NZZ 16.10.2015: Schliessung Restaurant Roter Turm

20 ZÜRICH UND REGION
Neuö Zürcör Zäitung
Freitag, 16. Oktober 2015
Die nebulöse Schliessung
des Restaurants Roter Turm
Gemeinde will
Zeitung ächten
Medienstreit in Fischenthal
lsc. Der Gemeinderat von Fischenthal
Der zweitgrösste Turm in Winterthur steht seit Monaten leer
hat schon ruhigere Zeiten erlebt. Die
Gemeinde muss sparen, die Reorganisation der Alters- und Pflegeheime bereitet Probleme, eine Bürgerbewegung
rebelliert, und dann ist da auch noch die
Lokalpresse, die mit Schlagzeilen aufwartet wie: «Fischenthal will zuerst bei
den Senioren sparen», oder: «Heimarzt
rechnet mit Gemeinderätin ab». Wegen
ebendieser Schlagzeile des «Zürcher
Oberländers» («ZO») hat sich der Gemeinderat nun zu einer ebenso forschen
wie gewagten Reaktion hinreissen lassen. Wie die Behörde in einem Newsletter schreibt, will sie «gegenüber dieser
Zeitung keine Stellungnahme zu geplanten Artikeln mehr nehmen». Sprich: Anfragen von «ZO»-Journalisten werden
künftig ignoriert. Obendrein überlegt
man sich, den «ZO» als amtliches Publikationsorgan abzusetzen – nach jahrzehntelanger «guter Zusammenarbeit».
Im ehemaligen SwisscomHochhaus ist nichts mehr,
wie es einmal war: Von der
Öffentlichkeit fast unbemerkt,
wurde das Restaurant im
obersten Stock geschlossen, und
das Haus steht mehrheitlich leer.
Was ist los im Roten Turm?
CORSIN ZANDER
Auf dem Roten Turm beim Winterthurer Bahnhof scheint ein Fluch zu lasten.
Im November des letzten Jahres ist die
Axa-Winterthur aus dem SwisscomHochhaus ausgezogen. Seither steht der
Grossteil des 89 Meter hohen Turms
leer. Der Immobilien-Dienstleister Wincasa, der für die Vermietung zuständig
ist, sagte gegenüber dem «Landboten»,
man gehe davon aus, dass die Mehrheit
der Fläche im Juli 2015 vermietet sein
werde. Seither ist jedoch mit der ZürichVersicherung erst eine Firma eingezogen. Sie belegt eines von 24 Stockwerken. Dennoch ist Wincasa zuversichtlich, dass den Roten Turm nicht
dasselbe Schicksal ereilt wie das SulzerHochhaus, das jahrelang leer stand und
zum «Geisterhochhaus» wurde: «Wir
stehen mit mehreren Interessenten kurz
vor Vertragsabschluss. Bezugstermine
sind voraussichtlich im Frühjahr 2016»,
sagt Sandro Henggeler, Leiter Letting
Advisory. Da die Verträge noch nicht
unterschrieben seien, könne er jedoch
keine näheren Angaben zu den Interessenten machen.
Konkurs trotz hohen Umsätzen
Wenigstens im Restaurant Roter Turm
in den obersten drei Stockwerken
herrschte bis im Sommer dieses Jahres
noch Betrieb. Doch seither sind auch da
die Lichter aus. Die Gründe dafür sind
unklar. Etwas Licht ins Dunkel bringen
Akten des Winterthurer Bezirks- und
des Zürcher Obergerichts: Noch bis im
vergangenen Jahr lief das Lokal in luftiger Höhe gut. Die Erfolgsrechnung von
2013 wies einen Gewinn nach Steuern
von über 105 000 Franken aus. Im Mai
2014 begannen aber die Probleme. Der
Betreiber erlitt einen Arbeitsunfall und
musste das Restaurant vorübergehend
schliessen. Er nutzte die Zeit, um das
Lokal zu renovieren. Diese Arbeiten
wurden teurer als erwartet. Zudem zerstritt sich der Besitzer mit seinem Treuhänder und bezahlte nicht mehr alle
seine Rechnungen. Im November eröffnete er das Lokal neu. 2015 erwirtschaftete er bis Ende April einen Bruttoumsatz von über 132 000 Franken.
Damals hatte der Betreiber das Geschäft aber zumindest in Gedanken bereits aufgegeben. Im März war sein
Betrieb als «Restaurant-Bar über den
Wolken von Winterthur» im Internet für
fast 590 000 Franken zum Verkauf ausgeschrieben. Über die Hintergründe ist
nichts zu erfahren. Der Betreiber blockte
Der wütende Brief des Doktors
Ende Oktober 2015), und wer die Nummer des Restaurants anruft, bekommt
Folgendes zu hören: «Wir haben den
Betrieb aufgegeben. Melden Sie sich
doch Ende Oktober nochmals. Danke
vielmals. Ade.»
