Ausgabe 03 I 2015 3. Familienunternehmertag Stift Göttweig 2015 Die Reform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts Hon.-Prof. LStA Dr. Sonja Bydlinski Syndikatsverträge in Familienunternehmen sollten überprüft werden Univ.-Prof. Dr. Susanne Kalss, LL.M. Das Pflichtteilsrecht im Entwurf der Erbrechtsreform Univ.-Prof. Dr. Martin Schauer Im Gespräch mit: em. Univ.-Prof. Dr. H. P. Westermann „Unter den Juristen ist der Jurist beliebt.“ Expertenmeinung Rechtzeitige Vorbereitung der Unternehmensübertragung Dr. Dieter Spranz Betriebsaufspaltung als Alternative in der Unternehmensnachfolge Dr. Eugen Strimitzer, WP/StB Die Stiftung 2.0 – Umsetzung unternehmerischer Anforderungen an Stiftungen nach Ableben des Stifters und in Familienholdings Dr. Andreas Gratzl Im Gespräch mit: Dr. Kari Kapsch „Wenn man gewohnt ist, immer wieder Dinge durchzusetzen, dann muss man aber auch die Größe haben, eine andere Meinung zu akzeptieren.“ Inhalt Vorwort Die Autoren dieser Ausgabe Vorwort Die Reform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts 4 Interview mit Dr. Kari Kapsch, dem CEO der Kapsch-Gruppe, über seine sehr persönlichen Erfahrungen aus der Unternehmensnachfolge über mehrere Generationen hinweg. Um eine solche Unternehmensübergabe sinnvoll zu planen, schildert RA Dr. Dieter Spranz die dazu notwendigen Vorbereitungsarbeiten und WP Dr. Strimitzer die Möglichkeiten einer Betriebsaufspaltung als Alternative zu Nachfolgeregelungen. Schließlich befasst sich Dr. Gratzl mit möglichen Überlegungen eines Stifters zur sachgerechten und sinnvollen Auswahl seiner Stiftungsvorstände. Hon.-Prof. LStA Dr. Sonja Bydlinski BM für Justiz, Abteilung für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Syndikatsverträge in Familienunternehmen sollten überprüft werden 7 Univ.-Prof. Dr. Susanne Kalss, LL.M. Wirtschaftsunviersität Wien Das Pflichtteilsrecht im Entwurf der Erbrechtsreform 10 Univ.-Prof. Dr. Martin Schauer Institut für Zivilrecht der Universität Wien Interview mit em. Univ.-Prof. Dr. Harm Peter Westermann Rechtzeitige Vorbereitung der Unternehmensübertragung 15 25 Dr. Dieter Spranz Partner der Wirtschaftsanwaltssozietät WOLF THEISS Rechtsanwälte GmbH & Co KG Betriebsaufspaltung als Alternative in der Unternehmensnachfolge 29 Dr. Eugen Strimitzer, WP/StB Partner der KPMG Alpen-Treuhand Austria Gruppe Die Stiftung 2.0 – Umsetzung unternehmerischer Anforderungen 33 an Stiftungen nach Ableben des Stifters und in Familienholdings Dr. Andreas Gratzl 2 UnternehmerCircle Impressum 03 I 2015 Dr. Sonja Bydlinski, zuständig im BMJ u.a. für die Reform der GesBR, fasst die wesentlichen Eckpunkte der Reform zusammen, Univ.-Prof. Dr. Susanne Kalss beschäftigt sich mit den Auswirkungen auf bestehende wie auch auf neue Syndikatsverträge. Univ.-Prof. Dr. Martin Schauer stellt die wesentlichen Eckpunkte der geplanten Erbrechtsreform hinsichtlich Pflichtteilsrecht vor, welche 2017 in Kraft treten werden. Zuletzt findet sich auch noch ein Interview mit dem hochangesehenen deutschen Gesellschaftsjuristen, em. Univ.-Prof. Dr. Harm Peter Westermann, der mit seiner jahrzehntelangen Karriere als Professor für Gesellschaftsrecht wie auch in ebenso langer Praxis als Wirtschaftsanwalt und Berater vieler deutscher börsennotierter Unternehmen und Konzerne auf eine mehr als reichhaltige Berufserfahrung zurückblicken kann. Wir bedanken uns an dieser Stelle auch ausdrücklich beim Veranstalter, dem Verein Familienunternehmen, für die angenehme Zusammenarbeit bei dieser Veranstaltung. Kathrein Privatbank Aktiengesellschaft Interview mit Dr. Kari Kapsch In dieser dritten Ausgabe des UnternehmerCircle berichten wir im ersten Teil ausführlich über den 3. Familienunternehmertag in Stift Göttweig. Dort wurden neue Themenstellungen für Familienunternehmen erörtert, die sich durch die bevorstehende Erbrechtsreform sowie die bereits erfolgte Neuregelung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts aktuell ergeben. 37 47 Im zweiten Teil dieser Ausgabe finden Sie ergänzend einige Beiträge zur Nachfolge in Unternehmen – unter anderem ein Zuletzt noch eine Anmerkung in eigener Sache: Dr. Andreas Gratzl, der Kathrein UnternehmerServices die letzten zwei Jahre geführt hat, wird sich anderen Aufgabengebieten zuwenden und die Bank daher verlassen. Für seine Tätigkeit sei ihm hier nochmals herzlichst gedankt. Als langjähriger Leiter des Kathrein StiftungsOffice werde ich auch die Agenden der Kathrein UnternehmerServices übernehmen und Ihnen für beide durchaus artverwandte Bereiche gerne mit Rat und Tat zur Verfügung stehen. Ich wünsche Ihnen spannende Lektüre dieser Ausgabe des Kathrein UnternehmerCircle. Ihr Dr. Heinrich Weninger Leitung Kathrein StiftungsOffice und Kathrein UnternehmerServices Tel.: +43 1 534 51-259 [email protected] UnternehmerCircle 03 I 2015 3 Aktuelle Rechtslage Aktuelle Rechtslage Die Reform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts Hon.-Prof. LStA Dr. Sonja Bydlinski Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist die älteste Gesellschaftsform reiche Vertretungsregelung findet sich auch im neuen Recht in § 1197 in der österreichischen Rechtsordnung. Die Regelungen des ABGB aus Abs. 2 ABGB. Eine zweite Entscheidung des Gesetzgebers des Han- 1811 waren begrifflich und dogmatisch nicht mehr zeitgemäß und vor delsrechts-Änderungsgesetzes 2005 wird fortgeführt und findet sich allem bei einer unternehmenstragenden Gesellschaft unzureichend. weiterhin in § 8 Abs. 3 UGB: Danach muss sich eine unternehmerisch Lehre und Rechtsprechung hatten den alten Gesetzestext an vielen tätige GesbR, die die Umsatzschwelle von 700.000 Euro überschreitet, Stellen überlagert. Es war daher - rund um den 200. Geburtstag des in das Firmenbuch eintragen lassen. Eine solche Eintragung als Ges- ABGB - an der Zeit, eine grundlegende Reform dieses Abschnitts in bR ist freilich mangels Rechtspersönlichkeit nicht möglich, sodass die Angriff zu nehmen. Nach ausführlichen Beratungen in einer im Bun- Gesellschafter zugleich verpflichtet sind, eine OG oder KG zu gründen. desministerium für Justiz eingerichteten Arbeitsgruppe wurde die Damit wird eine Parallele zur Eintragungspflicht des Einzelunterneh- grundsätzliche Entscheidung getroffen, das neuere, dogmatisch bes- mers nach § 8 Abs. 1 UGB hergestellt, die an dieselbe Umsatzschwelle ser durchdrungene und schon lang erprobte Recht der offenen Ge- geknüpft ist. Kraft § 4 UGB gilt die Eintragungspflicht aber nicht für sellschaft als Modell für das Innenrecht der GesbR heranzuziehen. Angehörige der freien Berufe und für Land- und Forstwirte. Zugleich wurde auch entschieden, am grundsätzlichen Charakter der Die starke Anlehnung an das bekannte Innenrecht der OG bringt neben GesbR als Gesellschaft ohne eigene Rechtspersönlichkeit mit mög- der gesicherten und gut aufbereiteten Rechtslage auch den Vorteil, lichst weitem Anwendungsbereich festzuhalten. Die GesbR soll sohin dass die unternehmerisch tätige GesbR, die die Umsatzschwellen des wie bisher formfrei zustande kommen können, keine eigene Rechts- § 189 UGB überschreitet und daher eine OG oder KG werden muss, ihr persönlichkeit haben und bis auf wenige zwingende Normen weitest- bisheriges Innenrecht beibehalten kann. gehend nach den Bedürfnissen der Gesellschafter frei gestaltbar sein. Da mit der OG oder KG eine ebenso für alle gesetzlich erlaubten Zwecke einsetzbare Personengesellschaft mit Rechtspersönlichkeit zur Wahl steht, wurde kein Bedarf gesehen, die GesbR mit Rechtspersön- Die wichtigsten Inhalte der Neuregelung lichkeit auszustatten. Zwei große Unzulänglichkeiten des alten Rechts wurden schon mit dem Nicht jede GesbR tritt nach außen in Erscheinung, dementsprechend Handelsrechts-Änderungsgesetz 2005, BGBl I 2005/120, beseitigt. So unterscheidet § 1176 ABGB zwischen der Innen- und der Außengesell- wurde in § 178 UGB die Regelung eingefügt, dass die Gesellschafter schaft. Es wird vermutet, dass die Gesellschafter eine Außengesellschaft einer unternehmerisch tätigen GesbR, die unter einem eigenen Namen vereinbaren wollten, wenn sie einen gemeinsamen Gesellschaftsnamen auftritt, alle anderen Gesellschafter vertreten und damit verpflichten führen oder ein Unternehmen betreiben. Die Regelungen zum Außen- können, sofern der Dritte den Mangel der Vertretungsmacht nicht recht, wie zB die Vertretungsregelungen und die Solidarhaftung, kom- kannte oder kennen musste. Eine solche für den Rechtsverkehr hilf- men daher bei bloßen Innengesellschaften nicht zum Tragen. 4 UnternehmerCircle 03 I 2015 Bis zum Handelsrechts-Änderungsgesetz 2005 war im Recht der Ersatz von Aufwendungen der Gesellschafter, zu den Gesellschafterbe- GesbR das Kriterium einer unternehmerischen Tätigkeit nicht relevant. schlüssen, den Kontrollrechten der Gesellschafter und zur Gewinnver- Über die oben erwähnte Bestimmung des § 8 Abs. 3 UGB zur Ein- teilung sind so eng wie möglich an die bewährten und von Judikatur tragungs- und damit Umwandlungspflicht und über die den guten und Lehre aufgearbeiteten Bestimmungen des UGB (vgl. die §§ 108 Glauben eines Dritten schützende Vertretungsregel des § 178 UGB aF – 122) angelehnt. (nun § 1197 Abs. 2 ABGB) wurde diese Differenzierung bedeutsam und findet sich nun auch an einigen anderen Stellen im ABGB. Neu ist der Die Bestimmungen über die Rechtsverhältnisse zu Dritten (§§ 1197 letzte Satz des § 1197 Abs. 2, wonach sich diese Vertretungsregelung ff) sind nur für Außengesellschaften relevant. Auch hier wurde das auch auf nicht unternehmerisch tätige Außengesellschaften erstreckt, Recht der OG zum Vorbild genommen, wegen der anders gelagerten wenn sich die Gesellschafter als Unternehmer an der Gesellschaft Situation einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit sind die Un- beteiligen. Gedacht ist hier vor allem an die Arbeitsgemeinschaften, terschiede zur OG aber größer als im Innenrecht. Festgehalten wurde deren Tätigkeit oft nicht auf Dauer angelegt und dann nicht als unter- nun ausdrücklich, dass sich die Geschäftsführungsbefugnis im Innen- nehmerisch zu qualifizieren ist. Auch § 1187 über das Verbot schädli- verhältnis mit der Vertretungsbefugnis im Außenverhältnis grund- cher Nebengeschäfte greift diese Differenzierung auf; weiters kann die sätzlich deckt. Nach nunmehr geltender dispositiver Rechtslage – das unternehmerische Tätigkeit bei der Qualifikation einer Gesellschaft als neue Vertretungsrecht ist auch für Altgesellschaften am 1.1.2015 in Außengesellschaft relevant sein (vgl. § 1176 Abs. 1 ABGB). Kraft getreten – ist somit angesichts der grundsätzlichen Einzelgeschäftsführungsbefugnis jeder Gesellschafter auch vertretungsbefugt. Mangels eigener Rechtsfähigkeit kann die GesbR wie bisher nicht Der Dritte kennt allerdings – mangels Firmenbuchpublizität – abwei- Trägerin des Gesellschaftsvermögens sein. Dennoch definiert § 1178 chende Vereinbarungen unter den Gesellschaftern nicht. ABGB unter der Überschrift „Gesellschaftsvermögen“, was darunter zu Das bisherige Recht der GesbR enthielt zur Gesellschafternachfolge verstehen ist. Es ist dies das der Gesellschaft gewidmete Eigentum, keine Regelungen. die sonstigen gesellschaftsbezogenen Sachenrechte, die gesellschaftsbezogenen Vertragsverhältnisse, Forderungen und Verbindlichkeiten § 1201 ABGB erfasst den Fall des Austritts eines bisherigen Gesellschaf- und die gesellschaftsbezogenen Immaterialgüterrechte. Körperliche ters, des Eintritts eines zusätzlichen Gesellschafters und des Wechsels Sachen stehen im Miteigentum der Gesellschafter, unkörperliche Sa- eines ausscheidenden mit einem eintretenden Gesellschafter. Nach dem chen, insbesondere Forderungen und Verbindlichkeiten, sind den Ge- Modell des § 38 UGB soll die Gesellschafternachfolge dadurch erleich- sellschaftern zur gesamten Hand zugeordnet (§ 1180 ABGB). tert werden, dass gesellschaftsbezogene Rechtsverhältnisse von Gesetzes wegen auf die verbleibenden Gesellschafter beziehungsweise auf Die §§ 1181 bis 1196 ABGB regeln ausführlich die Rechtsverhältnisse den neuen übergehen, sofern nichts anderes vereinbart ist. Wie nach der Gesellschafter untereinander. § 1181 statuiert den Vorrang der § 38 UGB ist der Übergang nur wirksam, wenn die Vertragspartner privatautonomen Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsvertrag, die nur verständigt wurden. Diese sind auf ihr Widerspruchsrecht und auf die an wenigen zwingenden Regelungen ihre Grenzen findet. Dieser Ab- Widerspruchsfrist von drei Monaten hinzuweisen. Nur für bücherliche schnitt ist in den meisten Bestimmungen wörtlich dem Modell der OG Rechte ist der Modus der Eintragung erforderlich. Haftungsfragen sind nachgebildet. Auch für die Geschäftsführung gilt wie für das gesamte in § 1202 ABGB geregelt: ein neu eingetretener Gesellschafter haftet nur Innenrecht der Gesellschaft die privatautonome Gestaltungsfreiheit. dann für die vor seinem Eintritt begründeten Verbindlichkeiten, wenn er Der dispositive Gesetzesvorschlag sieht nun – anders als die Gesamt- in die entsprechenden gesellschaftsbezogenen Rechtsverhältnisse ein- geschäftsführung nach dem Mehrheitsprinzip im bisher geltenden getreten ist. Auch wenn es zu einer Übernahme unternehmensbezoge- Recht – für gewöhnliche Geschäfte die Einzelgeschäftsführung mit ner Rechtsverhältnisse kommt, hat der ausgeschiedene Gesellschafter einem Widerspruchsrecht der übrigen Gesellschafter vor (§ 1190 Abs. (wie nach § 39 UGB der Veräußerer) zur Verstärkung des Haftungsfonds 1 ABGB). Außergewöhnliche Rechtsgeschäfte erfordern nach § 1181 trotzdem weiterzuhaften, allerdings nur befristet; er haftet für vor sei- Abs. 2 ABGB die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter. Auch die vie- nem Ausscheiden begründete Verbindlichkeiten nur, soweit sie innerhalb len weiteren Bestimmungen des Innenrechts, wie die Regelung zum von fünf Jahren nach seinem Ausscheiden fällig werden. Ab Fälligkeit Geschäftsanteil und zur Beitragsleistung, zur Nachschusspflicht, zum läuft eine Verjährungsfrist von höchstens drei Jahren. UnternehmerCircle 03 I 2015 5 Aktuelle Rechtslage Aktuelle Rechtslage Die als Umwandlung bezeichnete Gründung einer eingetragenen Bei bestehenden Gesellschaften gilt dies mit folgenden Einschrän- Personengesellschaft und Einbringung des Vermögens der GesbR ist kungen: Die neuen Regelungen können nicht rückwirkend auf auf Grund des Wechsels der Rechtssubjekte kein identitätswahrender Sachverhalte angewendet werden, die sich vor dem Datum des In- Vorgang, sondern vielmehr eine Übertragung des Gesellschaftsver- Kraft-Tretens ereignet haben. Solche Sachverhalte sind etwa Vertre- mögens auf die von den Gesellschaftern der GesbR neu gegründe- tungshandlungen oder das Setzen eines Kündigungsgrunds. Weiters te OG (oder KG). Zur Erleichterung dieser Übertragung normiert § sind gemäß § 1503 Abs. 5 Z 2 ABGB alle dort zitierten Bestimmungen 1206 Abs. 1 ABGB die Gesamtrechtsnachfolge und weicht damit vom zum Innenrecht auf schon vor dem GesbR-Reformgesetz bestehende Traditionsprinzip im Interesse einer erleichterten „Umwandlung“ ab. Gesellschaften erst ab dem 1. Juli 2016 anzuwenden. Die Gesell- Nur dieser Rechtsformwechsel soll mit einer Gesamtrechtsnachfolge schafter haben somit ausreichend Zeit, ihre vertraglichen Regelungen erleichtert werden, da ihn der Gesetzgeber den Gesellschaftern einer mit dem neuen Recht abzugleichen. Ab Jahresmitte 2016 anwendbar unternehmenstragenden GesbR schließlich aufzwingt. Die Auflö- sollen diese das interne Verhältnis der Gesellschafter betreffenden sung und Liquidation der Gesellschaft sind weitestgehend entspre- Bestimmungen aber auch nur dann sein, wenn kein Gesellschafter chend dem Recht der OG geregelt. widerspricht, indem er den anderen gegenüber erklärt, die Anwendung des zuvor geltenden Rechts beibehalten zu wollen. In einem Alle Bestimmungen des GesbR-Reformgesetzes traten mit 1. Jänner solchen Fall von „Opting-out“ ist das gesamte neue Innenrecht auf 2015 in Kraft. Auf nach diesem Zeitpunkt gegründete Gesell- Altgesellschaften erst ab dem 1.1.2022 anwendbar. schaften sind sie ohne Einschränkungen sofort anzuwenden. Syndikatsverträge in Familienunternehmen sollten überprüft werden Univ.-Prof. Dr. Susanne Kalss, LL.M. Syndikatsverträge bilden mit dem Gesellschaftsvertrag und der Vermögensordnung sowie die Vertretung der Gesellschaft, sind dahinterliegenden Familienverfassung die maßgebliche rechtliche ebenso sofort, dh ab 1.1.2015, anwendbar, wie die Regelungen über Grundlage für das Zusammenwirken der Familienmitglieder mit die Haftung der Gesellschafter sowie die Auflösung der Gesellschaft. ihrem Unternehmen. Daher ist es naheliegend, die Auswirkungen der kürzlich in Kraft getretenen ABGB-Novelle zur Neugestaltung Bestimmte andere, gerade auch Syndikatsverträge unmittelbar be- der GesbR auf ihre Wirkungen für Syndikatsverträge und damit für treffende Regelungen treten erst am 1. Juli 2016 in Kraft. Das Gesetz Familienunternehmen genauer zu beleuchten. sieht eine Übergangsfrist von 1,5 Jahren vor. Erfasst werden Regelung en über den Gesellschaftsanteil und die Beiträge der Gesellschafter, die Nachschusspflicht, Treuepflicht und Gleichbehandlungspflicht, GesbR-Novelle – anwendbares Recht für Syndikatsverträge das Verbot schädlicher Nebengeschäfte (Wettbewerbsfähigkeit), die Regelung über die Geschäftsführung, über Gesellschafterbeschlüsse, über Kontrollrechte der Gesellschafter, Gewinn- und Verlust- sowie Entnahmerechte, das Recht über die Auseinandersetzung mit einem Lebenslauf Hon.-Prof. LStA Dr. Sonja Bydlinski Nach der Matura am Bundesgymnasium Tamsweg und dem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien war Dr. Sonja Bydlinski Assistentin am Institut für Finanzrecht der Universität Wien und anschließend Journalistin bei der Tageszeitung „Die Presse“. Nach der Rechtsanwaltsprüfung wechselte sie in die Justiz und war seit 1985 im Bundesministerium für Justiz in verschiedenen Abteilungen der Zivilrechtssektion tätig. Sie leitet seit 1999 die Abteilung für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht und hat in dieser Funktion sowohl die nationalen Gesetzesvorhaben in diesem Bereich zu betreuen als auch die österreichische Position in der EU zu vertreten. 2007 wurde ihr die Honorarprofessur für Unternehmensrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien verliehen. 