Elke Pointinger I Wien I Januar 2016

„Eine Abrechnung“ verspricht der Schriftsteller Matthias Kessler in seinem kürzlich erschienenen Werk Autorin: Elke Pointinger, Wien. 2016. Wieder macht es sich Kessler nicht hinterm Schreibtisch vor Schreibmaschine oder PC gemütlich, recherchiert und schreibt voll der Inspiration und Lust ein neues Buch. Nein, Kessler wagt sich erneut an ein düsteres Kapitel unserer eigenen Geschichte: Hitlers „Mein Kampf“. Die Wahrheit über Adolf Hitlers ‚Mein Kampf‘ ‐ Untertitel des Werkes Eine Abrechnung – will uns der Autor offenbaren. So viel sei vorweg genommen, Kessler lügt nicht. Und weil er bei seiner Arbeit so tief in die Wahrheit eintauchen wird, legt er sich gleich zu Beginn Shakespeares Macbeth in einer Bearbeitung von Friedrich Schiller zur Seite (nicht etwa weil Macbeth’s Machtgier und seine Rohheit, das Fehlen von Verstand und Menschlichkeit an Hitler erinnern) damit „Schillers Kraft und Shakespeares Eleganz“ ihn ob Hitlers Dämonie vor dem Verlust des Verstandes bewahren würden. Lange Zeit wurde uns „nach ´45 Geborenen“ dringlich angeraten, doch nicht mitzureden über ein so einschneidendes zeitgeschichtlich relevantes Ereignis, welches selbst nicht durchlebt wurde. Jedoch vergiften die unbewältigten Existenztraumen der direkt von den Hitler‐Gräueln betroffenen mittlerweile schon die dritte Generation. Traumaexperte Prof. Dr. Franz Ruppert aus München beschreibt diesen simplen Mechanismus so: „Ein Kind nehme alles, auch eine mögliche Traumatisierung seiner Eltern in seine eigene Seele auf.“ Deshalb hat Matthias Kessler genau das richtige gemacht und anfängliche Zweifel „Darf man ein Buch über Hitler schreiben?“ zum Glück aus seinem gedanklichen Weg geräumt. Denn es ist von immenser Wichtigkeit auch noch in der nächsten und übernächsten Generation mitzureden, denn wie Kessler in seinem Buch auch erschütternd klar macht, die von Hitler in „Mein Kampf“ beschriebene Gewalt‐ und Kriegsphantasien, die verbreiteten Hassparolen, der geschürte Rassismus … all das ist wieder sehr nah und real. Kessler zieht u.a. kriminalpsychologische Unterstützung bei der Deutung und für das Begreifen der zweibändigen Schrift Hitlers zu Rate, die nun nach 70 Jahren mit 1. Januar 2016 freie Worte sein werden. So kommt Dr. Ursula Gasch (Rechtswissenschaftlerin, Kriminologin und Psychologin) zu ihrer Sicht, dass Zuspruch und Zulauf den Hitler erfuhr, auch der sozialen und wirtschaftlichen Instabilität nach dem Ersten Weltkrieg geschuldet war. „Die breite Masse des Volkes“, führt Gasch aus, sei von „Not, Armut, Arbeitslosigkeit und Ausweglosigkeit…“ betroffen gewesen. Das Psychogramm aus der Sicht der Wissenschaftlerin: „… narzisstische Wesenszüge… verfügt über keinerlei echte Empathie… dazu ein Talent: Er war ein brillanter Redner…“. Dr. Gasch entmystifiziert mit ihrer nüchternen Analyse eines Kriminellen zwar vielleicht den verherrlichten Menschen Hitler, sie skizziert mit ihren Worten aber auch wie gefährlich diese Mixtur aus Zu‐ und Umständen ist. Auch an dieser Stelle des Buches gelingt es Kessler dem Leser zu verdeutlichen, dass wir uns aktuell wieder auf ähnlich präpariertem Nährboden bewegen. Einen historischen Berater findet Matthias Kessler im Salzburger Dr. Othmar Plöckinger, seines Zeichens Spezialist für die Entstehungsgeschichte von „Mein Kampf“. Er wie auch die Kriminologin Gasch sehen es als ihre Pflicht, zur Entzauberung der Person Hitlers als auch seiner grausen und kranken Gedanken beizutragen. Plöckinger weiß, dass Hitler den 1925 erschienenen 1. Band „Mein Kampf – Eine Abrechnung“ sowie den 2. Band mit dem Untertitel „Die nationalsozialistische Bewegung“, erschienen 1926, selbst verfasst und geschrieben hat. Umgeben war Hitler jedoch stets von einem ganzen Stab von Vasallen. Einer davon, Dietrich Eckart, fungierte als eine Art PR‐Berater und war Wortschöpfer zahlreicher NS‐Schlüsselbegriffe. Als einbändige Volksausgabe erschien „Mein Kampf“ dann erst 1930 und wurde, wie der Autor Kessler vom Historiker erfahren muss, ein gelesener Bestseller. Die breite Öffentlichkeit hatte spätestens ab diesem Zeitpunkt die Möglichkeit sich über Hitlers Weltbild zu informieren … tat es auch intensiv, wie Plöckinger bestätigt, und lief ihm dennoch zu… Wie Matthias Kessler sich all diesen entsetzlichen Wahrheiten stellt, beschreibt er bemerkenswert offen und für ihn typisch ehrlich. Ebenso eindrucksvoll vermittelt er auf den knapp 320 Seiten seine Gefühle während der Arbeit mit diesem Manifest, mit diesem Feind, wie er das Buch nennt, den er sich in sein Haus geholt hat. Sein Ringen mit ihm, sein Hadern, seine Angst, sein sich Wehren und sein Überwinden zum Weiterlesen, Weitermachen und Weiterschreiben. Dank dem Autor, der sagt, was er zu sagen hatte und der ja tatsächlich etwas zu sagen hat. Nachlesenswert in Matthias Kesslers „Eine Abrechnung – Die Wahrheit über Adolf Hitlers ‚Mein Kampf‘, erschienen im Europaverlag Berlin.