehen im Miteigentum der Gesellschafter, unkörperliche Sa-
eines ausscheidenden mit einem eintretenden Gesellschafter. Nach dem
chen, insbesondere Forderungen und Verbindlichkeiten, sind den Ge-
Modell des § 38 UGB soll die Gesellschafternachfolge dadurch erleich-
sellschaftern zur gesamten Hand zugeordnet (§ 1180 ABGB).
tert werden, dass gesellschaftsbezogene Rechtsverhältnisse von Gesetzes wegen auf die verbleibenden Gesellschafter beziehungsweise auf
Die §§ 1181 bis 1196 ABGB regeln ausführlich die Rechtsverhältnisse
den neuen übergehen, sofern nichts anderes vereinbart ist. Wie nach
der Gesellschafter untereinander. § 1181 statuiert den Vorrang der
§ 38 UGB ist der Übergang nur wirksam, wenn die Vertragspartner
privatautonomen Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsvertrag, die nur
verständigt wurden. Diese sind auf ihr Widerspruchsrecht und auf die
an wenigen zwingenden Regelungen ihre Grenzen findet. Dieser Ab-
Widerspruchsfrist von drei Monaten hinzuweisen. Nur für bücherliche
schnitt ist in den meisten Bestimmungen wörtlich dem Modell der OG
Rechte ist der Modus der Eintragung erforderlich. Haftungsfragen sind
nachgebildet. Auch für die Geschäftsführung gilt wie für das gesamte
in § 1202 ABGB geregelt: ein neu eingetretener Gesellschafter haftet nur
Innenrecht der Gesellschaft die privatautonome Gestaltungsfreiheit.
dann für die vor seinem Eintritt begründeten Verbindlichkeiten, wenn er
Der dispositive Gesetzesvorschlag sieht nun – anders als die Gesamt-
in die entsprechenden gesellschaftsbezogenen Rechtsverhältnisse ein-
geschäftsführung nach dem Mehrheitsprinzip im bisher geltenden
getreten ist. Auch wenn es zu einer Übernahme unternehmensbezoge-
Recht – für gewöhnliche Geschäfte die Einzelgeschäftsführung mit
ner Rechtsverhältnisse kommt, hat der ausgeschiedene Gesellschafter
einem Widerspruchsrecht der übrigen Gesellschafter vor (§ 1190 Abs.
(wie nach § 39 UGB der Veräußerer) zur Verstärkung des Haftungsfonds
1 ABGB). Außergewöhnliche Rechtsgeschäfte erfordern nach § 1181
trotzdem weiterzuhaften, allerdings nur befristet; er haftet für vor sei-
Abs. 2 ABGB die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter. Auch die vie-
nem Ausscheiden begründete Verbindlichkeiten nur, soweit sie innerhalb
len weiteren Bestimmungen des Innenrechts, wie die Regelung zum
von fünf Jahren nach seinem Ausscheiden fällig werden. Ab Fälligkeit
Geschäftsanteil und zur Beitragsleistung, zur Nachschusspflicht, zum
läuft eine Verjährungsfrist von höchstens drei Jahren.
UnternehmerCircle 03 I 2015
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Aktuelle Rechtslage
Aktuelle Rechtslage
Die als Umwandlung bezeichnete Gründung einer eingetragenen
Bei bestehenden Gesellschaften gilt dies mit folgenden Einschrän-
Personengesellschaft und Einbringung des Vermögens der GesbR ist
kungen: Die neuen Regelungen können nicht rückwirkend auf
auf Grund des Wechsels der Rechtssubjekte kein identitätswahrender
Sachverhalte angewendet werden, die sich vor dem Datum des In-
Vorgang, sondern vielmehr eine Übertragung des Gesellschaftsver-
Kraft-Tretens ereignet haben. Solche Sachverhalte sind etwa Vertre-
mögens auf die von den Gesellschaftern der GesbR neu gegründe-
tungshandlungen oder das Setzen eines Kündigungsgrunds. Weiters
te OG (oder KG). Zur Erleichterung dieser Übertragung normiert §
sind gemäß § 1503 Abs. 5 Z 2 ABGB alle dort zitierten Bestimmungen
1206 Abs. 1 ABGB die Gesamtrechtsnachfolge und weicht damit vom
zum Innenrecht auf schon vor dem GesbR-Reformgesetz bestehende
Traditionsprinzip im Interesse einer erleichterten „Umwandlung“ ab.
Gesellschaften erst ab dem 1. Juli 2016 anzuwenden. Die Gesell-
Nur dieser Rechtsformwechsel soll mit einer Gesamtrechtsnachfolge
schafter haben somit ausreichend Zeit, ihre vertraglichen Regelungen
erleichtert werden, da ihn der Gesetzgeber den Gesellschaftern einer
mit dem neuen Recht abzugleichen. Ab Jahresmitte 2016 anwendbar
unternehmenstragenden GesbR schließlich aufzwingt. Die Auflö-
sollen diese das interne Verhältnis der Gesellschafter betreffenden
sung und Liquidation der Gesellschaft sind weitestgehend entspre-
Bestimmungen aber auch nur dann sein, wenn kein Gesellschafter
chend dem Recht der OG geregelt.
widerspricht, indem er den anderen gegenüber erklärt, die Anwendung des zuvor geltenden Rechts beibehalten zu wollen. In einem
Alle Bestimmungen des GesbR-Reformgesetzes traten mit 1. Jänner
solchen Fall von „Opting-out“ ist das gesamte neue Innenrecht auf
2015 in Kraft. Auf nach diesem Zeitpunkt gegründete Gesell-
Altgesellschaften erst ab dem 1.1.2022 anwendbar.
schaften sind sie ohne Einschränkungen sofort anzuwenden.
Syndikatsverträge in Familienunternehmen
sollten überprüft werden
Univ.-Prof. Dr. Susanne Kalss, LL.M.
Syndikatsverträge bilden mit dem Gesellschaftsvertrag und der
Vermögensordnung sowie die Vertretung der Gesellschaft, sind
dahinterliegenden Familienverfassung die maßgebliche rechtliche
ebenso sofort, dh ab 1.1.2015, anwendbar, wie die Regelungen über
Grundlage für das Zusammenwirken der Familienmitglieder mit
die Haftung der Gesellschafter sowie die Auflösung der Gesellschaft.
ihrem Unternehmen. Daher ist es naheliegend, die Auswirkungen
der kürzlich in Kraft getretenen ABGB-Novelle zur Neugestaltung
Bestimmte andere, gerade auch Syndikatsverträge unmittelbar be-
der GesbR auf ihre Wirkungen für Syndikatsverträge und damit für
treffende Regelungen treten erst am 1. Juli 2016 in Kraft. Das Gesetz
Familienunternehmen genauer zu beleuchten.
sieht eine Übergangsfrist von 1,5 Jahren vor. Erfasst werden Regelung­
en über den Gesellschaftsanteil und die Beiträge der Gesellschafter,
die Nachschusspflicht, Treuepflicht und Gleichbehandlungspflicht,
GesbR-Novelle – anwendbares
Recht für Syndikatsverträge
das Verbot schädlicher Nebengeschäfte (Wettbewerbsfähigkeit), die
Regelung über die Geschäftsführung, über Gesellschafterbeschlüsse,
über Kontrollrechte der Gesellschafter, Gewinn- und Verlust- sowie
Entnahmerechte, das Recht über die Auseinandersetzung mit einem
Lebenslauf Hon.-Prof. LStA Dr. Sonja Bydlinski
Nach der Matura am Bundesgymnasium Tamsweg und dem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien
war Dr. Sonja Bydlinski Assistentin am Institut für Finanzrecht der Universität Wien und anschließend Journalistin bei der
Tageszeitung „Die Presse“. Nach der Rechtsanwaltsprüfung wechselte sie in die Justiz und war seit 1985 im Bundesministerium für Justiz in verschiedenen Abteilungen der Zivilrechtssektion tätig. Sie leitet seit 1999 die Abteilung für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht und hat in dieser Funktion sowohl die nationalen Gesetzesvorhaben in diesem Bereich zu
betreuen als auch die österreichische Position in der EU zu vertreten. 2007 wurde ihr die Honorarprofessur für Unternehmensrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien verliehen.
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UnternehmerCircle 03 I 2015
Im Herbst 2014 beschloss der Nationalrat eine Novelle zum ABGB
ausscheidenden Gesellschafter sowie schließlich Regelungen über die
und kodifizierte damit das Recht der GesbR neu. Da Syndikatsverträge
Kündigung einer Gesellschaft. Der Zweck dieser langen Übergangsfrist
Dauerrechtsverhältnisse begründen, die typischerweise als GesbR
liegt in der Anpassungsnotwendigkeit von Gesellschaftsverträgen der
ausgestaltet sind, wirkt sich die Novelle auf bestehende Syndikats-
GesbR im Allgemeinen, gerade aber auch von Syndikatsverträgen im
verträge und damit auch auf Familienunternehmen aus.
Besonderen. Den Gesellschaftern, denen oft wegen der mangelnden
Welches Recht nunmehr auf neue oder bestehende Syndikatsverträge
Formbedürftigkeit, der mangelnden Öffentlichkeit, der mangelnden
anwendbar ist, wird im Gesetz differenziert gestaltet. Zunächst ist
Kontrolle durch das Firmenbuchgericht, der mangelnden Registrierung
zwischen GesbRs oder Syndikatsverträgen zu unterscheiden, die
und der hohen Gestaltungsfreiheit überhaupt nicht bewusst ist, dass
erstmals und neu abgeschlossen werden (Neuverträge) und bereits
sie in einem komplexen Vertragsgefüge leben, soll die Möglichkeit
bestehenden Gesellschaften, somit Neu- und Altgesellschaften.
gegeben werden, ihr vertragliches Regime an die neuen gesetzlichen
Das GesbR-Reformgesetz ist mit 1. Jänner 2015 in Kraft getreten,
Bestimmungen anzupassen.
sodass für Neugesellschaften, dh für Syndikatsverträge oder
sonstige GesbRs, die erst nach diesem Zeitpunkt vereinbart wurden,
Sollten diese 18 Monate nicht ausreichen oder die Fortgeltung des
vollständig das neue Recht anzuwenden ist. Für Altgesellschaften
alten GesbR-Rechts gewünscht sein, so gewährt das Gesetz den
sind für verschiedene Regelungen drei Inkrafttretenszeitpunkte
Gesellschaftern ein ganz außergewöhnliches Gestaltungsrecht. Durch
maßgeblich. Ein Teil der Bestimmungen, insbesondere etwa
die Äußerung eines einzigen Gesellschafters wird die Inkraftsetzung
die
des neuen Rechts weit über die 18 Monate hinaus in die Zukunft
Regelungen
über
das
Gesellschaftsvermögen
und
die
UnternehmerCircle 03 I 2015
7
Aktuelle Rechtslage
Aktuelle Rechtslage
verschoben, nämlich bis zum 31. Dezember 2021, sodass das neue
die freie Kündbarkeit eines auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen
aus. Die Kündigungsregelung wurde – und wird – dort auch nur für
wird. Die einzelnen Familienunternehmen und deren dahinterliegenden
Recht der GesbR erst mit 1. Jänner 2022 in Kraft tritt (Optionsmodell).
Syndikatsvertrages die Regel. Das Kündigungsrecht in der GesbR
unbefristete Verträge anerkannt; ausdrücklich die Nichtanwendbarkeit
Syndikate unterliegen damit einer hohen Rechtsunsicherheit, die in drei
gem § 1212 ABGB alt ist dispositiv. Daher kann das Kündigungsrecht
für befristete Verträge betont. Dieses Verständnis ist auch für
bis fünf Jahren vom Obersten Gerichtshof entschieden werden wird.
für einen bestimmten Zeitraum vertraglich ausgeschlossen werden.
Syndikatsverträge und sonstige Gesellschaftervereinbarungen nach
Bis dahin unterliegt jedes Syndikat jedenfalls der Gefahr, dass § 1209
Die Zeitdauer für den Ausschluss der ordentlichen Kündigung muss
dem ABGB zugrundezulegen. So sind die ein oder zwei Pachtperioden
Abs. 2 ABGB strikt ausgelegt und die Kündigung gestattet wird. Der
nicht kalendermäßig festgelegt werden, sie kann sich auch aus dem
abgeschlossenen (je sechs bis zehn Jahre) Jagdgesellschaften ebenso
Gesetzgeber hätte angesichts seiner bereits angesprochenen langen
Abschluss des Syndikatsvertrages
Gesellschaftszweck oder den sonstigen zwischen den Vertragsparteien
unkündbar wie eine Projekt-ARGE, die ein Baulos des Semmering-
Übergangsfristen noch Zeit, § 1209 Abs. 2 ABGB ersatzlos zu beseitigen
Typischerweise enthalten Syndikatsverträge Regelungen über das
getroffenen Vereinbarungen ergeben, aus denen hervorgeht, dass
Basistunnels betreut und errichtet und demgemäß nicht kalendarisch,
oder klarzustellen, dass diese Sicherung der Kündigungsmöglichkeit
Stimmverhalten, über die Organbestellung, somit die Corporate
die Parteien eine längerfristige Bindung eingehen wollen. Dabei ist
sondern projektbezogen befristet ist.
bei Vorliegen sachlicher Rechtfertigung auch eingeschränkt werden
Governance in der Gesellschaft, und schließlich vielfach auch über
die Absicht der Parteien entscheidend, die auch darauf gerichtet
die Ausrichtung der Gesellschaft sowie über den Zusammenhalt der
sein kann, die freie Kündbarkeit jedenfalls für einen bestimmten
Betrachtet man einzelne Fallkonstellationen, so lässt sich die Position
fertigung ein länger bemessener Kündigungsausschluss zulässig ist,
Anteile und die Regelungen über die Anteilsübertragung. Zum Teil
Zeitraum einzuschränken. Für Joint-Venture-Verträge wurde daher der
der Gesellschafter nach altem Recht weitgehend rechtssicher
bei Familienunternehmen somit auf die Dauer ihres Bestands als
werden auch Fragen der Innenfinanzierung, Eigenkapitalausstattung
Ausschluss der Kündigung auf 10-15 Jahre oder bis zur Amortisation
bestimmen, nach neuem Recht bleibt jedenfalls eine Rechtsunsicher-
Familienunternehmen zur Versorgung der Familie.
und
Gesellschafter
einer Investition anerkannt. Für Familiengesellschaften, die dem
heit, ob trotz der Regelung gem § 1209 Abs. 2 ABGB die Kündigung
angesprochen. Syndikatsverträge sind damit Ergänzungen des
Zusammenhalt und der Abstimmung unter den Familienmitgliedern
dennoch ausgeschlossen werden kann. Letztlich lässt sich eine
Gesellschaftsvertrages. Der Abschluss eines Syndikatsvertrages ist
zum Zweck der dauerhaften Versorgung der Familie durch die
sachliche Rechtfertigung auch in einem Familienunternehmen zur
formfrei. Syndikatsverträge „passieren“ nicht so einfach, vielfach geht
Gesellschaft dienen, wird auch eine längere Frist bis zu 30 Jahren oder
Sicherung des Bestands und zur dauerhaften Versorgung einzelner
ihnen ein langer Verhandlungs- und Einigungsprozess voraus. Darin
auf den Bestand des Unternehmens akzeptiert.
Familienmitglieder anerkennen. Daher ist bei Familiensyndikaten eine
allfälliger
Finanzierungspflichten
der
kann und insofern eine temporärer und je nach sachlicher Recht-
Zusammenfassender Ausblick
Bindung auf 30 Jahre und mehr oder auf Bestand des Unternehmens
Die GesbR-Novelle wirkt sich auf bestehende und auf künftig
erkennen, zu dem alle Beteiligten gerade noch bereit sind, die mit der
Nach der neuen ABGB-rechtlichen Regelung kann eine Kündigung
(bei Aufrechterhaltung und tatsächlicher Ausgestaltung als Familien-
abzuschließende Syndikatsverträge stark aus. Dies sollte zum Anlass
Syndizierung verbundenen Einschränkungen zu akzeptieren, weil sie
auf unbestimmte Zeit eingegangene GesbR nur für den Schluss eines
unternehmen) zulässig. Derartige Regelungen unterliegen aber
genommen werden, bestehende Syndikatsverträge auf ihre aktuelle
noch von den Vorteilen des Zusammenseins und Zusammenwirkens
Geschäftsjahres vorgenommen werden. Sie muss mindestens sechs
jedenfalls der Rechtsunsicherheit und letztlich der Entscheidung des
und künftige Belastbarkeit zu überprüfen. Die Kündigungsregeln
überzeugt sind. Das Zeitfenster schließt sich oft sehr schnell, sodass
Monate vor diesem Zeitpunkt stattfinden. Ausdrücklich stellt § 1209
Obersten Gerichtshofes, wie er die nunmehr neu gefasste Regelung des
sollten genau im Licht der neuen Rechtslage beurteilt werden.
durchaus sachgerechte oder notwendige Änderungen vielfach nicht
Abs. 2 ABGB neu die Regelung zwingend. Eine Vereinbarung, durch
§ 1209 Abs. 2 ABGB im Verhältnis zu § 132 Abs. 2 UGB qualifizieren
mehr möglich sind. Im Regelfall werden Syndikatsverträge daher
die das Kündigungsrecht ausgeschlossen oder in anderer Weise als
schriftlich abgeschlossen. Einer besonderen Form, insbesondere des
durch angemessene Verlängerung der Kündigungsfrist erschwert wird,
Notariatsaktes, bedürfen sie dann, wenn darin auch die Übertragung
ist nichtig. Somit ordnet das Gesetz ausdrücklich eine Teilnichtigkeit
von GmbH-Anteilen oder die Anbotstellung dafür mit normiert wird.
bei abweichenden Regelungen an. Die Regelung ist aus dem UGB
liegt die Kunst des Moderators und Rechtsberaters, den Zeitpunkt zu
übernommen. § 132 Abs. 2 UGB sieht für Gesellschaftsverträge
eingetragener Personengesellschaften eine parallele Vorbildregelung
vor. Da die Anwendungsbreite der GesbR den Rahmen der OG deutlich
Beendigung des Syndikatsvertrages
übertrifft, sollte der Grundsatz der grundsätzlichen Gestaltungsfreiheit
der GesbR weiterhin beibehalten und sollte von der schlichten, dh
Bei der Beendigung des Syndikatsvertrages ist zwischen der
mechanischen Übernahme der Bestimmungen des UGB Abstand
einvernehmlichen Beendigung unter den Syndikatspartnern oder
genommen werden, um nicht in – geradezu – unlösbare gesetzliche
der einseitigen Beendigung durch Kündigung zu unterscheiden.
oder wirtschaftliche Konfliktsituationen zu geraten. Mit der viel
Die außerordentliche Kündigung bewirkt das sofortige Ende des
größeren Anwendungsbreite geht häufig die Vermögenslosigkeit
Syndikatsvertrages bzw. der Mitgliedschaft eines Syndikatspartners,
der Gesellschaft einher. Insbesondere zeigt sich dies etwa an der
setzt aber zugleich das Vorliegen eines wichtigen Grundes voraus.
völlig verschiedenen Vermögenssituation der Gesellschafter und
Die ordentliche Kündigung bewirkt hingegen die Beendigung
der damit verbundenen Haftungsfolgen. Gemäß § 128 UGB haften
des
OG-Gesellschafter
Syndikatsverhältnisses
durch
einseitige
Erklärung
eines
unbeschränkt.
Die
Kündigungsmöglichkeit
Syndikatspartners, ohne dass die Fortführung des Vertrages für
gleicht daher auch die Gefahr der unbeschränkten Haftung für alle
die Syndikatspartner unzumutbar wäre. Nach altem Recht bildet
Verbindlichkeiten der Gesellschaft – zumindest für die Zukunft –
8
UnternehmerCircle 03 I 2015
Lebenslauf Univ.-Prof. Dr. Susanne Kalss, LL.M.
Susanne Kalss ist seit 2003 Professorin am Institut für Zivil- und Unternehmensrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien.