Den noch immer laufenden Mietvertrag hat der Betreiber gekündigt. Ein
Nachmieter ist bisher noch nicht gefunden worden, heisst es bei Wincasa. Die
Bar ist auch noch immer zum Verkauf
aufgeschrieben. Allerdings wurde der
Verkaufspreis mittlerweile mehr als halbiert – auf 275 000 Franken.
«Wir werden andauernd in die Pfanne
gehauen», sagt Gemeindepräsident Josef
Gübeli (svp.), «das lassen wir uns nicht
mehr bieten.» Fest steht, dass der «ZO»
immer wieder kritisch über die Politik
der Gemeinde berichtet. Zum Eklat kam
es so: Kürzlich veröffentlichte das nicht
eben behördenfreundliche Bürgerforum
Pro Fischenthal auf seiner Website einen
Brief, den der ehemalige Heimarzt des
Alters- und Pflegeheims Geeren Ende
August an die Gemeinderätin Judith
Sievi (svp.) geschickt hatte. Darin erhebt
der Arzt schwere Vorwürfe, die von der
Anschaffung «sinnloser» Therapiegeräte
über «stillose» Entlassungen bis zu persönlichen Attacken gegen Sievi reichen.
Der «ZO» griff die Geschichte auf und
bat die Behörde um eine Stellungnahme.
Jene zog es jedoch vor, die meisten Vorwürfe unkommentiert zu lassen und dem
Briefschreiber rechtliche Schritte anzudrohen. Umso empörter reagierte man,
als der «ZO» am 3. Oktober ausführlich
über den Brief berichtete. Im erwähnten
Newsletter ist die Rede von «Sensationshascherei» und einem «ungeheuerlichen» Angriff auf ein Gemeinderatsmitglied.
Weiter ein Restaurant geplant
Fragwürdiger Boykott
Wann das höchste Winterthurer Restaurant wiedereröffnet wird, ist noch unklar. Geplant ist aber nach wie vor ein
Restaurant, wie Wincasa auf Anfrage
sagt. Viele Winterthurer wünschten sich
ein neues Lokal im Roten Turm, denn
sie verbänden zahlreiche Erinnerungen
damit – sei es an Feste wie den Valentinstag oder an Elektro-Partys, die im
Turm stattfanden, wenn jemand das
Lokal mietete. Die Sternzeichen-Drinks
waren stadtbekannt, und mehrfach
wurde das Lokal von Gastroführern in
den letzten fünfzehn Jahren ausgezeichnet – weniger wegen der Bedienung, die
immer wieder kritisiert wurde, sondern
mehr wegen der spektakulären Aussicht
über Winterthur. Nun ist die Zukunft
ungewiss, und es steht bloss eines fest:
Zumindest für die nächsten Wochen
bleibt das Restaurant so leer wie fast der
ganze Rote Turm.
Beim «Zürcher Oberländer» ist man
über das Verhalten des Gemeinderates
erstaunt. «Es gehört zu unserer journalistischen Arbeit, dass wir umstrittene
Themen aufgreifen und Diskussionen
beleben, in denen alle Seiten zu Wort
kommen», sagt der Chefredaktor Christian Brändli. Dass die Behörde dies verhindern wolle, bedaure er. Vorerst werde
man aber das Gespräch suchen, um eine
einvernehmliche Lösung zu finden.
Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob
eine Behörde überhaupt das Recht hat,
die Zeitung zu ignorieren. Zwar gibt es
keine Pflicht, mit einem bestimmten
Journalisten zu reden oder jede Anfrage
zu beantworten (es sei denn, sie lässt
sich mit dem Öffentlichkeitsprinzip begründen), aber ein systematischer Boykott – und darauf läuft es hinaus – ist laut
Juristen äusserst fragwürdig und wohl
auch verfassungswidrig.
Die Mittel, zu denen die Fischenthaler greifen, mögen gewagt sein, der
Konflikt dahinter schwelt auch anderswo. Die Bande zwischen Regionalzeitungen und Gemeindebehörden sind
traditionell eng, insbesondere, wenn ein
Blatt als amtliches Publikationsorgan
dient. Die Behörden leiten aus der Tatsache, dass die Gemeinde die Zeitung
über Inserate mitfinanziert, gerne ein
Recht auf wohlwollende Berichterstattung oder gar auf eine unveränderte
Publikation ihrer Verlautbarungen ab.
Doch diese Form der Zusammenarbeit
kann sich heute keine Zeitung mehr leisten, sofern sie glaubwürdig sein will.
Einige Behörden können gut damit
leben, andere weniger. Der Fischenthaler Gemeinderat will die Bevölkerung am nächsten Dienstag detailliert
über seine Sicht der Dinge informieren –
in einem Newsletter, damit laut Gemeindepräsident Gübeli «1:1 geschrieben wird, was die Gemeinde will».
Hinter der Glasfassade sind die Lichter aus. Das Restaurant im obersten Teil des Roten Turms ist geschlossen.
jegliche Versuche der Kontaktaufnahme
durch die NZZ über Monate hinweg ab.
In der Ausschreibung des Restaurants
schreibt er bloss: «Gesundheitshalber
muss leider diese einmalig gelegene
Restaurant-Bar aufgegeben werden.»
