Juli/August 2015 RaumPlanung Titelfoto: © Alexander Benning, ILS Fachzeitschrift für räumliche Planung und Forschung Grüne Infrastruktur in urbanen Räumen skreis für Ra tion um p K 5158 e.V. 180 / 4-2015 un g 40 J a h re I a rm lan nf o Weitere Themen: Herausforderungen der Daseinsvorsorge Sicherung der medizinischen Grundversorgung im ländlichen Raum 1975 – 2015 Grüne Infrastruktur in urbanen Räumen Schwerpunkt 8 Otto Schließler: Grüne Infrastruktur oder Brandschutz? 16 Christoph Schröter-Schlaack, Jenny Schmidt: Ökosystemleistungen grüner Infrastrukturen 22 Runrid Fox-Kämper, Bettina Lelong, Martin Sondermann: Urbane Gärten als Teil grüner Infrastrukturen 30 Jost Wilker, Christine RymsaFitschen: Akteursbeteiligung bei der Planung und Umsetzung grüner Infrastruktur 3 38 Denise Kemper: Urbane Landwirtschaft im Emscher Landschaftspark 46 Thomas Claßen, Sebastian Völker: Stadtgrün & Stadtblau im Dienste der Gesundheit? 4 RaumPlanung 180 / 4-2015 54 Grit Bürgow, Angela Million, Anja Steglich: Urbane (Ab-)Wasser und Nahrungsmittelproduktion Rubriken 3 Editorial 77 Notizen 64 Thomas Kiwitt, Silvia Weidenbacher: 79 Campus Grüne Infrastruktur für die Region 160 Studierende - ein PIT in Berlin Drittes Alumnitreffen in Dortmund DASL Wissenschaftliches KolloWeitere Themen quium 2015 72 Rainer Winkel: 84 Rezensionen Herausforderungen der Daseins85 IfR Intern vorsorge 87 Kalender 88 Impressum 22 38 64 Hinweis: Aus Gründen der Lesegewohnheit und der sprachlichen Vereinfachung wird bei Personen die männliche Substantivform verwendet, wenn keine geschlechtsneutrale Formulierung möglich ist. Gemeint sind immer beide Geschlechter. RaumPlanung 180 / 4-2015 5 Grüne Infrastruktur in urbanen Räumen S eit einigen Jahren ist ein starker Bedeutungszuwachs von urbanem Grün in der Stadtentwicklung spürbar. Einst als „Restflächen“ nur wenig beachtet, rückt urbanes Grün heute als wesentliches stadtentwicklungspolitisches Potenzial in den Fokus. Dies gilt für wachsende Städte, auf denen ein massiver Entwicklungs- und Verwertungsdruck auf den noch verbleibenden Freiräumen lastet, vor allem aber auch für schrumpfende Städte, die neue Strategien für die Gestaltung und Vernetzung von Freiräumen benötigen. Auch laufende politische Debatten, beispielsweise auf der Ebene der Europäischen Union (Strategiepapier „Grüne Infrastruktur (GI) – Aufwertung des europäischen Naturkapitals“ aus dem Jahre 2013) oder der des Bundes („Bundeskonzept Grüne Infrastruktur“, im Koalitionsvertrag angekündigt) belegen die Bedeutung. Mit dem Begriff der grünen Infrastruktur verbindet sich die Idee einer Sicherung und Gestaltung urbaner Freiräume in ihrer stadtregionalen Vernetzung und unter Berücksichtigung ihres multifunktionalen Mehrwertes. Der Begriff ruft neue Assoziationen im Umgang mit urbanem Grün hervor und bietet zugleich eine konzeptionelle Klammer, um neue Strategien und Instrumente für eine nachhaltige Gestaltung urbaner Räume integrativ zu erproben. Der so explizit adressierte planerische Umgang mit stadtregionaler grüner Infrastruktur stellt vor dem Hintergrund konkurrierender räumlicher Nutzungsansprüche eine große Herausforderung dar und erfordert dauerhaft handlungsfähige Akteurskonstellationen, um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen gebauter Umwelt und Freiräumen als elementare öffentliche Güter zu gewährleisten. Die Zukunftsfähigkeit von urbanen Räumen ist nicht zuletzt abhängig vom Gestaltungswillen strategischer Allianzen, die das Thema der nachhaltigen Freiraumentwicklung