Sie ist auf Unternehmens-, Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht spezialisiert. Einen besonderen Arbeitsschwerpunkt bilden
das Stiftungsrecht und das Recht der Familienunternehmen. Sie ist Mitveranstalterin des Familienunternehmertages und
der Reihe „Familienunternehmen in Fällen“.
www.familienunternehmen.co.at
www.wu.ac.at
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Aktuelle Rechtslage
Aktuelle Rechtslage
einigen Stellen Streitfragen, die zur alten Rechtslage bestanden, vom
Das Pflichtteilsrecht im Entwurf
der Erbrechtsreform
Gesetzgeber entschieden, was zu einer Erhöhung der Rechtssicherheit
führt. Andere Bestimmungen, die nur noch totes Recht darstellen, sol-
Das Pflichtteilsrecht in der
geplanten Erbrechtsreform
len gestrichen werden, was zu einer Entrümpelung der Rechtslage beiträgt. All dies sind Anliegen, die keinesfalls gering geschätzt werden
Standort
sollen. Bereits Franz von Zeiller, einem der wesentlichen Redaktoren
Univ.-Prof. Dr. Martin Schauer
des ABGB, war es ein Anliegen, dass Gesetzestexte in einer zeitge-
Das Pflichtteilsrecht ist nach geltendem Recht in §§ 762-792 ABGB
mäßen und gemeinverständlichen Sprache formuliert sein sollten.6
geregelt. Die Reform belässt das Pflichtteilsrecht an seinem bisherigen
Wenn sich der moderne Gesetzgeber derselben Aufgabe verschreibt,
Standort. Gleichwohl ändern sich die Paragraphennummer (künftig §§
dann verdient dies grundsätzlich Zustimmung. Allein dadurch wird die
756-792 ABGB), sodass mit der Anwendung des neuen Rechts auch
Reform jedoch nicht zum großen Wurf.
ein Umdenken in Bezug auf die bisher gewohnte Nummerierung einher gehen wird.
Im Vergleich zum äußeren Umfang des Reformgesetzes sind die sub-
Einleitung
Pflichtteilsberechtigte Personen
bestimmungen an die Europäische Erbrechtsverordnung enthält, die
stanziellen Änderungen eher überschaubar. Von einigen Neuerungen
ab dem 17. August 2015 anzuwenden ist. Wenngleich der Entwurf
wurde bereits in der Tagespresse berichtet. Da geht es beispielsweise
lediglich zum Zweck der Begutachtung veröffentlicht wurde und es
um die erbrechtliche Rechtsstellung des Lebensgefährten, dem erst-
Nach geltendem Recht sind der Ehegatte/eingetragener Partner und
3
sich dabei noch nicht einmal um ein Regierungsvorlage handelt, ist
mals ein – freilich nur außerordentliches – Erbrecht eingeräumt wer-
die Nachkommen des Erblassers pflichtteilsberechtigt. Sind keine
Das österreichische Erbrecht ist seit dem Inkrafttreten des ABGB vor
nach jüngsten Presseberichten mit einer raschen Beschlussfassung
den soll. Zum Zug kommen soll der Lebensgefährte aber nur, wenn
Nachkommen vorhanden, so haben die Vorfahren (Eltern, Großeltern,
mehr als 200 Jahren in großen Teilen nahezu unverändert geblieben.
im Parlament zu rechnen. Immerhin: Nichts, was im Entwurf ent-
es keinen einzigen gesetzlichen Erben gibt (also weder Nachkommen,
Urgroßeltern) ein Pflichtteilsrecht, nicht aber die Seitenverwandten
Lediglich beim gesetzlichen Erbrecht des Ehegatten, der Verwandten
halten ist, steht endgültig fest; aber in Anbetracht der Eile, mit der
Vorfahren, sonstige erbberechtigte Seitenverwandte, Ehegatten/ein-
(zB Geschwister). Das Pflichtteilsrecht der Vorfahren, das bereits bis-
und des unehelichen Kindes sowie beim Pflichtteilsrecht ist es im-
her nur in seltenen Fällen zum Tragen kam, soll abgeschafft werden.
4
das Reformprojekt zum Abschluss gebracht werden soll, erscheint
getragener Partner) und wenn überdies die Lebensgemeinschaft in
mer wieder zu Veränderungen gekommen, die zwar in die Verteilung
zweifelhaft, ob und in welchem Umfang noch mit Änderungen ge-
den letzten drei Jahren vor dem Tod des Erblassers aufrecht war. Ein
des Nachlasses eingriffen, aber das System der gesetzlichen Erbfolge
rechnet werden kann. An einigen Stellen wären jedoch – wie sich im
Pflichtteil für den Lebensgefährten ist nicht vorgesehen. Ferner ist für
(Parentelsystem) und des Pflichtteils im Grundsatz unberührt ließen.
Folgenden noch zeigen wird – Änderungen dringend geboten.
den Ehegatten/eingetragenen Partner des Erblassers eine weitere Ver-
Gleichwohl ist es in den letzten 15 Jahren vermehrt zu Diskussionen über eine Reform des Erbrechts gekommen. Es liegt nahe, ein
Pflichtteil und Pflichtteilsanspruch
besserung seines gesetzlichen Erbrechts geplant: Sind nur ein Ehegat-
Der Pflichtteil ist lediglich ein Recht auf eine wertmäßige Teilhabe
Der Entwurf ist verhältnismäßig umfangreich. Die Änderungen des
te/EP und Geschwister des Erblassers vorhanden, so soll der Ehegatte
am Nachlass. Er wird in der Regel auf der Grundlage eines bestimm-
5
Gesetzestextes umfassen 34 Seiten im A4-Format. Davon entfallen
nicht nur wie bisher 2/3 des Nachlasses erben, sondern den gesamten
ten Anteils vom Wert des Nachlasses berechnet (für den Ehegatten/
Erbrecht auf den Prüfstand zu stellen, das vor mehr als zwei Jahr-
immerhin 27 Seiten auf die Änderungen des ABGB. Von den ca 300
Nachlass. Und schließlich soll eine besondere Abgeltung von Pflege-
eingetragenen Partner sowie für die Nachkommen jeweils die Hälfte
hunderten unter ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen
Paragraphen des Erbrechts werden – grob geschätzt – ca 80 % neu
leistungen eingeführt werden, die bestimmte dem Erblasser nahe ste-
der gesetzlichen Erbquote). Der Pflichtteil kann vom Erblasser auf ver-
entstanden ist, die sich ganz erheblich von dem heutigen Gesell-
gefasst. Beinahe könnte man glauben, kein Stein bleibt auf dem
hende Personen in den letzten drei Jahren vor seinem Tod erbracht
schiedene Weise gedeckt werden. Nur wenn dem Berechtigten kei-
schafts- und Wirtschaftssystem unterschieden. So bildete die Reform
anderen. Gleichwohl täuscht der Umfang der Änderungen über das
haben. Weitere Änderungen betreffen die Testamentsformen sowie die
ne ausreichende Deckung seines Pflichtteils hinterlassen wurde oder
des Erbrechts beispielsweise das zivilrechtliche Thema auf dem 17.
Ausmaß der Reform. Denn bei der überwiegenden Mehrheit der Än-
Enterbungs- und Erbunwürdigkeitsgründe. Von diesen Änderungen soll
wenn er zu Unrecht enterbt wurde, steht ihm zur Deckung des Fehlbe-
in der Folge jedoch nicht die Rede sein.
trags oder auch in voller Höhe von Pflichtteilsanspruch zu, der auf die
Österreichischen Juristentag 2009. Nach einem weiteren intensiven
derungen geht es nicht um inhaltliche Neuerungen, sondern ledig-
Diskussionsprozess hat das Bundesministerium für Justiz kürzlich
lich um eine Neuformulierung des Gesetzestextes, der in ursprüng-
einen ersten Entwurf für eine Reform des Erbrechts vorgelegt. Ge-
1
Leistung des Wert des Pflichtteils in Geld gerichtet ist. Dies ist nicht
lichen Fassung – wie soeben erwähnt – vor mehr als 200 Jahren
Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf das Pflichtteils-
genstand des Entwurfs ist das „Erbrechts-Änderungsgesetz 2015“2,
entstanden ist. Man könnte insoweit auch von einer Übersetzung des
recht. Dabei handelt es sich um jenes Rechtsgebiet, das für die Nach-
das neben der Änderung des materiellen Erbrechts auch Anpassungs-
alten Textes in eine moderne Sprache sprechen. Zugleich werden an
folgeplanung außerordentlich wichtig ist, weil es die Grenzen letzt-
neu, soll aber nunmehr im Gesetz ausdrücklich verankert werden.
Pflichtteilsdeckung
williger Gestaltungsbefugnisse beschreibt. Zudem handelt es sich um
Vgl. dazu das Gutachten von Welser, Die Reform des österreichischen Erbrechts,
Verhandlungen des 17. Öster­reichischen Juristentages II/1 (2009) und die Referate
von Wendehorst, Ferrari und Umlauft (Verhandlungen
des 17. Österreichischen Juristentages II/2).
cher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, ABl vom 27. 7. 2012, L 201/107.
1
4
Vgl. „Die Presse“ vom 15. 5. 2015: „Juristentagung: Eile bei neuem Erbrecht“
(abrufbar über http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/4731536/Juristentagung_Eile-bei-neuem-Erbrecht?from=suche.intern.portal ; abgefragt am 1. 6.
2015).
5
Vgl. zum Entwurf die kritische Stellungnahme von Schauer/Motal/Reiter/Hofmair/
Wöss, Erbrechtsreform: Paradigmenwechsel oder Window Dressing?, JEV 2015, 40.
Abrufbar über http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/ME/ME_00100/index.
shtml (abgefragt am 1. 6. 2015).
2
jenen Teil des Erbrechts, der den stärksten Eingriffen durch die Reform
a) Arten der Pflichtteilsdeckung
unterliegt. Deshalb erscheint eine vertiefte Auseinandersetzung mit
Deutlicher als bisher soll im Gesetz geregelt werden, auf welche Weise
der geplanten Neugestaltung des Pflichtteilsrechts besonders lohnend.
der Erblasser den Pflichtteil decken kann (§ 780 idF Entw ErbRÄG 2015).
6
Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.
Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und
Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentli-
3
10
UnternehmerCircle 03 I 2015
„Leichtverständlich soll er [sc: der Kodex] nicht nur dem Rechtsgelehrten, sondern
auch dem gebildeten Bürger sein“ (v. Zeiller, Commentar über das allgemeine
bürgerliche Gesetzbuch I [1811] 25).
UnternehmerCircle 03 I 2015
11
Aktuelle Rechtslage
Aktuelle Rechtslage
Dies kann durch Einsetzung des Pflichtteilsberechtigten zum Erben,
Der Entwurf zur Erbrechtsreform sorgt hierbei nicht für mehr Rechtssi-
dung auf höchstens fünf Jahre oder die Zahlung von Teilbeträgen in
und Schenkungen, die der Erblasser mehr als zwei Jahre vor seinem Tod
durch die Hinterlassung eines Vermächtnisses, durch die Zuwendung
cherheit – im Gegenteil. Denn vorgesehen sind jetzt zwei Bestimmun-
diesem Zeitraum anordnen. Allerdings hat das Gericht die Möglichkeit,
an eine nicht pflichtteilsberechtigte Person gemacht hat. Ist der Be-
einer Schenkung auf den Todesfall sowie dadurch geschehen, dass der
gen, die in offenkundigem Widerspruch zueinander stehen. Da gibt es
die Stundung bei Unbilligkeit gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten
schenkte pflichtteilsberechtigt, so kommt es ohne Rücksicht auf eine
Pflichtteilsberechtigte nach dem Erbfall (Tod des Erblassers) etwas als
einerseits § 780 Abs. 2 idF Entw, der lautet: „Zuwendungen auf den
zu ändern oder aufzuheben, wobei auch die Interessen des Pflichtteils-
Frist zu einer Erhöhung der Pflichtteile. Wenn die wegen der Schen-
Begünstigter einer vom Erblasser errichteten Privatstiftung erhält. Die
Todesfall sind auf den Zeitpunkt des Todes des Erblassers zu bewer-
schuldner (in der Regel also des Erben) zu berücksichtigen sind.
kungen erhöhten Pflichtteile nicht aus dem Nachlass gedeckt werden
ersten drei Arten der Pflichtteilsdeckung sind unproblematisch und
ten. Ihre Verwertbarkeit ist keine Voraussetzung für die Einrechnung;
Schließlich kann der auf Geld gerichtete Pflichtteilanspruch auch ohne
können, dann kann der Fehlbetrag vom Beschenkten verlangt werden.
entsprechen dem geltenden Recht. Fraglich ist es jedoch, wenn gesagt
sie ist aber bei der Bewertung der Zuwendung zu berücksichtigen.“
Anordnung des Erblassers gestundet werden. Eine solche Stundung ist
Der Entwurf zur Erbrechtsreform hält an diesem Konzept in den Grund-
wird, dass sich der Pflichtteilsberechtigte in den Pflichtteil das einrech-
Hier scheint sich der Gesetzgeber also mit der Zuwendung eines be-
auf Verlangen des Pflichtteilsschuldner möglich, wenn ihn die Erfüllung
zügen fest. Gleichwohl kommt es zu manchen Änderungen. Da gibt es
nen lassen muss, was er nach dem Erbfall als Begünstigter einer vom
stimmten Werts zu begnügen; ob der Gegenstand, den der Pflicht-
unter Berücksichtigung aller Umstände unbillig hart träfe. Dies ist ins-
zunächst eine terminologische Unterscheidung von Hinzurechnung und
Erblasser errichteten Privatstiftung erhält. Bisher galt die Regel, dass
teilsberechtigte erhält, auch verwertbar ist – also zu Geld gemacht
besondere der Fall, wenn er ohne diese Stundung zur Befriedigung des
Anrechnung. Unter Hinzurechnung ist die rechnerische Erhöhung des
der Pflichtteil - und im Falle unzureichender Deckung auch der auf
werden kann -, ist für seine Eignung als Pflichtteilsdeckung irrelevant.
Pflichtteilsanspruchs seine Wohnung, die zur Befriedigung seines drin-
Nachlasses durch den Wert der geschenkten Sache zu verstehen; mit
Geld gerichtete Pflichtteils(ergänzungs)anspruch – zumindest grund-
Die fehlende Verwertbarkeit kann lediglich seinen Wert vermindern.
genden Wohnbedürfnisses dient, oder ein Unternehmen, das seine wirt-
Anrechnung ist der Abzug dieses Werts vom Pflichtteil des Beschenk-
sätzlich mit dem Tod des Erblassers feststehen muss. Künftig muss sich
Demgegenüber ordnet § 765 Abs. 2 idF Entw an: „Wird der Pflichtteil
schaftliche Lebensgrundlage darstellt, veräußern müsste. Eine Stundung
ten gemeint. Zu einer Anrechnung kann es selbstverständlich nur dann
der Pflichtteilsberechtigte aber offenbar auch einrechnen lassen, was
entsprechend § 761 Abs. 1 gedeckt, so kann der Pflichtteil dem Pflicht-
ist auch möglich, wenn die sofortige Entrichtung den Fortbestand eines
kommen, wenn der Beschenkte selbst pflichtteilsberechtigt ist. Anders
er erst nach dem Tod des Erblassers aus einer Privatstiftung enthält.
teilsberechtigten auch erst im Laufe eines fünf Jahre nach seinem Tod
Unternehmens erheblich gefährden würde. Unter diesen Voraussetzun-
als bisher soll die Anrechnung aber nicht auf den Schenkungspflichtteil
Nimmt man dies wörtlich, so kann nach dem Tod des Erblassers gar
nicht überschreitenden Zeitraums zukommen. Kommt dem Pflicht-
gen kann das Gericht eine Stundung oder die Zahlung von Teilbeträgen
des Beschenkten, sondern auf dessen gesamten Pflichtteil stattfinden,
nicht gesagt werden, wie hoch ein allfälliger Geldanspruch ist, weil
teilsberechtigten auf diese Weise kein dem Pflichtteil entsprechender
innerhalb von fünf Jahren, in Ausnahmefällen sogar von zehn Jahren
sodass der Beschenkte bei der Bemessung seines eigenen Pflichtteils
ja auch spätere Leistungen aus einer Privatstiftung – offenbar ohne
Wert zu, so kann er mit dem Ende dieses Zeitraums die Ergänzung des
vorsehen.
unter Umständen leer ausgehen kann.
zeitliche Begrenzung – eingerechnet werden müssen. Wie das funkti-
Pflichtteils in Geld fordern (§ 763).“ Hier geht es also offenbar darum,
onieren soll, will sich nicht so recht erschließen.
dass dem Pflichtteilsberechtigten innerhalb von fünf Jahren nach dem
Diese Bestimmungen, die auf einem früheren Vorschlag einer Arbeits-
Die bisher erforderliche Unterscheidung von Vorempfängen und Schen-
9
Tod des Erblassers ein liquider Wert zufließen muss: Was sonst sollte
gruppe des Ludwig-Boltzmann-Instituts beruhen , sollen den Genera-
kungen soll entfallen. Hierin liegt eine erfreuliche Vereinfachung der
b) Wert versus Liquidität
mit dem sonst in der Rechtsprache ungebräuchlichen Wort „zukom-
tionenwechsel bei Unternehmen, vor allem bei Familienunternehmen,
Rechtsanwendung. Als Schenkungen sollen für die Zwecke der Pflicht-
Zu den Grundproblemen der Pflichtteilsdeckung gehört auch die Fra-
men“ gemeint sein? Wenn der Pflichtteilsberechtigte, dem zum Zweck
erleichtern. Wenngleich die Bestimmungen zum Teil restriktiv sind und
teilsbemessung auch die Ausstattung, Vorschüsse auf den Pflichtteil
ge, ob der Pflichtteilsberechtigte nur verlangen kann, dass er einen
der Pflichtteilsdeckung ein Fruchtgenusslegat zugewendet wurde,
bezüglich mancher Einzelheiten mehr Klarheit wünschenswert wäre,
und Abfindungen für Erb- und Pflichtteilsverzichte gelten; ferner Ver-
bestimmten Wert erhält, oder ob er auch auf die Verwertbarkeit des
nicht in der Lage ist, aus den Früchten innerhalb von fünf Jahren einen
stellen sie doch einen wichtigen Schritt zum Schutz von KMUs dar.
mögenswidmungen an Stiftungen bzw. wenn der Wert nicht hinzuzu-
zugewendeten Gegenstands, also auf den Zufluss von Liquidität drin-
dem Pflichtteil entsprechenden Wert zu erwirtschaften, so könnte er
gen kann. Die Frage ist bereits im geltenden Recht (vgl. § 774 ABGB)
sodann die Fehlbetrag in Geld fordern. Wie sich diese Bestimmung zu
unzureichend gelöst. In der Praxis hat sich eine Entscheidung des OGH
§ 780 Abs. 2 idF Entw verhält, ist unklar. In diesem Zusammenhang
vom 15. 10. 1998 als besonders einflussreich erwiesen. Hier hatte der
besteht ein entscheidender Nachbesserungsbedarf.
7
8
OGH die Einräumung einer Unterbeteiligung am Gesellschaftsanteil
an einer O[H]G als geeignetes Instrument zur Abdeckung des Pflicht-
Stundung des Pflichtteils
teils anerkannt. Damit wird im Konflikt zwischen Wert und Liquidität
10
rechnen ist, die Einräumung einer Begünstigtenstellung an einer vom
Berücksichtigung von Schenkungen unter Lebenden
Erblasser errichteten Stiftung11, und schließlich andere Leistungen, die
nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt einem unentgeltlichen Geschäft
Der Schutz des Pflichtteils ist nur vollständig, wenn er nicht durch
gleichkommen. Zum zuletzt erwähnten Tatbestand sollen beispielsweise
Schenkungen, die der Erblasser zu Lebzeiten vornimmt, umgangen wer-
einseitige begünstigende Nachfolgeregelungen in Gesellschaftsverträ-
den kann. Im geltenden Recht ist deshalb die Anrechnung von Schen-
gen gehören können12.
kungen bei der Bemessung des Pflichtteils vorgesehen. Sie funktioniert
ein deutliches Signal gesetzt: Ist eine Unterbeteiligung tauglich zum
Die dem Pflichtteil entsprechende Pflichtteilsdeckung ist grundsätzlich
im Wesentlichen in der Weise, dass vom Wert der geschenkten Sache
Wie bisher sollen Schenkungen zum gemeinnützigen Zwecken oder aus
Zweck der Pflichtteilsdeckung, so kommt es lediglich auf die Zuwen-
sofort zu entrichten. Steht dem Pflichtteilsberechtigten ein Geldan-
ein eigener Pflichtteil gebildet wird. Diesen Schenkungspflichtteil erhält
sittlicher Pflicht sowie Schenkungen ohne Schmälerung des Stamm-
dung eines Werts und nicht notwendigerweise auch auf den soforti-
spruch zu, so tritt die Fälligkeit erst ein Jahr nach dem Tod des Erblas-
jede pflichtteilsberechtigte Person zusätzlich zum Nachlasspflichtteil. Ist
vermögens anrechnungsfrei bleiben. Neu ist aber, dass künftig Schen-
gen Zufluss von Liquidität an. Es verwundert deshalb nicht, dass diese
sers ein (§ 765 Abs. 1 und 3 idF Entw). Von besonderer Bedeutung ist
der Beschenkte selbst pflichtteilsberechtigt, so muss er sich den Wert
kungen, die der Erblasser mehr als zehn Jahre vor seinem Tod gemacht
Entscheidung auch als Argument für die Zulassung von Fruchtgenuss-
in diesem Zusammenhang die Möglichkeit einer weiteren Stundung
der geschenkten Sache vom Schenkungspflicht wieder abziehen lassen.
hat, ebenfalls außer Betracht bei der Bemessung der Pflichtteile bleiben.
vermächtnissen oder Rentenvermächtnissen als taugliche Arten der
des Geldpflichtteils, die in verschiedenen Fällen vorgesehen ist. So
Bestimmte Schenkungen sind von der Schenkungsanrechnung ausge-
Eine Unterscheidung danach, ob der Beschenkte pflichtteilsberechtigt
Pflichtteilsdeckung verstanden wurde.
kann bereits der Erblasser in der letztwilligen Verfügung eine Stun-
nommen. Dazu zählen etwa Schenkungen zu gemeinnützigen Zwecken
war oder nicht, soll in diesem Zusammenhang keine Rolle mehr spielen.