Vor Gericht landete der 50-Jährige,
weil gegen sein Restaurant im April der
Konkurs eröffnet wurde. Mehrere Gläubiger hatten den Geschäftsführer des
Roten Turms betrieben. Dieser erhob
Einsprache gegen den Entscheid, und
das Obergericht gab ihm recht. Aufgrund des Geschäftsgangs sei die Zahlungsfähigkeit grösser als die Zahlungs-
unfähigkeit, so die Begründung. Wie
den Gerichtsunterlagen zu entnehmen
ist, liess der Besitzer über den Anwalt
ausrichten, er habe habe aus der Angelegenheit gelernt und wolle sich darauf
konzentrieren, seine «Gäste mit gutem
und feinem Essen zu verwöhnen». Doch
Wochen später wurde das Restaurant
Roter Turm geschlossen: «Sommerferien und Hitzepause bis 30. August
2015», stand auf einem grünen Aushang
an der Eingangstür geschrieben. Auf der
Website steht seit Wochen, der Betrieb
werde übergeben. Der Übergabetermin
wurde mehrmals verschoben (derzeit:
Ein Hochhaus, das keines sein durfte
zac. Das heute als Roter Turm bekannte
Hochhaus wurde Ende 1999 auf dem
ehemaligen Volg-Areal neben dem
Bahnhof Winterthur gebaut. Geplant
hatten es Anfang der 1990er Jahre die damaligen Post-, Telefon- und Telegrafenbetriebe (PTT). Das 85 Millionen teure
Bauprojekt sollte ein Quartier für die damalige Fernmeldedirektion werden, die
nach der Auflösung der PTT Swisscom
hiess. Deshalb wurde der 89 Meter hohe
Turm Swisscom-Hochhaus genannt.
Schliesslich zog nur ein kleiner Teil der
Swisscom-Belegschaft ein. Den grössten
Teil des Turms belegte die WinterthurVersicherung.
Das Hochhaus war von Anfang an
umstritten und wurde als «massloser,
hässlicher Solitärklotz» kritisiert. Weil
ein auffälliger hoher Turm wohl zu sehr
angeeckt wäre, entschieden sich die
Architekten Burkart, Meyer und Partner
aus Baden für ein hohes, aber nicht zu
auffälliges Gebäude. Der Baukörper ist
stark gegliedert und schraubt sich wie
eine Spirale nach oben. Die Fassade
wurde mit rotem Backstein verkleidet,
was dem Haus seine heutige Bezeichnung Roter Turm verleiht. Diese Kompromisslösung wurde als Unentschlossenheit kritisiert; es sei ein Hochhaus,
«das eigentlich keines sein darf», schrieb
der «Tages-Anzeiger» 1999. Heute ist der
Rote Turm durchaus zu einem markanten Wahrzeichen der Stadt geworden
und nach dem fast hundert Meter hohen
Wintower auf dem Sulzer-Areal das zurzeit zweithöchste Hochhaus der Stadt.
KARIN HOFER / NZZ
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Protest gegen «illegale Taxis»
Taxifahrer wollen Stadt Zürich anklagen und drohen, den Flughafen zu bestreiken
zac. «Es ist genug!», schreibt die Taxi-
Sektion Zürich in einem offenen Brief
an den Stadtrat. Am Donnerstagabend
hat sie auf dem Helvetiaplatz eine Platzkundgebung durchgeführt. Die Zustände im Taxi- und Transportwesen seien
unhaltbar, die Fahrer würden Umsatzverluste von bis 40 Prozent erleiden, so
die Kritik. Der Grund für den Unmut
sind «illegale Taxis», wie die sogenannten Landtaxis, die ohne Bewilligung auf
dem Stadtgebiet Kunden mitnehmen,
und der Online-Vermittlungsdienst. Die
Behörden sähen untätig zu, obwohl
Uber und Landtaxis gegen das Gesetz
verstossen würden. Die Taxifahrer fordern den Stadtrat auf, bis am 2. November eine «konstruktive Lösung» zu präsentieren. Das Zürcher Polizeidepartement sagt auf Anfrage, man habe den
Brief erhalten und werde nun die Forderungen prüfen. Bis zur Antwort an die
Taxi-Sektion Zürich wolle man sich
dazu nicht weiter öffentlich äussern.
Gemäss dem Brief planen die Taxifahrer eine Schadenersatzklage gegen
die Stadt über fast 62 Millionen Franken. Diese Summe errechnen sie aus
den Umsatzeinbussen der letzten vier
Jahre, welche die 1600 Fahrer der Stadt
wegen der «illegalen Taxis» hätten hinnehmen müssen. Wie ein Redner bei der
Kundgebung sagte, werde man den
Flughafen bestreiken, wenn der Stadtrat
nichts unternehme. Vergangene Woche
habe man zudem den ersten nationalen
Taxikongress abgehalten und eine
Schweizerische Taxi-Union gegründet.
Den Kampf gegen Uber werde man in
der ganzen Schweiz führen und notfalls
Flughäfen und Bahnhöfe in verschiedenen Städten bestreiken.