6 UnternehmerCircle 03 I 2015 Im Herbst 2014 beschloss der Nationalrat eine Novelle zum ABGB ausscheidenden Gesellschafter sowie schließlich Regelungen über die und kodifizierte damit das Recht der GesbR neu. Da Syndikatsverträge Kündigung einer Gesellschaft. Der Zweck dieser langen Übergangsfrist Dauerrechtsverhältnisse begründen, die typischerweise als GesbR liegt in der Anpassungsnotwendigkeit von Gesellschaftsverträgen der ausgestaltet sind, wirkt sich die Novelle auf bestehende Syndikats- GesbR im Allgemeinen, gerade aber auch von Syndikatsverträgen im verträge und damit auch auf Familienunternehmen aus. Besonderen. Den Gesellschaftern, denen oft wegen der mangelnden Welches Recht nunmehr auf neue oder bestehende Syndikatsverträge Formbedürftigkeit, der mangelnden Öffentlichkeit, der mangelnden anwendbar ist, wird im Gesetz differenziert gestaltet. Zunächst ist Kontrolle durch das Firmenbuchgericht, der mangelnden Registrierung zwischen GesbRs oder Syndikatsverträgen zu unterscheiden, die und der hohen Gestaltungsfreiheit überhaupt nicht bewusst ist, dass erstmals und neu abgeschlossen werden (Neuverträge) und bereits sie in einem komplexen Vertragsgefüge leben, soll die Möglichkeit bestehenden Gesellschaften, somit Neu- und Altgesellschaften. gegeben werden, ihr vertragliches Regime an die neuen gesetzlichen Das GesbR-Reformgesetz ist mit 1. Jänner 2015 in Kraft getreten, Bestimmungen anzupassen. sodass für Neugesellschaften, dh für Syndikatsverträge oder sonstige GesbRs, die erst nach diesem Zeitpunkt vereinbart wurden, Sollten diese 18 Monate nicht ausreichen oder die Fortgeltung des vollständig das neue Recht anzuwenden ist. Für Altgesellschaften alten GesbR-Rechts gewünscht sein, so gewährt das Gesetz den sind für verschiedene Regelungen drei Inkrafttretenszeitpunkte Gesellschaftern ein ganz außergewöhnliches Gestaltungsrecht. Durch maßgeblich. Ein Teil der Bestimmungen, insbesondere etwa die Äußerung eines einzigen Gesellschafters wird die Inkraftsetzung die des neuen Rechts weit über die 18 Monate hinaus in die Zukunft Regelungen über das Gesellschaftsvermögen und die UnternehmerCircle 03 I 2015 7 Aktuelle Rechtslage Aktuelle Rechtslage verschoben, nämlich bis zum 31. Dezember 2021, sodass das neue die freie Kündbarkeit eines auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen aus. Die Kündigungsregelung wurde – und wird – dort auch nur für wird. Die einzelnen Familienunternehmen und deren dahinterliegenden Recht der GesbR erst mit 1. Jänner 2022 in Kraft tritt (Optionsmodell). Syndikatsvertrages die Regel. Das Kündigungsrecht in der GesbR unbefristete Verträge anerkannt; ausdrücklich die Nichtanwendbarkeit Syndikate unterliegen damit einer hohen Rechtsunsicherheit, die in drei gem § 1212 ABGB alt ist dispositiv. Daher kann das Kündigungsrecht für befristete Verträge betont. Dieses Verständnis ist auch für bis fünf Jahren vom Obersten Gerichtshof entschieden werden wird. für einen bestimmten Zeitraum vertraglich ausgeschlossen werden. Syndikatsverträge und sonstige Gesellschaftervereinbarungen nach Bis dahin unterliegt jedes Syndikat jedenfalls der Gefahr, dass § 1209 Die Zeitdauer für den Ausschluss der ordentlichen Kündigung muss dem ABGB zugrundezulegen. So sind die ein oder zwei Pachtperioden Abs. 2 ABGB strikt ausgelegt und die Kündigung gestattet wird. Der nicht kalendermäßig festgelegt werden, sie kann sich auch aus dem abgeschlossenen (je sechs bis zehn Jahre) Jagdgesellschaften ebenso Gesetzgeber hätte angesichts seiner bereits angesprochenen langen Abschluss des Syndikatsvertrages Gesellschaftszweck oder den sonstigen zwischen den Vertragsparteien unkündbar wie eine Projekt-ARGE, die ein Baulos des Semmering- Übergangsfristen noch Zeit, § 1209 Abs. 2 ABGB ersatzlos zu beseitigen Typischerweise enthalten Syndikatsverträge Regelungen über das getroffenen Vereinbarungen ergeben, aus denen hervorgeht, dass Basistunnels betreut und errichtet und demgemäß nicht kalendarisch, oder klarzustellen, dass diese Sicherung der Kündigungsmöglichkeit Stimmverhalten, über die Organbestellung, somit die Corporate die Parteien eine längerfristige Bindung eingehen wollen. Dabei ist sondern projektbezogen befristet ist. bei Vorliegen sachlicher Rechtfertigung auch eingeschränkt werden Governance in der Gesellschaft, und schließlich vielfach auch über die Absicht der Parteien entscheidend, die auch darauf gerichtet die Ausrichtung der Gesellschaft sowie über den Zusammenhalt der sein kann, die freie Kündbarkeit jedenfalls für einen bestimmten Betrachtet man einzelne Fallkonstellationen, so lässt sich die Position fertigung ein länger bemessener Kündigungsausschluss zulässig ist, Anteile und die Regelungen über die Anteilsübertragung. Zum Teil Zeitraum einzuschränken. Für Joint-Venture-Verträge wurde daher der der Gesellschafter nach altem Recht weitgehend rechtssicher bei Familienunternehmen somit auf die Dauer ihres Bestands als werden auch Fragen der Innenfinanzierung, Eigenkapitalausstattung Ausschluss der Kündigung auf 10-15 Jahre oder bis zur Amortisation bestimmen, nach neuem Recht bleibt jedenfalls eine Rechtsunsicher- Familienunternehmen zur Versorgung der Familie. und Gesellschafter einer Investition anerkannt. Für Familiengesellschaften, die dem heit, ob trotz der Regelung gem § 1209 Abs. 2 ABGB die Kündigung angesprochen. Syndikatsverträge sind damit Ergänzungen des Zusammenhalt und der Abstimmung unter den Familienmitgliedern dennoch ausgeschlossen werden kann. Letztlich lässt sich eine Gesellschaftsvertrages. Der Abschluss eines Syndikatsvertrages ist zum Zweck der dauerhaften Versorgung der Familie durch die sachliche Rechtfertigung auch in einem Familienunternehmen zur formfrei. Syndikatsverträge „passieren“ nicht so einfach, vielfach geht Gesellschaft dienen, wird auch eine längere Frist bis zu 30 Jahren oder Sicherung des Bestands und zur dauerhaften Versorgung einzelner ihnen ein langer Verhandlungs- und Einigungsprozess voraus. Darin auf den Bestand des Unternehmens akzeptiert. Familienmitglieder anerkennen. Daher ist bei Familiensyndikaten eine allfälliger Finanzierungspflichten der kann und insofern eine temporärer und je nach sachlicher Recht- Zusammenfassender Ausblick Bindung auf 30 Jahre und mehr oder auf Bestand des Unternehmens Die GesbR-Novelle wirkt sich auf bestehende und auf künftig erkennen, zu dem alle Beteiligten gerade noch bereit sind, die mit der Nach der neuen ABGB-rechtlichen Regelung kann eine Kündigung (bei Aufrechterhaltung und tatsächlicher Ausgestaltung als Familien- abzuschließende Syndikatsverträge stark aus. Dies sollte zum Anlass Syndizierung verbundenen Einschränkungen zu akzeptieren, weil sie auf unbestimmte Zeit eingegangene GesbR nur für den Schluss eines unternehmen) zulässig. Derartige Regelungen unterliegen aber genommen werden, bestehende Syndikatsverträge auf ihre aktuelle noch von den Vorteilen des Zusammenseins und Zusammenwirkens Geschäftsjahres vorgenommen werden. Sie muss mindestens sechs jedenfalls der Rechtsunsicherheit und letztlich der Entscheidung des und künftige Belastbarkeit zu überprüfen. Die Kündigungsregeln überzeugt sind. Das Zeitfenster schließt sich oft sehr schnell, sodass Monate vor diesem Zeitpunkt stattfinden. Ausdrücklich stellt § 1209 Obersten Gerichtshofes, wie er die nunmehr neu gefasste Regelung des sollten genau im Licht der neuen Rechtslage beurteilt werden. durchaus sachgerechte oder notwendige Änderungen vielfach nicht Abs. 2 ABGB neu die Regelung zwingend. Eine Vereinbarung, durch § 1209 Abs. 2 ABGB im Verhältnis zu § 132 Abs. 2 UGB qualifizieren mehr möglich sind. Im Regelfall werden Syndikatsverträge daher die das Kündigungsrecht ausgeschlossen oder in anderer Weise als schriftlich abgeschlossen. Einer besonderen Form, insbesondere des durch angemessene Verlängerung der Kündigungsfrist erschwert wird, Notariatsaktes, bedürfen sie dann, wenn darin auch die Übertragung ist nichtig. Somit ordnet das Gesetz ausdrücklich eine Teilnichtigkeit von GmbH-Anteilen oder die Anbotstellung dafür mit normiert wird. bei abweichenden Regelungen an. Die Regelung ist aus dem UGB liegt die Kunst des Moderators und Rechtsberaters, den Zeitpunkt zu übernommen. § 132 Abs. 2 UGB sieht für Gesellschaftsverträge eingetragener Personengesellschaften eine parallele Vorbildregelung vor. Da die Anwendungsbreite der GesbR den Rahmen der OG deutlich Beendigung des Syndikatsvertrages übertrifft, sollte der Grundsatz der grundsätzlichen Gestaltungsfreiheit der GesbR weiterhin beibehalten und sollte von der schlichten, dh Bei der Beendigung des Syndikatsvertrages ist zwischen der mechanischen Übernahme der Bestimmungen des UGB Abstand einvernehmlichen Beendigung unter den Syndikatspartnern oder genommen werden, um nicht in – geradezu – unlösbare gesetzliche der einseitigen Beendigung durch Kündigung zu unterscheiden. oder wirtschaftliche Konfliktsituationen zu geraten. Mit der viel Die außerordentliche Kündigung bewirkt das sofortige Ende des größeren Anwendungsbreite geht häufig die Vermögenslosigkeit Syndikatsvertrages bzw. der Mitgliedschaft eines Syndikatspartners, der Gesellschaft einher. Insbesondere zeigt sich dies etwa an der setzt aber zugleich das Vorliegen eines wichtigen Grundes voraus. völlig verschiedenen Vermögenssituation der Gesellschafter und Die ordentliche Kündigung bewirkt hingegen die Beendigung der damit verbundenen Haftungsfolgen. Gemäß § 128 UGB haften des OG-Gesellschafter Syndikatsverhältnisses durch einseitige Erklärung eines unbeschränkt. Die Kündigungsmöglichkeit Syndikatspartners, ohne dass die Fortführung des Vertrages für gleicht daher auch die Gefahr der unbeschränkten Haftung für alle die Syndikatspartner unzumutbar wäre. Nach altem Recht bildet Verbindlichkeiten der Gesellschaft – zumindest für die Zukunft – 8 UnternehmerCircle 03 I 2015 Lebenslauf Univ.-Prof. Dr. Susanne Kalss, LL.M. Susanne Kalss ist seit 2003 Professorin am Institut für Zivil- und Unternehmensrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien. Sie ist auf Unternehmens-, Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht spezialisiert. Einen besonderen Arbeitsschwerpunkt bilden das Stiftungsrecht und das Recht der Familienunternehmen. Sie ist Mitveranstalterin des Familienunternehmertages und der Reihe „Familienunternehmen in Fällen“. www.familienunternehmen.co.at www.wu.ac.at UnternehmerCircle 03 I 2015 9 Aktuelle Rechtslage Aktuelle Rechtslage einigen Stellen Streitfragen, die zur alten Rechtslage bestanden, vom Das Pflichtteilsrecht im Entwurf der Erbrechtsreform Gesetzgeber entschieden, was zu einer Erhöhung der Rechtssicherheit führt. Andere Bestimmungen, die nur noch totes Recht darstellen, sol- Das Pflichtteilsrecht in der geplanten Erbrechtsreform len gestrichen werden, was zu einer Entrümpelung der Rechtslage beiträgt. All dies sind Anliegen, die keinesfalls gering geschätzt werden Standort sollen. Bereits Franz von Zeiller, einem der wesentlichen Redaktoren Univ.-Prof. Dr. Martin Schauer des ABGB, war es ein Anliegen, dass Gesetzestexte in einer zeitge- Das Pflichtteilsrecht ist nach geltendem Recht in §§ 762-792 ABGB mäßen und gemeinverständlichen Sprache formuliert sein sollten.6 geregelt. Die Reform belässt das Pflichtteilsrecht an seinem bisherigen Wenn sich der moderne Gesetzgeber derselben Aufgabe verschreibt, Standort. Gleichwohl ändern sich die Paragraphennummer (künftig §§ dann verdient dies grundsätzlich Zustimmung. Allein dadurch wird die 756-792 ABGB), sodass mit der Anwendung des neuen Rechts auch Reform jedoch nicht zum großen Wurf. ein Umdenken in Bezug auf die bisher gewohnte Nummerierung einher gehen wird. Im Vergleich zum äußeren Umfang des Reformgesetzes sind die sub- Einleitung Pflichtteilsberechtigte Personen bestimmungen an die Europäische Erbrechtsverordnung enthält, die stanziellen Änderungen eher überschaubar. Von einigen Neuerungen ab dem 17. August 2015 anzuwenden ist. Wenngleich der Entwurf wurde bereits in der Tagespresse berichtet. Da geht es beispielsweise lediglich zum Zweck der Begutachtung veröffentlicht wurde und es um die erbrechtliche Rechtsstellung des Lebensgefährten, dem erst- Nach geltendem Recht sind der Ehegatte/eingetragener Partner und 3 sich dabei noch nicht einmal um ein Regierungsvorlage handelt, ist mals ein – freilich nur außerordentliches – Erbrecht eingeräumt wer- die Nachkommen des Erblassers pflichtteilsberechtigt. Sind keine Das österreichische Erbrecht ist seit dem Inkrafttreten des ABGB vor nach jüngsten Presseberichten mit einer raschen Beschlussfassung den soll. Zum Zug kommen soll der Lebensgefährte aber nur, wenn Nachkommen vorhanden, so haben die Vorfahren (Eltern, Großeltern, mehr als 200 Jahren in großen Teilen nahezu unverändert geblieben. im Parlament zu rechnen. Immerhin: Nichts, was im Entwurf ent- es keinen einzigen gesetzlichen Erben gibt (also weder Nachkommen, Urgroßeltern) ein Pflichtteilsrecht, nicht aber die Seitenverwandten Lediglich beim gesetzlichen Erbrecht des Ehegatten, der Verwandten halten ist, steht endgültig fest; aber in Anbetracht der Eile, mit der Vorfahren, sonstige erbberechtigte Seitenverwandte, Ehegatten/ein- (zB Geschwister). Das Pflichtteilsrecht der Vorfahren, das bereits bis- und des unehelichen Kindes sowie beim Pflichtteilsrecht ist es im- her nur in seltenen Fällen zum Tragen kam, soll abgeschafft werden. 4 das Reformprojekt zum Abschluss gebracht werden soll, erscheint getragener Partner) und wenn überdies die Lebensgemeinschaft in mer wieder zu Veränderungen gekommen, die zwar in die Verteilung zweifelhaft, ob und in welchem Umfang noch mit Änderungen ge- den letzten drei Jahren vor dem Tod des Erblassers aufrecht war. Ein des Nachlasses eingriffen, aber das System der gesetzlichen Erbfolge rechnet werden kann. An einigen Stellen wären jedoch – wie sich im Pflichtteil für den Lebensgefährten ist nicht vorgesehen. Ferner ist für (Parentelsystem) und des Pflichtteils im Grundsatz unberührt ließen. Folgenden noch zeigen wird – Änderungen dringend geboten. den Ehegatten/eingetragenen Partner des Erblassers eine weitere Ver- Gleichwohl ist es in den letzten 15 Jahren vermehrt zu Diskussionen über eine Reform des Erbrechts gekommen. Es liegt nahe, ein Pflichtteil und Pflichtteilsanspruch besserung seines gesetzlichen Erbrechts geplant: Sind nur ein Ehegat- Der Pflichtteil ist lediglich ein Recht auf eine wertmäßige Teilhabe Der Entwurf ist verhältnismäßig umfangreich. Die Änderungen des te/EP und Geschwister des Erblassers vorhanden, so soll der Ehegatte am Nachlass. Er wird in der Regel auf der Grundlage eines bestimm- 5 Gesetzestextes umfassen 34 Seiten im A4-Format. Davon entfallen nicht nur wie bisher 2/3 des Nachlasses erben, sondern den gesamten ten Anteils vom Wert des Nachlasses berechnet (für den Ehegatten/ Erbrecht auf den Prüfstand zu stellen, das vor mehr als zwei Jahr- immerhin 27 Seiten auf die Änderungen des ABGB. Von den ca 300 Nachlass. Und schließlich soll eine besondere Abgeltung von Pflege- eingetragenen Partner sowie für die Nachkommen jeweils die Hälfte hunderten unter ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen Paragraphen des Erbrechts werden – grob geschätzt – ca 80 % neu leistungen eingeführt werden, die bestimmte dem Erblasser nahe ste- der gesetzlichen Erbquote). Der Pflichtteil kann vom Erblasser auf ver- entstanden ist, die sich ganz erheblich von dem heutigen Gesell- gefasst. Beinahe könnte man glauben, kein Stein bleibt auf dem hende Personen in den letzten drei Jahren vor seinem Tod erbracht schiedene Weise gedeckt werden. Nur wenn dem Berechtigten kei- schafts- und Wirtschaftssystem unterschieden. So bildete die Reform anderen. Gleichwohl täuscht der Umfang der Änderungen über das haben. Weitere Änderungen betreffen die Testamentsformen sowie die ne ausreichende Deckung seines Pflichtteils hinterlassen wurde oder des Erbrechts beispielsweise das zivilrechtliche Thema auf dem 17. Ausmaß der Reform. Denn bei der überwiegenden Mehrheit der Än- Enterbungs- und Erbunwürdigkeitsgründe. Von diesen Änderungen soll wenn er zu Unrecht enterbt wurde, steht ihm zur Deckung des Fehlbe- in der Folge jedoch nicht die Rede sein. trags oder auch in voller Höhe von Pflichtteilsanspruch zu, der auf die Österreichischen Juristentag 2009. Nach einem weiteren intensiven derungen geht es nicht um inhaltliche Neuerungen, sondern ledig- Diskussionsprozess hat das Bundesministerium für Justiz kürzlich lich um eine Neuformulierung des Gesetzestextes, der in ursprüng- einen ersten Entwurf für eine Reform des Erbrechts vorgelegt. Ge- 1 Leistung des Wert des Pflichtteils in Geld gerichtet ist. Dies ist nicht lichen Fassung – wie soeben erwähnt – vor mehr als 200 Jahren Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf das Pflichtteils- genstand des Entwurfs ist das „Erbrechts-Änderungsgesetz 2015“2, entstanden ist. Man könnte insoweit auch von einer Übersetzung des recht. Dabei handelt es sich um jenes Rechtsgebiet, das für die Nach- das neben der Änderung des materiellen Erbrechts auch Anpassungs- alten Textes in eine moderne Sprache sprechen. Zugleich werden an folgeplanung außerordentlich wichtig ist, weil es die Grenzen letzt- neu, soll aber nunmehr im Gesetz ausdrücklich verankert werden. Pflichtteilsdeckung williger Gestaltungsbefugnisse beschreibt. Zudem handelt es sich um Vgl. dazu das Gutachten von Welser, Die Reform des österreichischen Erbrechts, Verhandlungen des 17. Österreichischen Juristentages II/1 (2009) und die Referate von Wendehorst, Ferrari und Umlauft (Verhandlungen des 17. Österreichischen Juristentages II/2). cher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, ABl vom 27. 7. 2012, L 201/107. 1 4 Vgl. „Die Presse“ vom 15. 5. 2015: „Juristentagung: Eile bei neuem Erbrecht“ (abrufbar über http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/4731536/Juristentagung_Eile-bei-neuem-Erbrecht?from=suche.intern.portal ; abgefragt am 1. 6. 2015). 5 Vgl. zum Entwurf die kritische Stellungnahme von Schauer/Motal/Reiter/Hofmair/ Wöss, Erbrechtsreform: Paradigmenwechsel oder Window Dressing?, JEV 2015, 40. Abrufbar über http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/ME/ME_00100/index. shtml (abgefragt am 1. 6. 2015). 2 jenen Teil des Erbrechts, der den stärksten Eingriffen durch die Reform a) Arten der Pflichtteilsdeckung unterliegt. Deshalb erscheint eine vertiefte Auseinandersetzung mit Deutlicher als bisher soll im Gesetz geregelt werden, auf welche Weise der geplanten Neugestaltung des Pflichtteilsrechts besonders lohnend. der Erblasser den Pflichtteil decken kann (§ 780 idF Entw ErbRÄG 2015). 6 Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentli- 3 10 UnternehmerCircle 03 I 2015 „Leichtverständlich soll er [sc: der Kodex] nicht nur dem Rechtsgelehrten, sondern auch dem gebildeten Bürger sein“ (v. Zeiller, Commentar über das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch I [1811] 25). UnternehmerCircle 03 I 2015 11 Aktuelle Rechtslage Aktuelle Rechtslage Dies kann durch Einsetzung des Pflichtteilsberechtigten zum Erben, Der Entwurf zur Erbrechtsreform sorgt hierbei nicht für mehr Rechtssi- dung auf höchstens fünf Jahre oder die Zahlung von Teilbeträgen in und Schenkungen, die der Erblasser mehr als zwei Jahre vor seinem Tod durch die Hinterlassung eines Vermächtnisses, durch die Zuwendung cherheit – im Gegenteil. Denn vorgesehen sind jetzt zwei Bestimmun- diesem Zeitraum anordnen. Allerdings hat das Gericht die Möglichkeit, an eine nicht pflichtteilsberechtigte Person gemacht hat. Ist der Be- einer Schenkung auf den Todesfall sowie dadurch geschehen, dass der gen, die in offenkundigem Widerspruch zueinander stehen. Da gibt es die Stundung bei Unbilligkeit gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten schenkte pflichtteilsberechtigt, so kommt es ohne Rücksicht auf eine Pflichtteilsberechtigte nach dem Erbfall (Tod des Erblassers) etwas als einerseits § 780 Abs. 2 idF Entw, der lautet: „Zuwendungen auf den zu ändern oder aufzuheben, wobei auch die Interessen des Pflichtteils- Frist zu einer Erhöhung der Pflichtteile. Wenn die wegen der Schen- Begünstigter einer vom Erblasser errichteten Privatstiftung erhält. Die Todesfall sind auf den Zeitpunkt des Todes des Erblassers zu bewer- schuldner (in der Regel also des Erben) zu berücksichtigen sind. kungen erhöhten Pflichtteile nicht aus dem Nachlass gedeckt werden ersten drei Arten der Pflichtteilsdeckung sind unproblematisch und ten. Ihre Verwertbarkeit ist keine Voraussetzung für die Einrechnung; Schließlich kann der auf Geld gerichtete Pflichtteilanspruch auch ohne können, dann kann der Fehlbetrag vom Beschenkten verlangt werden. entsprechen dem geltenden Recht. Fraglich ist es jedoch, wenn gesagt sie ist aber bei der Bewertung der Zuwendung zu berücksichtigen.