Schülerarbeit_2

18.Nov.2015
Erörterung
Folgen der Anschläge von Paris am 13.Nov. 2015
„We don't forget, we don't forgive. Expect us.“ - Hackernetzwerk Anonymous
Nach den von der Terrororganisation IS in Auftrag gegebenen Anschlägen in Paris am vergangenen
Freitag dem 13. November 2015, hält Europa den Atem an. Doch die Zeit bleibt nicht stehen. Im
Gegenteil. Die Ereignisse überschlagen sich. Die Reaktionen könnten vielfältiger nicht sein. Doch
in einem sind sich die meisten einig: Die Anschläge waren ein perfider Massenmord, ein Angriff
nicht bloß auf Frankreich, sondern auf die ganze europäische Gesellschaft. Doch was hat es mit den
Anschlägen auf sich? Was erhoffen sich die Terroristen und wie reagieren Gesellschaft und Politik?
Wo Angst herrscht, tritt Solidarität in Erscheinung. Doch genügt Solidarität allein die Gesellschaft
in dieser Krisensituation zusammen zu halten oder spaltet permanente Angst die Menschen?
An dieser Stelle ist es sicher sinnvoll anzuführen, welche Ziele die Terroristen wahrscheinlich
verfolgen. Dem IS geht es ihrer Ideologie zufolge darum einen Gottesstaat zu errichten. Ihre
Auslegung des Koran sieht dabei die Tötung aller „Ungläubigen“, also aller Andersgläubigen und
Heiden oder deren Konvertierung vor. Durch die Terrorakte erhoffen sie sich mediale
Aufmerksamkeit, die Furcht in der Gesellschaft schürt und damit zu einen Anstieg ihrer Popularität
und einem Zulauf neuer Mitglieder führt. Sie vermitteln die Botschaft: ´Wer nicht konvertiert, lebt
in ständiger Gefahr getötet zu werden.´ gerade durch den Angriff öffentlicher Plätze, jener Plätze,
an denen die Menschen sich sicher fühlen.
Dass die Welle der Empörung, Erschütterung und Angst in der Gesellschaft gerade bei den aktuellen
Ereignissen so groß ist, liegt daran, dass erfolglos nach Motiven gesucht wird, die die 132 getöteten
und über 350 Verletzten zu nicht willkürlich auserwählten machen. Doch genau so ist es. Ziel waren
Menschen im Café, auf der Straße, im Konzert. Es wird versucht Trost zu spenden. Große
Solidarität kommt von überall auf der Welt. Wichtige Gebäude in vielen verschiedenen Staaten
wurden in den Farben der französischen Nationalflagge angeleuchtet, Politiker bekunden Empörung
und Mitleid, aber auch Privatpersonen solidarisieren sich durch Kommentare in der Zeitung oder
der Teilnahme an einer europaweiten Schweigeminute.
Im Gegensatz zu den Terroropfern der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ im Januar diesen Jahres,
standen die Opfer diesmal in keinem direkten Zusammenhang mit dem IS. Sie wurden mitten aus
dem Leben gerissen.
Der Gedanke daran, dass es ebenso gut jeder andere hätte sein können, treibt eine regelrechte
Existenzangst in die Köpfe der Menschen. Sie fühlen sich in der Öffentlichkeit nicht mehr sicher.
Aufgrund weiterer Bombendrohungen seitens der IS, verständlich. Gleichzeitig wird die Frage
diskutiert, ob ein Rückzug aus der Öffentlichkeit feige ist und einen Sieg der IS bedeutet. Ist es
überhaupt möglich sich aus dem öffentlichen Leben zurückzuziehen? Der DFB hat sich dagegen
entschieden und beschlossen das für den 17.Nov. geplante Freundschaftsspiel zwischen
Deutschland und Holland dennoch stattfinden zu lassen, obgleich am Freitag auch im Stadion
„Stade de France“, in dem ein Freundschaftsspiel zwischen Deutschland und Frankreich stattfand,
eine Bombe hochgehen sollte.