in urbanen Räumen wahrnehmen, diskursiv verhandeln und in strategisch orientierten Governance-Arrangements experimentell erproben und umsetzen. Eine besondere Herausfor- 6 RaumPlanung 180 / 4-2015 derung stellt dabei das multiskalare Management von grüner Infrastruktur dar. Vor allem die Verknüpfung von konzeptionellen Leitbildern und Strategien zum Umgang mit grüner Infrastruktur auf der regionalen Ebene (z.B. übergeordnete Masterpläne wie der Masterplan Emscher Landschaftspark im Ruhrgebiet) mit eher lokalen Initiativen und Bewegungen wie z. B. dem Urban Gardening fällt oftmals noch schwer. Ziel des Themenschwerpunktes in diesem Heft ist es, einige aus Sicht der Raumplanung wesentliche Herausforderungen im Umgang mit grüner Infrastruktur zu thematisieren. Die Beiträge verdeutlichen in ihrer Gesamtheit die Vielschichtigkeit des Konzeptes der grünen Infrastruktur und präsentieren ganz unterschiedliche Zugänge. Der erste Beitrag von Otto Schließler behandelt das noch nicht genügend geklärte Verhältnis zwischen dem sog. Zweiten Rettungsweg und anderen, darüber hinausreichenden Belangen des Städtebaus. Straßenbäume werden dabei als elementare Grundeinheit einer grünen Infrastruktur auf der lokalen Ebene verstanden, die zunehmend als Sicherheitsrisiko wahrgenommen werden und deshalb auch fundamental bedroht sind, vor allem im Zuge von planerischen Abwägungsprozessen. Das zentrale Argument des Autors ist zugleich ein Plädoyer für die zwingende Notwendigkeit neuer „allgemein anerkannter Regeln der Technik“ im Umgang mit Straßenbäumen in der Risikobewertung. Christoph Schröter-Schlaack und Jenny Schmidt binden in ihrem Beitrag das Konzept der Ökosystemleistungen in das Gerüst der grünen Infrastruktur ein. Aufgrund ihres multifunktionalen Charakters, verbunden mit der häufig vorliegenden Problematik öffentlicher Güter, zeigen die Autoren auf, mit welchen Ansätzen sich die Wirkungen grüner Infrastruktur klassifizieren und in einen planerisch-ökonomischen Bewertungsansatz übersetzen lassen. Es wird deutlich, dass durch eine gezielte Bewertung und Inwert- Facheditorial setzung der Ökosystemleistungen grüner Infrastruktur der Raumplanung ein wichtiges Instrument an die Hand gegeben werden kann, mit dessen Hilfe Entscheidungsprozesse optimiert werden können. In ihrem Beitrag „Urbane Gärten als Teil grüner Infrastrukturen – Das Beispiel Lissabon“ beschreiben Runrid Fox-Kämper, Bettina Lelong und Martin Sondermann, wie zivilgesellschaftliche Formen urbanen Gärtnerns in ein gesamtstädtisches Planungskonzept grüner Infrastrukturen integriert werden können. Wesentlich ist dabei das Zusammenspiel von „bottom-up“-Prozessen des urbanen Gärtnerns mit den klassischen Steuerungslogiken auf Seiten der städtischen Planung. Die Autoren gehen im Detail auf das Instrument der „Parques Agricolas“ als Kernelement der „Lissaboner Strategie“ im Umgang mit grüner Infrastruktur ein und fragen abschließend auch nach den Transfermöglichkeiten der dort erprobten Ansätze in andere räumliche Kontexte. Ergänzend zu den Eindrücken einer durch die Stadtgesellschaft getragenen stadtregionalen grünen Infrastruktur diskutieren Jost Wilker und Christine Rymsa-Fitschen in ihrem Beitrag Formen der Akteursbeteiligung bei der Planung und Umsetzung grüner Infrastruktur. Sie zeigen nicht nur grundlegend auf, wie wichtig gerade in diesem Planungsfeld eine frühzeitige und umfassende Beteiligung betroffener Akteure ist sondern stellen auch internationale Fallstudien vor. Diese werden kritisch