“ Anordnung des Erblassers gestundet werden. Eine solche Stundung ist Der Entwurf zur Erbrechtsreform hält an diesem Konzept in den Grund- wird, dass sich der Pflichtteilsberechtigte in den Pflichtteil das einrech- Hier scheint sich der Gesetzgeber also mit der Zuwendung eines be- auf Verlangen des Pflichtteilsschuldner möglich, wenn ihn die Erfüllung zügen fest. Gleichwohl kommt es zu manchen Änderungen. Da gibt es nen lassen muss, was er nach dem Erbfall als Begünstigter einer vom stimmten Werts zu begnügen; ob der Gegenstand, den der Pflicht- unter Berücksichtigung aller Umstände unbillig hart träfe. Dies ist ins- zunächst eine terminologische Unterscheidung von Hinzurechnung und Erblasser errichteten Privatstiftung erhält. Bisher galt die Regel, dass teilsberechtigte erhält, auch verwertbar ist – also zu Geld gemacht besondere der Fall, wenn er ohne diese Stundung zur Befriedigung des Anrechnung. Unter Hinzurechnung ist die rechnerische Erhöhung des der Pflichtteil - und im Falle unzureichender Deckung auch der auf werden kann -, ist für seine Eignung als Pflichtteilsdeckung irrelevant. Pflichtteilsanspruchs seine Wohnung, die zur Befriedigung seines drin- Nachlasses durch den Wert der geschenkten Sache zu verstehen; mit Geld gerichtete Pflichtteils(ergänzungs)anspruch – zumindest grund- Die fehlende Verwertbarkeit kann lediglich seinen Wert vermindern. genden Wohnbedürfnisses dient, oder ein Unternehmen, das seine wirt- Anrechnung ist der Abzug dieses Werts vom Pflichtteil des Beschenk- sätzlich mit dem Tod des Erblassers feststehen muss. Künftig muss sich Demgegenüber ordnet § 765 Abs. 2 idF Entw an: „Wird der Pflichtteil schaftliche Lebensgrundlage darstellt, veräußern müsste. Eine Stundung ten gemeint. Zu einer Anrechnung kann es selbstverständlich nur dann der Pflichtteilsberechtigte aber offenbar auch einrechnen lassen, was entsprechend § 761 Abs. 1 gedeckt, so kann der Pflichtteil dem Pflicht- ist auch möglich, wenn die sofortige Entrichtung den Fortbestand eines kommen, wenn der Beschenkte selbst pflichtteilsberechtigt ist. Anders er erst nach dem Tod des Erblassers aus einer Privatstiftung enthält. teilsberechtigten auch erst im Laufe eines fünf Jahre nach seinem Tod Unternehmens erheblich gefährden würde. Unter diesen Voraussetzun- als bisher soll die Anrechnung aber nicht auf den Schenkungspflichtteil Nimmt man dies wörtlich, so kann nach dem Tod des Erblassers gar nicht überschreitenden Zeitraums zukommen. Kommt dem Pflicht- gen kann das Gericht eine Stundung oder die Zahlung von Teilbeträgen des Beschenkten, sondern auf dessen gesamten Pflichtteil stattfinden, nicht gesagt werden, wie hoch ein allfälliger Geldanspruch ist, weil teilsberechtigten auf diese Weise kein dem Pflichtteil entsprechender innerhalb von fünf Jahren, in Ausnahmefällen sogar von zehn Jahren sodass der Beschenkte bei der Bemessung seines eigenen Pflichtteils ja auch spätere Leistungen aus einer Privatstiftung – offenbar ohne Wert zu, so kann er mit dem Ende dieses Zeitraums die Ergänzung des vorsehen. unter Umständen leer ausgehen kann. zeitliche Begrenzung – eingerechnet werden müssen. Wie das funkti- Pflichtteils in Geld fordern (§ 763).“ Hier geht es also offenbar darum, onieren soll, will sich nicht so recht erschließen. dass dem Pflichtteilsberechtigten innerhalb von fünf Jahren nach dem Diese Bestimmungen, die auf einem früheren Vorschlag einer Arbeits- Die bisher erforderliche Unterscheidung von Vorempfängen und Schen- 9 Tod des Erblassers ein liquider Wert zufließen muss: Was sonst sollte gruppe des Ludwig-Boltzmann-Instituts beruhen , sollen den Genera- kungen soll entfallen. Hierin liegt eine erfreuliche Vereinfachung der b) Wert versus Liquidität mit dem sonst in der Rechtsprache ungebräuchlichen Wort „zukom- tionenwechsel bei Unternehmen, vor allem bei Familienunternehmen, Rechtsanwendung. Als Schenkungen sollen für die Zwecke der Pflicht- Zu den Grundproblemen der Pflichtteilsdeckung gehört auch die Fra- men“ gemeint sein? Wenn der Pflichtteilsberechtigte, dem zum Zweck erleichtern. Wenngleich die Bestimmungen zum Teil restriktiv sind und teilsbemessung auch die Ausstattung, Vorschüsse auf den Pflichtteil ge, ob der Pflichtteilsberechtigte nur verlangen kann, dass er einen der Pflichtteilsdeckung ein Fruchtgenusslegat zugewendet wurde, bezüglich mancher Einzelheiten mehr Klarheit wünschenswert wäre, und Abfindungen für Erb- und Pflichtteilsverzichte gelten; ferner Ver- bestimmten Wert erhält, oder ob er auch auf die Verwertbarkeit des nicht in der Lage ist, aus den Früchten innerhalb von fünf Jahren einen stellen sie doch einen wichtigen Schritt zum Schutz von KMUs dar. mögenswidmungen an Stiftungen bzw. wenn der Wert nicht hinzuzu- zugewendeten Gegenstands, also auf den Zufluss von Liquidität drin- dem Pflichtteil entsprechenden Wert zu erwirtschaften, so könnte er gen kann. Die Frage ist bereits im geltenden Recht (vgl. § 774 ABGB) sodann die Fehlbetrag in Geld fordern. Wie sich diese Bestimmung zu unzureichend gelöst. In der Praxis hat sich eine Entscheidung des OGH § 780 Abs. 2 idF Entw verhält, ist unklar. In diesem Zusammenhang vom 15. 10. 1998 als besonders einflussreich erwiesen. Hier hatte der besteht ein entscheidender Nachbesserungsbedarf. 7 8 OGH die Einräumung einer Unterbeteiligung am Gesellschaftsanteil an einer O[H]G als geeignetes Instrument zur Abdeckung des Pflicht- Stundung des Pflichtteils teils anerkannt. Damit wird im Konflikt zwischen Wert und Liquidität 10 rechnen ist, die Einräumung einer Begünstigtenstellung an einer vom Berücksichtigung von Schenkungen unter Lebenden Erblasser errichteten Stiftung11, und schließlich andere Leistungen, die nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt einem unentgeltlichen Geschäft Der Schutz des Pflichtteils ist nur vollständig, wenn er nicht durch gleichkommen. Zum zuletzt erwähnten Tatbestand sollen beispielsweise Schenkungen, die der Erblasser zu Lebzeiten vornimmt, umgangen wer- einseitige begünstigende Nachfolgeregelungen in Gesellschaftsverträ- den kann. Im geltenden Recht ist deshalb die Anrechnung von Schen- gen gehören können12. kungen bei der Bemessung des Pflichtteils vorgesehen. Sie funktioniert ein deutliches Signal gesetzt: Ist eine Unterbeteiligung tauglich zum Die dem Pflichtteil entsprechende Pflichtteilsdeckung ist grundsätzlich im Wesentlichen in der Weise, dass vom Wert der geschenkten Sache Wie bisher sollen Schenkungen zum gemeinnützigen Zwecken oder aus Zweck der Pflichtteilsdeckung, so kommt es lediglich auf die Zuwen- sofort zu entrichten. Steht dem Pflichtteilsberechtigten ein Geldan- ein eigener Pflichtteil gebildet wird. Diesen Schenkungspflichtteil erhält sittlicher Pflicht sowie Schenkungen ohne Schmälerung des Stamm- dung eines Werts und nicht notwendigerweise auch auf den soforti- spruch zu, so tritt die Fälligkeit erst ein Jahr nach dem Tod des Erblas- jede pflichtteilsberechtigte Person zusätzlich zum Nachlasspflichtteil. Ist vermögens anrechnungsfrei bleiben. Neu ist aber, dass künftig Schen- gen Zufluss von Liquidität an. Es verwundert deshalb nicht, dass diese sers ein (§ 765 Abs. 1 und 3 idF Entw). Von besonderer Bedeutung ist der Beschenkte selbst pflichtteilsberechtigt, so muss er sich den Wert kungen, die der Erblasser mehr als zehn Jahre vor seinem Tod gemacht Entscheidung auch als Argument für die Zulassung von Fruchtgenuss- in diesem Zusammenhang die Möglichkeit einer weiteren Stundung der geschenkten Sache vom Schenkungspflicht wieder abziehen lassen. hat, ebenfalls außer Betracht bei der Bemessung der Pflichtteile bleiben. vermächtnissen oder Rentenvermächtnissen als taugliche Arten der des Geldpflichtteils, die in verschiedenen Fällen vorgesehen ist. So Bestimmte Schenkungen sind von der Schenkungsanrechnung ausge- Eine Unterscheidung danach, ob der Beschenkte pflichtteilsberechtigt Pflichtteilsdeckung verstanden wurde. kann bereits der Erblasser in der letztwilligen Verfügung eine Stun- nommen. Dazu zählen etwa Schenkungen zu gemeinnützigen Zwecken war oder nicht, soll in diesem Zusammenhang keine Rolle mehr spielen. 7 Dazu besonders ausführlich Giller, Die Hinterlassung des Pflichtteils, in Gruber/ Kalss/Müller/Schauer (Hrsg), Erbrecht und Vermögensnachfolge (2010) § 19. 8 Ob 189/98g, NZ 2000,44. 12 UnternehmerCircle 03 I 2015 9 Vgl. zum Folgenden auch Schauer/Motal/Reiter/Hofmair/Wöss, JEV 2015, 53. 10 Dazu Krejci, Unternehmensnachfolge und Pflichtteilsrecht (2006). 11 Dazu kritisch Schauer/Motal/Reiter/Hofmair/Wöss, JEV 2015, 55 f. 12 Erläuterungen zum Begutachtungsentwurf 31. UnternehmerCircle 03 I 2015 13 Aktuelle Rechtslage Im Gespräch Der Reformgesetzgeber orientiert sich damit am deutschen Recht, das berechtigten Beschenkten an. Die neue Regel hat beispielsweise folgen- ebenfalls eine Zehnjahresfrist vorsieht, ohne aber das dort vorgesehe- de Konsequenz: Der Erblasser verschenkt eine wertvolle Sache fünf Jahre ne Modell einer degressiven Bewertung zu übernehmen . Die Frist soll vor seinem Tod an seine Lebensgefährtin. Sein Kind macht den erhöh- mit dem „Vermögensopfer“ beginnen. Eine Definition dieses bisher von ten Pflichtteil geltend. Dieser ist primär aus dem Nachlass zu decken. Lehre und Rechtsprechung – vorwiegend im Zusammenhang mit Zu- Wenn der Nachlass dazu nicht ausreicht, weil der Erblasser beispiels- wendungen an Privatstiftungen – verwendeten und in vielen Berei- weise vermögenslos verstorben ist, so bestehen keine Ansprüche gegen chen umstrittenen Begriffs ist jedoch nicht vorgesehen. die Lebensgefährtin, weil sie nicht zum Kreis der pflichtteilsberechtigten Die Bewertung der geschenkten Sache war bisher wegen einer Recht- Personen gehört und die Schenkung mehr als zwei Jahre zurückliegt. 13 sprechungslinie, die den geltenden § 794 ABGB durch ein äußerst problematisches Bewertungsmodell ersetzt hat14, unbefriedigend. Diesbezüglich ist eine die Rechtslage wohltuend vereinfachende und sachlich Schlußbemerkung überzeugende Bestimmung vorgesehen: Die geschenkte Sache soll künftig stets auf den Zeitpunkt der Schenkung bewertet werden. Dieser Wert ist auf den Todeszeitpunkt nach dem Verbraucherpreisindex Die geplante Reform des Erbrechts bringt zahlreiche Neuerungen anzupassen. Das weitere Schicksal der Sache im Vermögen des Be- mit sich, auf die die Praxis sich wird einstellen müssen. Das Pflicht- schenkten ist für die Bewertung künftig bedeutungslos. teilsrecht ist jener Teil des Erbrechts, der durch die Reform am stärksten verändert wird. Manchen Neuerungen, die zu begrüßen Auch künftig soll der erhöhte Pflichtteil primär aus dem Nachlass ge- sind, stehen Änderungsvorschläge gegenüber, die noch nicht voll- leistet werden. Ist dies nicht möglich, so kann der Beschenkte auf den ständig ausgereift wirken. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzge- Fehlbetrag belangt werden. Dabei ist jedoch eine Besonderheit zu be- ber hierbei noch Modifikationen vornimmt. Wer Nachfolgeplanung achten: Gehört der Beschenkte nicht zum Kreis der pflichtteilsberech- betreibt, benötigt Rechtssicherheit. Diese bereitzustellen sollte das tigten Personen, so haftet er nicht, wenn das mit der Schenkung verbun- Ziel eines Gesetzgebers sein, der Rechtspolitik auch als Instrument dene Vermögensopfer mehr als zwei Jahre vor dem Tod des Erblassers des Wettbewerbs zwischen den Rechtsordnungen oder – was Fa- erbracht wurde. Hier – und nur hier (!) – kommt es weiterhin auf eine milienunternehmen anbelangt – auch als Instrument des Standort- Unterscheidung zwischen pflichtteilsberechtigten und nicht pflichtteils- wettbewerbs begreift. Lebenslauf Univ.-Prof. Dr. Martin Schauer Seit 2001 Universitätsprofessor am Institut für Zivilrecht der Universität Wien; zuvor Universitätsprofessor für Bürgerliches Recht und Handelsrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien und Vorstand des Forschungsinstituts für Mittel- und Osteuropäisches Wirtschaftsrecht. Gastprofessuren und Lehrtätigkeit an mehreren Universitäten des In- und Auslands. Titularmitglied der Académie internationale de droit comparé (Paris). Zahlreiche Veröffentlichungen auf dem Gebiet des Erb- und Stiftungsrechts. Mitherausgeber des Handbuchs „Erbrecht und Vermögensnachfolge“ sowie der Zeitschrift „Journal für Erbrecht und Vermögensnachfolge (JEV)“. Arbeitsschwerpunkte: Privates Wirtschaftsrecht, Vertragsrecht, Versicherungsvertragsrecht, Erb- und Stiftungsrecht, Sachwalterrecht. 13 Bewertung einer Schenkung innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang, danach für jedes weitere Jahr ein Wertabzug von jeweils einem Zehntel (§ 2325 Abs. 3 BGB). 14 Vgl. dazu etwa Aichberger-Beig, Erbrechtliche und pflichtteilsrechtliche Konsequenzen der vorweggenommen Erbfolge, in Gruber/Kalss/Müller/Schauer (Hrsg), Erbrecht und Vermögensnachfolge § 4 Rz 92 ff. 14 UnternehmerCircle 03 I 2015 Es ist nicht nur die Nachfolgeregelung, sondern auch ein Umfeld zu schaffen, das für die Nachfolger attraktiv ist. Dr. Andreas Gratzl im Interview mit em. Univ.-Prof. Dr. Harm Peter Westermann, emerierter Professor der Universität Tübingen und Berater vieler bekannter und großer deutscher Unternehmerfamilien über seine Erfahrungen in der Unternehmensnachfolge, über Familienbeiräte und der Beliebtheit von Juristen. UnternehmerCircle 03 I 2015 15 Im Gespräch Im Gespräch Ihr Vater war ja schon ein anerkannter Jurist, war Ihnen die „Juristerei“ wird. Deswegen habe ich mich damals am Wiener Westbahnhof ner Abberufung kommen lassen, haben wir mit einem Anwalt über in die Wiege gelegt? entschieden: „Das war’s jetzt, jetzt wird’s die Juristerei“ und dann eine andere personelle Lösung diskutiert, über die man sich dann Eigentlich nicht. Ich habe bis zum etwa 4. Semester geschwankt, ist es so schlecht nicht gegangen (lacht). verständigt hat. Aber genau das ist das Problem, gerade wo es in Deutschland eine ganze Menge Mittelständler gibt, die vom Export ob ich die Juristerei wirklich machen soll. Am Anfang habe ich Archäologie studiert, in meinem „Wiener-Semester“ war ich mehr in Sie haben ja viele bekannte und berühmte Familienunternehmen leben. Das heißt, wenn der Unternehmensführer weder Englisch noch der Staatsoper und im Konzert als in der Universität und habe lange beraten. Was sind denn aus Ihrer Erfahrung die größten Herausfor- Französisch kann, von Sprachen aus dem früheren Ostblock ganz zu geschwankt, ob ich nicht doch versuchen soll, Musik zu studieren. derungen in Familienunternehmen? schweigen, dann haben diejenigen, die das können, plötzlich die Vor- Das ist aber nicht gegangen, weil ich manuell nicht gut genug bin, Eine wesentliche Frage in Familienunternehmen ist die Beziehung stellung, dass sie die Besseren sind. Das schafft Konflikte. Ich habe um perfekt Klavier zu spielen, und wenn man nicht perfekt Klavier der Familienmitglieder zum Unternehmen und untereinander, die unlängst einen großen Aufsatz über den überforderten Gesellschaf- spielen kann, hat man keine Chance, dass man auch nur Korrepetitor maßgeblich vom Gesellschaftsrecht und von der Satzung bestimmt ter geschrieben, der gesundheitlich nicht mehr so kann, das Klima in wird. So lange die Kinder alle noch jung und klein sind, ist das Deutschland nicht mehr verträgt und gerne in Spanien leben möchte, kein Problem, aber wenn sie größer werden, erwachsen werden und vielleicht die Macht niederlegt, aber die Kapitalanteile nicht aus der wenn die Kinder nun auch noch zur Selbstständigkeit erzogen wer- Hand geben will. In einem solchen Fall haben die jungen Leute zwar den, kann da schon in das Gesellschaftsverhältnis ein Fremdkörper etwas zu sagen, aber keinen Kapitalanteil, über den auch wesentli- hineinkommen. Aus juristischer Sicht, aus menschlicher Sicht na- che Entscheidungen getroffen werden können. türlich nicht, ist das oft ganz katastrophal. Das habe ich in letzter Zeit leider ein paar Mal erlebt, besonders dann, wenn die Familien- Wie kann man sich aus Ihrer Erfahrung aus dem operativen Geschäft beziehungen in die Brüche gehen. Ich habe gerade eben einen Auf- als Unternehmer zurückziehen? satz über Patchwork Familien im Gesellschaftsrecht geschrieben, Ich empfehle den Leuten, dass sich der Senior zu einem bestimmten eine Situation, der wir zukünftig immer öfter begegnen werden. Zeitpunkt von der Komplementär- in eine Kommanditisten-Stellung Dann haben wir vermehrt in der Nachfolgeregelung ein anderes zurückzieht. Durch den voll eingezahlten Kommanditistenbeitrag Problem: ich kenne eine ganze Reihe erstklassiger Unternehmer in hat er kein Haftungsrisiko. Bei wesentlichen Entscheidungen nach Deutschland, die einen Nachfolger suchen, denn die jungen Leute, §164 HGB müssen die Kommanditisten gefragt werden, sodass er die einen Beruf gelernt haben und etwas leisten können, zögern mit den Alltagsgeschäften nichts mehr zu tun haben muss und sich sehr, in ein Unternehmen einzusteigen, wo sie persönlich haften zurückziehen kann. Unter dem Haftungsrisiko steht er dann auch müssen. Jemand muss die Haftung übernehmen und natürlich auch nicht mehr und er kann die Frage der Vererbung, der Nachfolge und die ganze Arbeit machen. Es ist so, dass viele Unternehmer klagen, des Kapitalanteil ein wenig vor sich herschieben. Bei der GmbH kann dass ihre Kinder da nicht hinein wollen. Daher ist nicht nur die man es natürlich ähnlich lösen. Wenn man mehrere Gesellschafter Nachfolgeregelung eine schwierige Sache, sondern auch ein Um- hat, bildet man dann einen Gesellschafterbeirat mit den Senioren feld zu schaffen, das für die Nachfolger attraktiv ist. und Junioren in einem abgewogenen, abgestimmten Verhältnis. Das setzt allerdings voraus, dass man damit zu einem Zeitpunkt beginnt, Sie haben gesagt, man muss die Nachfolge attraktiver machen, was zu dem sich noch alle gut vertragen. Wenn Sie als Berater erst zu ei- heißt das für die Unternehmer die jetzt vor der Problematik stehen? nem Zeitpunkt gerufen werden, wo alle bereits zerstritten sind, dann Das Thema ist vielschichtig: zum Beispiel, wenn die jungen Leu- geht es oft schon um andere Dinge. te eine gute Ausbildung haben, insbesondere zwei Fremdsprachen In meinem „Wiener-Semester“ war ich mehr in der Staatsoper und im Konzert als in der Universität und habe lange geschwankt, ob ich nicht doch versuchen soll, Musik zu studieren. 