Das Spiel wurde letztlich abgesagt; dieser Versuch die Angst nicht die Öffentlichkeit dominieren zu
lassen, scheiterte, wie Innenminister De Maiziére versicherte, aus „guten Gründen“, über die jedoch
zunächst nichts näheres preisgegeben wurde. Sie müssen jedoch besser gewesen sein, als mit
Maschinenpistolen bewaffnete, überall in Stadt und Region Hannover verteilte Polizisten. Nicht
gerade beruhigend für die Bevölkerung. Erst zwei Tage später wurde publik gemacht, dass mehrere
Bomben nacheinander im Stadion und auch am Bahnhof explodieren sollten und das ganze für ein
Propagandavideo der IS gefilmt werden sollte.
Das Misstrauen der deutschen Bevölkerung gegenüber seiner Regierung wächst. Nachdem ihr
schon in der Flüchtlingskrise viel Kritik entgegengekommen ist, wird ersichtlich, dass das fehlende
Gefühl von Sicherheit und Verschwiegenheit der Politiker das Vertrauen nicht gerade stärken.
Doch was soll dagegen getan werden? Die Politik fürchtet, dass durch das Publizieren aller
Informationen das Vorgehen der Sicherheitskräfte unseres Landes vorhersehbar für die Terroristen
wird. Ein sehr beidseitiges Schwert. Auf der einen Seite würde Aufklärung der Bevölkerung das
Gefühl von Unterstützung seitens der Regierung geben, auf der anderen Seite wird die Regierung
berechenbar.
Wo die Bevölkerung sich ausgeschlossen und unsicher fühlt, gerät stattdessen eine nicht-staatliche
Organisation in den Vordergrund. Das Hacker-Netzwerk Anonymous. Anonymous besteht
hauptsächlich aus Hobby Hackern; sie könnten laut Expertenmeinungen zufolge aber dennoch in
der Lage sein, sich in das Netzwerk des IS zu hacken. Wer hinter diesem Netzwerk steht ist
unbekannt, da einige ihrer Angriffe illegal sind.
Nachdem sie bereits im Januar nach „Charlie Hebdo“ online gegen den IS vorgegangen sind, indem
sie beispielsweise Twitter-Accounts von Islamisten ausfindig gemacht und diese gelöscht haben, um
eine Verbreitung der Propaganda zu verhindern, haben sie nun offiziell in einem Youtube Video dem
IS den Krieg erklärt. Laut eigenen Aussagen wollen sie den größten Hacker-Angriff starten, der je
von ihrer Organisation ausging. Sie verurteilen die terroristischen Akte mit den Worten: „We don't
forget, we don't forgive. Expect us.“
Doch auch hier gibt es einen Haken. Denn die Gruppe hat Anleitungen ins Netz gestellt, durch die
es dem einfachen Laien möglich ist, Webseiten mit Terror-Inhalt aufzuspüren, um diese dann zu
melden oder die Accounts von Islamisten zu Hacken. Allerdings ist solches Wissen massenhaft
verbreitet in den falschen Händen gefährlich.
Nach eigenen Angaben haben sie seit dieser „Kriegserklärung“ bereits 5500 Twitter-Konten von
Anhängern der Dschihadistenmiliz lahmgelegt (Stand: 18.Nov.2015). Wie erfolgreich Anonymous
jedoch wirklich ist in seinem virtuellen Krieg wird sich erst noch zeigen. Es ist zu bedenken, dass
auch die Geheimdienste der Länder IT-Spezialisten unter sich haben, dass diese jedoch die
Ausbreitung des IS nicht verhindern konnten. Zeugt das nicht eher von einer geringen Abhängigkeit
der Dschihadisten von ihren IT-Strukturen?
Wie viel Vertrauen sollten also die Menschen an dieser Stelle investieren? Und was geschieht, wenn
das Verhältnis zur eigenen Regierung sich weiter permanent verschlechtert? Die Regierung sollte
eine Richtung angeben, hält sich jedoch weitestgehend zurück mit Aussagen, die das weitere
Vorgehen bestimmen1. Eine Änderung der Politik ist nicht absehbar. Die Bevölkerung ist
ungeduldig, denn der Status Quo scheint nicht aufrecht erhalten werden zu können. Doch was soll
auch getan werden? „Alles wurde ausprobiert, nichts hat wirklich funktioniert“2 (M2, Z. 37-38).