7
Dazu besonders ausführlich Giller, Die Hinterlassung des Pflichtteils, in Gruber/
Kalss/Müller/Schauer (Hrsg), Erbrecht und Vermögensnachfolge (2010) § 19.
8
Ob 189/98g, NZ 2000,44.
12
UnternehmerCircle 03 I 2015
9
Vgl. zum Folgenden auch Schauer/Motal/Reiter/Hofmair/Wöss, JEV 2015, 53.
10
Dazu Krejci, Unternehmensnachfolge und Pflichtteilsrecht (2006).
11
Dazu kritisch Schauer/Motal/Reiter/Hofmair/Wöss, JEV 2015, 55 f.
12
Erläuterungen zum Begutachtungsentwurf 31.
UnternehmerCircle 03 I 2015
13
Aktuelle Rechtslage
Im Gespräch
Der Reformgesetzgeber orientiert sich damit am deutschen Recht, das
berechtigten Beschenkten an. Die neue Regel hat beispielsweise folgen-
ebenfalls eine Zehnjahresfrist vorsieht, ohne aber das dort vorgesehe-
de Konsequenz: Der Erblasser verschenkt eine wertvolle Sache fünf Jahre
ne Modell einer degressiven Bewertung zu übernehmen . Die Frist soll
vor seinem Tod an seine Lebensgefährtin. Sein Kind macht den erhöh-
mit dem „Vermögensopfer“ beginnen. Eine Definition dieses bisher von
ten Pflichtteil geltend. Dieser ist primär aus dem Nachlass zu decken.
Lehre und Rechtsprechung – vorwiegend im Zusammenhang mit Zu-
Wenn der Nachlass dazu nicht ausreicht, weil der Erblasser beispiels-
wendungen an Privatstiftungen – verwendeten und in vielen Berei-
weise vermögenslos verstorben ist, so bestehen keine Ansprüche gegen
chen umstrittenen Begriffs ist jedoch nicht vorgesehen.
die Lebensgefährtin, weil sie nicht zum Kreis der pflichtteilsberechtigten
Die Bewertung der geschenkten Sache war bisher wegen einer Recht-
Personen gehört und die Schenkung mehr als zwei Jahre zurückliegt.
13
sprechungslinie, die den geltenden § 794 ABGB durch ein äußerst problematisches Bewertungsmodell ersetzt hat14, unbefriedigend. Diesbezüglich ist eine die Rechtslage wohltuend vereinfachende und sachlich
Schlußbemerkung
überzeugende Bestimmung vorgesehen: Die geschenkte Sache soll
künftig stets auf den Zeitpunkt der Schenkung bewertet werden. Dieser Wert ist auf den Todeszeitpunkt nach dem Verbraucherpreisindex
Die geplante Reform des Erbrechts bringt zahlreiche Neuerungen
anzupassen. Das weitere Schicksal der Sache im Vermögen des Be-
mit sich, auf die die Praxis sich wird einstellen müssen. Das Pflicht-
schenkten ist für die Bewertung künftig bedeutungslos.
teilsrecht ist jener Teil des Erbrechts, der durch die Reform am
stärksten verändert wird. Manchen Neuerungen, die zu begrüßen
Auch künftig soll der erhöhte Pflichtteil primär aus dem Nachlass ge-
sind, stehen Änderungsvorschläge gegenüber, die noch nicht voll-
leistet werden. Ist dies nicht möglich, so kann der Beschenkte auf den
ständig ausgereift wirken. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzge-
Fehlbetrag belangt werden. Dabei ist jedoch eine Besonderheit zu be-
ber hierbei noch Modifikationen vornimmt. Wer Nachfolgeplanung
achten: Gehört der Beschenkte nicht zum Kreis der pflichtteilsberech-
betreibt, benötigt Rechtssicherheit. Diese bereitzustellen sollte das
tigten Personen, so haftet er nicht, wenn das mit der Schenkung verbun-
Ziel eines Gesetzgebers sein, der Rechtspolitik auch als Instrument
dene Vermögensopfer mehr als zwei Jahre vor dem Tod des Erblassers
des Wettbewerbs zwischen den Rechtsordnungen oder – was Fa-
erbracht wurde. Hier – und nur hier (!) – kommt es weiterhin auf eine
milienunternehmen anbelangt – auch als Instrument des Standort-
Unterscheidung zwischen pflichtteilsberechtigten und nicht pflichtteils-
wettbewerbs begreift.
Lebenslauf Univ.-Prof. Dr. Martin Schauer
Seit 2001 Universitätsprofessor am Institut für Zivilrecht der Universität Wien; zuvor Universitätsprofessor für Bürgerliches
Recht und Handelsrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien und Vorstand des Forschungsinstituts für Mittel- und Osteuropäisches Wirtschaftsrecht. Gastprofessuren und Lehrtätigkeit an mehreren Universitäten des In- und Auslands. Titularmitglied der Académie internationale de droit comparé (Paris). Zahlreiche Veröffentlichungen auf dem Gebiet des Erb- und
Stiftungsrechts. Mitherausgeber des Handbuchs „Erbrecht und Vermögensnachfolge“ sowie der Zeitschrift „Journal für
Erbrecht und Vermögensnachfolge (JEV)“. Arbeitsschwerpunkte: Privates Wirtschaftsrecht, Vertragsrecht, Versicherungsvertragsrecht, Erb- und Stiftungsrecht, Sachwalterrecht.
13
Bewertung einer Schenkung innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in
vollem Umfang, danach für jedes weitere Jahr ein Wertabzug von jeweils einem
Zehntel (§ 2325 Abs. 3 BGB).
14
Vgl. dazu etwa Aichberger-Beig, Erbrechtliche und pflichtteilsrechtliche Konsequenzen der vorweggenommen Erbfolge, in Gruber/Kalss/Müller/Schauer (Hrsg),
Erbrecht und Vermögensnachfolge § 4 Rz 92 ff.
14
UnternehmerCircle 03 I 2015
Es ist nicht nur die Nachfolgeregelung,
sondern auch ein Umfeld zu schaffen,
das für die Nachfolger attraktiv ist.
Dr. Andreas Gratzl im Interview mit em. Univ.-Prof. Dr. Harm Peter Westermann, emerierter Professor der
Universität Tübingen und Berater vieler bekannter und großer deutscher Unternehmerfamilien über seine
Erfahrungen in der Unternehmensnachfolge, über Familienbeiräte und der Beliebtheit von Juristen.
UnternehmerCircle 03 I 2015
15
Im Gespräch
Im Gespräch
Ihr Vater war ja schon ein anerkannter Jurist, war Ihnen die „Juristerei“
wird. Deswegen habe ich mich damals am Wiener Westbahnhof
ner Abberufung kommen lassen, haben wir mit einem Anwalt über
in die Wiege gelegt?
entschieden: „Das war’s jetzt, jetzt wird’s die Juristerei“ und dann
eine andere personelle Lösung diskutiert, über die man sich dann
Eigentlich nicht. Ich habe bis zum etwa 4. Semester geschwankt,
ist es so schlecht nicht gegangen (lacht).
verständigt hat. Aber genau das ist das Problem, gerade wo es in
Deutschland eine ganze Menge Mittelständler gibt, die vom Export
ob ich die Juristerei wirklich machen soll. Am Anfang habe ich Archäologie studiert, in meinem „Wiener-Semester“ war ich mehr in
Sie haben ja viele bekannte und berühmte Familienunternehmen
leben. Das heißt, wenn der Unternehmensführer weder Englisch noch
der Staatsoper und im Konzert als in der Universität und habe lange
beraten. Was sind denn aus Ihrer Erfahrung die größten Herausfor-
Französisch kann, von Sprachen aus dem früheren Ostblock ganz zu
geschwankt, ob ich nicht doch versuchen soll, Musik zu studieren.
derungen in Familienunternehmen?
schweigen, dann haben diejenigen, die das können, plötzlich die Vor-
Das ist aber nicht gegangen, weil ich manuell nicht gut genug bin,
Eine wesentliche Frage in Familienunternehmen ist die Beziehung
stellung, dass sie die Besseren sind. Das schafft Konflikte. Ich habe
um perfekt Klavier zu spielen, und wenn man nicht perfekt Klavier
der Familienmitglieder zum Unternehmen und untereinander, die
unlängst einen großen Aufsatz über den überforderten Gesellschaf-
spielen kann, hat man keine Chance, dass man auch nur Korrepetitor
maßgeblich vom Gesellschaftsrecht und von der Satzung bestimmt
ter geschrieben, der gesundheitlich nicht mehr so kann, das Klima in
wird. So lange die Kinder alle noch jung und klein sind, ist das
Deutschland nicht mehr verträgt und gerne in Spanien leben möchte,
kein Problem, aber wenn sie größer werden, erwachsen werden und
vielleicht die Macht niederlegt, aber die Kapitalanteile nicht aus der
wenn die Kinder nun auch noch zur Selbstständigkeit erzogen wer-
Hand geben will. In einem solchen Fall haben die jungen Leute zwar
den, kann da schon in das Gesellschaftsverhältnis ein Fremdkörper
etwas zu sagen, aber keinen Kapitalanteil, über den auch wesentli-
hineinkommen. Aus juristischer Sicht, aus menschlicher Sicht na-
che Entscheidungen getroffen werden können.
türlich nicht, ist das oft ganz katastrophal. Das habe ich in letzter
Zeit leider ein paar Mal erlebt, besonders dann, wenn die Familien-
Wie kann man sich aus Ihrer Erfahrung aus dem operativen Geschäft
beziehungen in die Brüche gehen. Ich habe gerade eben einen Auf-
als Unternehmer zurückziehen?
satz über Patchwork Familien im Gesellschaftsrecht geschrieben,
Ich empfehle den Leuten, dass sich der Senior zu einem bestimmten
eine Situation, der wir zukünftig immer öfter begegnen werden.
Zeitpunkt von der Komplementär- in eine Kommanditisten-Stellung
Dann haben wir vermehrt in der Nachfolgeregelung ein anderes
zurückzieht. Durch den voll eingezahlten Kommanditistenbeitrag
Problem: ich kenne eine ganze Reihe erstklassiger Unternehmer in
hat er kein Haftungsrisiko. Bei wesentlichen Entscheidungen nach
Deutschland, die einen Nachfolger suchen, denn die jungen Leute,
§164 HGB müssen die Kommanditisten gefragt werden, sodass er
die einen Beruf gelernt haben und etwas leisten können, zögern
mit den Alltagsgeschäften nichts mehr zu tun haben muss und sich
sehr, in ein Unternehmen einzusteigen, wo sie persönlich haften
zurückziehen kann. Unter dem Haftungsrisiko steht er dann auch
müssen. Jemand muss die Haftung übernehmen und natürlich auch
nicht mehr und er kann die Frage der Vererbung, der Nachfolge und
die ganze Arbeit machen. Es ist so, dass viele Unternehmer klagen,
des Kapitalanteil ein wenig vor sich herschieben. Bei der GmbH kann
dass ihre Kinder da nicht hinein wollen. Daher ist nicht nur die
man es natürlich ähnlich lösen. Wenn man mehrere Gesellschafter
Nachfolgeregelung eine schwierige Sache, sondern auch ein Um-
hat, bildet man dann einen Gesellschafterbeirat mit den Senioren
feld zu schaffen, das für die Nachfolger attraktiv ist.
und Junioren in einem abgewogenen, abgestimmten Verhältnis. Das
setzt allerdings voraus, dass man damit zu einem Zeitpunkt beginnt,
Sie haben gesagt, man muss die Nachfolge attraktiver machen, was
zu dem sich noch alle gut vertragen. Wenn Sie als Berater erst zu ei-
heißt das für die Unternehmer die jetzt vor der Problematik stehen?
nem Zeitpunkt gerufen werden, wo alle bereits zerstritten sind, dann
Das Thema ist vielschichtig: zum Beispiel, wenn die jungen Leu-
geht es oft schon um andere Dinge.
te eine gute Ausbildung haben, insbesondere zwei Fremdsprachen
In meinem „Wiener-Semester“ war
ich mehr in der Staatsoper und im
Konzert als in der Universität und
habe lange geschwankt, ob ich nicht
doch versuchen soll, Musik zu
studieren.
16
UnternehmerCircle 03 I 2015
Wenn die jungen Leute eine gute
Ausbildung haben, dann fühlen sie
sich dem Senior natürlich manchmal
überlegen. Das schafft Konflikte.
perfekt können, dann fühlen sie sich dem Senior natürlich manch-
Wann würden Sie empfehlen, dass man sich dem Thema überhaupt
mal überlegen. Ich habe das einmal in einem weltumspannenden
widmet?
Familienunternehmen in der Nähe von Bielefeld erlebt: Eines Ta-
Wenn der Senior im Pensionsalter ist. Heute haben die Männer ja
ges kamen die jüngeren Gesellschafter zu mir, ob ich ihnen helfen
möglicherweise eine Lebenserwartung, die 80 Jahre nicht als un-
könnte, weil ihr Seniorpartner, ein bekannter deutscher Unterneh-
erreichbar erscheinen lässt, das Pensionsalter wäre dann so mit 65.
außer Stande, mit den ganzen technischen Dingen umzugehen. Ich
mer, sei durchs Gebäude gelaufen und hätte in allen Räumen auf
Dann kommt es natürlich darauf an: Wenn das jemand ist, der zum
habe zum Glück eine junge Mitarbeiterin, die mir dabei hilft, denn
westfälisch gesagt „Wer Computer kauft, fliegt“. Das Unternehmen
Beispiel tatsächlich keine Sprachkenntnisse hat, außer ein bisschen
ich kann’s halt nicht. Das betrifft manche meiner Generation und
ist weltweit vernetzt und und benötigte die technische Ausrüs-
Englisch, dann muss man das schon deutlich früher machen. Dann
ist zwar ein bisschen ein Armutszeugnis, aber letzten Endes sind die
tung, auch gegen den Willen des alten Herren. Um es nicht zu ei-
sind da noch andere technische Dinge: Ich zum Beispiel bin völlig
Dinge ja auch kompliziert.
UnternehmerCircle 03 I 2015
17
Im Gespräch
Die Unternehmen kommen alle in
eine Situation, wo aus der Familie
selbst das nötige spezialisierte und
erfahrene Management nicht mehr
ohne weiteres zur Verfügung gestellt
werden kann.
Im Gespräch
gewesen: Als die studierenden Kinder am Wochenende nach Hause
Philosophie oder einen technischen Beruf, dann weiß er noch nicht,
fachliches Wissen einbringen können. Zum Beispiel zwei außenste-
kamen, hieß es: „Du musst mal in das Nachbarzimmer gehen, da steht
ob er später wirklich einmal Lust haben wird, in die Geschäftsleitung
hende Beiratsmitglieder mit Qualifikationen in der konkreten Bran-
ein vornehmer älterer Herr, der will mit dir was besprechen.“ Dieser
zu gehen, sodass sich die Familie bei Zeiten überlegen muss, einen
che und mit kaufmännischem Verständnis. Ähnlich macht man das ja
Herr entpuppte sich als Notar und der sagte: „Euer Vater schenkt euch
Manager zu finden. Das muss dann sehr sorgfältig vorbereitet werden,
mit der Geschäftsführung auch: Sie haben immer einen technischen
heute einen Geldbetrag von „so und so viel“ und den bekommt ihr, ihr
denn der Manager soll ja im Zweifel nicht auch Gesellschafter werden,
und einen kaufmännischen Geschäftsführer, diese haben dann auch
müsst hier nur noch unterschreiben“. Das war ein Schenkungsvertrag,
sondern nur Manager sein. Und dann stellt sich später auch die Frage,
entsprechende Gesprächspartner im Beirat.
aber gleichzeitig mit der Verpflichtung, das Geld wieder als Darlehen
wer entscheidet eigentlich darüber, ob der Manager verlängert wird
zurück in das Unternehmen zu geben. Damals kamen in Deutschland
oder ob ein anderer kommt. Das muss im Familien-Gremium festge-
Der Beirat oder Aufsichtsrat hat ja durchaus maßgeblichen Einfluss
gerade die Probleme mit den kapitelersetzenden Darlehen auf, die im
legt werden. Ich hatte einen Fall, da wollte der Unternehmensgründer
auf die Unternehmensgestaltung. Heutzutage ist es ja oft immer noch
Grunde über Nacht praktisch wertlos werden konnten. Nun hatten die
einen seiner Söhne gerne in der Geschäftsführung haben, aber seine
üblich, dass er nur aus „Friends & Family“ besteht und viele Entschei-
Kinder gegen diese Schenkung, die im Unternehmen gelandet war,
zweite Ehefrau machte ihm deutlich, dass sie den jungen Mann dort
dungen einfach durchgenickt werden.
auf den Pflichtteil verzichtet. Dann habe ich mit den jungen Leuten
nicht dulden würde. Und dann war natürlich die Frage nach einem
Das machen wir nicht. In Deutschland hat sich bei den großen
und mit dem Vater getrennt geredet, das war ein ganz gütiger, alter,
Fremdmanager, und weiter, welche Rollen die Kinder aus diesen beiden
Mittel­ständlern schon durchgesetzt, dass der Beirat maßgebliche
freundlicher Herr. Der hat das gar nicht durchschaut, was da in seinem
Ehen spielen werden. Aber da liegt eine Schwierigkeit, denn zu einem
Namen gemacht worden war. Dann sprach ich auch mit dem ältesten
Fremdmanager muss man ja unbegrenztes Vertrauen haben, insbeson-
Sohn, der machte auch einen sehr positiven Eindruck. Es waren die
dere, wenn man Gesellschafter hat, die der Sache fernstehen, die nur
Berater gewesen, die das ausgedacht hatten. Wir haben dann mit
die Hand aufhalten wollen und eigentlich nicht die sind, die wirklich
einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gedroht, worauf sich
entscheiden können oder beurteilen können, was ein Manager leistet.
dann alle sehr vernünftig außergerichtlich geeinigt hatten. Keiner
Ein alter Steuerberater hat einmal einen ganz furchtbaren Ausdruck
versuchte irgendwas durchzudrücken. Die Familie hatte sich einfach,
in meinem Beisein für ein Unternehmen mit Nachfolgeproblemen mit
weil die Berater gefunden haben, es werde höchste Zeit, dass der äl-
vier Familien gebraucht: „Die Kommanditisten entwickeln sich zu Dau-
teste Sohn das auch wirklich alleine bestimmen kann, sich zu dieser
erlutschern.“ (lacht). Aber so ist es leider nicht selten.
Lösung bewegen lassen.
Wie sollte denn so ein Aufsichtsrat/Beirat für ein optimales FamiliSie haben gesagt, es sollten möglichst alle relevanten Familienmit-
enunternehmen besetzt sein? Wie sollte da die Mischung aussehen?
glieder dabei sein. Wen meinen Sie damit?