16 UnternehmerCircle 03 I 2015 Wenn die jungen Leute eine gute Ausbildung haben, dann fühlen sie sich dem Senior natürlich manchmal überlegen. Das schafft Konflikte. perfekt können, dann fühlen sie sich dem Senior natürlich manch- Wann würden Sie empfehlen, dass man sich dem Thema überhaupt mal überlegen. Ich habe das einmal in einem weltumspannenden widmet? Familienunternehmen in der Nähe von Bielefeld erlebt: Eines Ta- Wenn der Senior im Pensionsalter ist. Heute haben die Männer ja ges kamen die jüngeren Gesellschafter zu mir, ob ich ihnen helfen möglicherweise eine Lebenserwartung, die 80 Jahre nicht als un- könnte, weil ihr Seniorpartner, ein bekannter deutscher Unterneh- erreichbar erscheinen lässt, das Pensionsalter wäre dann so mit 65. außer Stande, mit den ganzen technischen Dingen umzugehen. Ich mer, sei durchs Gebäude gelaufen und hätte in allen Räumen auf Dann kommt es natürlich darauf an: Wenn das jemand ist, der zum habe zum Glück eine junge Mitarbeiterin, die mir dabei hilft, denn westfälisch gesagt „Wer Computer kauft, fliegt“. Das Unternehmen Beispiel tatsächlich keine Sprachkenntnisse hat, außer ein bisschen ich kann’s halt nicht. Das betrifft manche meiner Generation und ist weltweit vernetzt und und benötigte die technische Ausrüs- Englisch, dann muss man das schon deutlich früher machen. Dann ist zwar ein bisschen ein Armutszeugnis, aber letzten Endes sind die tung, auch gegen den Willen des alten Herren. Um es nicht zu ei- sind da noch andere technische Dinge: Ich zum Beispiel bin völlig Dinge ja auch kompliziert. UnternehmerCircle 03 I 2015 17 Im Gespräch Die Unternehmen kommen alle in eine Situation, wo aus der Familie selbst das nötige spezialisierte und erfahrene Management nicht mehr ohne weiteres zur Verfügung gestellt werden kann. Im Gespräch gewesen: Als die studierenden Kinder am Wochenende nach Hause Philosophie oder einen technischen Beruf, dann weiß er noch nicht, fachliches Wissen einbringen können. Zum Beispiel zwei außenste- kamen, hieß es: „Du musst mal in das Nachbarzimmer gehen, da steht ob er später wirklich einmal Lust haben wird, in die Geschäftsleitung hende Beiratsmitglieder mit Qualifikationen in der konkreten Bran- ein vornehmer älterer Herr, der will mit dir was besprechen.“ Dieser zu gehen, sodass sich die Familie bei Zeiten überlegen muss, einen che und mit kaufmännischem Verständnis. Ähnlich macht man das ja Herr entpuppte sich als Notar und der sagte: „Euer Vater schenkt euch Manager zu finden. Das muss dann sehr sorgfältig vorbereitet werden, mit der Geschäftsführung auch: Sie haben immer einen technischen heute einen Geldbetrag von „so und so viel“ und den bekommt ihr, ihr denn der Manager soll ja im Zweifel nicht auch Gesellschafter werden, und einen kaufmännischen Geschäftsführer, diese haben dann auch müsst hier nur noch unterschreiben“. Das war ein Schenkungsvertrag, sondern nur Manager sein. Und dann stellt sich später auch die Frage, entsprechende Gesprächspartner im Beirat. aber gleichzeitig mit der Verpflichtung, das Geld wieder als Darlehen wer entscheidet eigentlich darüber, ob der Manager verlängert wird zurück in das Unternehmen zu geben. Damals kamen in Deutschland oder ob ein anderer kommt. Das muss im Familien-Gremium festge- Der Beirat oder Aufsichtsrat hat ja durchaus maßgeblichen Einfluss gerade die Probleme mit den kapitelersetzenden Darlehen auf, die im legt werden. Ich hatte einen Fall, da wollte der Unternehmensgründer auf die Unternehmensgestaltung. Heutzutage ist es ja oft immer noch Grunde über Nacht praktisch wertlos werden konnten. Nun hatten die einen seiner Söhne gerne in der Geschäftsführung haben, aber seine üblich, dass er nur aus „Friends & Family“ besteht und viele Entschei- Kinder gegen diese Schenkung, die im Unternehmen gelandet war, zweite Ehefrau machte ihm deutlich, dass sie den jungen Mann dort dungen einfach durchgenickt werden. auf den Pflichtteil verzichtet. Dann habe ich mit den jungen Leuten nicht dulden würde. Und dann war natürlich die Frage nach einem Das machen wir nicht. In Deutschland hat sich bei den großen und mit dem Vater getrennt geredet, das war ein ganz gütiger, alter, Fremdmanager, und weiter, welche Rollen die Kinder aus diesen beiden Mittelständlern schon durchgesetzt, dass der Beirat maßgebliche freundlicher Herr. Der hat das gar nicht durchschaut, was da in seinem Ehen spielen werden. Aber da liegt eine Schwierigkeit, denn zu einem Namen gemacht worden war. Dann sprach ich auch mit dem ältesten Fremdmanager muss man ja unbegrenztes Vertrauen haben, insbeson- Sohn, der machte auch einen sehr positiven Eindruck. Es waren die dere, wenn man Gesellschafter hat, die der Sache fernstehen, die nur Berater gewesen, die das ausgedacht hatten. Wir haben dann mit die Hand aufhalten wollen und eigentlich nicht die sind, die wirklich einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gedroht, worauf sich entscheiden können oder beurteilen können, was ein Manager leistet. dann alle sehr vernünftig außergerichtlich geeinigt hatten. Keiner Ein alter Steuerberater hat einmal einen ganz furchtbaren Ausdruck versuchte irgendwas durchzudrücken. Die Familie hatte sich einfach, in meinem Beisein für ein Unternehmen mit Nachfolgeproblemen mit weil die Berater gefunden haben, es werde höchste Zeit, dass der äl- vier Familien gebraucht: „Die Kommanditisten entwickeln sich zu Dau- teste Sohn das auch wirklich alleine bestimmen kann, sich zu dieser erlutschern.“ (lacht). Aber so ist es leider nicht selten. Lösung bewegen lassen. Wie sollte denn so ein Aufsichtsrat/Beirat für ein optimales FamiliSie haben gesagt, es sollten möglichst alle relevanten Familienmit- enunternehmen besetzt sein? Wie sollte da die Mischung aussehen? glieder dabei sein. Wen meinen Sie damit? Da gibt es gewisse Gepflogenheiten. Wenn man einen sehr weitläu- Es sollten nicht nur die Senioren, sondern auch die Kinder und die figen Familienkreis/Gesellschafterkreis hat, sollte jeder Stamm ein Partner dabei sein. Denn es ist heute anders als noch vor 20 Jahren, Beiratsmitglied stellen und dann sollte man noch Außenstehende die Frauen denken über Nachfolge sehr aktiv und nicht nur egois- hinzuziehen. Bei zum Beispiel vier Familienmitgliedern reicht es tisch nach. Das hat sich verändert. Meine Meinung ist, man muss mit nicht, nur einen Außenstehenden aufzustellen, da muss man schon der ganzen Familie sprechen, es sei denn, es gibt einen Konflikt, dann mehrere haben. Bei großen Familien sind das einige externe Bei- muss man natürlich erstmal mit den Gruppen unterschiedlich spre- räte, diese zu suchen, ist ein ziemlicher Aufwand. Ein derartiger chen. Wenn einer der Beteiligten einen Anwalt hat, dann bevorzuge Beirat, wenn er etwas zu sagen hat, (außer es ist nur so ein „Früh- Wenn Sie an ein Beratungsprojekt mit einer Familie herangehen, wie ich es, mich an den Anwalt zu halten. Die wenigsten Familienmit- stücksbeirat“, lacht), erfordert dann schon einige qualifizierte Per- sollte am besten die Vorgehensweise aussehen? glieder wollen gegeneinander prozessieren, gerade am Land, wo das sonen. Und dann sollten die Beiratsmitglieder auch die Fähigkeit Man wird ja von irgendjemand angesprochen, entweder vom Unter- gleich alle wissen. Die meisten Anwälte wollen aus meiner Erfahrung haben, mit anderen gut umzugehen. Die Kosten sind dabei nicht nehmensgründer, dem Geschäftsführer oder von den jungen Leuten. auf eine Verständigungslösung hinaus. ganz unerheblich. Die Beiratsmitglieder müssen schon bezahlt werden, denn das Mandat ist mit Aufwand verbunden. Die Beiräte Man sollte relativ früh, also schon in der zweiten Gesprächsrunde, die wichtigsten Familienmitglieder zusammen haben. Ich habe das mal Wie sehen Sie denn die Rollenverteilung zwischen Eigentümer und müssen schon Akten studieren, wenn da eine Geschäftsführungs- gehabt, da kamen zwei junge Leute zu mir und sagten: „Unser Vater Management? entscheidung oder ähnliches ansteht. beschäftigt sich mit dem Gedanken, die Geschäftsanteile an unserem Die Unternehmen kommen alle in eine Situation, wo aus der Fami- Unternehmen auf unseren ältesten Bruder zu übertragen. Er soll das lie selbst das nötige spezialisierte und erfahrene Management nicht Wie sollte denn der Beirat zusammengesetzt sein? machen und die vier anderen sollen auf alles Mögliche verzichten.“ mehr ohne weiteres zur Verfügung gestellt werden kann. Das wissen Neben den Familienangehörigen, auch wenn sie von der Sache nur Das war noch dazu mit einem ziemlich arglistigen Trick verbunden die jungen Leute auch. Wenn jemand Abitur macht und studiert, zB wenig verstehen, müssen sie entsprechende Leute holen, die auch 18 UnternehmerCircle 03 I 2015 Zu einem Fremdmanager muss man unbegrenztes Vertrauen haben. Insbesondere, wenn man Gesellschafter hat, die der Sache fernstehen. UnternehmerCircle 03 I 2015 19 Im Gespräch Im Gespräch Entscheidungen trifft. In einer Kommanditgesellschaft hat beispiels- werden. Bei diesen Lösungen hat sich eine Stimme pro Familien- reden. Die Vorstände müssen unabhängig entscheiden, sie dür- weise der Beirat die Entscheidung zu treffen, wer in der nächsten stamm im Beirat bewährt. fen sich die Entscheidung weder von der Hauptversammlung noch Generation der persönlich haftende Gesellschafter wird. In einem mir vom Aufsichtsrat aus der Hand nehmen lassen. Der Aufsichtsrat hat bekannten Beispiel hatte der Gründer seinen Nachfolger noch selber Wie vermeidet man im Beirat Blockaden bei wichtigen Unterneh- höchstens einen Zustimmungsvorbehalt nach dem Aktiengesetz. Er benannt, dieser schied dann aus Altersgründen aus, und der Beirat mensentscheidungen? kann zum Beispiel sagen: „Bei Investitionen über 1 Million möchten hatte zu entscheiden, wer Nachfolger wird. Das war nicht ohne ge- Wenn man die außenstehenden Mitglieder im Beirat stark genug wir gefragt werden“. Die Aktiengesellschaft ist auch wegen der For- wisse Spannungen möglich, weil sich da mehrere aus der Familie macht, dann müssen die notfalls allein entscheiden. Das kann man in malität in der Hauptversammlung ein bisschen schwerfällig. Wobei Hoffnungen machten, haftender Gesellschafter und Konzernchef zu der Beiratsverfassung so regeln, man darf die Beiratsverfassung nur natürlich in dem Augenblick, wo sich die Familie entschließt oder nicht so gestalten, dass die bei der Aktiengesellschaft den Aufsichts- entschließen muss, Kapital hereinzuholen, die Aktiengesellschaft rat beiseite schieben können. Aber schon in der GmbH – und in den eine gute Sache sein kann. Denn dann können sie eine Gesellschaft Personengesellschaften erst recht – kann der Beirat frei gestaltet gründen, in der die Familie noch die Mehrheit behält und damit das werden, da kann man eine Beiratsverfassung mit einem mehrstufigen Steuer in der Hand hat. Das ist eine ideale Lösung, denn dann hat Abstimmungsverfahren umsetzen. Grundsätzlich entscheidet zum man den Zugang zum Kapitalmarkt mit seinen Finanzierungsmög- Beispiel der Beirat mehrheitlich, aber bei wichtigen Entscheidungen lichkeiten. Was ganz ausfällt, sind die Genossenschaften, da die ja durch qualifizierte Mehrheit, und wenn es um wesentliche Persona- nur ganz bestimmte Zwecke verfolgen dürfen. lentscheidungen geht, dann mit Übergewicht der Außenstehenden. Welche Relevanz haben Stiftungen in Deutschland? Akzeptieren Unternehmerfamilien, dass familienfremde Mitglieder Keine so große wie in Österreich. Das liegt unter anderem daran, dass dominant im Beirat sind? bei uns die Stiftungsverfassung vom Staat genehmigt werden muss, Ja, das akzeptieren die Familien, gerade weil sie wissen, dass sie und das ist nach Ländern unterschiedlich geregelt. Es gibt Bundes- Fachleute, Profis brauchen, erstklassige Leute, die uns an die Hand länder, die eine liberale Stiftungspraxis haben und solche, die da sehr nehmen. Ich hatte noch nie Schwierigkeiten, das den Familien zu sa- eng sind. Da es sich um unternehmerische Dinge handelt und nicht gen. Natürlich, wenn jemand bisher allein entschieden hat und man um gemeinnützige Stiftungen, machen das nur wirklich große Un- setzt ihm einen Beirat vor die Nase, es versteht sich, dass ihm das ternehmen, beispielsweise die Bertelsmann-Gruppe oder, wie letzte missfällt. Das ist manchmal nur mit – sagen wir mal – sanftem Druck Woche in der Frankfurter Allgemeinen zu lesen war, Herr Otto von zu erreichen. Ottoversand. Das ist eines der wenigen Familienunternehmen, die jetzt in eine Stiftung gehen und als Stiftungsvorstand den Junior- Welche Gesellschaftsformen eigenen sich aus Ihrer Erfahrung beson- Unternehmer vorsehen. Es kann sein, dass in Deutschland auch an- ders gut für Familienunternehmen? dere auf den Gedanken kommen, aber bisher ist es relativ selten, weil In Deutschland ist da eine sehr breite Wahlmöglichkeit. Die GmbH es sehr schwierig umzusetzen ist. ist mit einigen zwingenden Rechten behaftet, aber trotzdem sehr flexibel. Die Ausgestaltung der GmbH können Sie fast vollkommen Könnte man sagen, dass es ein Umdenken in Richtung Stiftungen in frei regeln, abgesehen von den Finanzierungsfragen. In Personenge- Deutschland gibt? sellschaften sind die Möglichkeiten auch sehr breit, natürlich müs- Ja, das könnte ganz gut sein, wenn Herr Otto das hinbekommt. sen Sie das Haftungsproblem lösen. Bei der Kommanditgesellschaft Bei einer GmbH sind im Allgemeinen die Anteile frei veräußerlich. Wenn man das nicht will, dann müssen Sie durch Satzungsbestimmung die Aktien vinkulieren. 20 UnternehmerCircle 03 I 2015 Grundsätzlich entscheidet zum Beispiel der Beirat mehrheitlich, aber bei wichtigen Entscheidungen durch qualifizierte Mehrheit und wenn es um wesentliche Personalentscheidungen geht, dann mit Übergewicht der Außenstehenden. gewünscht ist, dann sollte man einen Familienvertrag mit allen Beteiligten aufsetzen. Das ist eine Regelung darüber, wie sich die braucht man einen Komplementär. Bei der GmbH & Co KG haben sie Wie kann man den Ausstieg von Familienmitgliedern aus einer Fa- Gesellschafter einstellen sollen, wenn ein Antrag zur Aufhebung das Haftungsproblem nicht ganz gelöst, denn es kann ja mal sein, milienholding vorsehen, ohne dass Dritte in die Familiengesellschaft der Vinkulierung eingebracht wird. In einem aktuellen Fall von mir dass der Komplementär-GmbH die Haftung zu viel wird und dass kommen? hat man festgelegt, dass man in den Familienvertrag eine Regelung man dann auch da Finanzprobleme bekommt. Aber was sich für Fa- Bei einer GmbH sind im Allgemeinen die Anteile frei veräußerlich. aufnimmt, wer als Erwerber von Anteilen von der Familie akzeptiert miliengesellschaften in meinen Augen nicht eignet, ist die Aktien- Wenn man das nicht will, und das wollen natürlich die Familien- wird, zum Beispiel natürliche Personen oder Tochtergesellschaften gesellschaft. Ich habe in Familienaktiengesellschaften die Erfahrung gesellschaften nicht, dann müssen sie durch Satzungsbestimmung und Holdinggesellschaften. Das bedeutet also, wenn einer der Fa- gemacht, dass das deutsche Aktienrecht für Familiengesellschaften die Aktien vinkulieren. Die Vinkulierung heißt, dass Anteile an einen milie verkaufen will, dass er das an eine Tochtergesellschaft oder ein bisschen zu starr ist. Denn man darf als Aufsichtsrat und damit Dritten nur dann veräußert werden können, wenn der Geschäfts- Holdinggesellschaft tun kann, wenn da wiederum seine Kinder schon als Vertreter der Gründerfamilie den Vorständen nicht dazwischen führer oder die Gesellschaftsversammlung zustimmt. Wenn das so beteiligt sind, um die Anteile in der Familie zu erhalten. Aber das geht UnternehmerCircle 03 I 2015 21 Im Gespräch Im Gespräch dem Gespräch/Beratung dann am Telefon zu mir sagte: „Ich möchte Ihnen nur noch eines sagen: Ich bin jetzt 70 Jahre alt, ich habe auf dieser Welt nur noch ein Ziel, und das besteht darin, meinen Bruder zu vernichten“. Das ist leider Gottes ziemlich häufig. Nun etwas anderes, ich habe gelesen, dass Sie als Fußballprofessor bezeichnet werden. Wie kommt es dazu? Das hängt mit folgendem zusammen: Als ich 1970 nach Bielefeld kam, war der Bundesligaskandal. Da hatten die Manager von DSC Arminia Bielefeld, die den Abstieg aus der Bundesliga verhindern wollten, Spieler zu kaufen versucht. Das war ein Trainer, der war zum Vereinsvorstand gegangen - einem biederen Buchhändler aus Bielefeld – und sagte: „Boss, wir müssen Spiele kaufen“. Dann hatten sie an die Spieler der anderen Mannschaft Bargeld gegeben, dafür das die mal ein bisschen weniger energisch spielen. Das witzige an der Sache war, dass nicht nur Bielefeld das gemacht hat, sondern dasselbe wollte auch der ebenfalls abstiegsgefährdete Club Kickers Offenbach. Dann war Bielefeld erfolgreicher und blieb in der Liga, und Offenbach ist mit dem Geld zu spät gekommen. Da war eine große Geburtstagsfeier des Vorsitzenden von Kickers Offenbach, der hatte die ganze DFB Prominenz aus Frankfurt eingeladen und auf seiner Geburtstagsfeier die Bänder, mit den aufgezeichneten Bestechungsgesprächen abgespielt. Deswegen konnte man das nicht mehr unter den Teppich bügeln und es wurde ein Riesenskandal daraus. Ich kam gerade nach Bielefeld, und einer meiner besten Freunde aus dem Studium wurde der nachfolgende Vorsitzende des Fußball-Clubs. So wurde ich gebeten, denen nur, wenn in der Holding bestimmte Voraussetzungen gegeben sind. Bei alten Familienunternehmen hat man schnell einmal 30 bis 40 Personen in der Eigentümerrolle über mehrere Generationen, von denen einige einen ganz anderen Beruf ausüben oder auch andere Interessen haben. Man weiß ja oft nicht, was aus den Kindern später wird, aber man sollte ein klares Verfahren vorsehen, wie in den Streitigkeiten in einer solchen Holding nach dem Familienvertrag vorzugehen ist. Da Man weiß ja oft nicht, was aus den Kindern später wird, aber man sollte ein klares Verfahren vorsehen, wie in den Streitigkeiten in der Holding laut dem Familienvertrag vorzugehen ist. zu helfen. Das habe ich damals auch getan und in der Folge über die Verbandsgerichtbarkeit des deutschen Fußballbandes auch ein Buch geschrieben. Wir hatten damals eine Rechtsprechung, wonach innere Vereinsentscheidungen nicht von der Justiz überprüft werden können. Unter anderem durch mein Gutachten haben wir damals bewirkt, dass diese Rechtsprechung geändert wurde. Sie haben einmal einen Vortrag gehalten, warum Juristen bei nicht so kann es auch durchaus sein, dass zum Beispiel für die Zustimmung zur Anwälte, die was taugen, fangen nicht gleich an, das Kriegsbeil auszugraben, sondern die gehen aufeinander zu und diskutieren. gebildeten Personen in der Bevölkerung nicht so beliebt sind. Was ist Veräußerung an eine natürliche Person nicht die einfache Mehrheit geben, die sich erst aus der Nachfolgelösung heraus bewältigen las- der Sukkus Ihrer Rede? sen. Besonders Streitigkeiten unter Geschwistern sind häufig heftig. Das war meine Antrittsvorlesung in Berlin über Beliebtheit und Un- schwierigen Fragen so auszudrücken, dass die Leute auch wissen, um Wo treten aus ihrer Sicht die meisten Streitigkeiten in den Familien- Da ist es oft so, dass das persönliche Miteinander in den Familien in beliebtheit von Juristen. Die Hauptgründe dafür sind, dass sich die was es geht. Im Gesellschaftsrecht geht das noch, aber im Hypothe- unternehmensstrukturen auf? Schwierigkeiten endet. So treten zwischen Brüdern oft schwer lös- Juristen an gesetzliche Regelungen gebunden fühlen, die zum Teil kenrecht oder Bankrecht sieht das schon ganz anders aus. Und der Das sind Fragen der grundsätzlichen unternehmerischen Konzepti- bare Konflikte auf. aus früherer Zeit stammen. Wir sind ja gehalten, Gesetz und Recht dritte Grund ist, dass die Juristen in der Universität und später auch in anzuwenden. Vertragsregelungen, die echte Umgehungen sind, dür- der Praxis eingetrichtert bekommen, dass das, was wir sagen, richtig ausreicht, sondern etwa eine qualifizierte Mehrheit erforderlich ist. on, Ausrichtung und Strategie. Nehmen wir ein Beispiel zum Thema Strategie bei der Produktpalette: bei alkoholfreiem Bier, haben die Wie kommt man aus dieser Situation heraus? fen wir nicht mitmachen, und das tun die meisten auch nicht. Der ist und steht, also nicht anzugreifen ist. Wenn ich eine Sache vorbe- Leute aus der Brauereiindustrie lange überlegt, ob sie sich daran be- Da hilft nur eine mittlere Katastrophe. Das habe ich schon einmal andere Grund ist natürlich die juristische Sprache. Sie ist schwierig zu reitet und die herrschenden Meinungen hinter mir habe, dann lasse ich teiligen sollen. Da kann es schon mal Meinungsverschiedenheiten gehabt, da hatte ich ein Gespräch mit einem älteren Herren, der nach verstehen, und wir haben nicht alle die Befähigung, uns in juristisch mich davon nicht abbringen, sondern dann sage ich: „Das ist halt so“. 