Skulptur des Monats Juli 2015 sh 353 Weihrelief aus Eleusis Original Datierung: Material: Fundort: Standort: Höhe: um 300 v. Chr. Marmor Eleusis (Attika) Athen, Archäologisches Nationalmuseum, Inv.-Nr. 1445 27 cm; Breite: 35 cm Abguss Herkunft: Inv.-Nr.: Material: ? SH 353 Gips Die Szene auf dem kleinen Relief spielt in einer durch eine vorstehende Felsrahmung wiedergegebene Höhle. Auf der Rahmung sind vier Ziegenköpfe und ein liegendes Schaf im Profil wiedergegeben, die die ländliche Gegend, in der sich die Höhle befindet, versinnbildlichen. In der linken unteren Ecke blickt ein bärtiger Kopf mit struppigem Haar im Profil nach rechts auf die Szene in der Höhle. Es ist der Flussgott Acheloos, Vater der Quellen und der an ihnen lebenden Nymphen. Im Höhleninneren steht ganz links der Hirtengott Pan mit Ziegenbeinen und einem Mäntelchen aus Tierfell. Er spielt auf seiner Flöte (Syrinx). Der Mantel flattert in den Hintergrund und deutet dadurch perspektivisch den Innenraum der Höhle an. Vor Pan ist ein blockartiger Altar zu erkennen, dem sich von rechts ein Frauenreigen nähert. Alle von rechts nach links tanzenden Frauen sind vollständig in einen Mantel (Himation) gehüllt, unter dessen Saum ein faltenreiches Untergewand zum Vorschein kommt. Die beiden hinteren halten mit der linken Hand den über die linke Schulter zurückgeschlagenen Mantelzipfel der vorangehenden Frau. Die Hinterste blickt zurück. Sie hat ihren Mantel zusätzlich über den Kopf gezogen. Die Vordere verhüllt mit ihrem Mantel den unteren Teil ihres Gesichtes und auch die Nachfolgenden heben ihre rechte, im Mantel verborgene Hand an ihr Dekolleté. Sie zeigen sich in der gängigen Tracht der sog. Manteltänzerinnen (Abb. 2) und verkörpern durch die Anmut ihrer Bewegung und die faltenreichen und kostspieligen Gewänder Jugend, Reichtum und Lebensfreude. Bei den Tanzenden handelt es sich um drei Nymphen, die zu Pans Flötenmusik einen kultischen Reigentanz aufführen, der durch die Bildchiffren ‚Reihung‘ und ‚Anfassen‘ verdeutlicht ist. … Denn Pan selber erhebt auf melodischer Syrinx ein Liedchen, über der Rohre Gefüg gleitet geschmeidig sein Mund; und im Reigen um ihn, mit jungem, blühenden Fusse tanzen die Nymphen vom Quell, tanzen die Nymphen vom Wald Anthologia Palatina IX 823 Abb. 2: Die Tänzerin verhüllt mit ihrem Mantel Körper, Kopf und den unteren Bereich ihres Gesichtes. Solche sog. Manteltänzerinnen traten in verschiedenen Kontexten auf (Kult, Hochzeit, Symposion, dionysische Szenen). Terrakottastatuette, 2. Viertel des 4. Jahrhunderts v. Chr.; Berlin, Staatliche Museen, Antikensammlung, Inv. 30219. Die Nymphen gehören zu den lieblichsten Wesen in der griechischen Mythologie, es sind göttliche oder zumindest Wesen mit sehr langer Lebensdauer, meist Töchter des Zeus, die im ganzen Bereich der Natur wirken. Es gibt Baum-, Wald-, Fluss-, Berg-, Quell-, und Meeresnymphen. In der Kunst werden sie oft als Dreiergespann dargestellt. Unser kleines Relief ist eine Weihgabe an Pan und die Nymphen, die man in der Antike oft als Kultgemeinschaft verehrte. Der Hirtengott Pan, Sohn des Hermes und einer Nymphe, ist unter dem Aspekt des Naturgottes mit den Nymphen verwandt. Auch stellte das ungezügelte Mischwesen, halb Mensch, halb Ziegenbock, den Nymphen oft nach. Dem Mythos zufolge entzog sich die schöne aber keusche Nymphe Syrinx seinen erotischen Begierden, indem sie sich in ein Schilfrohr verwandelte. Daraus machte sich Pan schliesslich seine berühmte Flöte (Ovid, Metamorphosen I 689–712). Aber auch Hermes, Pans Vater, steht in Verbindung zu den Nymphen und führt auf Weihreliefs oft deren Reigen an (Abb. 3). Die Kultstätten der Nymphen waren Quellen, Wasserläufe, Laufbrunnen und Brunnenhäuser (sog. Nymphäen). Als erdverbundene Naturwesen wohnen Nymphen jedoch mit Vorliebe in schattigen Höhlen oder Grotten (Abb. 4), vorzugsweise in solchen, aus derer Innern eine Quelle entspringt. Dort weihte man den Naturgottheiten als Spenderinnen von Wasser, Nahrung und Fruchtbarkeit kleine Reliefs, Gefässe und Statuetten. Das fast mittig in unserem Relief SH 353 angebrachte kreisrunde Loch diente wohl als Durchbruch für eine Wasserleitung. Dies legt nahe, dass der Kultplatz des Pan und der Nymphen in Eleusis eine Brunnenanlage aufwies. Das Relief soll zusammen mit weiteren Votivgaben in einer Höhle gefunden worden sein, die wohl als Depot dieses eigentlichen Kultplatzes in freier Natur diente. Abb. 3: Hermes führt den Reigen der Nymphen in die Grotte des Pan. Im Inneren der Höhle spielt Pan auf seiner Flöte. Am linken Höhlenrand hängt eine Maske des Acheloos. Weihrelief aus Athen, um 330 v. Chr.; Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig (Leihgabe). Abb. 4: Blick in die sog. Pan-Grotte bei Vari (Attika). Rechts: Die Inschrift im Eingangsbereich: Archedemos, der Theraier, der von den Nymphen Hingerissene, hat auf Geheiss der Nymphen die Grotte ausgearbeitet. Anna Laschinger Auswahl an Literatur: • • • • • • R. Feubel, Die attischen Nymphenreliefs und ihre Vorbilder (1935) XVIII A2. 53–59 W. Fuchs, Die Vorbilder des Neuattischen Reliefs (1959) A2 F. Muthmann, Mutter und Quelle. Studien zur Quellverehrung im Altertum und im Mittelalter (1975) 87–112 C. M. Edwards, Greek votive reliefs to Pan and the Nymphs (1985) 38 G. Güntner, Göttervereine und Götterversammlungen auf attischen Weihreliefs (1994) 10–25. 121 A 23 Taf. 5,1 J. Larson, Greek Nymphs. Myth, Cult, Lore (2001) 248f. Abb. 5.12
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