Da gibt es gewisse Gepflogenheiten. Wenn man einen sehr weitläu-
Es sollten nicht nur die Senioren, sondern auch die Kinder und die
figen Familienkreis/Gesellschafterkreis hat, sollte jeder Stamm ein
Partner dabei sein. Denn es ist heute anders als noch vor 20 Jahren,
Beiratsmitglied stellen und dann sollte man noch Außenstehende
die Frauen denken über Nachfolge sehr aktiv und nicht nur egois-
hinzuziehen. Bei zum Beispiel vier Familienmitgliedern reicht es
tisch nach. Das hat sich verändert. Meine Meinung ist, man muss mit
nicht, nur einen Außenstehenden aufzustellen, da muss man schon
der ganzen Familie sprechen, es sei denn, es gibt einen Konflikt, dann
mehrere haben. Bei großen Familien sind das einige externe Bei-
muss man natürlich erstmal mit den Gruppen unterschiedlich spre-
räte, diese zu suchen, ist ein ziemlicher Aufwand. Ein derartiger
chen. Wenn einer der Beteiligten einen Anwalt hat, dann bevorzuge
Beirat, wenn er etwas zu sagen hat, (außer es ist nur so ein „Früh-
Wenn Sie an ein Beratungsprojekt mit einer Familie herangehen, wie
ich es, mich an den Anwalt zu halten. Die wenigsten Familienmit-
stücksbeirat“, lacht), erfordert dann schon einige qualifizierte Per-
sollte am besten die Vorgehensweise aussehen?
glieder wollen gegeneinander prozessieren, gerade am Land, wo das
sonen. Und dann sollten die Beiratsmitglieder auch die Fähigkeit
Man wird ja von irgendjemand angesprochen, entweder vom Unter-
gleich alle wissen. Die meisten Anwälte wollen aus meiner Erfahrung
haben, mit anderen gut umzugehen. Die Kosten sind dabei nicht
nehmensgründer, dem Geschäftsführer oder von den jungen Leuten.
auf eine Verständigungslösung hinaus.
ganz unerheblich. Die Beiratsmitglieder müssen schon bezahlt
werden, denn das Mandat ist mit Aufwand verbunden. Die Beiräte
Man sollte relativ früh, also schon in der zweiten Gesprächsrunde, die
wichtigsten Familienmitglieder zusammen haben. Ich habe das mal
Wie sehen Sie denn die Rollenverteilung zwischen Eigentümer und
müssen schon Akten studieren, wenn da eine Geschäftsführungs-
gehabt, da kamen zwei junge Leute zu mir und sagten: „Unser Vater
Management?
entscheidung oder ähnliches ansteht.
beschäftigt sich mit dem Gedanken, die Geschäftsanteile an unserem
Die Unternehmen kommen alle in eine Situation, wo aus der Fami-
Unternehmen auf unseren ältesten Bruder zu übertragen. Er soll das
lie selbst das nötige spezialisierte und erfahrene Management nicht
Wie sollte denn der Beirat zusammengesetzt sein?
machen und die vier anderen sollen auf alles Mögliche verzichten.“
mehr ohne weiteres zur Verfügung gestellt werden kann. Das wissen
Neben den Familienangehörigen, auch wenn sie von der Sache nur
Das war noch dazu mit einem ziemlich arglistigen Trick verbunden
die jungen Leute auch. Wenn jemand Abitur macht und studiert, zB
wenig verstehen, müssen sie entsprechende Leute holen, die auch
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UnternehmerCircle 03 I 2015
Zu einem Fremdmanager muss man
unbegrenztes Vertrauen haben. Insbesondere, wenn man Gesellschafter
hat, die der Sache fernstehen.
UnternehmerCircle 03 I 2015
19
Im Gespräch
Im Gespräch
Entscheidungen trifft. In einer Kommanditgesellschaft hat beispiels-
werden. Bei diesen Lösungen hat sich eine Stimme pro Familien-
reden. Die Vorstände müssen unabhängig entscheiden, sie dür-
weise der Beirat die Entscheidung zu treffen, wer in der nächsten
stamm im Beirat bewährt.
fen sich die Entscheidung weder von der Hauptversammlung noch
Generation der persönlich haftende Gesellschafter wird. In einem mir
vom Aufsichtsrat aus der Hand nehmen lassen. Der Aufsichtsrat hat
bekannten Beispiel hatte der Gründer seinen Nachfolger noch selber
Wie vermeidet man im Beirat Blockaden bei wichtigen Unterneh-
höchstens einen Zustimmungsvorbehalt nach dem Aktiengesetz. Er
benannt, dieser schied dann aus Altersgründen aus, und der Beirat
mensentscheidungen?
kann zum Beispiel sagen: „Bei Investitionen über 1 Million möchten
hatte zu entscheiden, wer Nachfolger wird. Das war nicht ohne ge-
Wenn man die außenstehenden Mitglieder im Beirat stark genug
wir gefragt werden“. Die Aktiengesellschaft ist auch wegen der For-
wisse Spannungen möglich, weil sich da mehrere aus der Familie
macht, dann müssen die notfalls allein entscheiden. Das kann man in
malität in der Hauptversammlung ein bisschen schwerfällig. Wobei
Hoffnungen machten, haftender Gesellschafter und Konzernchef zu
der Beiratsverfassung so regeln, man darf die Beiratsverfassung nur
natürlich in dem Augenblick, wo sich die Familie entschließt oder
nicht so gestalten, dass die bei der Aktiengesellschaft den Aufsichts-
entschließen muss, Kapital hereinzuholen, die Aktiengesellschaft
rat beiseite schieben können. Aber schon in der GmbH – und in den
eine gute Sache sein kann. Denn dann können sie eine Gesellschaft
Personengesellschaften erst recht – kann der Beirat frei gestaltet
gründen, in der die Familie noch die Mehrheit behält und damit das
werden, da kann man eine Beiratsverfassung mit einem mehrstufigen
Steuer in der Hand hat. Das ist eine ideale Lösung, denn dann hat
Abstimmungsverfahren umsetzen. Grundsätzlich entscheidet zum
man den Zugang zum Kapitalmarkt mit seinen Finanzierungsmög-
Beispiel der Beirat mehrheitlich, aber bei wichtigen Entscheidungen
lichkeiten. Was ganz ausfällt, sind die Genossenschaften, da die ja
durch qualifizierte Mehrheit, und wenn es um wesentliche Persona-
nur ganz bestimmte Zwecke verfolgen dürfen.
lentscheidungen geht, dann mit Übergewicht der Außenstehenden.
Welche Relevanz haben Stiftungen in Deutschland?
Akzeptieren Unternehmerfamilien, dass familienfremde Mitglieder
Keine so große wie in Österreich. Das liegt unter anderem daran, dass
dominant im Beirat sind?
bei uns die Stiftungsverfassung vom Staat genehmigt werden muss,
Ja, das akzeptieren die Familien, gerade weil sie wissen, dass sie
und das ist nach Ländern unterschiedlich geregelt. Es gibt Bundes-
Fachleute, Profis brauchen, erstklassige Leute, die uns an die Hand
länder, die eine liberale Stiftungspraxis haben und solche, die da sehr
nehmen. Ich hatte noch nie Schwierigkeiten, das den Familien zu sa-
eng sind. Da es sich um unternehmerische Dinge handelt und nicht
gen. Natürlich, wenn jemand bisher allein entschieden hat und man
um gemeinnützige Stiftungen, machen das nur wirklich große Un-
setzt ihm einen Beirat vor die Nase, es versteht sich, dass ihm das
ternehmen, beispielsweise die Bertelsmann-Gruppe oder, wie letzte
missfällt. Das ist manchmal nur mit – sagen wir mal – sanftem Druck
Woche in der Frankfurter Allgemeinen zu lesen war, Herr Otto von
zu erreichen.
Ottoversand. Das ist eines der wenigen Familienunternehmen, die
jetzt in eine Stiftung gehen und als Stiftungsvorstand den Junior-
Welche Gesellschaftsformen eigenen sich aus Ihrer Erfahrung beson-
Unternehmer vorsehen. Es kann sein, dass in Deutschland auch an-
ders gut für Familienunternehmen?
dere auf den Gedanken kommen, aber bisher ist es relativ selten, weil
In Deutschland ist da eine sehr breite Wahlmöglichkeit. Die GmbH
es sehr schwierig umzusetzen ist.
ist mit einigen zwingenden Rechten behaftet, aber trotzdem sehr
flexibel. Die Ausgestaltung der GmbH können Sie fast vollkommen
Könnte man sagen, dass es ein Umdenken in Richtung Stiftungen in
frei regeln, abgesehen von den Finanzierungsfragen. In Personenge-
Deutschland gibt?
sellschaften sind die Möglichkeiten auch sehr breit, natürlich müs-
Ja, das könnte ganz gut sein, wenn Herr Otto das hinbekommt.
sen Sie das Haftungsproblem lösen. Bei der Kommanditgesellschaft
Bei einer GmbH sind im Allgemeinen
die Anteile frei veräußerlich. Wenn
man das nicht will, dann müssen Sie
durch Satzungsbestimmung die
Aktien vinkulieren.
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UnternehmerCircle 03 I 2015
Grundsätzlich entscheidet zum Beispiel der Beirat mehrheitlich, aber
bei wichtigen Entscheidungen durch
qualifizierte Mehrheit und wenn es
um wesentliche Personalentscheidungen geht, dann mit Übergewicht
der Außenstehenden.
gewünscht ist, dann sollte man einen Familienvertrag mit allen
Beteiligten aufsetzen. Das ist eine Regelung darüber, wie sich die
braucht man einen Komplementär. Bei der GmbH & Co KG haben sie
Wie kann man den Ausstieg von Familienmitgliedern aus einer Fa-
Gesellschafter einstellen sollen, wenn ein Antrag zur Aufhebung
das Haftungsproblem nicht ganz gelöst, denn es kann ja mal sein,
milienholding vorsehen, ohne dass Dritte in die Familiengesellschaft
der Vinkulierung eingebracht wird. In einem aktuellen Fall von mir
dass der Komplementär-GmbH die Haftung zu viel wird und dass
kommen?
hat man festgelegt, dass man in den Familienvertrag eine Regelung
man dann auch da Finanzprobleme bekommt. Aber was sich für Fa-
Bei einer GmbH sind im Allgemeinen die Anteile frei veräußerlich.
aufnimmt, wer als Erwerber von Anteilen von der Familie akzeptiert
miliengesellschaften in meinen Augen nicht eignet, ist die Aktien-
Wenn man das nicht will, und das wollen natürlich die Familien-
wird, zum Beispiel natürliche Personen oder Tochtergesellschaften
gesellschaft. Ich habe in Familienaktiengesellschaften die Erfahrung
gesellschaften nicht, dann müssen sie durch Satzungsbestimmung
und Holdinggesellschaften. Das bedeutet also, wenn einer der Fa-
gemacht, dass das deutsche Aktienrecht für Familiengesellschaften
die Aktien vinkulieren. Die Vinkulierung heißt, dass Anteile an einen
milie verkaufen will, dass er das an eine Tochtergesellschaft oder
ein bisschen zu starr ist. Denn man darf als Aufsichtsrat und damit
Dritten nur dann veräußert werden können, wenn der Geschäfts-
Holdinggesellschaft tun kann, wenn da wiederum seine Kinder schon
als Vertreter der Gründerfamilie den Vorständen nicht dazwischen
führer oder die Gesellschaftsversammlung zustimmt. Wenn das so
beteiligt sind, um die Anteile in der Familie zu erhalten. Aber das geht
UnternehmerCircle 03 I 2015
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Im Gespräch
Im Gespräch
dem Gespräch/Beratung dann am Telefon zu mir sagte: „Ich möchte
Ihnen nur noch eines sagen: Ich bin jetzt 70 Jahre alt, ich habe auf
dieser Welt nur noch ein Ziel, und das besteht darin, meinen Bruder
zu vernichten“. Das ist leider Gottes ziemlich häufig.
Nun etwas anderes, ich habe gelesen, dass Sie als Fußballprofessor
bezeichnet werden. Wie kommt es dazu?
Das hängt mit folgendem zusammen: Als ich 1970 nach Bielefeld
kam, war der Bundesligaskandal. Da hatten die Manager von DSC Arminia Bielefeld, die den Abstieg aus der Bundesliga verhindern wollten, Spieler zu kaufen versucht. Das war ein Trainer, der war zum Vereinsvorstand gegangen - einem biederen Buchhändler aus Bielefeld
– und sagte: „Boss, wir müssen Spiele kaufen“. Dann hatten sie an die
Spieler der anderen Mannschaft Bargeld gegeben, dafür das die mal
ein bisschen weniger energisch spielen. Das witzige an der Sache war,
dass nicht nur Bielefeld das gemacht hat, sondern dasselbe wollte
auch der ebenfalls abstiegsgefährdete Club Kickers Offenbach. Dann
war Bielefeld erfolgreicher und blieb in der Liga, und Offenbach ist
mit dem Geld zu spät gekommen. Da war eine große Geburtstagsfeier
des Vorsitzenden von Kickers Offenbach, der hatte die ganze DFB Prominenz aus Frankfurt eingeladen und auf seiner Geburtstagsfeier die
Bänder, mit den aufgezeichneten Bestechungsgesprächen abgespielt.
Deswegen konnte man das nicht mehr unter den Teppich bügeln und
es wurde ein Riesenskandal daraus. Ich kam gerade nach Bielefeld,
und einer meiner besten Freunde aus dem Studium wurde der nachfolgende Vorsitzende des Fußball-Clubs. So wurde ich gebeten, denen
nur, wenn in der Holding bestimmte Voraussetzungen gegeben sind.
Bei alten Familienunternehmen hat man schnell einmal 30 bis 40 Personen in der Eigentümerrolle über mehrere Generationen, von denen
einige einen ganz anderen Beruf ausüben oder auch andere Interessen
haben. Man weiß ja oft nicht, was aus den Kindern später wird, aber
man sollte ein klares Verfahren vorsehen, wie in den Streitigkeiten in
einer solchen Holding nach dem Familienvertrag vorzugehen ist. Da
Man weiß ja oft nicht, was aus den
Kindern später wird, aber man sollte
ein klares Verfahren vorsehen, wie in
den Streitigkeiten in der Holding laut
dem Familienvertrag vorzugehen ist.
zu helfen. Das habe ich damals auch getan und in der Folge über die
Verbandsgerichtbarkeit des deutschen Fußballbandes auch ein Buch
geschrieben. Wir hatten damals eine Rechtsprechung, wonach innere
Vereinsentscheidungen nicht von der Justiz überprüft werden können.
Unter anderem durch mein Gutachten haben wir damals bewirkt, dass
diese Rechtsprechung geändert wurde.
Sie haben einmal einen Vortrag gehalten, warum Juristen bei nicht so
kann es auch durchaus sein, dass zum Beispiel für die Zustimmung zur
Anwälte, die was taugen, fangen
nicht gleich an, das Kriegsbeil auszugraben, sondern die gehen aufeinander zu und diskutieren.
gebildeten Personen in der Bevölkerung nicht so beliebt sind. Was ist
Veräußerung an eine natürliche Person nicht die einfache Mehrheit
geben, die sich erst aus der Nachfolgelösung heraus bewältigen las-
der Sukkus Ihrer Rede?
sen. Besonders Streitigkeiten unter Geschwistern sind häufig heftig.
Das war meine Antrittsvorlesung in Berlin über Beliebtheit und Un-
schwierigen Fragen so auszudrücken, dass die Leute auch wissen, um
Wo treten aus ihrer Sicht die meisten Streitigkeiten in den Familien-
Da ist es oft so, dass das persönliche Miteinander in den Familien in
beliebtheit von Juristen. Die Hauptgründe dafür sind, dass sich die
was es geht. Im Gesellschaftsrecht geht das noch, aber im Hypothe-
unternehmensstrukturen auf?
Schwierigkeiten endet. So treten zwischen Brüdern oft schwer lös-
Juristen an gesetzliche Regelungen gebunden fühlen, die zum Teil
kenrecht oder Bankrecht sieht das schon ganz anders aus. Und der
Das sind Fragen der grundsätzlichen unternehmerischen Konzepti-
bare Konflikte auf.
aus früherer Zeit stammen. Wir sind ja gehalten, Gesetz und Recht
dritte Grund ist, dass die Juristen in der Universität und später auch in
anzuwenden. Vertragsregelungen, die echte Umgehungen sind, dür-
der Praxis eingetrichtert bekommen, dass das, was wir sagen, richtig
ausreicht, sondern etwa eine qualifizierte Mehrheit erforderlich ist.
on, Ausrichtung und Strategie. Nehmen wir ein Beispiel zum Thema
Strategie bei der Produktpalette: bei alkoholfreiem Bier, haben die
Wie kommt man aus dieser Situation heraus?
fen wir nicht mitmachen, und das tun die meisten auch nicht. Der
ist und steht, also nicht anzugreifen ist. Wenn ich eine Sache vorbe-
Leute aus der Brauereiindustrie lange überlegt, ob sie sich daran be-
Da hilft nur eine mittlere Katastrophe. Das habe ich schon einmal
andere Grund ist natürlich die juristische Sprache. Sie ist schwierig zu
reitet und die herrschenden Meinungen hinter mir habe, dann lasse ich
teiligen sollen. Da kann es schon mal Meinungsverschiedenheiten
gehabt, da hatte ich ein Gespräch mit einem älteren Herren, der nach
verstehen, und wir haben nicht alle die Befähigung, uns in juristisch
mich davon nicht abbringen, sondern dann sage ich: „Das ist halt so“.
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UnternehmerCircle 03 I 2015
UnternehmerCircle 03 I 2015
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Aktuelle Rechtslage
Im Gespräch
Was sind die Gründe, Juristen zu mögen?
Die Beliebtheit der Juristen kann sich daraus ergeben, dass die Juristen gelernt haben und eingebläut
bekommen, dass sie bitte auf den Einzelfall eingehen
Rechtzeitige Vorbereitung
der Unternehmensübertragung
sollen. Dass sie sich mit den Leuten unterhalten und
versuchen, den Einzelfall zu ergründen und nicht
alles nur unter abstrakten Gesichtspunkten sehen.
Dr. Dieter Spranz
Das ist das eine, und das andere ist, dass die Juristen
bereit sind, sich mit den Juristen der Gegenseite
zu unterhalten. Anwälte, die etwas taugen, fangen
nicht gleich an, das Kriegsbeil auszugraben, sondern
gehen aufeinander zu und diskutieren, weil sie ganz
genau wissen, wenn sie sich streiten, müssen sie
spätestens bei Gericht mit produktiven Lösungsvorschlägen kommen. Da ist es besser, sich gleich zu
einigen. Die Kompromissbereitschaft bei guten Anwälten ist relativ groß, weil sie an bestimmte Dinge
gebunden sind, und das ist der andere natürlich
auch. Der andere kommt nicht und mutet mir etwas
zu, von dem er ganz genau weiß, dass es nicht geht.
Ich habe auch mal gesagt „Unter den Juristen ist
„Unter den Juristen ist der Jurist
beliebt“
der Jurist beliebt.“ Das war im Wesentlichen immer an meine Frau
gerichtet, die sich immer ärgert, wenn ich mit anderen Juristen zusammen bin und nur über Juristerei geredet wird. Das ist vielleicht
auch der Grund, weshalb wir uns gern mit Unseresgleichen unter-
Es gibt dazu im Rosenkavalier von Richard Strauß von Hofmannsthal
halten (lacht).
eine Szene, die das sehr treffend beschreibt, in der der Notar nicht
bereit ist, die Morgengabe anders als vorgeschrieben zu regeln.
Vielen Dank für unser Gespräch.
Im Lebenszyklus eines jeden Unternehmers stellt sich einmal (oder
eignis. Das Unternehmen kann in Folge der Übertragung beispielsweise
möglicherweise mehrmals) die Frage, ob und wann er sein Unterneh-
eine neue Geschäftsführung erhalten und in verschiedener Hinsicht neu
men zur Gänze oder teilweise übertragen soll. Die Motivation dieser
ausgerichtet werden, wie etwa durch Schließung von Standorten zur Nut-
Überlegung kann auf verschiedene Ursachen zurückgehen und ist von
zung von Synergien, Integration in andere Organisations- oder Produkti-
den individuellen Umständen abhängig. Treibende Faktoren können
onsstrukturen, Prozessoptimierungen oder die Erschließung neuer Märkte
zum einen auf Ebene des Unternehmens zum anderen auf jener des
bzw. Gewinnung neuer Kunden. Der Eigentümer begibt sich mit der Über-
Eigentümers angesiedelt sein. Auf Unternehmensebene kommen bei-
tragung zum einen eines (mitunter wesentlichen) Vermögenswertes und
spielsweise Wachstumserfordernisse, die nicht aus eigenen finanziel-
einer Einkommensquelle, zum anderen trennt er sich von einem Gefüge,
len Mittel gestemmt werden können, der Wunsch nach Eigenkapital-
mit dem er möglicherweise über die Vermögensaspekte hinaus in emotio-
zufuhr durch einen neuen Mitgesellschafter oder Konsolidierungsdruck
naler, sozialer und gesellschaftlicher Hinsicht verbunden ist. Das zentrale
aufgrund von Marktgegebenheiten, die eine Verbindung mit einem
Interesse des übertragenden Eigentümers wird (oder sollte) es sein, diese
anderen Unternehmen und damit eine gänzliche oder teilweise Über-
Werte im Zuge der Übertragung möglichst zu optimieren.
tragung notwendig machen, in Frage. Im Eigentümerbereich können
die Gründe einer solchen Übertragung(süberlegung) von persönlicher
Die erhebliche Tragweite einer Unternehmensübertragung drängt so-
Neuorientierung, über das Fehlen eines Nachfolgers bis hin zu einer
mit die Frage auf, wann mit den erforderlichen Vorbereitungen idea-
schweren Krankheit oder dem Tod der zentralen Unternehmerpersön-
lerweise begonnen werden soll. Schon aufgrund der großen Bandbreite
lichkeit oder des prospektiven Nachfolgers reichen.
an unterschiedlichen Situationen von Unternehmen und Eigentümern
kann die Frage der Rechtzeitigkeit nicht einfach anhand einer «Zau-
Lebenslauf em. Univ.-Prof. Dr. Harm Peter Westermann
Harm Peter Westermann studierte Rechtswissenschaft an den Universitäten Münster, Paris und Wien. Promotion zum Dr. jur. an
der Universität zu Köln. 1969 habilitierte er sich bei Walter Erman zum Thema „Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht
der Personengesellschaften.“ Es folgten Lehrtätigkeiten an den Universitäten Göttingen, Köln und Bielefeld. 1984 wechselte er
an die Freie Universität Berlin. 1989 nahm er schließlich einen Ruf an die Eberhard-Karls-Universität Tübingen an, wo er bis
zu seiner Emeritierung tätig war. Seine wissenschaftliche Tätigkeit widmet Westermann in erster Linie dem Gesellschaftsrecht.