22 UnternehmerCircle 03 I 2015 UnternehmerCircle 03 I 2015 23 Aktuelle Rechtslage Im Gespräch Was sind die Gründe, Juristen zu mögen? Die Beliebtheit der Juristen kann sich daraus ergeben, dass die Juristen gelernt haben und eingebläut bekommen, dass sie bitte auf den Einzelfall eingehen Rechtzeitige Vorbereitung der Unternehmensübertragung sollen. Dass sie sich mit den Leuten unterhalten und versuchen, den Einzelfall zu ergründen und nicht alles nur unter abstrakten Gesichtspunkten sehen. Dr. Dieter Spranz Das ist das eine, und das andere ist, dass die Juristen bereit sind, sich mit den Juristen der Gegenseite zu unterhalten. Anwälte, die etwas taugen, fangen nicht gleich an, das Kriegsbeil auszugraben, sondern gehen aufeinander zu und diskutieren, weil sie ganz genau wissen, wenn sie sich streiten, müssen sie spätestens bei Gericht mit produktiven Lösungsvorschlägen kommen. Da ist es besser, sich gleich zu einigen. Die Kompromissbereitschaft bei guten Anwälten ist relativ groß, weil sie an bestimmte Dinge gebunden sind, und das ist der andere natürlich auch. Der andere kommt nicht und mutet mir etwas zu, von dem er ganz genau weiß, dass es nicht geht. Ich habe auch mal gesagt „Unter den Juristen ist „Unter den Juristen ist der Jurist beliebt“ der Jurist beliebt.“ Das war im Wesentlichen immer an meine Frau gerichtet, die sich immer ärgert, wenn ich mit anderen Juristen zusammen bin und nur über Juristerei geredet wird. Das ist vielleicht auch der Grund, weshalb wir uns gern mit Unseresgleichen unter- Es gibt dazu im Rosenkavalier von Richard Strauß von Hofmannsthal halten (lacht). eine Szene, die das sehr treffend beschreibt, in der der Notar nicht bereit ist, die Morgengabe anders als vorgeschrieben zu regeln. Vielen Dank für unser Gespräch. Im Lebenszyklus eines jeden Unternehmers stellt sich einmal (oder eignis. Das Unternehmen kann in Folge der Übertragung beispielsweise möglicherweise mehrmals) die Frage, ob und wann er sein Unterneh- eine neue Geschäftsführung erhalten und in verschiedener Hinsicht neu men zur Gänze oder teilweise übertragen soll. Die Motivation dieser ausgerichtet werden, wie etwa durch Schließung von Standorten zur Nut- Überlegung kann auf verschiedene Ursachen zurückgehen und ist von zung von Synergien, Integration in andere Organisations- oder Produkti- den individuellen Umständen abhängig. Treibende Faktoren können onsstrukturen, Prozessoptimierungen oder die Erschließung neuer Märkte zum einen auf Ebene des Unternehmens zum anderen auf jener des bzw. Gewinnung neuer Kunden. Der Eigentümer begibt sich mit der Über- Eigentümers angesiedelt sein. Auf Unternehmensebene kommen bei- tragung zum einen eines (mitunter wesentlichen) Vermögenswertes und spielsweise Wachstumserfordernisse, die nicht aus eigenen finanziel- einer Einkommensquelle, zum anderen trennt er sich von einem Gefüge, len Mittel gestemmt werden können, der Wunsch nach Eigenkapital- mit dem er möglicherweise über die Vermögensaspekte hinaus in emotio- zufuhr durch einen neuen Mitgesellschafter oder Konsolidierungsdruck naler, sozialer und gesellschaftlicher Hinsicht verbunden ist. Das zentrale aufgrund von Marktgegebenheiten, die eine Verbindung mit einem Interesse des übertragenden Eigentümers wird (oder sollte) es sein, diese anderen Unternehmen und damit eine gänzliche oder teilweise Über- Werte im Zuge der Übertragung möglichst zu optimieren. tragung notwendig machen, in Frage. Im Eigentümerbereich können die Gründe einer solchen Übertragung(süberlegung) von persönlicher Die erhebliche Tragweite einer Unternehmensübertragung drängt so- Neuorientierung, über das Fehlen eines Nachfolgers bis hin zu einer mit die Frage auf, wann mit den erforderlichen Vorbereitungen idea- schweren Krankheit oder dem Tod der zentralen Unternehmerpersön- lerweise begonnen werden soll. Schon aufgrund der großen Bandbreite lichkeit oder des prospektiven Nachfolgers reichen. an unterschiedlichen Situationen von Unternehmen und Eigentümern kann die Frage der Rechtzeitigkeit nicht einfach anhand einer «Zau- Lebenslauf em. Univ.-Prof. Dr. Harm Peter Westermann Harm Peter Westermann studierte Rechtswissenschaft an den Universitäten Münster, Paris und Wien. Promotion zum Dr. jur. an der Universität zu Köln. 1969 habilitierte er sich bei Walter Erman zum Thema „Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften.“ Es folgten Lehrtätigkeiten an den Universitäten Göttingen, Köln und Bielefeld. 1984 wechselte er an die Freie Universität Berlin. 1989 nahm er schließlich einen Ruf an die Eberhard-Karls-Universität Tübingen an, wo er bis zu seiner Emeritierung tätig war. Seine wissenschaftliche Tätigkeit widmet Westermann in erster Linie dem Gesellschaftsrecht. Daneben ist Westermann Herausgeber und Mitautor an mehreren Kommentaren zum Bürgerlichen Gesetzbuch und Autor mehrerer zivilrechtlicher Lehrbücher. 24 UnternehmerCircle 03 I 2015 In aller Regel ist daher eine Unternehmensübertragung weniger eine berformel» beantwortet werden, sondern man kann sich ihr nur über Frage des „ob“, als eine Frage des „wann“, auch wenn sich Unterneh- die Beleuchtung einzelner relevanter Aspekte annähern, was im Fol- merpersönlichkeiten dessen oftmals subjektiv nicht so bewusst wer- genden mit besonderem Augenmerk auf die Eigenheiten von Familien- den wollen. Eine Unternehmensübertragung kann einerseits von lan- unternehmen versucht werden soll. ger Hand geplant und gesteuert sein, sie kann aber andererseits sehr plötzlich und unerwartet eintreten oder erforderlich werden. Gerade im letzteren Fall besteht das Risiko, dass das Unternehmen oder dessen Eigentümer unter zeitlichen Druck gerät. Unternehmensbewertung Die Übertragung eines Unternehmens ist in aller Regel sowohl für das Ein Unternehmen ist zunächst ein Vermögenswert und in vielen Unternehmen selbst als auch für den Eigentümer ein einschneidendes Er- Fällen die Grundlage der wirtschaftlichen Existenz des Eigentümers UnternehmerCircle 03 I 2015 25 Aktuelle Rechtslage Aktuelle Rechtslage bzw. der Eigentümerfamilie. Sein Wert kann durch Unternehmensbe- Umweltrisiken und Marktgegebenheiten. Bei entsprechender Größe wertung berechnet werden, beim Verkauf eines Unternehmens ent- des Unternehmens kann es sich dabei um einen durchaus aufwendi- spricht er aber letztlich genau dem Preis, den ein Käufer tatsächlich gen Prozess unter Involvierung zahlreicher Berater handeln, in dem zahlt. Sowohl ein Käufer als auch ein bewertender Wirtschaftstreu- Informationen systematisch mittels umfangreicher Anforderungs- händer bedient sich – mit wenigen Ausnahmen - einer Bewertungs- und Fragenlisten erhoben werden. Die Offenlegung der relevanten methode, die den nachhaltigen Ertrag des Unternehmens zu Grunde Dokumente und Informationen erfolgt nach heute üblichen Stan- legt. Der auf diese Art berechnete Unternehmenswert kann erheblich dards durch Einstellen in einen elektronischen Datenraum. Die Vor- vom Preis abweichen, der am Markt für das Unternehmen erzielt bereitung eines solchen Datenraums kann vor allem dann erheblich werden könnte, und zwar sowohl nach oben als auch nach unten. Zeit und Aufwand in Anspruch nehmen, wenn nicht sämtliche Unter- Ohne hier auf die vielschichtigen Aspekte der Unternehmensbewer- lagen im Unternehmen „auf Knopfdruck“ verfügbar sind. tung einzugehen, soll hervorgehoben werden, dass jegliche Kosten- Aus Sicht des Verkäufers ist die solide Vorbereitung der Offenlegun- und sonstige Aufwandsposition eines Unternehmens nachteilig auf gen in mehrfacher Hinsicht bedeutend. Zunächst kann in der Vor- die Bewertung durchlagen kann. So können sich beispielweise jährli- bereitung noch geprüft werden, ob Problembereiche bestehen und che Kosten in Höhe von e 100.000 bei entsprechender Bewertungs- deren Bereinigung aktiv angegangen werden. Wenn solche Probleme methodik mit gut e 600.000 negativ auf den Unternehmenswert erst im Zuge der Prüfung durch die Kaufinteressenten bewusst wer- auswirken. Vor diesem Hintergrund sollten Kosten- und Aufwands- den und saniert werden müssen (wie es praktisch leider oft der Fall positionen, die entweder nach der Übertragung ihrer Art nach nicht ist), drohen nachteilige Auswirkungen auf den Verkaufsprozess, ins- mehr anfallen oder die nicht unbedingt erforderlich sind, sondern besondere in zeitlicher aber auch atmosphärischer Hinsicht. Die mög- vom Unternehmer eher „geduldet“ werden, entweder rechtzeitig lichen Insuffizienzen sind weitreichend und umfassen beispielsweise eliminiert oder zumindest genau identifiziert werden, um sie in die unvollständige behördliche Genehmigungen, fehlerhafter Eintragun- Bewertungsüberlegungen einbringen zu können. Insbesondere soll- gen in öffentlichen Registern (Firmenbuch, Grundbuch, Gewerbere- ten mögliche Verflechtungen zwischen privaten und betrieblichen gister), wesentliche Geschäftsbeziehungen, deren Grundlagen nicht Bereichen kritisch durchleuchtet und frühzeitig aufgelöst werden. schriftlich dokumentiert sind, abgelaufene Vertragsdauern und Be- Aufgrund all dieser Aspekte sollte man sich zu einem frühen Zeit- stimmungen in Verträgen, die im Fall eines Eigentümerwechsels dem punkt über die für das Unternehmen wahrscheinlich relevanten Be- Vertragspartner ein vorzeitiges Kündigungsrecht einräumen. wertungsansätze ein realistisches Bild machen, um sämtliche, auch hier nicht genannte, diesbezüglich maßgebliche Faktoren rechtzeitig Die Offenlegung aller Dokumente und Informationen über das Unter- zu berücksichtigen. Je früher derartige Positionen optimiert werden, nehmen ist aber auch aus verhandlungstechnischer Sicht essentiell. desto weniger fallen sie bei der Übertragung nachteilig ins Gewicht Im Regelfall werden nämlich Gewährleistungen für dem Käufer be- und desto weniger läuft die Optimierung Gefahr, in den Verkaufs- kannte Umstände vertraglich ausgeschlossen, womit das Haftungs- verhandlungen als Versuch eines „dressing up the bride“ qualifiziert potential des Verkäufers ganz erheblich reduziert werden kann. So- zu werden. weit risikoträchtige Geschäfte oder Strukturen (etwa in steuerlicher Hinsicht) bekannt sind, ist es allerdings ratsam, diese nicht nur offenzulegen, sondern möglichst schon frühzeitig zu lösen oder zu mi- Due Diligence nimieren, da andernfalls damit zu rechnen ist, dass von Käuferseite spezielle Haftungen gefordert werden. Insbesondere der Übertragung eines Unternehmens durch Verkauf an Im Hinblick auf die Due-Diligence-Prüfung ist es daher empfehlens- einen Dritten geht nach heutigen Standards eine sogenannte „Due wert, möglichst frühzeitig ein inhaltliches und organisatorisches Do- Diligence“ des Käufers voraus, also eine Prüfung des Unternehmens kumentenmanagement einzuführen, das alle relevanten Dokumente, unter finanziellen, wirtschaftlichen, technischen, steuerlichen und Unterlagen und Informationen umfasst und laufend aktualisiert wird. rechtlichen Gesichtspunkten sowie allenfalls auch eine Prüfung von Unter diesen Aspekten ist es ebenso empfehlenswert, im Rahmen 26 UnternehmerCircle 03 I 2015 des gesetzlich vorgeschrieben internen Kontrollsystems bzw. über chen Lebensplanung des Unternehmens steht. Ebenso kommt es zu dieses hinaus auch die wesentlichen Prozesse des Unternehmens in Situationen, in denen sich der veräußernde Unternehmer Einfluss- einem Prozesshandbuch zu dokumentieren und ein entsprechendes möglichkeiten vorbehalten möchte, die bei einem Käufer nicht oder Prozessmanagement einzuführen und aufrecht zu erhalten. nur mit erheblichen Wertabschlägen durchgesetzt werden können. Gerade Familienunternehmen stehen in diesem Zusammenhang aufgrund der Beschäftigung bzw. der Involvierung zahlreicher Fa- Management und Schlüsselpersonal milienmitglieder in das Unternehmen vor besonderen Herausforderungen, die aufgrund der Verlagerung persönlicher oder familiärer Konflikte auf die Unternehmensebene letztlich existenzbedrohende Das Management (Geschäftsführung und/oder Schlüsselpersonal) Dimensionen annehmen können. spielt für den Erfolg eines Unternehmens üblicherweise eine zentrale Rolle. Kontinuität des Managements nach einer Unterneh- Die Besetzung und Organisation des Managements eines Unterneh- mensübertragung kann auch wesentlich zum Unternehmenswert mens ist eine Frage der grundsätzlichen Strategie des Eigentümers beitragen, insbesondere wenn das Management Träger von spezi- und damit des Unternehmens selbst. Diese strategische Entschei- ellem Know-How oder Anknüpfungspunkt der Kundenbeziehungen dung hat verschiedenste individuelle Aspekte zu berücksichti- ist. Typischerweise legen etwa Private-Equity-Investoren Wert auf gen, die aufgrund der Komplexität in diesem Rahmen nicht näher das Bestehen und die langfristige Incentivierung eines erfahrenen ausgeführt werden können. Jedenfalls spricht vieles dafür, in die und erfolgreichen Managementteams. Es gibt jedoch auch Situa- Strukturierung des Managements eines Unternehmens möglichst tionen, in denen das bestehende Management für die Übertragung frühzeitig auch die Aspekte einer möglichen zukünftigen Unter- des Unternehmens eine untergeordnete Rolle spielt, so zum Bei- nehmensübertragung einfließen zu lassen. spiel wenn der Übernehmer ein Mitbewerber ist, der über eigene qualifizierte Managementstrukturen verfügt. Neben dem Erwerber kann auch der veräußernde Unternehmer konkrete Vorstellungen haben, ob und in welcher Form er und/oder ihm nahestehende bzw. Strukturierung von ihm geschätzte Personen auch nach Abschluss der Transaktion weiter für das Unternehmen tätig sein sollen. Diese Präferenzen Ein weiterer wesentlicher Aspekt der Vorbereitung einer Unterneh- können, müssen aber nicht zwingend mit den Interessen möglicher mensübertragung ist die richtige Strukturierung der Transaktion. Erwerber kongruent sein. Auch hier betritt man ein vielschichtiges Themengebiet, das unter anderen investitionstechnische, organisatorische, steuerliche und Dementsprechend finden sich zahlreiche Varianten und Formen der erbrechtliche Fragen umfasst. Wiederum wird die optimale Struk- Organisation des Managements im Zuge einer Unternehmensüber- tur von den Umständen des Einzelfalls abhängen und mitunter eine tragung, die von Weiterbeschäftigung des bestehenden Manage- gewisse Komplexität mit sich bringen. Auf Ebene des Unternehmens ments, auch in befristeten oder dauerhaften Konsulentenpositio- könnte sich beispielsweise die Frage stellen, ob Liegenschaften he- nen, über die Ergänzung des bestehenden Managements bis hin rausgelöst, zurückbehalten und (an das übertragene Unternehmen) zum teilweisen bzw. gänzlichen Austausch von Mitgliedern des vermietet werden sollen. Wenn nur eine teilweise Übertragung des Managements reichen. Die für einen Unternehmer oder ein Unter- Unternehmens erfolgen soll, sind die jeweiligen Mitspracherechte, nehmen ideale Variante wird sich letztlich nur in der Gesamtschau Verantwortlichkeiten und sonstigen Rechte in Gesellschaftsverträ- der konkreten Umstände unter sorgfältiger Evaluierung der unter- gen und Gesellschaftervereinbarungen zu regeln. Bei der Übertra- schiedlichen Faktoren eruieren lassen, wobei sich mitunter Span- gung an Erben sind Pflichtteilsansprüche zu berücksichtigen. Der nungsverhältnisse ergeben. So gibt es Fälle, in denen ein deutlich Verkauf des Unternehmens oder von Unternehmensanteilen zieht höherer Kaufpreis erzielt werden könnte, wenn der Unternehmer je nach Strukturierung unterschiedliche steuerliche Konsequenzen eine verantwortliche Involvierung für einen bestimmten Mindest- nach sich, die genau analysiert werden sollten und bei denen mög- zeitraum zusichern würde, dies aber im Gegensatz zur persönli- licherweise auch zeitliche Fristen eine Rolle spielen. UnternehmerCircle 03 I 2015 27 Aktuelle Rechtslage Fazit Steuerrechtliche Relevanz Thema der Übertragung ihres Unternehmens, insbesondere wenn Betriebsaufspaltung als Alternative in der Unternehmensnachfolge sich auf dem absehbaren Horizont kein Übertragungsszenario konkret abzeichnet. Wie erwähnt, können aber diverse externe Fakto- Die Übertragung eines Unternehmens betrifft zahlreiche Aspekte, ren außerhalb der Kontrolle des Unternehmers sehr kurzfristig eine die über den bloßen Übertragungsakt hinausgehen und sich positiv Übertragung des Unternehmens bewirken oder erforderlich machen. oder negativ auf den Transaktionsverlauf und insbesondere auf den Die rechtzeitige Planung und Vorbereitung der Übertragung des ei- bei einem Verkauf erzielbaren Preis auswirken können. Viele dieser genen Unternehmens reduzieren das Risiko, unter zeitlichem Druck Aspekte bedürfen für ihre Optimierung sorgfältiger Überlegung und Handlungen zu setzen, deren nachteilige Folgen bei längerer Vorbe- können eine langfristige Vorbereitung erforderlich machen. Erfolg- reitungszeit vermeidbar gewesen wären, und sind damit Teil eines reiche Unternehmer wenden ihren vollen Einsatz für ihr Unterneh- verantwortungsvollen Risikomanagements in Bezug auf den Erhalt men und dessen Tagesgeschäft auf und legen wenig Fokus auf das sowie die Realisierung des Wertes eines Unternehmens. Dr. Eugen Strimitzer, WP/StB Familienunternehmens von den Betriebsliegenschaften zu trennen. Einleitung Die Überlegungen hinter einer solchen Betriebsaufspaltung bestehen darin, über die zukünftige Vermietung bzw. Verpachtung der Betriebsliegenschaften an das operativ tätige Familienunternehmen Unternehmensübergaben – sei es im Familienkreis oder auch an Externe (Betriebsgesellschaft) laufende Erträge in der Besitzgesellschaft zu – stellen in unterschiedlichen Bereichen vielfältigste Herausforderungen generieren, die in weiterer Folge den Gesellschaftern der Besitzge- an alle Beteiligte. Dies erfordert eine sorgfältige und rechtzeitige Nach- sellschaft zukommen können. Im Gegenzug kann jenem Nachkom- folgeplanung. Häufig ist die Sicherung des Fortbestandes des Familien- men, der das Familienunternehmen operativ fortführt, eine Allein– unternehmens – oft verbunden mit dem Wunsch der Altersversorgung oder bedeutende Mehrheitsgesellschafterstellung im operativen des Übergebers – das vorrangige Ziel einer Unternehmensnachfolge. Unternehmen eingeräumt und so dessen Einflussmöglichkeit auf die Stehen keine familieninternen Nachfolger zur Verfügung, ist auch ein Unternehmensführung gesichert werden. Verkauf an einen Dritten in Erwägung zu ziehen. Lebenslauf Dr. Dieter Spranz Dr. Dieter Spranz ist Partner der Wirtschaftsanwaltssozietät WOLF