Die einzige Möglichkeit lautet Ursachenbekämpfung. Die Anschläge vergangenen Freitag führten
zu einer Aufstockung der Truppen in Afghanistan. Seit Ende des ISAF Einsatzes im Dezember 2014
verschlechterte sich die Sicherheitslage dort massiv. Die Bundesregierung beschloss als ertsen
Schritt der Ursachenbekämpfung deshalb am Mittwoch, den 18.Nov. 2015 die Truppenstärke von
850 auf 980 aufzustocken. Die zusätzlichen Soldaten sind jedoch weiterhin nur zu
1 Spiegel.de: Paris und die Folgen. Merkel will nicht Kriegskanzlerin sein,
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/paris-anschlaege-merkel-will-nicht-kriegskanzlerin-sein-a-1063078.html
2 Bernd Ulrich: Willkommenskultur ist der größte Fein des islamistischen Terrrors,
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-11/terrorismus-paris-anschlaege-europa, 14.Nov.2015
Ausbildungszwecken beordert; über einen militärischen Einsatz mit Waffengewalt hält die
Kanzlerin sich noch zurück.
Es gilt abzuwägen, welche Art der Ursachenbekämpfung am wirksamsten ist: Waffengewalt gegen
Terrororganisationen oder der Aufbau der Infrastruktur schwacher Staaten, um die Befriedigung der
Bevölkerung hinsichtlich existenzieller Bedürfnisse zu sichern. Denn dies würde vermutlich das
Überlaufen zu terroristischen Vereinigungen hemmen.
Zum ersten Mal steht „die Frage im Zentrum, was können wir tun, damit es den Menschen dort
unten besser geht?“3. Das Interesse kommt spät; immer wurde davon ausgegangen, dass der
Terrorismus territorial begrenzt ist, weit entfernt und kein Anliegen Europas.
Mit der Zuspitzung der Flüchtlingskrise drängte sich erstmals in das Bewusstsein der Europäer, dass
jeder auf die eine oder andere Weise affektiert ist.
Die Gefahr einer Vermischung zwischen Flüchtlingskrise und den Terroranschlägen groß. Natürlich
besteht eine Verbindung; allerdings wird diese an den falschen Stellen gezogen. Vielen fehlt der
differenzierte Blick auf die Vorgänge. Sie sehen die Flüchtlinge und verbinden sie mit den
Terroranschlägen. Dass diese Menschen jedoch vor dem Terror fliehen, ist den meisten dabei nur
kaum oder gar nicht im Bewusstsein. Ebenso wenig sind die meisten darüber informiert, dass unter
den Attentätern von Paris auch mindestens ein französischer Staatsbürger war. Womöglich wollen
die Leute das gar nicht begreifen, da es sie nur weiter in ihrer Angst bestärkt.
Und diese Angst kann die Gesellschaft spalten. „Der größte Feind des islamistischen Terrors ist die
Willkommenskultur.“4 Doch wird es keine Willkommenskultur mehr geben, wenn sich ein zu
negatives Bild der Flüchtlinge in den Köpfen der Gesellschaft festigt und wenn die Flüchtlinge auch
in den Ländern der EU gewaltvolle Übergriffe durch deren Staatsbürger fürchten müssen. Wenn die
EU die Grenzen dicht macht. Dann sind die Terroristen durch Ursachenbekämpfung ihrerseits ihrem
Ziel einen bedeutenden Schritt näher gekommen.
Wie lässt sich ein so komplexes Gebilde aus möglichen Folgen zusammenfassen?
Festzuhalten ist, dass die Anschläge vom 13. November 2015 ein perfider Massenmord waren. Die
Ereignisse betreffen nicht nur Politik, sondern auch mehr denn je die europäische Gesellschaft. Ziel
der Attentäter war die Verbreitung von Schrecken, das Festsetzen einer regelrechten Existenzangst
in den Köpfen der Menschen und eine Ausbreitung ihres Machtgebietes. Dies spaltet die Menschen.
Die Meinungen über das weitere Vorgehen gehen auseinander. Die Bundesregierung reagiert
zurückhaltend. Zu zurückhaltend für viele. Das Misstrauen wächst. Die Regierung muss nun für
eine wirksame Ursachenbekämpfung eintreten, um eine Ausbreitung des IS und eine Spaltung der
Gesellschaft in Europa zu verhindern. Denn der 13. November 2015 wird nicht vergessen werden.
3 a.a.O. Bernd Ulrich: Willkommenskultur ist der größte Feind des islamistischen Terrors
4 a.a.O. Bernd Ulrich: Willkommenskultur ist der größte Feind des islamistischen Terrors