Daneben ist Westermann Herausgeber und Mitautor an mehreren Kommentaren zum Bürgerlichen Gesetzbuch und Autor mehrerer zivilrechtlicher Lehrbücher.
24
UnternehmerCircle 03 I 2015
In aller Regel ist daher eine Unternehmensübertragung weniger eine
berformel» beantwortet werden, sondern man kann sich ihr nur über
Frage des „ob“, als eine Frage des „wann“, auch wenn sich Unterneh-
die Beleuchtung einzelner relevanter Aspekte annähern, was im Fol-
merpersönlichkeiten dessen oftmals subjektiv nicht so bewusst wer-
genden mit besonderem Augenmerk auf die Eigenheiten von Familien-
den wollen. Eine Unternehmensübertragung kann einerseits von lan-
unternehmen versucht werden soll.
ger Hand geplant und gesteuert sein, sie kann aber andererseits sehr
plötzlich und unerwartet eintreten oder erforderlich werden. Gerade
im letzteren Fall besteht das Risiko, dass das Unternehmen oder dessen Eigentümer unter zeitlichen Druck gerät.
Unternehmensbewertung
Die Übertragung eines Unternehmens ist in aller Regel sowohl für das
Ein Unternehmen ist zunächst ein Vermögenswert und in vielen
Unternehmen selbst als auch für den Eigentümer ein einschneidendes Er-
Fällen die Grundlage der wirtschaftlichen Existenz des Eigentümers
UnternehmerCircle 03 I 2015
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Aktuelle Rechtslage
Aktuelle Rechtslage
bzw. der Eigentümerfamilie. Sein Wert kann durch Unternehmensbe-
Umweltrisiken und Marktgegebenheiten. Bei entsprechender Größe
wertung berechnet werden, beim Verkauf eines Unternehmens ent-
des Unternehmens kann es sich dabei um einen durchaus aufwendi-
spricht er aber letztlich genau dem Preis, den ein Käufer tatsächlich
gen Prozess unter Involvierung zahlreicher Berater handeln, in dem
zahlt. Sowohl ein Käufer als auch ein bewertender Wirtschaftstreu-
Informationen systematisch mittels umfangreicher Anforderungs-
händer bedient sich – mit wenigen Ausnahmen - einer Bewertungs-
und Fragenlisten erhoben werden. Die Offenlegung der relevanten
methode, die den nachhaltigen Ertrag des Unternehmens zu Grunde
Dokumente und Informationen erfolgt nach heute üblichen Stan-
legt. Der auf diese Art berechnete Unternehmenswert kann erheblich
dards durch Einstellen in einen elektronischen Datenraum. Die Vor-
vom Preis abweichen, der am Markt für das Unternehmen erzielt
bereitung eines solchen Datenraums kann vor allem dann erheblich
werden könnte, und zwar sowohl nach oben als auch nach unten.
Zeit und Aufwand in Anspruch nehmen, wenn nicht sämtliche Unter-
Ohne hier auf die vielschichtigen Aspekte der Unternehmensbewer-
lagen im Unternehmen „auf Knopfdruck“ verfügbar sind.
tung einzugehen, soll hervorgehoben werden, dass jegliche Kosten-
Aus Sicht des Verkäufers ist die solide Vorbereitung der Offenlegun-
und sonstige Aufwandsposition eines Unternehmens nachteilig auf
gen in mehrfacher Hinsicht bedeutend. Zunächst kann in der Vor-
die Bewertung durchlagen kann. So können sich beispielweise jährli-
bereitung noch geprüft werden, ob Problembereiche bestehen und
che Kosten in Höhe von e 100.000 bei entsprechender Bewertungs-
deren Bereinigung aktiv angegangen werden. Wenn solche Probleme
methodik mit gut e 600.000 negativ auf den Unternehmenswert
erst im Zuge der Prüfung durch die Kaufinteressenten bewusst wer-
auswirken. Vor diesem Hintergrund sollten Kosten- und Aufwands-
den und saniert werden müssen (wie es praktisch leider oft der Fall
positionen, die entweder nach der Übertragung ihrer Art nach nicht
ist), drohen nachteilige Auswirkungen auf den Verkaufsprozess, ins-
mehr anfallen oder die nicht unbedingt erforderlich sind, sondern
besondere in zeitlicher aber auch atmosphärischer Hinsicht. Die mög-
vom Unternehmer eher „geduldet“ werden, entweder rechtzeitig
lichen Insuffizienzen sind weitreichend und umfassen beispielsweise
eliminiert oder zumindest genau identifiziert werden, um sie in die
unvollständige behördliche Genehmigungen, fehlerhafter Eintragun-
Bewertungsüberlegungen einbringen zu können. Insbesondere soll-
gen in öffentlichen Registern (Firmenbuch, Grundbuch, Gewerbere-
ten mögliche Verflechtungen zwischen privaten und betrieblichen
gister), wesentliche Geschäftsbeziehungen, deren Grundlagen nicht
Bereichen kritisch durchleuchtet und frühzeitig aufgelöst werden.
schriftlich dokumentiert sind, abgelaufene Vertragsdauern und Be-
Aufgrund all dieser Aspekte sollte man sich zu einem frühen Zeit-
stimmungen in Verträgen, die im Fall eines Eigentümerwechsels dem
punkt über die für das Unternehmen wahrscheinlich relevanten Be-
Vertragspartner ein vorzeitiges Kündigungsrecht einräumen.
wertungsansätze ein realistisches Bild machen, um sämtliche, auch
hier nicht genannte, diesbezüglich maßgebliche Faktoren rechtzeitig
Die Offenlegung aller Dokumente und Informationen über das Unter-
zu berücksichtigen. Je früher derartige Positionen optimiert werden,
nehmen ist aber auch aus verhandlungstechnischer Sicht essentiell.
desto weniger fallen sie bei der Übertragung nachteilig ins Gewicht
Im Regelfall werden nämlich Gewährleistungen für dem Käufer be-
und desto weniger läuft die Optimierung Gefahr, in den Verkaufs-
kannte Umstände vertraglich ausgeschlossen, womit das Haftungs-
verhandlungen als Versuch eines „dressing up the bride“ qualifiziert
potential des Verkäufers ganz erheblich reduziert werden kann. So-
zu werden.
weit risikoträchtige Geschäfte oder Strukturen (etwa in steuerlicher
Hinsicht) bekannt sind, ist es allerdings ratsam, diese nicht nur offenzulegen, sondern möglichst schon frühzeitig zu lösen oder zu mi-
Due Diligence
nimieren, da andernfalls damit zu rechnen ist, dass von Käuferseite
spezielle Haftungen gefordert werden.
Insbesondere der Übertragung eines Unternehmens durch Verkauf an
Im Hinblick auf die Due-Diligence-Prüfung ist es daher empfehlens-
einen Dritten geht nach heutigen Standards eine sogenannte „Due
wert, möglichst frühzeitig ein inhaltliches und organisatorisches Do-
Diligence“ des Käufers voraus, also eine Prüfung des Unternehmens
kumentenmanagement einzuführen, das alle relevanten Dokumente,
unter finanziellen, wirtschaftlichen, technischen, steuerlichen und
Unterlagen und Informationen umfasst und laufend aktualisiert wird.
rechtlichen Gesichtspunkten sowie allenfalls auch eine Prüfung von
Unter diesen Aspekten ist es ebenso empfehlenswert, im Rahmen
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UnternehmerCircle 03 I 2015
des gesetzlich vorgeschrieben internen Kontrollsystems bzw. über
chen Lebensplanung des Unternehmens steht. Ebenso kommt es zu
dieses hinaus auch die wesentlichen Prozesse des Unternehmens in
Situationen, in denen sich der veräußernde Unternehmer Einfluss-
einem Prozesshandbuch zu dokumentieren und ein entsprechendes
möglichkeiten vorbehalten möchte, die bei einem Käufer nicht oder
Prozessmanagement einzuführen und aufrecht zu erhalten.
nur mit erheblichen Wertabschlägen durchgesetzt werden können.
Gerade Familienunternehmen stehen in diesem Zusammenhang
aufgrund der Beschäftigung bzw. der Involvierung zahlreicher Fa-
Management und Schlüsselpersonal
milienmitglieder in das Unternehmen vor besonderen Herausforderungen, die aufgrund der Verlagerung persönlicher oder familiärer
Konflikte auf die Unternehmensebene letztlich existenzbedrohende
Das Management (Geschäftsführung und/oder Schlüsselpersonal)
Dimensionen annehmen können.
spielt für den Erfolg eines Unternehmens üblicherweise eine zentrale Rolle. Kontinuität des Managements nach einer Unterneh-
Die Besetzung und Organisation des Managements eines Unterneh-
mensübertragung kann auch wesentlich zum Unternehmenswert
mens ist eine Frage der grundsätzlichen Strategie des Eigentümers
beitragen, insbesondere wenn das Management Träger von spezi-
und damit des Unternehmens selbst. Diese strategische Entschei-
ellem Know-How oder Anknüpfungspunkt der Kundenbeziehungen
dung hat verschiedenste individuelle Aspekte zu berücksichti-
ist. Typischerweise legen etwa Private-Equity-Investoren Wert auf
gen, die aufgrund der Komplexität in diesem Rahmen nicht näher
das Bestehen und die langfristige Incentivierung eines erfahrenen
ausgeführt werden können. Jedenfalls spricht vieles dafür, in die
und erfolgreichen Managementteams. Es gibt jedoch auch Situa-
Strukturierung des Managements eines Unternehmens möglichst
tionen, in denen das bestehende Management für die Übertragung
frühzeitig auch die Aspekte einer möglichen zukünftigen Unter-
des Unternehmens eine untergeordnete Rolle spielt, so zum Bei-
nehmensübertragung einfließen zu lassen.
spiel wenn der Übernehmer ein Mitbewerber ist, der über eigene
qualifizierte Managementstrukturen verfügt. Neben dem Erwerber
kann auch der veräußernde Unternehmer konkrete Vorstellungen
haben, ob und in welcher Form er und/oder ihm nahestehende bzw.
Strukturierung
von ihm geschätzte Personen auch nach Abschluss der Transaktion
weiter für das Unternehmen tätig sein sollen. Diese Präferenzen
Ein weiterer wesentlicher Aspekt der Vorbereitung einer Unterneh-
können, müssen aber nicht zwingend mit den Interessen möglicher
mensübertragung ist die richtige Strukturierung der Transaktion.
Erwerber kongruent sein.
Auch hier betritt man ein vielschichtiges Themengebiet, das unter
anderen investitionstechnische, organisatorische, steuerliche und
Dementsprechend finden sich zahlreiche Varianten und Formen der
erbrechtliche Fragen umfasst. Wiederum wird die optimale Struk-
Organisation des Managements im Zuge einer Unternehmensüber-
tur von den Umständen des Einzelfalls abhängen und mitunter eine
tragung, die von Weiterbeschäftigung des bestehenden Manage-
gewisse Komplexität mit sich bringen. Auf Ebene des Unternehmens
ments, auch in befristeten oder dauerhaften Konsulentenpositio-
könnte sich beispielsweise die Frage stellen, ob Liegenschaften he-
nen, über die Ergänzung des bestehenden Managements bis hin
rausgelöst, zurückbehalten und (an das übertragene Unternehmen)
zum teilweisen bzw. gänzlichen Austausch von Mitgliedern des
vermietet werden sollen. Wenn nur eine teilweise Übertragung des
Managements reichen. Die für einen Unternehmer oder ein Unter-
Unternehmens erfolgen soll, sind die jeweiligen Mitspracherechte,
nehmen ideale Variante wird sich letztlich nur in der Gesamtschau
Verantwortlichkeiten und sonstigen Rechte in Gesellschaftsverträ-
der konkreten Umstände unter sorgfältiger Evaluierung der unter-
gen und Gesellschaftervereinbarungen zu regeln. Bei der Übertra-
schiedlichen Faktoren eruieren lassen, wobei sich mitunter Span-
gung an Erben sind Pflichtteilsansprüche zu berücksichtigen. Der
nungsverhältnisse ergeben. So gibt es Fälle, in denen ein deutlich
Verkauf des Unternehmens oder von Unternehmensanteilen zieht
höherer Kaufpreis erzielt werden könnte, wenn der Unternehmer
je nach Strukturierung unterschiedliche steuerliche Konsequenzen
eine verantwortliche Involvierung für einen bestimmten Mindest-
nach sich, die genau analysiert werden sollten und bei denen mög-
zeitraum zusichern würde, dies aber im Gegensatz zur persönli-
licherweise auch zeitliche Fristen eine Rolle spielen.
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27
Aktuelle Rechtslage
Fazit
Steuerrechtliche Relevanz
Thema der Übertragung ihres Unternehmens, insbesondere wenn
Betriebsaufspaltung als Alternative in
der Unternehmensnachfolge
sich auf dem absehbaren Horizont kein Übertragungsszenario konkret abzeichnet. Wie erwähnt, können aber diverse externe Fakto-
Die Übertragung eines Unternehmens betrifft zahlreiche Aspekte,
ren außerhalb der Kontrolle des Unternehmers sehr kurzfristig eine
die über den bloßen Übertragungsakt hinausgehen und sich positiv
Übertragung des Unternehmens bewirken oder erforderlich machen.
oder negativ auf den Transaktionsverlauf und insbesondere auf den
Die rechtzeitige Planung und Vorbereitung der Übertragung des ei-
bei einem Verkauf erzielbaren Preis auswirken können. Viele dieser
genen Unternehmens reduzieren das Risiko, unter zeitlichem Druck
Aspekte bedürfen für ihre Optimierung sorgfältiger Überlegung und
Handlungen zu setzen, deren nachteilige Folgen bei längerer Vorbe-
können eine langfristige Vorbereitung erforderlich machen. Erfolg-
reitungszeit vermeidbar gewesen wären, und sind damit Teil eines
reiche Unternehmer wenden ihren vollen Einsatz für ihr Unterneh-
verantwortungsvollen Risikomanagements in Bezug auf den Erhalt
men und dessen Tagesgeschäft auf und legen wenig Fokus auf das
sowie die Realisierung des Wertes eines Unternehmens.
Dr. Eugen Strimitzer, WP/StB
Familienunternehmens von den Betriebsliegenschaften zu trennen.
Einleitung
Die Überlegungen hinter einer solchen Betriebsaufspaltung bestehen darin, über die zukünftige Vermietung bzw. Verpachtung der
Betriebsliegenschaften an das operativ tätige Familienunternehmen
Unternehmensübergaben – sei es im Familienkreis oder auch an Externe
(Betriebsgesellschaft) laufende Erträge in der Besitzgesellschaft zu
– stellen in unterschiedlichen Bereichen vielfältigste Herausforderungen
generieren, die in weiterer Folge den Gesellschaftern der Besitzge-
an alle Beteiligte. Dies erfordert eine sorgfältige und rechtzeitige Nach-
sellschaft zukommen können. Im Gegenzug kann jenem Nachkom-
folgeplanung. Häufig ist die Sicherung des Fortbestandes des Familien-
men, der das Familienunternehmen operativ fortführt, eine Allein–
unternehmens – oft verbunden mit dem Wunsch der Altersversorgung
oder bedeutende Mehrheitsgesellschafterstellung im operativen
des Übergebers – das vorrangige Ziel einer Unternehmensnachfolge.
Unter­nehmen eingeräumt und so dessen Einflussmöglichkeit auf die
Stehen keine familieninternen Nachfolger zur Verfügung, ist auch ein
Unternehmensführung gesichert werden.
Verkauf an einen Dritten in Erwägung zu ziehen.
Lebenslauf Dr. Dieter Spranz
Dr. Dieter Spranz ist Partner der Wirtschaftsanwaltssozietät WOLF THEISS Rechtsanwälte GmbH & Co KG und auf Mergers &
Acquisitions und Unternehmensrecht spezialisiert. Er übt Aufsichtsrats- und Beiratsfunktionen in diversen Unternehmen
aus und ist Stiftungsvorstand in einigen Privatstiftungen.
www.wolftheiss.com
28
UnternehmerCircle 03 I 2015
Im Rahmen des 3. Familienunternehmertages im Stift Göttweig Anfang
Eine Betriebsaufspaltung kann auch eine Gestaltungsalternative zur
Mai 2015 waren unter anderem die Erbrechtsnovelle 2015 und deren
Reduktion der Pflichtteilsansprüche sein, wenn aufgrund der Bewer-
Auswirkungen auf Unternehmensnachfolgen ein Themenschwerpunkt
tung des Familienunternehmens die Höhe der Abgeltung der abzu-
der Veranstaltung. Im Rahmen eines Fallbeispiels hat sich gezeigt, dass
findenden Pflichtteilsberechtigten eine Übernahme des Familienun-
Fragen der Berechnung und Finanzierung bestehender Pflichtteilsan-
ternehmens durch einen Erben nicht mehr wirtschaftlich erscheinen
sprüche, auch wenn die Novelle hier Erleichterungen wie beispielsweise
lassen. Durch die Verminderung der Unternehmenssubstanz und des
Stundungsmöglichkeiten vorsieht, die Unternehmensfortführung durch
zukünftigen Ertragswerts des Unternehmens durch die Miet- bzw.
eine(n) Nachfolger(in) als wirtschaftlich riskant und im Hinblick auf das
Pachtzahlungen an die Besitzgesellschaft kann eine gleichmäßigere
eigene Einkommen unattraktiv erscheinen lassen kann. Eine Betriebs-
Aufteilung des Familienvermögens erfolgen. Aber auch in Fällen des
aufspaltung kann hier eine Gestaltungsalternative zur Reduktion der
Fehlens eines(r) geeigneten Nachfolgers(in) in der Familie kann eine
Pflichtteilsansprüche sein.
Betriebsaufspaltung als Vorbereitung eines Unternehmensverkaufes
dienen, wenn der Veräußerer die Betriebsliegenschaft im Familien­
besitz halten und aus deren Ertrag eine Altersversorgung sichern will.
Betriebsaufspaltung
Die konkrete Umsetzung der Betriebsaufspaltung hängt von der individuellen Ausgangssituation des Familienunternehmens ab, aus
Das Konzept einer Betriebsaufspaltung zur Vorbereitung einer Un-
denen sich insbesondere unterschiedliche steuerliche Wirkungen
ternehmensnachfolge besteht darin, den operativen Betrieb des
ergeben können.
UnternehmerCircle 03 I 2015
29
Steuerrechtliche Relevanz
Steuerrechtliche Relevanz
Beispiel 1: Gesellschaft mit beschränkter Haftung
einer Betriebsaufspaltung mit Ihrem Rechtsberater anzuraten. Die
Betriebsgesellschaft nicht zu gefährden und andererseits eine
Kommt es im Zuge einer nicht verhältiswahrenden Spaltung zu
Betriebsübertragung erfolgt vereinfacht gesprochen dadurch, dass der
ausreichende Ertragskraft der Besitzgesellschaft zu erreichen.
Ausgleichszahlungen zwischen den Gesellschaftern, gilt dies so-
Besteht das Familienunternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesell-
gesamte Betrieb mit Ausnahmen der Liegenschaften und Gebäude sowie
Schließlich ist zu beachten, dass in der Besitzgesellschaft ne-
lange, als die Ausgleichszahlung nicht höher als ein Drittel des ge-
schaft (beispielsweise GmbH) kann eine Betriebsaufspaltung durch Ab-
allfälliger zugehöriger Verbindlichkeiten, die in der Besitzgesellschaft
ben Ausschüttungen an deren Gesellschafter die erforderlichen
meinen Wertes der empfangenen Anteile ist. Der Erhalt der Zahlung
spaltung des operativen Betriebs zur Neugründung oder Aufnahme nach
zurückbehalten werden, übertragen wird. Im konkreten Fall kann die
Instandsetzungen und Instandhaltungen zur Werterhaltung der
selbst ist jedoch steuerpflichtig.
dem Spaltungsgesetz und unter Anwendung der steuerlichen Begüns-
Aufteilung des Vermögens natürlich individuell gestaltet und optimiert
Liegenschaften, gegebenenfalls auch Kreditrückführungen, vorge-
tigungen des Art. VI UmgrStG erfolgen. Um die Voraussetzungen dieser
werden. Dies sollte in einem strukturierten Planungsprozess erfolgen.
nommen werden können.