THEISS Rechtsanwälte GmbH & Co KG und auf Mergers & Acquisitions und Unternehmensrecht spezialisiert. Er übt Aufsichtsrats- und Beiratsfunktionen in diversen Unternehmen aus und ist Stiftungsvorstand in einigen Privatstiftungen. www.wolftheiss.com 28 UnternehmerCircle 03 I 2015 Im Rahmen des 3. Familienunternehmertages im Stift Göttweig Anfang Eine Betriebsaufspaltung kann auch eine Gestaltungsalternative zur Mai 2015 waren unter anderem die Erbrechtsnovelle 2015 und deren Reduktion der Pflichtteilsansprüche sein, wenn aufgrund der Bewer- Auswirkungen auf Unternehmensnachfolgen ein Themenschwerpunkt tung des Familienunternehmens die Höhe der Abgeltung der abzu- der Veranstaltung. Im Rahmen eines Fallbeispiels hat sich gezeigt, dass findenden Pflichtteilsberechtigten eine Übernahme des Familienun- Fragen der Berechnung und Finanzierung bestehender Pflichtteilsan- ternehmens durch einen Erben nicht mehr wirtschaftlich erscheinen sprüche, auch wenn die Novelle hier Erleichterungen wie beispielsweise lassen. Durch die Verminderung der Unternehmenssubstanz und des Stundungsmöglichkeiten vorsieht, die Unternehmensfortführung durch zukünftigen Ertragswerts des Unternehmens durch die Miet- bzw. eine(n) Nachfolger(in) als wirtschaftlich riskant und im Hinblick auf das Pachtzahlungen an die Besitzgesellschaft kann eine gleichmäßigere eigene Einkommen unattraktiv erscheinen lassen kann. Eine Betriebs- Aufteilung des Familienvermögens erfolgen. Aber auch in Fällen des aufspaltung kann hier eine Gestaltungsalternative zur Reduktion der Fehlens eines(r) geeigneten Nachfolgers(in) in der Familie kann eine Pflichtteilsansprüche sein. Betriebsaufspaltung als Vorbereitung eines Unternehmensverkaufes dienen, wenn der Veräußerer die Betriebsliegenschaft im Familien besitz halten und aus deren Ertrag eine Altersversorgung sichern will. Betriebsaufspaltung Die konkrete Umsetzung der Betriebsaufspaltung hängt von der individuellen Ausgangssituation des Familienunternehmens ab, aus Das Konzept einer Betriebsaufspaltung zur Vorbereitung einer Un- denen sich insbesondere unterschiedliche steuerliche Wirkungen ternehmensnachfolge besteht darin, den operativen Betrieb des ergeben können. UnternehmerCircle 03 I 2015 29 Steuerrechtliche Relevanz Steuerrechtliche Relevanz Beispiel 1: Gesellschaft mit beschränkter Haftung einer Betriebsaufspaltung mit Ihrem Rechtsberater anzuraten. Die Betriebsgesellschaft nicht zu gefährden und andererseits eine Kommt es im Zuge einer nicht verhältiswahrenden Spaltung zu Betriebsübertragung erfolgt vereinfacht gesprochen dadurch, dass der ausreichende Ertragskraft der Besitzgesellschaft zu erreichen. Ausgleichszahlungen zwischen den Gesellschaftern, gilt dies so- Besteht das Familienunternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesell- gesamte Betrieb mit Ausnahmen der Liegenschaften und Gebäude sowie Schließlich ist zu beachten, dass in der Besitzgesellschaft ne- lange, als die Ausgleichszahlung nicht höher als ein Drittel des ge- schaft (beispielsweise GmbH) kann eine Betriebsaufspaltung durch Ab- allfälliger zugehöriger Verbindlichkeiten, die in der Besitzgesellschaft ben Ausschüttungen an deren Gesellschafter die erforderlichen meinen Wertes der empfangenen Anteile ist. Der Erhalt der Zahlung spaltung des operativen Betriebs zur Neugründung oder Aufnahme nach zurückbehalten werden, übertragen wird. Im konkreten Fall kann die Instandsetzungen und Instandhaltungen zur Werterhaltung der selbst ist jedoch steuerpflichtig. dem Spaltungsgesetz und unter Anwendung der steuerlichen Begüns- Aufteilung des Vermögens natürlich individuell gestaltet und optimiert Liegenschaften, gegebenenfalls auch Kreditrückführungen, vorge- tigungen des Art. VI UmgrStG erfolgen. Um die Voraussetzungen dieser werden. Dies sollte in einem strukturierten Planungsprozess erfolgen. nommen werden können. Beispiel 2: Kommanditgesellschaft steuerlichen Begünstigungen zu erfüllen, muss der operative Betrieb der Familiengesellschaft in eine neue Gesellschaft (Schwestergesellschaft) Entscheidende Bedeutung im Hinblick auf die Unternehmensnach- Einen weiteren Punkt, der bereits im Vorfeld in die Überlegungen abgespalten werden, die entweder durch Abspaltung neu oder kurz zuvor folge kommt der zukünftigen Gestaltung der Gesellschafterverhält- einfließen sollte, stellen zukünftige Erweiterungsinvestitionen dar. Wird das Familienunternehmen in der Rechtsform einer Personen- als Mantelgesellschaft bar gegründet wird. nisse an Besitz- und Betriebsgesellschaft zu. Die Spaltung kann Im Hinblick auf die Ausgestaltung der Gesellschafterverhältnisse gesellschaft, typischerweise einer Kommanditgesellschaft bzw. entweder verhältniswahrend oder nicht verhältniswah- ist darauf Bedacht zu nehmen, dass durch die Mehrheitsverhältnis- GmbH & Co KG, geführt, kann die Betriebsaufspaltung durch Ein- rend bis entflechtend erfolgen. Eine verhältniswahren- se an der Besitzgesellschaft sinnvolle Instandhaltungen und Erwei- bringung des Betriebes in eine Kapitalgesellschaft unter Zurückbe- de Spaltung bedeutet, dass die Gesellschafter der spal- terungsinvestitionen nicht mutwillig blockiert werden können. Da haltung der Betriebsliegenschaft sowie allfälliger Verbindlichkeiten tenden Gesellschaft nach der Spaltung an Besitz- und unterschiedliche Anteils- bzw. Besitzverhältnissen an Besitz- und erfolgen. Die Betriebsliegenschaft bleibt in der Kommanditgesell- Betriebsgesellschaft im selben Verhältnis beteiligt sind. Betriebsgesellschaften zwangsläufig ein Konfliktpotential in sich schaft zurück. Eine solche Gestaltung der Unternehmensnachfolge Die konkrete Durchführung der Spaltung ist auch davon tragen, sollten diesbezügliche Konfliktlösungsszenarien bereits im bietet sich beispielsweise in Verbindung mit einem angestrebten abhängig, ob die Spaltung noch unter dem Einfluss des Vorfeld etabliert werden. Rechtsformwechsel („Umwandlung der KG in eine GmbH“) an. an die Spaltung die Gesellschaftsanteile an Besitz- und Steuerliche Aspekte Rechtliche und wirtschaftliche Aspekte Betriebsgesellschaft unterschiedlich an die Nachfolger Werden die Voraussetzungen des UmgrStG für eine steuerneutrale Auch hier bestehen im Zuge der Einbringung bzw. nach der Ein- bzw. Erben verteilt werden oder ob die Betriebsaufspal- Spaltung eingehalten, kann die Betriebsübertragung unter Buch- bringung unterschiedliche Möglichkeiten, die Anteilsverhältnisse tung bereits nach erfolgter Übertragung der Anteile an wertfortführung, dh ohne Aufdeckung und Versteuerung stiller Re- zu gestalten. Soll die Betriebsgesellschaft (nur) vom potentiellen den/die Unternehmensnachfolger(in) durchgeführt wird. serven und eines Firmenwertes, erfolgen. Erforderlich ist hierfür, Nachfolger(in) geführt werden, können diesem(r) nach der Einbrin- Eine verhältniswahrende Betriebsaufspaltung noch un- dass ein Betrieb im steuerlichen Sinn abgespalten wird. Dabei darf gung die Gesellschaftsanteile an der GmbH unentgeltlich übertra- ter der Herrschaft des Altgesellschafters bietet den Vor- das Zurückbehalten von Anlagevermögen, das zum notwendigen gen werden, während die Eltern weiterhin Gesellschafter der Lie- teil, dass im Vorfeld der Spaltung keine aufwendigen Betriebsvermögen gehört, die Eigenschaft des zu übertragenden genschafts-KG bleiben und die Kommanditanteile zu einem späteren Anteilsverschiebungen und allfällige Ausgleichszahlun- Vermögens als Betrieb oder Teilbetrieb nicht verletzen. Nach Auf- Zeitpunkt (auch) auf die übrigen Nachkommen verteilen. Die oben gen ermittelt werden müssen und die Betriebsaufspal- fassung der Finanzverwaltung kann eine Betriebsaufspaltung im angeführten wirtschaftlichen Themenstellungen sind auch in diesem tung gänzlich steuerneutral gehalten werden kann. Im Wege des Zurückbehaltens des gesamten Anlagevermögens in der Fall gleichartig zu berücksichtigen. Hinblick auf die zukünftige Unternehmensnachfolge Regel nicht unter die steuerlichen Begünstigungen fallen. Das Zu- In rechtlicher Hinsicht unterscheidet sich die Betriebs-Einbringung von und den verfolgten Zweck, den Ausgleich von Pflicht- rückbehalten einzelner, zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen der Spaltung dadurch, dass keine zivilrechtliche Gesamtrechtsnachfol- Rechtliche und wirtschaftliche Aspekte teilsansprüchen möglichst zu minimieren, wird an einer Bewer- zählenden Anlagegüter, die nach der Spaltung der Betriebsgesell- ge besteht. Dies erfordert unter Umständen eine gesonderte rechtliche Die Betriebsübertragung erfolgt in zivilrechtlicher Gesamtrechts- tung der zukünftigen Besitz- und Betriebsgesellschaft jedoch kein schaft zur Nutzung überlassen werden, ist hingegen nicht begüns- Betrachtung, weil die Vertragspartner über den Betriebsübergang in- nachfolge, sodass der Übergang bestehender Rechtsgeschäfte und Weg vorbeiführen. tigungsschädlich, wobei hier in den Umgründungssteuerrichtlinien formiert werden müssen und ein Widerspruchsrecht haben. Vor Spaltung Nach Spaltung X X Operativer Betrieb X Vermietung Operativer Betrieb Unternehmensnachfolge C B A [D] Vermietung D Operativer Betrieb Übergebers bzw. Erblassers erfolgt und erst im Anschluss in erster Linie Betriebsliegenschaften angesprochen werden. -verhältnisse in der Regel unproblematisch ist. Dennoch ist es emp- Steuerliche Aspekte fehlenswert, im Vorfeld der Spaltung die wesentlichsten Verträ- Nicht zuletzt in diesem Zusammenhang kommt der Bemessung ge und Kundenbeziehungen auf einen gesicherten Vertragsüber- der zukünftigen Miet- bzw. Pachtzahlungen der Betriebs- an Die Spaltung stellt keinen umsatzsteuerbaren (umsatzsteuerpflich- Im Unterschied zur Spaltung einer Kapitalgesellschaft ist jedoch gang oder das Bestehen von change-of-control-Klauseln hin zu die Besitzgesellschaft besondere Bedeutung zu. Die Höhe die- tigen) Vorgang dar und bis Jahresende kommt in aller Regel eine zu beachten, dass die Zurückbehaltung der Betriebsliegenschaft überprüfen. Vorsicht ist auch bei höchstpersönlichen Rechten der ser Zahlungen hat maßgebenden Einfluss auf die zukünftigen Befreiung von der Gesellschaftsteuer zur Anwendung (ab 1.1.2016 in aller Regel eine Entnahme aus dem Betriebsvermögen darstellt, spaltenden Gesellschaft, wie beispielsweise Leitungsrechten oder Cash-Flows und die Rentabilität sowohl der Betriebs- als auch wird die Gesellschaftsteuer nicht mehr erhoben). weil die Kommanditgesellschaft nach Betriebseinbringung durch ähnlichem, geboten. Insbesondere in diesen Fällen, aber ganz ge- der Besitzgesellschaft, sodass deren Festlegung besonderes Fein- nerell ist im Vorfeld der Spaltung eine Abklärung der Auswirkungen gefühl erfordert, um einerseits den unternehmerischen Erfolg der 30 UnternehmerCircle 03 I 2015 die Liegenschaftsverpachtung nur mehr vermögensverwaltend Fällt die Abspaltung unter die Begünstigungen des UmgrStG, ist tätig sein wird. Im Hinblick auf die stillen Reserven im Gebäude auch der Anteilstausch auf Gesellschafterebene steuerneutral. löst dies eine Entnahmebesteuerung in Höhe der 25%igen IESt UnternehmerCircle 03 I 2015 31 UnternehmerServices Steuerrechtliche Relevanz Nach Einbringung Vor Einbringung Vater Mutter Vater Mutter Operativer Betrieb Vater Vermietung Die Stiftung 2.0 – Umsetzung unternehmerischer Anforderungen an Stiftungen nach Ableben des Stifters und in Familienholdings Mutter Operativer Betrieb Dr. Andreas Gratzl Unternehmensnachfolge N1 N2 N1 N3 bringung in Form des sog. Anwachsungsmodells erfolgen, bei dem die Der Boom der Stiftungsgründungen ist zwar lange vorbei, die Geschäftsführer einer Familienholding anzuwenden, wenn keine ge- Kommanditanteile in eine GmbH (typischerweise die Komplementär bestehenden Unternehmerstiftungen werden aber vielen Stif- eigneten Nachfolger der Familie zur Verfügung stehen. Neben den GmbH) eingebracht werden und das Vermögen der KG bei dieser an- terfamilien aus heutiger Sicht noch die nächsten Jahrzehnte als rechtlich definierten Aufgaben des Eigentümervertreters bei Unter- wächst. Anschließend müsste dann die GmbH wie in Beispiel 1 darge- Eigentümer ihrer Unternehmensstrukturen erhalten bleiben. Die nehmen (GmbHG, AktG) kommen auf die Organe der Stiftung vor al- stellt gespalten werden. Steuerlicher Nachteile wäre, dass jedenfalls klassische Stiftungsvorstandsstruktur mit dem Steuerberater und lem auch Aufgaben der langfristigen Entwicklung der Beteiligungs- Grunderwerbsteuer im Zuge der Anwachsung anfällt. dem Rechtsanwalt des Vertrauens sowie des besten Freundes mag unternehmen, der richtigen Besetzung von Führungsorganen und (ab 2016: 30%) aus. Grund und Boden kann hingegen zum Buch- zwar in vielen Fällen eine zielführende Besetzung für einen noch einer raschen Entscheidungsfindung zu. Kurz um, ein wesentlicher wert entnommen werden. Hinsichtlich der steuerlichen Begüns- lebenden und unternehmerisch tätigen Stifter bedeuten, die Frage Teil der Aufgaben liegt auch in der aktiven Führung von unternehme- tigungen der Einbringung kommen die gleichen Grundsätze wie aber, wer nach dem Ableben des Stifters die aktive Eigentümerrolle rischen Entscheidungen auf höchster Ebene und das nicht nur in Kri- auch unternehmerisch, vor allem bei maßgeblichen oder vielfälti- sensituationen, wo die Eigentümervertreter zu Sanierungskonzepten gen Unternehmensbeteiligungen der Stiftung oder der Familie (z.B. befragt werden und mitentscheiden müssen. Der Eigentümervertre- Betriebsaufspaltungen können eine in steuerlicher Hinsicht attrak- in einer Familien-Holding) wahrnehmen wird, bleibt oft unbeant- ter sollte laufend die Geschäftsführung der Unternehmen(-sgruppe) Betriebsliegenschaft mit Nutzungsüberlassung an die Betriebsge- tive Alternative der Unternehmensnachfolge sein, vor allem dann, wortet und unreflektiert. zu einer aktiven Weiterentwicklung anspornen und diese aktiv bera- sellschaft in der Regel unproblematisch. wenn nicht alle Nachfolger in die Unternehmensfortführung einge- Vermietung Operativer Betrieb bei der Spaltung zur Anwendung, insbesondere darf durch die Zu- Zusammenfassung rückbehaltung des Anlagevermögens nicht die Betriebseigenschaft gefährdet werden. Dies ist bei der Zurückbehaltung (bloß) der Sollen die zivilrechtliche Gesamtrechtsnachfolge erreicht und die steuerliche Entnahmebesteuerung vermieden werden, kann die Ein- bunden sein sollen oder wollen. Dennoch verbleiben weiterhin Kon- das nachhaltige Wachstum sollte ein wesentlicher Treiber und eine fliktpotentiale im Zusammenspiel zwischen Besitz- und Betriebsge- tung wesentliche Entscheidungen der Familie zuzuspielen, sofern Zielsetzung der zukünftigen Eigentümervertreter sein. Dies umso sellschaft, die einer vorausschauende Lösung bedürfen. sich geeignete Nachfolger oder (wohl)wollende Familienmitglieder mehr, da in den meisten Fällen die Familie, die von den Erträgen finden. Finden sich diese Familienmitglieder aber nicht oder werden der Unternehmen bzw. des Vermögens erhalten werden soll, in der diese Unternehmerpersönlichkeiten nicht gesehen oder möchte man Anzahl der zu versorgenden Personen eher größer als kleiner wird. In potentiellen Streit in der Privatsphäre durch eine zwischengeschal- vielen Fällen definieren sich der Berater (schon aus seinem Berufsbild tete Struktur (Zwischenholding) nicht näher an das Unternehmen heraus) in Vorstandsfunktionen mehr als Verwalter als viel mehr in heranführen, so sollte man sich doch intensiver mit der zukünftigen einer proaktiven und der Wachstumsentwicklung des Unternehmens Besetzung des Stiftungsvorstandes oder Vorstandes der Familienhol- orientierten Rolle. Eine Kritik an den Beratern ist daraus allerdings ding auseinandersetzen. Die wesentlichsten Aspekte dieser Anpas- nicht abzuleiten, es liegt alleine beim Stifter, klare Vorgaben zu sungen möchte ich heute in meinem Artikel ausführen. treffen, wie ein unternehmerischer Vorstand aussehen und zusam- Lebenslauf Dr. Eugen Strimitzer, WP/StB Dr. Eugen Strimitzer ist Partner der KPMG Alpen-Treuhand Austria Gruppe. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen ua im Bereich Konzern- und Umgründungssteuerrecht vor allem für Familienunternehmen. Er ist Mitglied im Fachsenat für Steuerrecht der Kammer der Wirtschaftstreuhänder, Fachvortragender zu steuerlichen Themen wie Umgründungen und Unternehmensnachfolge sowie Autor zahlreicher Fachpublikationen. www.kpmg.at 32 UnternehmerCircle 03 I 2015 tend begleiten. Nicht der Unternehmenserhalt alleine sondern auch Nun gibt es die Möglichkeit, durch Zwischenholdings unter der Stif- mengesetzt sein sollte. Und in vielen Fällen sollte dieser Vorstand Im Folgenden werde ich von Stiftungsvorständen sprechen, sinnge- vollkommen anders aussehen, als jener, der heute die unternehmeri- mäß sind aber die hier dargestellten Themen auch für Vorstände oder schen Entscheidungen des Stifters formal korrekt umsetzt. UnternehmerCircle 03 I 2015 33 UnternehmerServices UnternehmerServices in einem nie erprobten Schienennetz im Kreis fährt oder nie zum aus meiner Tätigkeit in einer führenden Privatbank mitbringen Ein weiterer Erfolgsfaktor für den langfristigen Erfolg des Stif- Ziel des Stifters bzw. der Familie kommt. Die rechtzeitige Heran- konnte. Obwohl in diesem Fall schon Einiges aus der Kriterienlis- tungsvorstandes 2.0 liegt darin, dass der Stiftungsvorstand als gehensweise ermöglicht dem Stifter auch noch eine Korrektur des te erfüllt war, haben erst mit der Zeit intensive Gespräch mit dem Führungsteam funktionieren muss, auch wenn nicht immer alle Schienennetzes, wenn er sieht, dass sich bestimmte Regelungen in Stifter zur Definition weiterer neuer Vorstandsmitgliedern zu ei- Vorstände einer Meinung sind. Entscheidungen sollten von allen der vom Stifter entkoppelten Praxis nicht bewähren oder anders ner für diese Stiftung optimalen Lösung geführt. Ein wesentli- Mitgliedern geschlossen getragen und verantwortet werden. Dazu als von ihm vorgesehen interpretiert werden. Er hat auch noch cher Punkt in der Auseinandersetzung war, welche Kompetenzen zählt auch, dass Entscheidungen unter den gegebenen Rahmenbe- Ein Thema, das leider immer wieder zu spät in Angriff genommen die Möglichkeit, im Extremfall den Lokführer (Vorstand) auszu- im Stiftungsvorstand selbst vorhanden sein sollten und welche dingungen zeitnahe getroffen und umzusetzen sind. wird und hinter dem vielfältige, meist emotionale Gründe stehen: tauschen, wenn dieser nicht im Stande ist, die unternehmerische auch extern beigezogen werden können. Relativ rasch kamen ungern ändert man als Stifter etwas, was in der heutigen Kons- Eigentümerrolle in der gewünschten Weise wahrzunehmen. Diese wir zum Schluss, dass zwar steuerliches Basiswissen vorhanden tellation für den bestehenden Stifter gut funktioniert, was lange Möglichkeiten der praxisgerechten Gestaltung sollte der Stifter sein sollte, aber z.B. steuerliche Fachkompetenz bei Bedarf auch schon gut läuft oder wo man durch Veränderungen vielleicht das nutzen, um wirklich nachhaltige Stiftungsrahmenbedingen für ak- extern zugezogen werden kann und diese fachliche Kompetenz Vertrauen der Stiftungsvorstände und Freunde riskiert, mit denen tuelle und zukünftige Vorstände zu schaffen. nicht notwendiger Weise im Vorstand abgebildet sein muss. Wir Kurzer Exkurs – der optimale Zeitpunkt, einen neuen Stiftungsvorstand auf den Weg zu bringen Exkurs: Bewusstsein der Nachhaltigkeit