hinterfragt und hinsichtlich der Tiefe und Breite der Akteursbeteiligung klassifiziert. Aus diesen Erfahrungen schließen die Autoren den Beitrag mit zentralen Leitlinien, die sich für eine breit akzeptierte und effiziente Akteursbeteiligung im Bereich grüner Infrastruktur ableiten lassen. Der Zusammenhang von urbaner Landwirtschaft und einer regionalen grünen Infrastruktur wird von Denise Kemper betrachtet. In ihrem Beitrag grenzt sie auf einer konzeptionellen Ebene die urbane Landwirtschaft von Formen des urbanen Gärtnerns ab und fasst beide Formen unter dem Begriff der urbanen Agrikultur zusammen. Sie betont die eminente Bedeutung der urbanen Landwirtschaft in der Metropole Ruhr. Sie schlägt dann die Brücke zur aktuell diskutierten Programmatik „Emscher Landschaftspark 2020+“ und benennt zentrale Handlungsfelder für die zukünftige Entwicklung in der Region. Thomas Claßen und Sebastian Völker greifen in ihrem Beitrag eines der derzeit heiß diskutierten Themenfelder auf: die Bedeutung einer intakten grünen und blauen Infrastruktur für eine gesundheitsförderliche Stadtentwicklung. Aufbauend auf der aktuellen Evidenz zu gesundheitlichen Wirkungen skizzieren die Autoren Anforderungen und Perspektiven für die Entwicklung von Stadtgrün und Stadtblau im Rahmen einer integrierten, gesundheitsförderlichen Stadtplanung. Die vorgestellten Erkenntnisse basieren auf den Arbeiten der Juniorforschungsgruppe StadtLandschaft & Gesundheit, die sich in den vergangenen Jahren mit diesen Fragen intensiv auseinandergesetzt hat. Im Gegensatz hierzu stellt der Beitrag von Grit Bürgow, Angela Million und Anja Steglich erste Ergebnisse eines Forschungsprojektes zum Thema "Roof Water-Farm" vor, das sich mit der baulichen Umsetzung von urbaner Landwirtschaft auf den Dächern von Wohnblöcken beschäftigt. Wesentlicher Kern des Textes sind Optionen und Potenziale der Verbindung von dezentraler Abwasseraufbereitung und Nahrungsmittelproduktion als multifunktionale Infrastruktur im urbanen Kontext. Die vorläufigen Ergebnisse des Projektes lassen auf ein sehr hohes Umsetzungspotential und eine sehr hohe Effizienz eines "Roof Water-Farm" Konzeptes schließen. Thomas Kiwitt und Silvia Weidenbacher berichten über den raumplanerischen Umgang mit der stadtregionalen grünen Infrastruktur in der Region Stuttgart. Sie zeigen hierbei unter anderem auf, dass der Verband Region Stuttgart das Konzept der grünen Infrastruktur in verschiedene Masterpläne integriert hat. Zusätzlich erläutern die Autoren, welche regionalplanerischen Vorgaben genutzt werden, um die Umsetzung verschiedener Projekte zu fördern. In diesem Zusammenhang wird auch die Einwerbung von Komplementärmitteln thematisiert, die für die Finanzierung der grünen Infrastruktur in der Region Stuttgart sehr wichtig ist. Insgesamt bietet dieser Beitrag einen aufschlussreichen Einblick in die praktische Relevanz und Umsetzung der konzeptionellen Grundlinien einer stadtregionalen grünen Infrastruktur. Mario Reimer, 1980, Dr. phil., wissenschaftlicher Mitarbeiter am ILS – Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung in Dortmund Karsten Rusche, 1980, Dr. rer. pol, wissenschaftlicher Mitarbeiter am ILS – Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung in Dortmund Frank Othengrafen, 1976, Prof. Dr.-Ing. Raumplanung, Juniorprofessor für Landesplanung und Raumforschung, insb. Regional Governance Institut für Umweltplanung Leibniz Universität Hannover RaumPlanung 180 / 4-2015 7
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