Beispiel 2: Kommanditgesellschaft
steuerlichen Begünstigungen zu erfüllen, muss der operative Betrieb der
Familiengesellschaft in eine neue Gesellschaft (Schwestergesellschaft)
Entscheidende Bedeutung im Hinblick auf die Unternehmensnach-
Einen weiteren Punkt, der bereits im Vorfeld in die Überlegungen
abgespalten werden, die entweder durch Abspaltung neu oder kurz zuvor
folge kommt der zukünftigen Gestaltung der Gesellschafterverhält-
einfließen sollte, stellen zukünftige Erweiterungsinvestitionen dar.
Wird das Familienunternehmen in der Rechtsform einer Personen-
als Mantelgesellschaft bar gegründet wird.
nisse an Besitz- und Betriebsgesellschaft zu. Die Spaltung kann
Im Hinblick auf die Ausgestaltung der Gesellschafterverhältnisse
gesellschaft, typischerweise einer Kommanditgesellschaft bzw.
entweder verhältniswahrend oder nicht verhältniswah-
ist darauf Bedacht zu nehmen, dass durch die Mehrheitsverhältnis-
GmbH & Co KG, geführt, kann die Betriebsaufspaltung durch Ein-
rend bis entflechtend erfolgen. Eine verhältniswahren-
se an der Besitzgesellschaft sinnvolle Instandhaltungen und Erwei-
bringung des Betriebes in eine Kapitalgesellschaft unter Zurückbe-
de Spaltung bedeutet, dass die Gesellschafter der spal-
terungsinvestitionen nicht mutwillig blockiert werden können. Da
haltung der Betriebsliegenschaft sowie allfälliger Verbindlichkeiten
tenden Gesellschaft nach der Spaltung an Besitz- und
unterschiedliche Anteils- bzw. Besitzverhältnissen an Besitz- und
erfolgen. Die Betriebsliegenschaft bleibt in der Kommanditgesell-
Betriebsgesellschaft im selben Verhältnis beteiligt sind.
Betriebsgesellschaften zwangsläufig ein Konfliktpotential in sich
schaft zurück. Eine solche Gestaltung der Unternehmensnachfolge
Die konkrete Durchführung der Spaltung ist auch davon
tragen, sollten diesbezügliche Konfliktlösungsszenarien bereits im
bietet sich beispielsweise in Verbindung mit einem angestrebten
abhängig, ob die Spaltung noch unter dem Einfluss des
Vorfeld etabliert werden.
Rechtsformwechsel („Umwandlung der KG in eine GmbH“) an.
an die Spaltung die Gesellschaftsanteile an Besitz- und
Steuerliche Aspekte
Rechtliche und wirtschaftliche Aspekte
Betriebsgesellschaft unterschiedlich an die Nachfolger
Werden die Voraussetzungen des UmgrStG für eine steuerneutrale
Auch hier bestehen im Zuge der Einbringung bzw. nach der Ein-
bzw. Erben verteilt werden oder ob die Betriebsaufspal-
Spaltung eingehalten, kann die Betriebsübertragung unter Buch-
bringung unterschiedliche Möglichkeiten, die Anteilsverhältnisse
tung bereits nach erfolgter Übertragung der Anteile an
wertfortführung, dh ohne Aufdeckung und Versteuerung stiller Re-
zu gestalten. Soll die Betriebsgesellschaft (nur) vom potentiellen
den/die Unternehmensnachfolger(in) durchgeführt wird.
serven und eines Firmenwertes, erfolgen. Erforderlich ist hierfür,
Nachfolger(in) geführt werden, können diesem(r) nach der Einbrin-
Eine verhältniswahrende Betriebsaufspaltung noch un-
dass ein Betrieb im steuerlichen Sinn abgespalten wird. Dabei darf
gung die Gesellschaftsanteile an der GmbH unentgeltlich übertra-
ter der Herrschaft des Altgesellschafters bietet den Vor-
das Zurückbehalten von Anlagevermögen, das zum notwendigen
gen werden, während die Eltern weiterhin Gesellschafter der Lie-
teil, dass im Vorfeld der Spaltung keine aufwendigen
Betriebsvermögen gehört, die Eigenschaft des zu übertragenden
genschafts-KG bleiben und die Kommanditanteile zu einem späteren
Anteilsverschiebungen und allfällige Ausgleichszahlun-
Vermögens als Betrieb oder Teilbetrieb nicht verletzen. Nach Auf-
Zeitpunkt (auch) auf die übrigen Nachkommen verteilen. Die oben
gen ermittelt werden müssen und die Betriebsaufspal-
fassung der Finanzverwaltung kann eine Betriebsaufspaltung im
angeführten wirtschaftlichen Themenstellungen sind auch in diesem
tung gänzlich steuerneutral gehalten werden kann. Im
Wege des Zurückbehaltens des gesamten Anlagevermögens in der
Fall gleichartig zu berücksichtigen.
Hinblick auf die zukünftige Unternehmensnachfolge
Regel nicht unter die steuerlichen Begünstigungen fallen. Das Zu-
In rechtlicher Hinsicht unterscheidet sich die Betriebs-Einbringung von
und den verfolgten Zweck, den Ausgleich von Pflicht-
rückbehalten einzelner, zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen
der Spaltung dadurch, dass keine zivilrechtliche Gesamtrechtsnachfol-
Rechtliche und wirtschaftliche Aspekte
teilsansprüchen möglichst zu minimieren, wird an einer Bewer-
zählenden Anlagegüter, die nach der Spaltung der Betriebsgesell-
ge besteht. Dies erfordert unter Umständen eine gesonderte rechtliche
Die Betriebsübertragung erfolgt in zivilrechtlicher Gesamtrechts-
tung der zukünftigen Besitz- und Betriebsgesellschaft jedoch kein
schaft zur Nutzung überlassen werden, ist hingegen nicht begüns-
Betrachtung, weil die Vertragspartner über den Betriebsübergang in-
nachfolge, sodass der Übergang bestehender Rechtsgeschäfte und
Weg vorbeiführen.
tigungsschädlich, wobei hier in den Umgründungssteuerrichtlinien
formiert werden müssen und ein Widerspruchsrecht haben.
Vor Spaltung
Nach Spaltung
X
X
Operativer
Betrieb
X
Vermietung
Operativer
Betrieb
Unternehmensnachfolge
C
B
A
[D]
Vermietung
D
Operativer
Betrieb
Übergebers bzw. Erblassers erfolgt und erst im Anschluss
in erster Linie Betriebsliegenschaften angesprochen werden.
-verhältnisse in der Regel unproblematisch ist. Dennoch ist es emp-
Steuerliche Aspekte
fehlenswert, im Vorfeld der Spaltung die wesentlichsten Verträ-
Nicht zuletzt in diesem Zusammenhang kommt der Bemessung
ge und Kundenbeziehungen auf einen gesicherten Vertragsüber-
der zukünftigen Miet- bzw. Pachtzahlungen der Betriebs- an
Die Spaltung stellt keinen umsatzsteuerbaren (umsatzsteuerpflich-
Im Unterschied zur Spaltung einer Kapitalgesellschaft ist jedoch
gang oder das Bestehen von change-of-control-Klauseln hin zu
die Besitzgesellschaft besondere Bedeutung zu. Die Höhe die-
tigen) Vorgang dar und bis Jahresende kommt in aller Regel eine
zu beachten, dass die Zurückbehaltung der Betriebsliegenschaft
überprüfen. Vorsicht ist auch bei höchstpersönlichen Rechten der
ser Zahlungen hat maßgebenden Einfluss auf die zukünftigen
Befreiung von der Gesellschaftsteuer zur Anwendung (ab 1.1.2016
in aller Regel eine Entnahme aus dem Betriebsvermögen darstellt,
spaltenden Gesellschaft, wie beispielsweise Leitungsrechten oder
Cash-Flows und die Rentabilität sowohl der Betriebs- als auch
wird die Gesellschaftsteuer nicht mehr erhoben).
weil die Kommanditgesellschaft nach Betriebseinbringung durch
ähnlichem, geboten. Insbesondere in diesen Fällen, aber ganz ge-
der Besitzgesellschaft, sodass deren Festlegung besonderes Fein-
nerell ist im Vorfeld der Spaltung eine Abklärung der Auswirkungen
gefühl erfordert, um einerseits den unternehmerischen Erfolg der
30
UnternehmerCircle 03 I 2015
die Liegenschaftsverpachtung nur mehr vermögensverwaltend
Fällt die Abspaltung unter die Begünstigungen des UmgrStG, ist
tätig sein wird. Im Hinblick auf die stillen Reserven im Gebäude
auch der Anteilstausch auf Gesellschafterebene steuerneutral.
löst dies eine Entnahmebesteuerung in Höhe der 25%igen IESt
UnternehmerCircle 03 I 2015
31
UnternehmerServices
Steuerrechtliche Relevanz
Nach Einbringung
Vor Einbringung
Vater
Mutter
Vater
Mutter
Operativer
Betrieb
Vater
Vermietung
Die Stiftung 2.0 – Umsetzung
unternehmerischer Anforderungen
an Stiftungen nach Ableben des
Stifters und in Familienholdings
Mutter
Operativer
Betrieb
Dr. Andreas Gratzl
Unternehmensnachfolge
N1
N2
N1
N3
bringung in Form des sog. Anwachsungsmodells erfolgen, bei dem die
Der Boom der Stiftungsgründungen ist zwar lange vorbei, die
Geschäftsführer einer Familienholding anzuwenden, wenn keine ge-
Kommanditanteile in eine GmbH (typischerweise die Komplementär
bestehenden Unternehmerstiftungen werden aber vielen Stif-
eigneten Nachfolger der Familie zur Verfügung stehen. Neben den
GmbH) eingebracht werden und das Vermögen der KG bei dieser an-
terfamilien aus heutiger Sicht noch die nächsten Jahrzehnte als
rechtlich definierten Aufgaben des Eigentümervertreters bei Unter-
wächst. Anschließend müsste dann die GmbH wie in Beispiel 1 darge-
Eigentümer ihrer Unternehmensstrukturen erhalten bleiben. Die
nehmen (GmbHG, AktG) kommen auf die Organe der Stiftung vor al-
stellt gespalten werden. Steuerlicher Nachteile wäre, dass jedenfalls
klassische Stiftungsvorstandsstruktur mit dem Steuerberater und
lem auch Aufgaben der langfristigen Entwicklung der Beteiligungs-
Grunderwerbsteuer im Zuge der Anwachsung anfällt.
dem Rechtsanwalt des Vertrauens sowie des besten Freundes mag
unternehmen, der richtigen Besetzung von Führungsorganen und
(ab 2016: 30%) aus. Grund und Boden kann hingegen zum Buch-
zwar in vielen Fällen eine zielführende Besetzung für einen noch
einer raschen Entscheidungsfindung zu. Kurz um, ein wesentlicher
wert entnommen werden. Hinsichtlich der steuerlichen Begüns-
lebenden und unternehmerisch tätigen Stifter bedeuten, die Frage
Teil der Aufgaben liegt auch in der aktiven Führung von unternehme-
tigungen der Einbringung kommen die gleichen Grundsätze wie
aber, wer nach dem Ableben des Stifters die aktive Eigentümerrolle
rischen Entscheidungen auf höchster Ebene und das nicht nur in Kri-
auch unternehmerisch, vor allem bei maßgeblichen oder vielfälti-
sensituationen, wo die Eigentümervertreter zu Sanierungskonzepten
gen Unternehmensbeteiligungen der Stiftung oder der Familie (z.B.
befragt werden und mitentscheiden müssen. Der Eigentümervertre-
Betriebsaufspaltungen können eine in steuerlicher Hinsicht attrak-
in einer Familien-Holding) wahrnehmen wird, bleibt oft unbeant-
ter sollte laufend die Geschäftsführung der Unternehmen(-sgruppe)
Betriebsliegenschaft mit Nutzungsüberlassung an die Betriebsge-
tive Alternative der Unternehmensnachfolge sein, vor allem dann,
wortet und unreflektiert.
zu einer aktiven Weiterentwicklung anspornen und diese aktiv bera-
sellschaft in der Regel unproblematisch.
wenn nicht alle Nachfolger in die Unternehmensfortführung einge-
Vermietung
Operativer
Betrieb
bei der Spaltung zur Anwendung, insbesondere darf durch die Zu-
Zusammenfassung
rückbehaltung des Anlagevermögens nicht die Betriebseigenschaft
gefährdet werden. Dies ist bei der Zurückbehaltung (bloß) der
Sollen die zivilrechtliche Gesamtrechtsnachfolge erreicht und die
steuerliche Entnahmebesteuerung vermieden werden, kann die Ein-
bunden sein sollen oder wollen. Dennoch verbleiben weiterhin Kon-
das nachhaltige Wachstum sollte ein wesentlicher Treiber und eine
fliktpotentiale im Zusammenspiel zwischen Besitz- und Betriebsge-
tung wesentliche Entscheidungen der Familie zuzuspielen, sofern
Zielsetzung der zukünftigen Eigentümervertreter sein. Dies umso
sellschaft, die einer vorausschauende Lösung bedürfen.
sich geeignete Nachfolger oder (wohl)wollende Familienmitglieder
mehr, da in den meisten Fällen die Familie, die von den Erträgen
finden. Finden sich diese Familienmitglieder aber nicht oder werden
der Unternehmen bzw. des Vermögens erhalten werden soll, in der
diese Unternehmerpersönlichkeiten nicht gesehen oder möchte man
Anzahl der zu versorgenden Personen eher größer als kleiner wird. In
potentiellen Streit in der Privatsphäre durch eine zwischengeschal-
vielen Fällen definieren sich der Berater (schon aus seinem Berufsbild
tete Struktur (Zwischenholding) nicht näher an das Unternehmen
heraus) in Vorstandsfunktionen mehr als Verwalter als viel mehr in
heranführen, so sollte man sich doch intensiver mit der zukünftigen
einer proaktiven und der Wachstumsentwicklung des Unternehmens
Besetzung des Stiftungsvorstandes oder Vorstandes der Familienhol-
orientierten Rolle. Eine Kritik an den Beratern ist daraus allerdings
ding auseinandersetzen. Die wesentlichsten Aspekte dieser Anpas-
nicht abzuleiten, es liegt alleine beim Stifter, klare Vorgaben zu
sungen möchte ich heute in meinem Artikel ausführen.
treffen, wie ein unternehmerischer Vorstand aussehen und zusam-
Lebenslauf Dr. Eugen Strimitzer, WP/StB
Dr. Eugen Strimitzer ist Partner der KPMG Alpen-Treuhand Austria Gruppe. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen ua im Bereich
Konzern- und Umgründungssteuerrecht vor allem für Familienunternehmen. Er ist Mitglied im Fachsenat für Steuerrecht
der Kammer der Wirtschaftstreuhänder, Fachvortragender zu steuerlichen Themen wie Umgründungen und Unternehmensnachfolge sowie Autor zahlreicher Fachpublikationen.
www.kpmg.at
32
UnternehmerCircle 03 I 2015
tend begleiten. Nicht der Unternehmenserhalt alleine sondern auch
Nun gibt es die Möglichkeit, durch Zwischenholdings unter der Stif-
mengesetzt sein sollte. Und in vielen Fällen sollte dieser Vorstand
Im Folgenden werde ich von Stiftungsvorständen sprechen, sinnge-
vollkommen anders aussehen, als jener, der heute die unternehmeri-
mäß sind aber die hier dargestellten Themen auch für Vorstände oder
schen Entscheidungen des Stifters formal korrekt umsetzt.
UnternehmerCircle 03 I 2015
33
UnternehmerServices
UnternehmerServices
in einem nie erprobten Schienennetz im Kreis fährt oder nie zum
aus meiner Tätigkeit in einer führenden Privatbank mitbringen
Ein weiterer Erfolgsfaktor für den langfristigen Erfolg des Stif-
Ziel des Stifters bzw. der Familie kommt. Die rechtzeitige Heran-
konnte. Obwohl in diesem Fall schon Einiges aus der Kriterienlis-
tungsvorstandes 2.0 liegt darin, dass der Stiftungsvorstand als
gehensweise ermöglicht dem Stifter auch noch eine Korrektur des
te erfüllt war, haben erst mit der Zeit intensive Gespräch mit dem
Führungsteam funktionieren muss, auch wenn nicht immer alle
Schienennetzes, wenn er sieht, dass sich bestimmte Regelungen in
Stifter zur Definition weiterer neuer Vorstandsmitgliedern zu ei-
Vorstände einer Meinung sind. Entscheidungen sollten von allen
der vom Stifter entkoppelten Praxis nicht bewähren oder anders
ner für diese Stiftung optimalen Lösung geführt. Ein wesentli-
Mitgliedern geschlossen getragen und verantwortet werden. Dazu
als von ihm vorgesehen interpretiert werden. Er hat auch noch
cher Punkt in der Auseinandersetzung war, welche Kompetenzen
zählt auch, dass Entscheidungen unter den gegebenen Rahmenbe-
Ein Thema, das leider immer wieder zu spät in Angriff genommen
die Möglichkeit, im Extremfall den Lokführer (Vorstand) auszu-
im Stiftungsvorstand selbst vorhanden sein sollten und welche
dingungen zeitnahe getroffen und umzusetzen sind.
wird und hinter dem vielfältige, meist emotionale Gründe stehen:
tauschen, wenn dieser nicht im Stande ist, die unternehmerische
auch extern beigezogen werden können. Relativ rasch kamen
ungern ändert man als Stifter etwas, was in der heutigen Kons-
Eigentümerrolle in der gewünschten Weise wahrzunehmen. Diese
wir zum Schluss, dass zwar steuerliches Basiswissen vorhanden
tellation für den bestehenden Stifter gut funktioniert, was lange
Möglichkeiten der praxisgerechten Gestaltung sollte der Stifter
sein sollte, aber z.B. steuerliche Fachkompetenz bei Bedarf auch
schon gut läuft oder wo man durch Veränderungen vielleicht das
nutzen, um wirklich nachhaltige Stiftungsrahmenbedingen für ak-
extern zugezogen werden kann und diese fachliche Kompetenz
Vertrauen der Stiftungsvorstände und Freunde riskiert, mit denen
tuelle und zukünftige Vorstände zu schaffen.
nicht notwendiger Weise im Vorstand abgebildet sein muss. Wir
Kurzer Exkurs – der optimale Zeitpunkt,
einen neuen Stiftungsvorstand auf den
Weg zu bringen
Exkurs: Bewusstsein der Nachhaltigkeit
von Stiftungsregeln und –besetzungen
man auch noch lange befreundet sein möchte, „nur“ weil man ein
entschieden uns, die Stiftung dennoch für interne Beratungen
neues, zukunftsorientiertes Setup umsetzen will. Oft denken Stif-
mit einer steuerlichen Kompetenz auszustatten, allerdings nicht
ter, dass man dazu immer noch später genug Zeit haben wird und
auf Entscheidungsebene (Vorstand) sondern in Form eines fami-
Einen kurzen Ausflug möchte ich der nicht immer bewussten
lienfremden Organs im Beirat, das zusätzlich einen familienneu-
Nachhaltigkeit von Besetzungen und Stiftungsregeln widmen. In
tralen Ausgleich im Beirat schaffen soll.
der Überarbeitung der Stiftungsdokumente für die Zeit der eigen-
schieben das Thema hinaus oder schenken ihm vielleicht auch zu
wenig Aufmerksamkeit. Aus meiner Erfahrung lautet die Empfehlung, den Nachfolgeprozess in der Stiftung im Rahmen des zeit-
Die optimale Besetzung eines unternehmerischen Stiftungsvorstandes
ständigen Führung der Stiftung durch den Vorstand neigt man oft
Im Stiftungsvorstand sollte auch Wissen zur Familie und den ein-
dazu, nur an ein Regelwerk für die aktuelle oder nächste Generati-
merrolle möglichst zeitnahe anzugehen. Der Stifter sollte noch die
Nicht selten verändern sich die Anforderungen an die Stiftungs-
zelnen Familienmitgliedern sowie deren Hintergründe und Verhält-
on zu denken. Die Mehrheit der österreichischen Stiftungen sollten
Möglichkeit und Zeit haben, die neuen Strukturen aufzusetzen,
vorstände nach dem Ableben des Stifters. Stiftungsvorstände
nisse zueinander und zum Stifter vorhanden sein, was durchaus
per Stiftungsurkunde und im Sinn des Gesetzgebers noch gut die
neue Regel festzulegen und die Erstbesetzung eines unternehme-
2.0 sollten eine unternehmerische Persönlichkeit mit gutem
auch im Rahmen der Interpretation des Stifterwillens später dien-
nächsten 80 (!) Jahre bestehen, entsprechend nachhaltig und mög-
risch ausgerichteten Stiftungsvorstandes zu steuern. Vor allem
Stiftungs-Know-How, gesundem Risikobewusstsein und mehr-
lich sein kann. Aber auch in Diskussionen mit dem Familienbeirat
lichst flexibel sollte auch das Regelwerk durchdacht sein. Wer weiß
aber auch ein Bild zu bekommen, ob die praktische Umsetzung
jähriger Erfahrung mitbringen. Sie sollten Generalisten sein, die
ist dieses Wissen wertvoll, da man potentielle Konflikte vermeiden
heute, wie die Welt in den nächsten Jahrzenten aussehen wird,
dann auch den Vorstellungen des Stifters entspricht.
auch mit Themen wie zum Beispiel Immobilien- und Wertpapier-
und effizienter zu einer Lösungsfindung gelangen kann.
was die nächsten zwei Generationen denken und was für sie wich-
gerechten Rückzuges des Stifters aus seiner operativen Unterneh-
vermögens-Management aus der Praxis vertraut sind. Umfas-
tig sein wird, vor allem aber, wie dann der Stifterwille in diesem
Ich vergleiche das gerne mit einem Zug, bei dem der Planer
sende Kenntnis des Familienumfeldes gepaart mit hoher sozia-
Als dritter Punkt spielt die Art der Geschäftstätigkeit der Unter-
Kontext zu interpretieren sein wird. Daraus empfehle ich, so wenig
(=Stifter) des Schienennetzes (Stiftungsurkunden, Familienver-
ler Kompetenz sind weitere Zutaten und sie dürfen gesetzlich
nehmensgruppe eine wesentliche Rolle, was beispielsweise inter-
Regeln wie möglich aber so viele Regeln wie notwendig vorzuse-
fassungen, Geschäftsordnungen) indirekt über die umsetzenden
nicht den Begünstigten zuzuordnen sein. Ich bitte um Nachsicht,
nationale Fragestellungen im Rahmen der Expansion oder auch
hen. Aus der aktuellen Rechtsprechung wissen wir, dass der Stifter-
Vorstände auch gleichzeitig die Rolle des Lokführers ausübt, sein
sollte ich noch Anforderungen übersehen haben. Wie geht man
branchenspezifische Themen im Unternehmen betrifft. Dieses spe-
wille eine wesentliche Basis bei späteren Interpretationen darstellt.