von Stiftungsregeln und –besetzungen man auch noch lange befreundet sein möchte, „nur“ weil man ein entschieden uns, die Stiftung dennoch für interne Beratungen neues, zukunftsorientiertes Setup umsetzen will. Oft denken Stif- mit einer steuerlichen Kompetenz auszustatten, allerdings nicht ter, dass man dazu immer noch später genug Zeit haben wird und auf Entscheidungsebene (Vorstand) sondern in Form eines fami- Einen kurzen Ausflug möchte ich der nicht immer bewussten lienfremden Organs im Beirat, das zusätzlich einen familienneu- Nachhaltigkeit von Besetzungen und Stiftungsregeln widmen. In tralen Ausgleich im Beirat schaffen soll. der Überarbeitung der Stiftungsdokumente für die Zeit der eigen- schieben das Thema hinaus oder schenken ihm vielleicht auch zu wenig Aufmerksamkeit. Aus meiner Erfahrung lautet die Empfehlung, den Nachfolgeprozess in der Stiftung im Rahmen des zeit- Die optimale Besetzung eines unternehmerischen Stiftungsvorstandes ständigen Führung der Stiftung durch den Vorstand neigt man oft Im Stiftungsvorstand sollte auch Wissen zur Familie und den ein- dazu, nur an ein Regelwerk für die aktuelle oder nächste Generati- merrolle möglichst zeitnahe anzugehen. Der Stifter sollte noch die Nicht selten verändern sich die Anforderungen an die Stiftungs- zelnen Familienmitgliedern sowie deren Hintergründe und Verhält- on zu denken. Die Mehrheit der österreichischen Stiftungen sollten Möglichkeit und Zeit haben, die neuen Strukturen aufzusetzen, vorstände nach dem Ableben des Stifters. Stiftungsvorstände nisse zueinander und zum Stifter vorhanden sein, was durchaus per Stiftungsurkunde und im Sinn des Gesetzgebers noch gut die neue Regel festzulegen und die Erstbesetzung eines unternehme- 2.0 sollten eine unternehmerische Persönlichkeit mit gutem auch im Rahmen der Interpretation des Stifterwillens später dien- nächsten 80 (!) Jahre bestehen, entsprechend nachhaltig und mög- risch ausgerichteten Stiftungsvorstandes zu steuern. Vor allem Stiftungs-Know-How, gesundem Risikobewusstsein und mehr- lich sein kann. Aber auch in Diskussionen mit dem Familienbeirat lichst flexibel sollte auch das Regelwerk durchdacht sein. Wer weiß aber auch ein Bild zu bekommen, ob die praktische Umsetzung jähriger Erfahrung mitbringen. Sie sollten Generalisten sein, die ist dieses Wissen wertvoll, da man potentielle Konflikte vermeiden heute, wie die Welt in den nächsten Jahrzenten aussehen wird, dann auch den Vorstellungen des Stifters entspricht. auch mit Themen wie zum Beispiel Immobilien- und Wertpapier- und effizienter zu einer Lösungsfindung gelangen kann. was die nächsten zwei Generationen denken und was für sie wich- gerechten Rückzuges des Stifters aus seiner operativen Unterneh- vermögens-Management aus der Praxis vertraut sind. Umfas- tig sein wird, vor allem aber, wie dann der Stifterwille in diesem Ich vergleiche das gerne mit einem Zug, bei dem der Planer sende Kenntnis des Familienumfeldes gepaart mit hoher sozia- Als dritter Punkt spielt die Art der Geschäftstätigkeit der Unter- Kontext zu interpretieren sein wird. Daraus empfehle ich, so wenig (=Stifter) des Schienennetzes (Stiftungsurkunden, Familienver- ler Kompetenz sind weitere Zutaten und sie dürfen gesetzlich nehmensgruppe eine wesentliche Rolle, was beispielsweise inter- Regeln wie möglich aber so viele Regeln wie notwendig vorzuse- fassungen, Geschäftsordnungen) indirekt über die umsetzenden nicht den Begünstigten zuzuordnen sein. Ich bitte um Nachsicht, nationale Fragestellungen im Rahmen der Expansion oder auch hen. Aus der aktuellen Rechtsprechung wissen wir, dass der Stifter- Vorstände auch gleichzeitig die Rolle des Lokführers ausübt, sein sollte ich noch Anforderungen übersehen haben. Wie geht man branchenspezifische Themen im Unternehmen betrifft. Dieses spe- wille eine wesentliche Basis bei späteren Interpretationen darstellt. Schienennetz daher gut kennt und weiß, wie er dieses optimal mit der Umsetzung dieser umfassenden Anforderung um? Die zifische Know-How empfiehlt sich sowohl auf der Wissens- als Deshalb sollte dieser Wille sehr klar in den Urkunden formuliert nutzen kann. Auch wenn er plötzlich feststellt, dass Schienen- gute Nachricht: es gibt zumindest drei Stiftungsvorstände, auf auch der Erfahrungsseite im Vorstand abzudecken. werden, allerdings ohne zu sehr auf heutige Anhaltpunkte Bezug abschnitte fehlen, kann der Stifter als Lokführer diese schnell in die diese umfassenden Anforderungen verteilt werden können, seinem Sinn ergänzen oder Weichen (Entscheidungen) anders stel- die schlechte: das vereinfacht die Aufgabenstellung nicht unbe- Bei Mandatsbeginn der neuen Vorstände sollte die Rollenvertei- kommen anders aussehen können. Aktuell gültige Elemente sollten len. Ob ein fremder Lokführer allerdings im Stande wäre, ohne dingt, da neben einem unternehmerischen Vorstand auch die an- lung zwischen den Vorständen klar abgestimmt und festgelegt daher dynamisch anpassbar, weniger in der Stiftungsurkunde oder die Hintergründe des Netzwerksplaners zu kennen und ohne Hin- deren Vorstände die unternehmerischen Entscheidungen mittra- werden, damit es später in falschem Rollenverständnis nicht zu Zusatzurkunde sondern vielmehr in Geschäftsordnungen, ergän- weistafeln den Zug genauso erfolgreich zu steuern wie der Stifter, gen müssen. Ich selbst hatte eine ähnliche Herausforderung, eine Konflikten im Vorstand selbst kommen kann. Dazu gehören auch zenden Richtlinien oder Regeln festgehalten werden, die zeitge- ist fraglich. Diesen Praxistest sollte der Stifter noch zu Lebzeiten möglichst optimale Vorstandszusammensetzung mit dem Stifter Themen der Rollenabgrenzung zwischen Vorstand und dem even- mäß durch den Familienbeirat in Mehr-, qualifizierter Mehr- oder absolvieren. Der Stifter sollte verfolgen, ob die von ihm ausge- einer Unternehmerstiftung zu finden, wobei mein Vorteil bereits tuellen Wunsch nach zusätzlichen Leistungen, die nicht zum Einstimmigkeit anpassbar sind. wählten Stiftungsvorstände auch alleine in seinem Schienennetz war, dass ich über viele Jahre unternehmerische Erfahrung aus eigentlichen Vorstandsmandat gehören. Ein Beispiel sind bera- die Geschicke in seinem Interesse bewältigen können und er sollte Führungspositionen in der Industrie und internationalen Fami- tende Zusatzleistungen für die Stiftung, bei denen allerdings das Ich hoffe, dass ich Ihnen ein paar Anhaltspunkte aufzeigen konn- nicht selbst bis zum Umfallen die Rolle des Lokführers ausfüllen; lienunternehmen neben meiner Bankerfahrung, Know-How im Risiko von potentiellen Interessenskonflikten und der In-Sich- te, die sich ein Stifter und Unternehmer bei der Überarbeitung im zweiten Fall, ob der Zug ungewiss nach dem Tod des Stifters Immobilienbereich und in der Arbeit mit Unternehmerfamilien Geschäfts-Thematik nicht zu vernachlässigen sind. seiner Stiftungsurkunde für die Zukunft überlegen sollte. Es gibt 34 UnternehmerCircle 03 I 2015 zu nehmen, welche bereits in einigen Jahren schon wieder voll- UnternehmerCircle 03 I 2015 35 Im Gespräch UnternehmerServices aus meiner Erfahrung noch viele weitere Themen im Wandel der Für die Formulierung der Überlegungen empfiehlt sich auf jeden Stiftung vom Ursprungstyp hin zur Stiftung 2.0, um den zukünf- Fall, einen erfahrenen Stiftungsanwalt beizuziehen. Wenn Sie In- tigen unternehmerischen Herausforderungen gerecht zu werden, teresse an der praktischen Umsetzung und einem Erfahrungsaus- welche allerdings den Umfang dieses Artikels sprengen würden. tausch haben, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Lebenslauf Dr. Andreas Gratzl Dr. Andreas Gratzl war für die Kathrein UnternehmerServices verantwortlich, zuvor leitete er das deutschsprachige Private Banking Geschäft der Bank. Neben einer fundierten Finanzausbildung verfügt er über breite Industrie- und Führungserfahrung unter anderem in der Geschäftsleitung von Nespresso mit Verantwortlichkeit für Österreich, Ungarn und Slovenien. Davor war er in führender Rolle bei internationalen Beratungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen in der Schweiz, Österreich und Deutschland tätig. Er leitete sehr erfolgreich die Umstrukturierung eines führenden Industrieunternehmens in Oberösterreich und begann seine Karriere bei Mondi im Konzerncontrolling. Er studierte Betriebswirtschaft und Wirtschaftsinformatik in Wien. Der Schwerpunkt seiner Dissertation lag in der Effizienz und Kostentransparenz von komplexen Wertpapierprodukten. www.kathrein .at 36 UnternehmerCircle 03 I 2015 Gefühl, Gespür für die Menschen, für die Mitarbeiter und fürs Geschäft. Ich glaube, das ist das aller Wesentlichste. Dr. Andreas Gratzl im Gespräch mit Dr. Kari Kapsch, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Kapsch Gruppe, zu den Themen Familienunternehmen in der vierten Generation, Unternehmensnachfolge, worauf es bei Fremdmanagern ankommt und dem „richtigen“ Übergabealter. UnternehmerCircle 03 I 2015 37 Im Gespräch Im Gespräch Was war bisher das Erfolgsrezept des Unternehmenserhalts der geben wurden, wenn es nicht mehr gepasst hat. Der Richtung sind dass es danach eine Generation gab, die wirklich gern in das Un- Kapsch Gruppe und der Unternehmensfortführung in der Familie seit wir bis hin zur heutigen Telematik treu geblieben, wo wir eigentlich ternehmen hineingegangen ist. Daher ist dieser Übergang eigentlich Gründung im Jahr 1892? erst 1990 gestartet sind. Eigentlich ein sehr junges Geschäft. Ich von der vierten Generation getrieben worden. Da werden Sie seit 1892 einen roten Faden in der Unternehmens- glaube, diese Anpassungsfähigkeit des Unternehmens an die Märkte, geschichte finden: Das ist das Treubleiben der Telekommunikation schnell zu reagieren, nicht immer den ewigen gleichen Weg gehen, Also war Ihr Vater gar nicht unglücklich, dass die junge Generation auf der einen Seite, das heißt , alles was wir immer wieder gemacht ist sicher eines der Erfolgsrezepte. sehr großes Interesse am Unternehmen hatte? Ja, so würde ich das sehen. Die beiden Brüder, also Georg und ich, wa- haben, hat sich mehr oder weniger um dieses Kernthema gerankt. Und auf der anderen Seite haben wir immer wieder rechtzeitig neue Trotzdem ist es gelungen, die Kontinuität in der Familie zu erhalten. ren sicher die, die wesentlich mehr in Richtung Unternehmen gedrängt Trends, neue Technologien, neue Marktnischen, neue Kundenbedürf- Gab es eine grundsätzliche implizierte oder explizite Regel, wie die haben, als unsere Schwester. Sie arbeitet auch mit, hat aber nicht von nisse aufgegriffen, sind rechtzeitig in die richtigen Themen ein- aber Unternehmensnachfolge in der Vergangenheit in der Familie Kapsch Anfang an so hineingedrängt, wie wir das haben. Das ist sicher der Un- auch wieder rechtzeitig ausgestiegen, wenn wir gesehen haben, dass geregelt wurde? terschied, meinem Bruder und mir hat das bis zum heutigen Tag sicher der Markt für uns nicht mehr rentabel ist. Wenn Sie sich unsere Ge- Es fällt mir sehr schwer, diese Frage seriös zu beantworten, weil ich mehr Spaß gemacht, auch wenn es Höhen und Tiefen gibt. schichte anschauen, mit Beginn der ganzen Telegraphie, später dem ehrlich gesagt nie wissen kann, was mein Urgroßvater zu dem Thema Radio, nach dem 2. Weltkrieg Fernsehen, waren das immer wieder gedacht hat. Dazu sind keine Dinge schriftlich erhalten. Ich kann Und ist Ihre Schwester jetzt auch in operative Themen involviert? Themen, die neu dazugekommen sind aber dann auch wieder abge- Ihnen eigentlich nur sagen, wie der Übergang von der zweiten auf Sie ist schon involviert, aber nicht in der Kapsch Gruppe. Es gab bei die dritte und von der dritten auf die vierte Generation erfolgt ist. uns die Trennung zwischen Betriebs- und Besitzgesellschaft und aus Und natürlich war beim Übergang von der zweiten auf die dritte dieser Besitzgesellschaft wurde dann die Kapsch-Immobiliengesell- Generation noch ein bisschen dieses bäuerliche Denken dabei, dass schaft. Wir nennen sie liebevollerweise die „KIM“, die „KIM“ hat hier die Söhne erben dürfen, Gott sei Dank mehrere und nicht nur einer, (Anm.: am Wienerberg) den ganzen Euro Plaza-Standort entwickelt. also nicht nur der Älteste. Die Töchter wurden aber beinhart ausbe- In diesem Unternehmen ist meine Schwester mit mir gemeinsam in zahlt. Das war noch bis zur zweiten Generation der Fall, es hat sich der Geschäftsführung und da arbeitet sie im Tagesgeschäft mit. In natürlich jetzt Gott sei Dank geändert. Sonst wäre meine Schwes- der operativen Kapsch-Gruppe, die wir jetzt als KGB bezeichnen, ist ter nicht auch auf der Eigentümerseite mit an Bord. Ansonsten gab sie nicht involviert. Sie verfolgt gerne in den Aufsichtsratssitzungen es in Wahrheit keine wie immer gearteten Restriktionen. Man hat den Geschäftsverlauf, aber sie hat hier keine operative Tätigkeit. auch immer versucht, die Anzahl der Eigentümer über das Aufteilen zwischen Sohn und Tochter ein bisschen zu reduzieren und das Hat die Trennung zwischen Betriebsgesellschaft und operativer Füh- Glück im Unglück war natürlich auch, das die Anzahl der Eigentümer rung Ihre Generation eingeführt? suggestive wieder aufgrund der Schrumpfung der Familien zurück- Das war Anfang der 90er Jahre, als diese Spaltung durchgeführt wur- gegangen sind. Das letzte Eigentümerthema kennen Sie ja sowieso, de. Zu dieser Zeit waren noch mein Onkel und mein Vater tätig, mein da kam es dann auch zur Übernahme von Anteilen einer anderen Bruder war ebenfalls schon aktiv im Vorstand. Die Familie wollte die Familienhälfte. Immobilien und ein paar andere Dinge in einer anderen Gesellschaft zur Absicherung bündeln und dann die Betriebsgesellschaft als ei- Ist die Nachfolgeplanung von der übergebenen Generation vorgege- gene Gesellschaft getrennt führen. Das haben wir bis zum heutigen ben worden oder ist die Initiative von Ihrer Generation ausgegangen? Tag so beibehalten. Der Nachfolgeprozess von der dritten auf die vierte Generation war wirklich sehr schwer und hier gab es zwischen diesen beiden Familien schon große Spannungen in der Betrachtungsweise des Geschäfts. Wenn man den Erzählungen Glauben schenken darf, dann dürfte es Die Töchter wurden beinhart ausbezahlt. Das war noch bis zur zweiten Generation der Fall, es hat sich natürlich jetzt Gott sei Dank geändert. 38 UnternehmerCircle 03 I 2015 schon so gewesen sein, dass die zweite Generation, die sehr star- Wie ist der Nachfolgeprozess verlaufen? sein – wenn möglich auf den Weltmarkt gehen- und die ande- ke Charaktere waren, einen großen Einfluss auf die Vorgehensweise Der Nachfolgeprozess von der dritten auf die vierte Generation war re Familienhälfte war sehr dem damaligen „Postgeschäft“ zuge- hatten. Da haben die Altvorderen schon den Ton angegeben. Von wirklich sehr schwer. Nicht jetzt in den jeweiligen Familien, ich tan. Was ist das „Postgeschäft“ oder was war es damals? Die Post der dritten auf die vierte Generation war es wieder umgekehrt. Hier habe vorher schon angedeutet, dass es zwei Familienstämme in und die Telegraphenverwaltung waren für die Telekommunikation haben schon die Jüngeren wieder mit angeschoben. Unserem Vater der dritten Generation gab. Die einen hielten 58%, die anderen verantwortlich, der Bereich ist dann später herausgelöst worden. hat das Unternehmen in keinster Weise auch nur irgendeinen Spaß 42% und hier gab es zwischen diesen beiden Familien schon große Damals ist die A1 daraus entstanden und die Post- und Telegra- gemacht und er hat das eigentlich nur als Verpflichtung seinem Vater Spannungen, nicht biochemischer Natur, sondern in der Betrach- phenverwaltung hat laufend ein sehr großes Investitionsvorhaben gegenüber gesehen. Ziel war, die Weiterführung und der nächsten tungsweise des Geschäfts. Völlig diametral – die einen wollten im Bereich der öffentlichen Netztechnik umgesetzt, das heißt das Generation das Unternehmen übergeben zu können. Er war heilfroh, mehr eigene Technologie entwickeln, wollten mehr international gesamte Sprach- und Datennetz. Damals hatten wir beträchtliche UnternehmerCircle 03 I 2015 39 Im Gespräch Im Gespräch war leider auch der Zeitpunkt, als unser Vater gestorben ist, zu dem tierte hat natürlich daran Interesse, seine Dienstleistung auf mög- Sie haben gerade gesagt, Sie haben aus Ihrer persönlichen Erfah- Georg und ich dann das Ruder übernommen und das Unternehmen lichst langen Zeitraum zu erstrecken. Wenn man sich irgendwo die rung die Toleranz gelernt. Wie kann man das den nächsten Genera- in jene Richtung geführt haben, wo wir das Unternehmen hin entwi- Geschäftsbasis dafür schaffen kann, dann macht das wohl jeder. Da tionen mitgeben, die jetzt diese Erfahrungen nicht direkt am eige- ckeln wollten, sprich Internationalisierung und eigene Technologie. zählen die Anwälte leider manchmal aus meiner Sicht auch dazu. nen Leib erlebt haben? Spaß beiseite, ich meine am Ende des Tages müssen die Eigentümer Das kann man natürlich auf alle Lebensbereiche übertragen, was Wenn Sie zurückblicken, was hat dann zum Durchbruch nach der einen Weg finden, wie sie miteinander umgehen. Wenn man einmal lernt die Menschheit aus der Historie? Leider, wie wir sehr oft er- langen Diskussionsphase in der Familie geführt? die Anwälte dazu braucht, dann ist oft schon Hopfen und Malz kennen, nicht sehr viel. Und ich beantworte Ihnen die Frage jetzt Ich glaube, das war eher die Situation des stätigen Tropfens auf verloren. Da glaube ich nicht, dass jemals noch irgendwo etwas etwas anders: Wir haben uns innerhalb der Familie auch schon den Stein, der sich wohl über 18 Jahre Streit dahingezogen hat. Vernünftiges herauskommen kann. überlegt, weil natürlich die nächste Generation heranrückt, was ist gescheit jetzt zu tun? Wie können wir unseren Kindern ein gedeih- So lange, bis es beiden Familienhälften zu 100% klar war, dass es gemeinsam nicht mehr weitergeht. Es gab in diesen 18 Jahren im- Wie sehen Ihre Regelungen auf Eigentümerseite heute aus? liches Miteinander im Unternehmen ermöglichen? Können wir das mer wieder diese Diskussionen, wir übernehmen vom anderen, der Beim Geschäft und bei unternehmerischen Entscheidungen muss überhaupt? Welche Regeln stellt man auf? Nach ewiger Diskussion andere übernimmt unsere Anteile, aber das wurde von der anderen eine einfache Mehrheit entscheiden können. Ich hoffe, dass sich Familienhälfte am Ende des Tage nie so ernst genommen. Erst der diese Rahmenbedingungen in die nächste Generation übertragen letzte Anlauf in den späten 90er Jahren hat dann wirklich zum lassen. Wenn Vernunft da ist, man die Märkte und die Technologien Erfolg und zum Durchbruch 2000 geführt. Wenn man nach einer versteht und wenn man selbst mit beiden Beinen im Geschäft steht, Ursache oder nach dem Anlass sucht, war es wahrscheinlich, dass dann sollte man sich über das Geschäft normal unterhalten kön- wir offen ließen, wer die Anteile des anderen kauft. Beide haben die nen. Die Ratio sollte eine normale Richtungsentscheidung für das Aufgabe gehabt, sich sowohl ein Kauf- als auch ein Verkaufssze- Unternehmen ergeben. Und so funktioniert es bei uns heute. Das nario zu überlegen. Beide mussten wirklich seriöse Angebote auf Machtspiel aufgrund irgendwelcher Paragraphen, die in irgendei- den Tisch legen, so wie man heute auch Akquisition betreibt, samt nem Syndikatsvertrag stehen, führen nur zu einem frühen Ende. Finanzierungskonzept und allem Drum und Dran. Und dann ergab sich Gott sei Dank die Situation, dass wir übernommen haben. Dieser Syndikatsvertrag war eigentlich kein unterstützender Mechanismus, sondern eigentlich in Wahrheit ein blockierender Mechanismus. Es wird auch in Ihrer Familie Situationen geben, in denen die Familie unterschiedlicher Meinung ist. Wie gehen Sie damit auf Eigentüme- Gab es vorher irgendein Regulativ für solche Situationen? rebene um? Es gab einen Syndikatsvertrag, der immer wieder überarbeitet wur- Diese unterschiedlichen Meinungen auf Eigentümerebene haben de. Und dieser Syndikatsvertrag war eigentlich kein unterstützen- wir heute eigentlich in dieser Form noch nie wirklich gehabt. Im der Mechanismus, sondern eigentlich in Wahrheit ein blockieren- agierenden Vorstand sind nicht nur Eigentümer sondern auch der Mechanismus, der im guten Glauben von Familienanwälten so Fremdvorstände in den diversen Gesellschaften und Holdings. Im entworfen wurde. Das Ganze hat nur dann funktioniert hat, wenn operativen Bereich arbeiten wir völlig normal mit Diskussionen beide Familienhälften zu Entscheidungen „ja“ gesagt haben. Es gab und Abstimmungen. Es gibt genügend Situationen, wo einer der Marktanteile wie auch heute noch. Das war der anderen Familien- keine Mehrheitsentscheidungen durch diesen Syndikatsvertrag, die beiden Familienvorstände sagt „Nein, dieser Meinung bin ich jetzt hälfte das wichtigste Geschäft - allerdings eingeschränkt auf den beiden Familienstämme waren in die 50/50 Patt-Stellung hineinge- nicht, aber wenn die anderen das so beschließen, soll es mir recht Markt in Österreich und das war wiederum unserer Familienhälfte zwungen. Und wenn man jetzt in keinster Weise mehr eine gemein- sein, dann stehe ich dazu.