Schienennetz daher gut kennt und weiß, wie er dieses optimal
mit der Umsetzung dieser umfassenden Anforderung um? Die
zifische Know-How empfiehlt sich sowohl auf der Wissens- als
Deshalb sollte dieser Wille sehr klar in den Urkunden formuliert
nutzen kann. Auch wenn er plötzlich feststellt, dass Schienen-
gute Nachricht: es gibt zumindest drei Stiftungsvorstände, auf
auch der Erfahrungsseite im Vorstand abzudecken.
werden, allerdings ohne zu sehr auf heutige Anhaltpunkte Bezug
abschnitte fehlen, kann der Stifter als Lokführer diese schnell in
die diese umfassenden Anforderungen verteilt werden können,
seinem Sinn ergänzen oder Weichen (Entscheidungen) anders stel-
die schlechte: das vereinfacht die Aufgabenstellung nicht unbe-
Bei Mandatsbeginn der neuen Vorstände sollte die Rollenvertei-
kommen anders aussehen können. Aktuell gültige Elemente sollten
len. Ob ein fremder Lokführer allerdings im Stande wäre, ohne
dingt, da neben einem unternehmerischen Vorstand auch die an-
lung zwischen den Vorständen klar abgestimmt und festgelegt
daher dynamisch anpassbar, weniger in der Stiftungsurkunde oder
die Hintergründe des Netzwerksplaners zu kennen und ohne Hin-
deren Vorstände die unternehmerischen Entscheidungen mittra-
werden, damit es später in falschem Rollenverständnis nicht zu
Zusatzurkunde sondern vielmehr in Geschäftsordnungen, ergän-
weistafeln den Zug genauso erfolgreich zu steuern wie der Stifter,
gen müssen. Ich selbst hatte eine ähnliche Herausforderung, eine
Konflikten im Vorstand selbst kommen kann. Dazu gehören auch
zenden Richtlinien oder Regeln festgehalten werden, die zeitge-
ist fraglich. Diesen Praxistest sollte der Stifter noch zu Lebzeiten
möglichst optimale Vorstandszusammensetzung mit dem Stifter
Themen der Rollenabgrenzung zwischen Vorstand und dem even-
mäß durch den Familienbeirat in Mehr-, qualifizierter Mehr- oder
absolvieren. Der Stifter sollte verfolgen, ob die von ihm ausge-
einer Unternehmerstiftung zu finden, wobei mein Vorteil bereits
tuellen Wunsch nach zusätzlichen Leistungen, die nicht zum
Einstimmigkeit anpassbar sind.
wählten Stiftungsvorstände auch alleine in seinem Schienennetz
war, dass ich über viele Jahre unternehmerische Erfahrung aus
eigentlichen Vorstandsmandat gehören. Ein Beispiel sind bera-
die Geschicke in seinem Interesse bewältigen können und er sollte
Führungspositionen in der Industrie und internationalen Fami-
tende Zusatzleistungen für die Stiftung, bei denen allerdings das
Ich hoffe, dass ich Ihnen ein paar Anhaltspunkte aufzeigen konn-
nicht selbst bis zum Umfallen die Rolle des Lokführers ausfüllen;
lienunternehmen neben meiner Bankerfahrung, Know-How im
Risiko von potentiellen Interessenskonflikten und der In-Sich-
te, die sich ein Stifter und Unternehmer bei der Überarbeitung
im zweiten Fall, ob der Zug ungewiss nach dem Tod des Stifters
Immobilienbereich und in der Arbeit mit Unternehmerfamilien
Geschäfts-Thematik nicht zu vernachlässigen sind.
seiner Stiftungsurkunde für die Zukunft überlegen sollte. Es gibt
34
UnternehmerCircle 03 I 2015
zu nehmen, welche bereits in einigen Jahren schon wieder voll-
UnternehmerCircle 03 I 2015
35
Im Gespräch
UnternehmerServices
aus meiner Erfahrung noch viele weitere Themen im Wandel der
Für die Formulierung der Überlegungen empfiehlt sich auf jeden
Stiftung vom Ursprungstyp hin zur Stiftung 2.0, um den zukünf-
Fall, einen erfahrenen Stiftungsanwalt beizuziehen. Wenn Sie In-
tigen unternehmerischen Herausforderungen gerecht zu werden,
teresse an der praktischen Umsetzung und einem Erfahrungsaus-
welche allerdings den Umfang dieses Artikels sprengen würden.
tausch haben, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Lebenslauf Dr. Andreas Gratzl
Dr. Andreas Gratzl war für die Kathrein UnternehmerServices verantwortlich, zuvor leitete er das deutschsprachige
Private Banking Geschäft der Bank. Neben einer fundierten Finanzausbildung verfügt er über breite Industrie- und
Führungserfahrung unter anderem in der Geschäftsleitung von Nespresso mit Verantwortlichkeit für Österreich, Ungarn
und Slovenien. Davor war er in führender Rolle bei internationalen Beratungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen
in der Schweiz, Österreich und Deutschland tätig. Er leitete sehr erfolgreich die Umstrukturierung eines führenden
Industrieunternehmens in Oberösterreich und begann seine Karriere bei Mondi im Konzerncontrolling. Er studierte Betriebswirtschaft und Wirtschaftsinformatik in Wien. Der Schwerpunkt seiner Dissertation lag in der Effizienz und Kostentransparenz von komplexen Wertpapierprodukten.
www.kathrein .at
36
UnternehmerCircle 03 I 2015
Gefühl, Gespür für die Menschen, für die
Mitarbeiter und fürs Geschäft. Ich glaube,
das ist das aller Wesentlichste.
Dr. Andreas Gratzl im Gespräch mit Dr. Kari Kapsch, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Kapsch
Gruppe, zu den Themen Familienunternehmen in der vierten Generation, Unternehmensnachfolge,
worauf es bei Fremdmanagern ankommt und dem „richtigen“ Übergabealter.
UnternehmerCircle 03 I 2015
37
Im Gespräch
Im Gespräch
Was war bisher das Erfolgsrezept des Unternehmenserhalts der
geben wurden, wenn es nicht mehr gepasst hat. Der Richtung sind
dass es danach eine Generation gab, die wirklich gern in das Un-
Kapsch Gruppe und der Unternehmensfortführung in der Familie seit
wir bis hin zur heutigen Telematik treu geblieben, wo wir eigentlich
ternehmen hineingegangen ist. Daher ist dieser Übergang eigentlich
Gründung im Jahr 1892?
erst 1990 gestartet sind. Eigentlich ein sehr junges Geschäft. Ich
von der vierten Generation getrieben worden.
Da werden Sie seit 1892 einen roten Faden in der Unternehmens-
glaube, diese Anpassungsfähigkeit des Unternehmens an die Märkte,
geschichte finden: Das ist das Treubleiben der Telekommunikation
schnell zu reagieren, nicht immer den ewigen gleichen Weg gehen,
Also war Ihr Vater gar nicht unglücklich, dass die junge Generation
auf der einen Seite, das heißt , alles was wir immer wieder gemacht
ist sicher eines der Erfolgsrezepte.
sehr großes Interesse am Unternehmen hatte?
Ja, so würde ich das sehen. Die beiden Brüder, also Georg und ich, wa-
haben, hat sich mehr oder weniger um dieses Kernthema gerankt.
Und auf der anderen Seite haben wir immer wieder rechtzeitig neue
Trotzdem ist es gelungen, die Kontinuität in der Familie zu erhalten.
ren sicher die, die wesentlich mehr in Richtung Unternehmen gedrängt
Trends, neue Technologien, neue Marktnischen, neue Kundenbedürf-
Gab es eine grundsätzliche implizierte oder explizite Regel, wie die
haben, als unsere Schwester. Sie arbeitet auch mit, hat aber nicht von
nisse aufgegriffen, sind rechtzeitig in die richtigen Themen ein- aber
Unternehmensnachfolge in der Vergangenheit in der Familie Kapsch
Anfang an so hineingedrängt, wie wir das haben. Das ist sicher der Un-
auch wieder rechtzeitig ausgestiegen, wenn wir gesehen haben, dass
geregelt wurde?
terschied, meinem Bruder und mir hat das bis zum heutigen Tag sicher
der Markt für uns nicht mehr rentabel ist. Wenn Sie sich unsere Ge-
Es fällt mir sehr schwer, diese Frage seriös zu beantworten, weil ich
mehr Spaß gemacht, auch wenn es Höhen und Tiefen gibt.
schichte anschauen, mit Beginn der ganzen Telegraphie, später dem
ehrlich gesagt nie wissen kann, was mein Urgroßvater zu dem Thema
Radio, nach dem 2. Weltkrieg Fernsehen, waren das immer wieder
gedacht hat. Dazu sind keine Dinge schriftlich erhalten. Ich kann
Und ist Ihre Schwester jetzt auch in operative Themen involviert?
Themen, die neu dazugekommen sind aber dann auch wieder abge-
Ihnen eigentlich nur sagen, wie der Übergang von der zweiten auf
Sie ist schon involviert, aber nicht in der Kapsch Gruppe. Es gab bei
die dritte und von der dritten auf die vierte Generation erfolgt ist.
uns die Trennung zwischen Betriebs- und Besitzgesellschaft und aus
Und natürlich war beim Übergang von der zweiten auf die dritte
dieser Besitzgesellschaft wurde dann die Kapsch-Immobiliengesell-
Generation noch ein bisschen dieses bäuerliche Denken dabei, dass
schaft. Wir nennen sie liebevollerweise die „KIM“, die „KIM“ hat hier
die Söhne erben dürfen, Gott sei Dank mehrere und nicht nur einer,
(Anm.: am Wienerberg) den ganzen Euro Plaza-Standort entwickelt.
also nicht nur der Älteste. Die Töchter wurden aber beinhart ausbe-
In diesem Unternehmen ist meine Schwester mit mir gemeinsam in
zahlt. Das war noch bis zur zweiten Generation der Fall, es hat sich
der Geschäftsführung und da arbeitet sie im Tagesgeschäft mit. In
natürlich jetzt Gott sei Dank geändert. Sonst wäre meine Schwes-
der operativen Kapsch-Gruppe, die wir jetzt als KGB bezeichnen, ist
ter nicht auch auf der Eigentümerseite mit an Bord. Ansonsten gab
sie nicht involviert. Sie verfolgt gerne in den Aufsichtsratssitzungen
es in Wahrheit keine wie immer gearteten Restriktionen. Man hat
den Geschäftsverlauf, aber sie hat hier keine operative Tätigkeit.
auch immer versucht, die Anzahl der Eigentümer über das Aufteilen zwischen Sohn und Tochter ein bisschen zu reduzieren und das
Hat die Trennung zwischen Betriebsgesellschaft und operativer Füh-
Glück im Unglück war natürlich auch, das die Anzahl der Eigentümer
rung Ihre Generation eingeführt?
suggestive wieder aufgrund der Schrumpfung der Familien zurück-
Das war Anfang der 90er Jahre, als diese Spaltung durchgeführt wur-
gegangen sind. Das letzte Eigentümerthema kennen Sie ja sowieso,
de. Zu dieser Zeit waren noch mein Onkel und mein Vater tätig, mein
da kam es dann auch zur Übernahme von Anteilen einer anderen
Bruder war ebenfalls schon aktiv im Vorstand. Die Familie wollte die
Familienhälfte.
Immobilien und ein paar andere Dinge in einer anderen Gesellschaft
zur Absicherung bündeln und dann die Betriebsgesellschaft als ei-
Ist die Nachfolgeplanung von der übergebenen Generation vorgege-
gene Gesellschaft getrennt führen. Das haben wir bis zum heutigen
ben worden oder ist die Initiative von Ihrer Generation ausgegangen?
Tag so beibehalten.
Der Nachfolgeprozess von der dritten
auf die vierte Generation war wirklich
sehr schwer und hier gab es zwischen
diesen beiden Familien schon große
Spannungen in der Betrachtungsweise
des Geschäfts.
Wenn man den Erzählungen Glauben schenken darf, dann dürfte es
Die Töchter wurden beinhart ausbezahlt. Das war noch bis zur zweiten
Generation der Fall, es hat sich natürlich jetzt Gott sei Dank geändert.
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UnternehmerCircle 03 I 2015
schon so gewesen sein, dass die zweite Generation, die sehr star-
Wie ist der Nachfolgeprozess verlaufen?
sein – wenn möglich auf den Weltmarkt gehen- und die ande-
ke Charaktere waren, einen großen Einfluss auf die Vorgehensweise
Der Nachfolgeprozess von der dritten auf die vierte Generation war
re Familienhälfte war sehr dem damaligen „Postgeschäft“ zuge-
hatten. Da haben die Altvorderen schon den Ton angegeben. Von
wirklich sehr schwer. Nicht jetzt in den jeweiligen Familien, ich
tan. Was ist das „Postgeschäft“ oder was war es damals? Die Post
der dritten auf die vierte Generation war es wieder umgekehrt. Hier
habe vorher schon angedeutet, dass es zwei Familienstämme in
und die Telegraphenverwaltung waren für die Telekommunikation
haben schon die Jüngeren wieder mit angeschoben. Unserem Vater
der dritten Generation gab. Die einen hielten 58%, die anderen
verantwortlich, der Bereich ist dann später herausgelöst worden.
hat das Unternehmen in keinster Weise auch nur irgendeinen Spaß
42% und hier gab es zwischen diesen beiden Familien schon große
Damals ist die A1 daraus entstanden und die Post- und Telegra-
gemacht und er hat das eigentlich nur als Verpflichtung seinem Vater
Spannungen, nicht biochemischer Natur, sondern in der Betrach-
phenverwaltung hat laufend ein sehr großes Investitionsvorhaben
gegenüber gesehen. Ziel war, die Weiterführung und der nächsten
tungsweise des Geschäfts. Völlig diametral – die einen wollten
im Bereich der öffentlichen Netztechnik umgesetzt, das heißt das
Generation das Unternehmen übergeben zu können. Er war heilfroh,
mehr eigene Technologie entwickeln, wollten mehr international
gesamte Sprach- und Datennetz. Damals hatten wir beträchtliche
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Im Gespräch
Im Gespräch
war leider auch der Zeitpunkt, als unser Vater gestorben ist, zu dem
tierte hat natürlich daran Interesse, seine Dienstleistung auf mög-
Sie haben gerade gesagt, Sie haben aus Ihrer persönlichen Erfah-
Georg und ich dann das Ruder übernommen und das Unternehmen
lichst langen Zeitraum zu erstrecken. Wenn man sich irgendwo die
rung die Toleranz gelernt. Wie kann man das den nächsten Genera-
in jene Richtung geführt haben, wo wir das Unternehmen hin entwi-
Geschäftsbasis dafür schaffen kann, dann macht das wohl jeder. Da
tionen mitgeben, die jetzt diese Erfahrungen nicht direkt am eige-
ckeln wollten, sprich Internationalisierung und eigene Technologie.
zählen die Anwälte leider manchmal aus meiner Sicht auch dazu.
nen Leib erlebt haben?
Spaß beiseite, ich meine am Ende des Tages müssen die Eigentümer
Das kann man natürlich auf alle Lebensbereiche übertragen, was
Wenn Sie zurückblicken, was hat dann zum Durchbruch nach der
einen Weg finden, wie sie miteinander umgehen. Wenn man einmal
lernt die Menschheit aus der Historie? Leider, wie wir sehr oft er-
langen Diskussionsphase in der Familie geführt?
die Anwälte dazu braucht, dann ist oft schon Hopfen und Malz
kennen, nicht sehr viel. Und ich beantworte Ihnen die Frage jetzt
Ich glaube, das war eher die Situation des stätigen Tropfens auf
verloren. Da glaube ich nicht, dass jemals noch irgendwo etwas
etwas anders: Wir haben uns innerhalb der Familie auch schon
den Stein, der sich wohl über 18 Jahre Streit dahingezogen hat.
Vernünftiges herauskommen kann.
überlegt, weil natürlich die nächste Generation heranrückt, was ist
gescheit jetzt zu tun? Wie können wir unseren Kindern ein gedeih-
So lange, bis es beiden Familienhälften zu 100% klar war, dass es
gemeinsam nicht mehr weitergeht. Es gab in diesen 18 Jahren im-
Wie sehen Ihre Regelungen auf Eigentümerseite heute aus?
liches Miteinander im Unternehmen ermöglichen? Können wir das
mer wieder diese Diskussionen, wir übernehmen vom anderen, der
Beim Geschäft und bei unternehmerischen Entscheidungen muss
überhaupt? Welche Regeln stellt man auf? Nach ewiger Diskussion
andere übernimmt unsere Anteile, aber das wurde von der anderen
eine einfache Mehrheit entscheiden können. Ich hoffe, dass sich
Familienhälfte am Ende des Tage nie so ernst genommen. Erst der
diese Rahmenbedingungen in die nächste Generation übertragen
letzte Anlauf in den späten 90er Jahren hat dann wirklich zum
lassen. Wenn Vernunft da ist, man die Märkte und die Technologien
Erfolg und zum Durchbruch 2000 geführt. Wenn man nach einer
versteht und wenn man selbst mit beiden Beinen im Geschäft steht,
Ursache oder nach dem Anlass sucht, war es wahrscheinlich, dass
dann sollte man sich über das Geschäft normal unterhalten kön-
wir offen ließen, wer die Anteile des anderen kauft. Beide haben die
nen. Die Ratio sollte eine normale Richtungsentscheidung für das
Aufgabe gehabt, sich sowohl ein Kauf- als auch ein Verkaufssze-
Unternehmen ergeben. Und so funktioniert es bei uns heute. Das
nario zu überlegen. Beide mussten wirklich seriöse Angebote auf
Machtspiel aufgrund irgendwelcher Paragraphen, die in irgendei-
den Tisch legen, so wie man heute auch Akquisition betreibt, samt
nem Syndikatsvertrag stehen, führen nur zu einem frühen Ende.
Finanzierungskonzept und allem Drum und Dran. Und dann ergab
sich Gott sei Dank die Situation, dass wir übernommen haben.
Dieser Syndikatsvertrag war eigentlich kein unterstützender Mechanismus, sondern eigentlich in Wahrheit
ein blockierender Mechanismus.