“ Und das ist die normale Vorgehens- viel zu wenig. Wir wollten eigene Technologien entwickeln und same Basis oder Strategie findet, dann kann das genau nicht funk- weise, die wir auch einhalten. Das erfordert, zugegebenermaßen, damit in den Weltmarkt hinausgehen. Dieser Streit hat eigent- tionieren. Das ist auch der Grund, warum wir in unserer Generation auch einiges an Toleranz. Wenn man gewohnt ist, immer wieder lich schon in der dritten Generation begonnen und sich durch die gesagt haben, das wir keine solchen Knebelverträge mehr machen, Dinge durchzusetzen, dann muss man aber auch die Größe haben, ganze Unternehmensnachfolge gezogen. In dieser Nachfolgege- weil uns diese nicht weitergeholfen haben. Wir haben heute bei eine andere Meinung zu akzeptieren. Das ist etwas, was sowohl schichte war de facto dann auch die Übernahme der Anteile der weitem nicht so eine wie immer geartete Vereinbarung. Georg als auch ich durch diesen ewigen Familienstreit erlernt haben, den es in der vorigen Generation gegeben hat. Das war für anderen Familienhälfte integriert. Mein Bruder hat dabei eine sehr maßgebliche Rolle als Triebfeder gespielt, um diesen Überleitungs- Was würden Sie Familien empfehlen, damit man genau solche Situ- uns sehr lehrreich, wir werden alles dazu tun, dass genau das prozess mit meinem Vater gemeinsam zu machen. Er war damals ationen vermeiden kann? nicht noch einmal eintritt. Streit kann sehr schnell zum Tod eines schon im Unternehmen aktiv, das war noch zu meiner Schulzeit Ich hoffe jetzt, dass Ihre Publikation nicht viele Juristen und An- Unternehmens führen. und der Prozess hat sich dann bis 2001 durchgezogen. Am Ende wälte lesen werden (lacht). Ich meine, jeder Dienstleistungsorien- 40 UnternehmerCircle 03 I 2015 Wenn man gewohnt ist, immer wieder Dinge durchzusetzen, dann muss man aber auch die Größe haben, eine andere Meinung zu akzeptieren. UnternehmerCircle 03 I 2015 41 Im Gespräch Im Gespräch zu diesem Thema sind wir im Prinzip übereingekommen, dass es am Sie hatten den Vorteil, dass Ihr Vater bei der Übergabe des Unterneh- Wie sehen Sie die Rolle des Fremdmanagers als Primus Inter Pares? gescheitesten ist, gar nichts zu machen, weil wir genau das vermeiden mens nicht geklammert hat. Sehr oft hat man in Familienunterneh- Das kann sehr positiven Einfluss haben und das kann aber auch sehr wollen, was wir durch die Knebelverträge erlebt haben. Ich glaube, sie men die Situation, dass die übergebende Generation eigentlich bis schwierig sein, wenn das in einzelnen Fällen ausgenutzt wird. Das müssen sich im konstruktiven Sinne auch ihr Umfeld zurechtrücken, zum letzten Schluss nicht loslassen kann oder will. Wann würden Sie hängt sehr von der Person des jeweils agierenden Fremdvorstandes sie müssen sich untereinander zurechtraufen, zurechtstreiten. Ich hof- gerne an die nächste Generation übergeben? ab. Wir haben jetzt eine wirklich hervorragende Situation: Wir ha- fe, im positiven und konstruktiven Sinn. Was wir beitragen können ist, Da kann ich jetzt nur von mir sprechen, aber ich warte bis meine beiden ben jemanden im Team, der von beiden Familienvorständen als völ- dass wir ihnen die Ausbildung als Basis geben, dass wir ihnen die rich- Söhne mit der Ausbildung fertig sind und das wird noch einige Zeit lig gleichwertig gesehen und absolut respektiert wird. Er kann sich tige Erziehung zu Teil kommen lassen, aber der Rest ist etwas, was sich dauern. Mir wäre schon recht, sie früh zu involvieren, weil ich habe damit in seinen Aussagen und seinem Handeln frei bewegen und er die Herrschaften selbst ausmachen sollten. Und ehrlich gesagt, wir wirklich keine Lust, dass ich mit 70, 80 oder 90 Jahren noch das Unter- geht mit beiden sehr gut um. Es gab auch bei uns schon Zeiten, wo hätten auch alle samt nicht wirklich die große Freude gehabt, wenn nehmen operativ führe. Ich meine, mit Rat und Tat zur Seite stehen, ja, es nicht immer so war, wo Fremdvorstände durchaus Taktiken an den schon vordefiniert gewesen wäre, wer welche Funktion im Unterneh- aber ich glaube nicht, dass es Sinn macht, ein Unternehmen heute noch Tag gelegt haben und geschaut haben, dass sie sich bei dem einen men zu machen oder nicht zu machen hat und wie lange und ab wann. mit 75 Jahren operativ zu führen. Dazu wird man im Alter zu langsam. oder bei dem anderen Familienvorstand mehr einweinberln, das ist Natürlich kann man etwas mit Erfahrung gut machen, aber gerade in jetzt Gott sei Dank nicht mehr der Fall. Der Fremdmanager sollte eine unserer Branche, die sich technologisch alle fünf Minuten ändert, muss völlig neutrale Besetzung sein. Und wenn irgendjemand das Gefühl man selbst mit diesen Dingen leben, man muss sie begreifen und wenn hat, dass er nur wegen einer Freundschaft zu einer Familie herein- man dann irgendwann nicht mal mehr die Ausdrücke versteht, dann kommt, dann wird es natürlich schon sehr schwer. sollte man eigentlich die Hand vom Geschäft lassen. Gibt es operative Entscheidungen, die nicht auf Vorstandsebene, sonSie setzen auch auf Top-Ebenen auf Fremdmanager. Waren Sie die erste dern auf Eigentümerebene gefällt werden? Generation, die mit Fremdmanagern auch in der Holding arbeitet? Das operative Unternehmen betreffend ganz, ganz selten. Da gibt Das gab es eigentlich schon von Beginn an. Es gab immer wieder Si- es einen agierenden Vorstand, da gibt es Aufsichtsratssitzungen, da tuationen in der gesamten Unternehmensgeschichte, wo Leute von gibt es die Strukturen der Aufsichtsräte und Vorstände der Tochter- extern das Geschick eifrig mitgestaltet haben. Das kam auch dadurch, gesellschaften. Da bemühen wir uns, mit den Entscheidungen in den dass gerade in den Zeiten, wo es finanziell etwas eng war, die eine Hierarchien zu bleiben, so wie sich das auch gehört. Wenn Entschei- oder andere Banken jemanden in die Geschäftsführung hineingezahnt dungen auf Eigentümerebene getroffen werden, dann sind das wirk- hat. Gerade die Zeit rund um die Weltkriege und dazwischen war nicht lich schon Themen, die auf operativen Ebenen vorbereitet wurden immer leicht und da gab es auch finanzielle, nicht so luxuriöse Situ- – die dann noch einmal im kleinen Rahmen der Familie abgesegnet ationen. Daher sind wir gewohnt, dass in unserem Haus auch externe werden. Worum geht es dann in Wahrheit? Es geht in unserem Fall Manager im Vorstand sitzen. Ich glaube, das tut auch gut. darum, mit unserer Schwester auch noch einmal die Themen zu diskutieren, da sie nicht alles aus dem Tagesgeschehen kennt. Auch sie Daraus höre ich, dass Sie externe Führungshälfte in Top-Positionen soll in Richtungsentscheidungen mit eingebunden werden. auch anderen Familienunternehmen empfehlen? Was lernt die Menschheit aus der Historie? Leider, wie wir sehr oft erkennen, nicht sehr viel. 42 UnternehmerCircle 03 I 2015 Wir hätten auch alle samt nicht wirklich die große Freude gehabt, wenn schon vordefiniert gewesen wäre, wer welche Funktion im Unternehmen zu machen oder nicht zu machen hat, wie lange und ab wann. Auf jeden Fall. Ich meine, die Inzucht sollte man so weit wie möglich Nach welchen Kriterien haben Sie Ihren Aufsichtsrat besetzt? vermeiden. So bringt man gutes Wissen von außen herein und es gibt Die jeweils Stiftungsvorsitzenden unserer Privatstiftungen sind im aus unserer Sicht auch noch einen wesentlichen weiteren Aspekt: Sie Aufsichtsrat. Auch unsere Schwester ist im Aufsichtsrat. Das ist für müssen für die Leute im Haus einen gewissen Karrierepfad aufzeigen unsere Schwester die Möglichkeit, am Ball zu bleiben. Man braucht, selber bin Techniker von meiner Ausbildung. Für mich war wichtig, können, das ist in Familienunternehmen sowieso nicht immer ganz auch wenn man nicht im operativen Geschehen ist, trotzdem irgend- dass ich einen fachlich kompetenten Stiftungsvorstand habe, dem so einfach. Wenn jetzt in den führenden Funktionen immer nur Fa- wo einen Anker zum Unternehmen. Darauf haben wir von unserer ich aber auch persönlich vertrauen kann. milienmitglieder sitzen, wohin sollen sich die Leute entwickeln? Und Seite Wert gelegt, dass sie da unbedingt einen Sitz hat. daher ist es gut und wichtig, auch externe Manager zu haben. Auch Was zeichnet die Entscheidungsstrukturen der Firmengruppe aus? wenn Sie in neue Märkte hineingehen, dann brauchen Sie das Wissen Wie haben Sie Ihre Stiftungsvorstände ausgewählt? Wir haben ganz normale Satzungen, wie das in jedem anderen Un- von außen, nicht nur auf Sach- und Fachebene sondern auch für die Ich selber hab geschaut, dass ich jene Bereiche, die ich persönlich ternehmen mit den herkömmlichen Grenzen auch vorgesehene ist. Entscheidungen selbst. nicht so gut abdecke - das ist alles was mit Recht und Finanzen zu Grundsätzlich leben wir in den letzten 15 Jahren sehr stark davon, tun hat - in meinen Stiftungen durch Stiftungsvorstände besetze. Ich dass wir enorm rasch und schnell entscheiden. Sicher wesentlich UnternehmerCircle 03 I 2015 43 Im Gespräch Im Gespräch lich in einem Unternehmen zugeht, sondern worin die Unterschiede liegen. Das hat natürlich wieder einen Hebel in meiner ganzen Entwicklung gebracht. Diese Erfahrung würde ich schon anraten, in zumindest ähnlicher Form zu tun. Ich weiß, da gibt es immer Ressentiments, zuerst überhaupt ganz woanders anzufangen und dann ins Familienunternehmen zu kommen. Wenn man die Zeit und die Möglichkeit hat, fünf bis acht Jahre irgendwo anders zu arbeiten und dann in das eigene Unternehmen zu kommen, dann ist das natürlich ein Idealzustand. Das hat den Nachteil, dass man aber zu wenig vom eigenen Unternehmen am Anfang mitbekommen hat, man steigt dann wirklich wie ein Fremder ein. Man hätte rein theoretisch als Familienmitglied schon die Möglichkeit, früher den eigenen Stall kennenzulernen und kann sich da schon viel an zusätzlichen Informationen im Vorfeld zu beschaffen, die man später auf Managementebene nicht mehr so einfach bekommt. Man kann als Jugendlicher im elterlichen Unternehmen viel mehr hinter die Kulissen schauen und man bekommt viel mehr mit. Manchmal ist es für die Jungen schwierig, sich gegenüber der älteren Generation durchzusetzen, wie war das bei Ihnen? Unser Vater hat schon sehr auf uns gehört, aber das kommt jetzt wieder aus unserer Situation. Er hat sich nicht so gerne mit dem Thema befasst und wenn Dinge aufgetaucht sind, die für ihn loschneller und rascher, als manche multinationale Mitbewerber. Da kommt jetzt natürlich schon das Familienunternehmen etwas in den Vordergrund, weil wir gerne als unternehmensführende Familienmitglieder entscheiden. Das tun wir beide und natürlich auch meine Schwester. Das hat Vorteile für das Unternehmen und wir merken, dass unser Tempo ein ganz anderes ist, als jenes des Mitbewerbers. Ich meine, mit Rat und Tat zur Seite stehen, ja, aber ich glaube nicht, dass es Sinn macht, ein Unternehmen heute noch mit 75 Jahren operativ zu führen. gisch und passend waren, dann war er froh, dass andere gewisse Dinge aufgegriffen, umgesetzt und erledigt haben. Wenn das für ihn in Ordnung war, war das überhaupt kein Thema. Es gab eigentlich selten wirklich einen großen Widerspruch, ganz im Gegenteil. Sind die eher ein Verfechter einer raschen Übergabe des Unternehmens in einem Schritt oder sollte das ein schrittweiser Prozess sein? Auch das ist von den handelnden Personen abhängig. Wenn sie Sie haben auch erwähnt, dass Ihre potentiellen Nachfolger auf je- wirklich einen Patriarchen im Familienunternehmen sitzen haben, den Fall eine gute Ausbildung haben sollen. Was sollten Ihre Nach- terschiedliche Erfahrungswerte, unterschiedliche Überlegungen. der alles kommandiert, dann wird es wahrscheinlich nur mit einem folger denn sonst noch mitbringen? Ich selber habe für mich sehr positive Erfahrungen gemacht. Ich Stichtag gehen, weil sie sonst als nächste Generation überhaupt Gefühl, Gespür für die Menschen, für die Mitarbeiter und fürs Ge- war lange Zeit bei uns im Haus und habe während des Studiums keine Chance haben. In dem Moment, wo Tochter oder Sohn den schäft. Ich glaube, dass ist das aller Wesentlichste. auch schon bei uns normale Tätigkeiten in den Entwicklungsab- Mund aufmachen und eine eigene Entscheidung treffen möchten, Ich glaube schon, dass ein 70 jähriger in zwanzig Jahren noch wesentlich moderner und agiler ist, als ein 70 jähriger vor fünfzig Jahren. teilungen ausgeführt. Bin dann zum Abteilungsleiter, zum Haupt- wird es nicht funktionieren. Wenn dieses Patriachentum nicht so Würden Sie Ihren Nachfolgern raten, einmal wo anders Erfahrungen abteilungsleiter, zum Bereichsleiter bis hin zum Vorstand aufge- ausgeprägt ist, ist meiner Meinung nach eine gemeinsame Überlei- zu sammeln, bevor sie in das Familienunternehmen kommen oder stiegen. Ich habe den internen Karrierepfad hier im Unternehmen tung durchaus sinnvoll, da es auch darum geht, persönliche Kon- sollen sie gleich im Unternehmen ihre Sporen verdienen? durchgemacht. Ich hatte die Möglichkeit kennenzulernen, wie ein takte und Erfahrungen zu übernehmen. Man muss ja nicht immer Wie viel Zeit sollte man sich für die Übernahme nehmen? Es war ja bei Das war im Übrigen auch ein Teil unserer Diskussion in der Fa- Unternehmen grundsätzlich funktioniert. Mit diesem Wissen bin alles selbst erfinden und von vorne anfangen. Ich war auch froh, Ihnen auch ein relativ langer Prozess. milie. Wir wollen schon auf jeden Fall haben, dass sie woanders ich dann nach der Vollendung meines Studiums ins Ausland ge- wenn ich irgendwo Erfahrungen aufgreifen konnte, diese auspro- Bei mir war es lange, weil ich wirklich die einzelnen Stellen des Un- tätig werden, dass sie woanders zumindest einmal sehen, wie es gangen und habe mir ein Bild gemacht, wie andere Unternehmen bieren und schauen konnte, wie diese zu mir passen. Lernen geht ternehmens durchgemacht habe. Das ist wiederum abhängig von der eigentlich in einem Unternehmen zugeht. Da gibt es allerdings un- funktionieren. Ich musste nicht mehr erlernen, wie es grundsätz- anhand von Beispielen immer besser. Situation, von den Personen, von der Unternehmensgröße und anderen 44 UnternehmerCircle 03 I 2015 UnternehmerCircle 03 I 2015 45 Im Gespräch Impressum Wir sind gewohnt, dass in unserem Haus auch externe Manager im Vorstand sitzen. Ich glaube, dass tut auch gut. die Generationen immer länger leben, damit aber auch gedanklich immer frischer sind. Es ist nicht nur das Lebensalter, das sich nach hinten ausdehnt, sondern von unserem Gesamtverhalten strecken wir uns auch in unserem jugendlichen Verhaltensmuster. Ich glaube schon, dass ein 70 jähriger in zwanzig Jahren noch wesentlich moderner und agiler ist, als ein 70 jähriger vor fünfzig Jahren. Da verändert sich insgesamt sehr viel in der Gesellschaft und daher muss man auch diese Veränderungen miteinbeziehen. Auf der anderen Seite einen Einstieg unter 40 würde ich auch nicht unbedingt als passend sehen. Da ist mit 40 schon ein bisschen Anerkennung da, da hat man schon ein bisschen Erfahrung, schon etwas Seniorität. Wie werden denn aus den vielen Erfahrungen, die Sie selbst gesamDingen. Ich spreche immer von Unternehmen in unserer Größenord- melt haben, Sie an ihre Nachfolge mit Ihrer nächsten Generation he- nung. Da glaube ich, wären fünf Jahre nicht so schlecht. rangehen? Ich hoffe so, wie ich Ihnen das erzählt habe (lacht). Ob das so statt- Gibt es ein ideales Alter für die Übergabe des Unternehmens? finden wird, wird man dann in 20 Jahren sehen, weil dann bin ich Wir haben uns zuerst schon im Gespräch an einen Zeitraum heran- genau in diesem Alter. getastet. Das war irgendwo so 70-75. Aber alles ist im Fluss, alles verändert sich. Wir haben natürlich schon heute damit zu tun, dass Herr Dr. Kapsch, vielen Dank für das Gespräch. Lebenslauf Dr. Kari Kapsch Dr. Kari Kapsch, geboren 1964, studierte Physik an der Universität Wien und erhielt 1992 sein Doktorat. Von 1982 bis 1989 war Herr Kapsch als Leiter der Hybrid Fertigung in der Kapsch Group tätig. Danach arbeitete er bei ANT, einem Mitglied der Bosch Gruppe, ein Jahr in Deutschland. 1990 kehrte er als Leiter des Geschäftsbereiches Verkehrstelematik Solutions zurück und baute das Geschäftsfeld Verkehrsmaut auf. Während der folgenden zehn Jahre leitete Herr Kapsch mehrere Geschäftsbereiche innerhalb der Kapsch Group und wurde 2001 Vorstandsmitglied der Kapsch Group. Herr Kapsch war Vorsitzender von „Junge Industrie Wien“ und Vize-Vorsitzender von „Junge Industrie Österreich“ bis 2002. 1999 wurde er Vorstandsmitglied der Industriellenvereinigung Wien. 46 UnternehmerCircle 03 I 2015 Herausgeber und Medieninhaber: Kathrein Privatbank Aktiengesellschaft 1010 Wien | Wipplingerstraße 25 Tel.: +43 1 534 51-0 | Fax: +43 1 534 51-221 Die Meinung der Autoren spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung des Herausgebers wider. Die Reproduktion von Bildern und Texten ohne schriftliche Einverständniserklärung des Medieninhabers ist untersagt. Redaktion: Dr. Andreas Gratzl Kathrein Privatbank Aktiengesellschaft Marketing: Anita Ilic Leitung Marketing und externe Kommunikation Tel.: +43 1 534 51-269 [email protected] Konzept: Kathrein Privatbank - UnternehmerServices [email protected] UnternehmerCircle 03 I 2015 47 Als führende Privatbank in Österreich definieren wir unseren Erfolg über Ihren Erfolg. Deshalb bieten wir Ihnen ein perfektes Zusammenspiel aus fachlicher Kompetenz, hoher Effizienz, optimaler Verständlichkeit und größtmöglicher Sicherheit. Das macht uns zum idealen Partner in allen Vermögensangelegenheiten. UnternehmerCircle 03 I 2015 www.kathrein.at
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