Es wird auch in Ihrer Familie Situationen geben, in denen die Familie
unterschiedlicher Meinung ist. Wie gehen Sie damit auf Eigentüme-
Gab es vorher irgendein Regulativ für solche Situationen?
rebene um?
Es gab einen Syndikatsvertrag, der immer wieder überarbeitet wur-
Diese unterschiedlichen Meinungen auf Eigentümerebene haben
de. Und dieser Syndikatsvertrag war eigentlich kein unterstützen-
wir heute eigentlich in dieser Form noch nie wirklich gehabt. Im
der Mechanismus, sondern eigentlich in Wahrheit ein blockieren-
agierenden Vorstand sind nicht nur Eigentümer sondern auch
der Mechanismus, der im guten Glauben von Familienanwälten so
Fremdvorstände in den diversen Gesellschaften und Holdings. Im
entworfen wurde. Das Ganze hat nur dann funktioniert hat, wenn
operativen Bereich arbeiten wir völlig normal mit Diskussionen
beide Familienhälften zu Entscheidungen „ja“ gesagt haben. Es gab
und Abstimmungen. Es gibt genügend Situationen, wo einer der
Marktanteile wie auch heute noch. Das war der anderen Familien-
keine Mehrheitsentscheidungen durch diesen Syndikatsvertrag, die
beiden Familienvorstände sagt „Nein, dieser Meinung bin ich jetzt
hälfte das wichtigste Geschäft - allerdings eingeschränkt auf den
beiden Familienstämme waren in die 50/50 Patt-Stellung hineinge-
nicht, aber wenn die anderen das so beschließen, soll es mir recht
Markt in Österreich und das war wiederum unserer Familienhälfte
zwungen. Und wenn man jetzt in keinster Weise mehr eine gemein-
sein, dann stehe ich dazu.“ Und das ist die normale Vorgehens-
viel zu wenig. Wir wollten eigene Technologien entwickeln und
same Basis oder Strategie findet, dann kann das genau nicht funk-
weise, die wir auch einhalten. Das erfordert, zugegebenermaßen,
damit in den Weltmarkt hinausgehen. Dieser Streit hat eigent-
tionieren. Das ist auch der Grund, warum wir in unserer Generation
auch einiges an Toleranz. Wenn man gewohnt ist, immer wieder
lich schon in der dritten Generation begonnen und sich durch die
gesagt haben, das wir keine solchen Knebelverträge mehr machen,
Dinge durchzusetzen, dann muss man aber auch die Größe haben,
ganze Unternehmensnachfolge gezogen. In dieser Nachfolgege-
weil uns diese nicht weitergeholfen haben. Wir haben heute bei
eine andere Meinung zu akzeptieren. Das ist etwas, was sowohl
schichte war de facto dann auch die Übernahme der Anteile der
weitem nicht so eine wie immer geartete Vereinbarung.
Georg als auch ich durch diesen ewigen Familienstreit erlernt haben, den es in der vorigen Generation gegeben hat. Das war für
anderen Familienhälfte integriert. Mein Bruder hat dabei eine sehr
maßgebliche Rolle als Triebfeder gespielt, um diesen Überleitungs-
Was würden Sie Familien empfehlen, damit man genau solche Situ-
uns sehr lehrreich, wir werden alles dazu tun, dass genau das
prozess mit meinem Vater gemeinsam zu machen. Er war damals
ationen vermeiden kann?
nicht noch einmal eintritt. Streit kann sehr schnell zum Tod eines
schon im Unternehmen aktiv, das war noch zu meiner Schulzeit
Ich hoffe jetzt, dass Ihre Publikation nicht viele Juristen und An-
Unternehmens führen.
und der Prozess hat sich dann bis 2001 durchgezogen. Am Ende
wälte lesen werden (lacht). Ich meine, jeder Dienstleistungsorien-
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Wenn man gewohnt ist, immer wieder Dinge durchzusetzen, dann muss
man aber auch die Größe haben,
eine andere Meinung zu akzeptieren.
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Im Gespräch
Im Gespräch
zu diesem Thema sind wir im Prinzip übereingekommen, dass es am
Sie hatten den Vorteil, dass Ihr Vater bei der Übergabe des Unterneh-
Wie sehen Sie die Rolle des Fremdmanagers als Primus Inter Pares?
gescheitesten ist, gar nichts zu machen, weil wir genau das vermeiden
mens nicht geklammert hat. Sehr oft hat man in Familienunterneh-
Das kann sehr positiven Einfluss haben und das kann aber auch sehr
wollen, was wir durch die Knebelverträge erlebt haben. Ich glaube, sie
men die Situation, dass die übergebende Generation eigentlich bis
schwierig sein, wenn das in einzelnen Fällen ausgenutzt wird. Das
müssen sich im konstruktiven Sinne auch ihr Umfeld zurechtrücken,
zum letzten Schluss nicht loslassen kann oder will. Wann würden Sie
hängt sehr von der Person des jeweils agierenden Fremdvorstandes
sie müssen sich untereinander zurechtraufen, zurechtstreiten. Ich hof-
gerne an die nächste Generation übergeben?
ab. Wir haben jetzt eine wirklich hervorragende Situation: Wir ha-
fe, im positiven und konstruktiven Sinn. Was wir beitragen können ist,
Da kann ich jetzt nur von mir sprechen, aber ich warte bis meine beiden
ben jemanden im Team, der von beiden Familienvorständen als völ-
dass wir ihnen die Ausbildung als Basis geben, dass wir ihnen die rich-
Söhne mit der Ausbildung fertig sind und das wird noch einige Zeit
lig gleichwertig gesehen und absolut respektiert wird. Er kann sich
tige Erziehung zu Teil kommen lassen, aber der Rest ist etwas, was sich
dauern. Mir wäre schon recht, sie früh zu involvieren, weil ich habe
damit in seinen Aussagen und seinem Handeln frei bewegen und er
die Herrschaften selbst ausmachen sollten. Und ehrlich gesagt, wir
wirklich keine Lust, dass ich mit 70, 80 oder 90 Jahren noch das Unter-
geht mit beiden sehr gut um. Es gab auch bei uns schon Zeiten, wo
hätten auch alle samt nicht wirklich die große Freude gehabt, wenn
nehmen operativ führe. Ich meine, mit Rat und Tat zur Seite stehen, ja,
es nicht immer so war, wo Fremdvorstände durchaus Taktiken an den
schon vordefiniert gewesen wäre, wer welche Funktion im Unterneh-
aber ich glaube nicht, dass es Sinn macht, ein Unternehmen heute noch
Tag gelegt haben und geschaut haben, dass sie sich bei dem einen
men zu machen oder nicht zu machen hat und wie lange und ab wann.
mit 75 Jahren operativ zu führen. Dazu wird man im Alter zu langsam.
oder bei dem anderen Familienvorstand mehr einweinberln, das ist
Natürlich kann man etwas mit Erfahrung gut machen, aber gerade in
jetzt Gott sei Dank nicht mehr der Fall. Der Fremdmanager sollte eine
unserer Branche, die sich technologisch alle fünf Minuten ändert, muss
völlig neutrale Besetzung sein. Und wenn irgendjemand das Gefühl
man selbst mit diesen Dingen leben, man muss sie begreifen und wenn
hat, dass er nur wegen einer Freundschaft zu einer Familie herein-
man dann irgendwann nicht mal mehr die Ausdrücke versteht, dann
kommt, dann wird es natürlich schon sehr schwer.
sollte man eigentlich die Hand vom Geschäft lassen.
Gibt es operative Entscheidungen, die nicht auf Vorstandsebene, sonSie setzen auch auf Top-Ebenen auf Fremdmanager. Waren Sie die erste
dern auf Eigentümerebene gefällt werden?
Generation, die mit Fremdmanagern auch in der Holding arbeitet?
Das operative Unternehmen betreffend ganz, ganz selten. Da gibt
Das gab es eigentlich schon von Beginn an. Es gab immer wieder Si-
es einen agierenden Vorstand, da gibt es Aufsichtsratssitzungen, da
tuationen in der gesamten Unternehmensgeschichte, wo Leute von
gibt es die Strukturen der Aufsichtsräte und Vorstände der Tochter-
extern das Geschick eifrig mitgestaltet haben. Das kam auch dadurch,
gesellschaften. Da bemühen wir uns, mit den Entscheidungen in den
dass gerade in den Zeiten, wo es finanziell etwas eng war, die eine
Hierarchien zu bleiben, so wie sich das auch gehört. Wenn Entschei-
oder andere Banken jemanden in die Geschäftsführung hineingezahnt
dungen auf Eigentümerebene getroffen werden, dann sind das wirk-
hat. Gerade die Zeit rund um die Weltkriege und dazwischen war nicht
lich schon Themen, die auf operativen Ebenen vorbereitet wurden
immer leicht und da gab es auch finanzielle, nicht so luxuriöse Situ-
– die dann noch einmal im kleinen Rahmen der Familie abgesegnet
ationen. Daher sind wir gewohnt, dass in unserem Haus auch externe
werden. Worum geht es dann in Wahrheit? Es geht in unserem Fall
Manager im Vorstand sitzen. Ich glaube, das tut auch gut.
darum, mit unserer Schwester auch noch einmal die Themen zu diskutieren, da sie nicht alles aus dem Tagesgeschehen kennt. Auch sie
Daraus höre ich, dass Sie externe Führungshälfte in Top-Positionen
soll in Richtungsentscheidungen mit eingebunden werden.
auch anderen Familienunternehmen empfehlen?
Was lernt die Menschheit aus der
Historie? Leider, wie wir sehr oft
erkennen, nicht sehr viel.
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Wir hätten auch alle samt nicht wirklich die große Freude gehabt, wenn
schon vordefiniert gewesen wäre, wer
welche Funktion im Unternehmen zu
machen oder nicht zu machen hat,
wie lange und ab wann.
Auf jeden Fall. Ich meine, die Inzucht sollte man so weit wie möglich
Nach welchen Kriterien haben Sie Ihren Aufsichtsrat besetzt?
vermeiden. So bringt man gutes Wissen von außen herein und es gibt
Die jeweils Stiftungsvorsitzenden unserer Privatstiftungen sind im
aus unserer Sicht auch noch einen wesentlichen weiteren Aspekt: Sie
Aufsichtsrat. Auch unsere Schwester ist im Aufsichtsrat. Das ist für
müssen für die Leute im Haus einen gewissen Karrierepfad aufzeigen
unsere Schwester die Möglichkeit, am Ball zu bleiben. Man braucht,
selber bin Techniker von meiner Ausbildung. Für mich war wichtig,
können, das ist in Familienunternehmen sowieso nicht immer ganz
auch wenn man nicht im operativen Geschehen ist, trotzdem irgend-
dass ich einen fachlich kompetenten Stiftungsvorstand habe, dem
so einfach. Wenn jetzt in den führenden Funktionen immer nur Fa-
wo einen Anker zum Unternehmen. Darauf haben wir von unserer
ich aber auch persönlich vertrauen kann.
milienmitglieder sitzen, wohin sollen sich die Leute entwickeln? Und
Seite Wert gelegt, dass sie da unbedingt einen Sitz hat.
daher ist es gut und wichtig, auch externe Manager zu haben. Auch
Was zeichnet die Entscheidungsstrukturen der Firmengruppe aus?
wenn Sie in neue Märkte hineingehen, dann brauchen Sie das Wissen
Wie haben Sie Ihre Stiftungsvorstände ausgewählt?
Wir haben ganz normale Satzungen, wie das in jedem anderen Un-
von außen, nicht nur auf Sach- und Fachebene sondern auch für die
Ich selber hab geschaut, dass ich jene Bereiche, die ich persönlich
ternehmen mit den herkömmlichen Grenzen auch vorgesehene ist.
Entscheidungen selbst.
nicht so gut abdecke - das ist alles was mit Recht und Finanzen zu
Grundsätzlich leben wir in den letzten 15 Jahren sehr stark davon,
tun hat - in meinen Stiftungen durch Stiftungsvorstände besetze. Ich
dass wir enorm rasch und schnell entscheiden. Sicher wesentlich
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Im Gespräch
Im Gespräch
lich in einem Unternehmen zugeht, sondern worin die Unterschiede liegen. Das hat natürlich wieder einen Hebel in meiner ganzen
Entwicklung gebracht. Diese Erfahrung würde ich schon anraten, in
zumindest ähnlicher Form zu tun. Ich weiß, da gibt es immer Ressentiments, zuerst überhaupt ganz woanders anzufangen und dann
ins Familienunternehmen zu kommen. Wenn man die Zeit und die
Möglichkeit hat, fünf bis acht Jahre irgendwo anders zu arbeiten
und dann in das eigene Unternehmen zu kommen, dann ist das
natürlich ein Idealzustand. Das hat den Nachteil, dass man aber
zu wenig vom eigenen Unternehmen am Anfang mitbekommen
hat, man steigt dann wirklich wie ein Fremder ein. Man hätte rein
theoretisch als Familienmitglied schon die Möglichkeit, früher den
eigenen Stall kennenzulernen und kann sich da schon viel an zusätzlichen Informationen im Vorfeld zu beschaffen, die man später
auf Managementebene nicht mehr so einfach bekommt. Man kann
als Jugendlicher im elterlichen Unternehmen viel mehr hinter die
Kulissen schauen und man bekommt viel mehr mit.
Manchmal ist es für die Jungen schwierig, sich gegenüber der älteren Generation durchzusetzen, wie war das bei Ihnen?
Unser Vater hat schon sehr auf uns gehört, aber das kommt jetzt
wieder aus unserer Situation. Er hat sich nicht so gerne mit dem
Thema befasst und wenn Dinge aufgetaucht sind, die für ihn loschneller und rascher, als manche multinationale Mitbewerber. Da
kommt jetzt natürlich schon das Familienunternehmen etwas in
den Vordergrund, weil wir gerne als unternehmensführende Familienmitglieder entscheiden. Das tun wir beide und natürlich auch
meine Schwester. Das hat Vorteile für das Unternehmen und wir
merken, dass unser Tempo ein ganz anderes ist, als jenes des Mitbewerbers.
Ich meine, mit Rat und Tat zur
Seite stehen, ja, aber ich glaube nicht,
dass es Sinn macht, ein Unternehmen
heute noch mit 75 Jahren operativ
zu führen.
gisch und passend waren, dann war er froh, dass andere gewisse
Dinge aufgegriffen, umgesetzt und erledigt haben. Wenn das für
ihn in Ordnung war, war das überhaupt kein Thema. Es gab eigentlich selten wirklich einen großen Widerspruch, ganz im Gegenteil.
Sind die eher ein Verfechter einer raschen Übergabe des Unternehmens in einem Schritt oder sollte das ein schrittweiser Prozess sein?
Auch das ist von den handelnden Personen abhängig. Wenn sie
Sie haben auch erwähnt, dass Ihre potentiellen Nachfolger auf je-
wirklich einen Patriarchen im Familienunternehmen sitzen haben,
den Fall eine gute Ausbildung haben sollen. Was sollten Ihre Nach-
terschiedliche Erfahrungswerte, unterschiedliche Überlegungen.
der alles kommandiert, dann wird es wahrscheinlich nur mit einem
folger denn sonst noch mitbringen?
Ich selber habe für mich sehr positive Erfahrungen gemacht. Ich
Stichtag gehen, weil sie sonst als nächste Generation überhaupt
Gefühl, Gespür für die Menschen, für die Mitarbeiter und fürs Ge-
war lange Zeit bei uns im Haus und habe während des Studiums
keine Chance haben. In dem Moment, wo Tochter oder Sohn den
schäft. Ich glaube, dass ist das aller Wesentlichste.
auch schon bei uns normale Tätigkeiten in den Entwicklungsab-
Mund aufmachen und eine eigene Entscheidung treffen möchten,
Ich glaube schon, dass ein 70 jähriger in zwanzig Jahren noch wesentlich moderner und agiler ist, als ein
70 jähriger vor fünfzig Jahren.
teilungen ausgeführt. Bin dann zum Abteilungsleiter, zum Haupt-
wird es nicht funktionieren. Wenn dieses Patriachentum nicht so
Würden Sie Ihren Nachfolgern raten, einmal wo anders Erfahrungen
abteilungsleiter, zum Bereichsleiter bis hin zum Vorstand aufge-
ausgeprägt ist, ist meiner Meinung nach eine gemeinsame Überlei-
zu sammeln, bevor sie in das Familienunternehmen kommen oder
stiegen. Ich habe den internen Karrierepfad hier im Unternehmen
tung durchaus sinnvoll, da es auch darum geht, persönliche Kon-
sollen sie gleich im Unternehmen ihre Sporen verdienen?
durchgemacht. Ich hatte die Möglichkeit kennenzulernen, wie ein
takte und Erfahrungen zu übernehmen. Man muss ja nicht immer
Wie viel Zeit sollte man sich für die Übernahme nehmen? Es war ja bei
Das war im Übrigen auch ein Teil unserer Diskussion in der Fa-
Unternehmen grundsätzlich funktioniert. Mit diesem Wissen bin
alles selbst erfinden und von vorne anfangen. Ich war auch froh,
Ihnen auch ein relativ langer Prozess.
milie. Wir wollen schon auf jeden Fall haben, dass sie woanders
ich dann nach der Vollendung meines Studiums ins Ausland ge-
wenn ich irgendwo Erfahrungen aufgreifen konnte, diese auspro-
Bei mir war es lange, weil ich wirklich die einzelnen Stellen des Un-
tätig werden, dass sie woanders zumindest einmal sehen, wie es
gangen und habe mir ein Bild gemacht, wie andere Unternehmen
bieren und schauen konnte, wie diese zu mir passen. Lernen geht
ternehmens durchgemacht habe. Das ist wiederum abhängig von der
eigentlich in einem Unternehmen zugeht. Da gibt es allerdings un-
funktionieren. Ich musste nicht mehr erlernen, wie es grundsätz-
anhand von Beispielen immer besser.
Situation, von den Personen, von der Unternehmensgröße und anderen
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Im Gespräch
Impressum
Wir sind gewohnt, dass in unserem
Haus auch externe Manager im
Vorstand sitzen. Ich glaube, dass
tut auch gut.
die Generationen immer länger leben, damit aber auch gedanklich
immer frischer sind. Es ist nicht nur das Lebensalter, das sich nach
hinten ausdehnt, sondern von unserem Gesamtverhalten strecken
wir uns auch in unserem jugendlichen Verhaltensmuster. Ich glaube
schon, dass ein 70 jähriger in zwanzig Jahren noch wesentlich moderner und agiler ist, als ein 70 jähriger vor fünfzig Jahren. Da verändert sich insgesamt sehr viel in der Gesellschaft und daher muss man
auch diese Veränderungen miteinbeziehen.
Auf der anderen Seite einen Einstieg unter 40 würde ich auch nicht
unbedingt als passend sehen. Da ist mit 40 schon ein bisschen Anerkennung da, da hat man schon ein bisschen Erfahrung, schon etwas
Seniorität.
Wie werden denn aus den vielen Erfahrungen, die Sie selbst gesamDingen. Ich spreche immer von Unternehmen in unserer Größenord-
melt haben, Sie an ihre Nachfolge mit Ihrer nächsten Generation he-
nung. Da glaube ich, wären fünf Jahre nicht so schlecht.
rangehen?
Ich hoffe so, wie ich Ihnen das erzählt habe (lacht). Ob das so statt-
Gibt es ein ideales Alter für die Übergabe des Unternehmens?
finden wird, wird man dann in 20 Jahren sehen, weil dann bin ich
Wir haben uns zuerst schon im Gespräch an einen Zeitraum heran-
genau in diesem Alter.
getastet. Das war irgendwo so 70-75. Aber alles ist im Fluss, alles
verändert sich. Wir haben natürlich schon heute damit zu tun, dass
Herr Dr. Kapsch, vielen Dank für das Gespräch.
Lebenslauf Dr. Kari Kapsch
Dr. Kari Kapsch, geboren 1964, studierte Physik an der Universität Wien und erhielt 1992 sein Doktorat. Von 1982 bis 1989
war Herr Kapsch als Leiter der Hybrid Fertigung in der Kapsch Group tätig. Danach arbeitete er bei ANT, einem Mitglied der
Bosch Gruppe, ein Jahr in Deutschland. 1990 kehrte er als Leiter des Geschäftsbereiches Verkehrstelematik Solutions zurück
und baute das Geschäftsfeld Verkehrsmaut auf. Während der folgenden zehn Jahre leitete Herr Kapsch mehrere Geschäftsbereiche innerhalb der Kapsch Group und wurde 2001 Vorstandsmitglied der Kapsch Group. Herr Kapsch war Vorsitzender von
„Junge Industrie Wien“ und Vize-Vorsitzender von „Junge Industrie Österreich“ bis 2002. 1999 wurde er Vorstandsmitglied der
Industriellenvereinigung Wien.
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