Millionen Anlegergelder im Feuer Der Brennstoff-Hersteller German Pellets aus Wismar hat über MittelstandsAnleihen viele Millionen Euro bei Anlegern eingesammelt. Nun ist das Unternehmen insolvent - tausende Anleger bangen um ihr Geld. Die Anzeichen hatten sich zuletzt verdichtet, jetzt ist es offiziell: Der Wismarer BrennstoffHersteller German Pellets hat am Mittwoch einen Insolvenzantrag gestellt. Das Insolvenzgericht prüfe den Antrag jetzt, teilte das Amtsgericht Schwerin mit. Über den Inhalt des Antrags wurden keine Angaben gemacht. Insgesamt sind mit der Insolvenz des Unternehmen Gelder von Anleihegläubigern in Höhe von deutlich mehr als 200 Millionen Euro in Gefahr. German Pellets hatte bereits seine für Mittwoch anberaumte Gläubigerversammlung in Wismar kurzfristig abgesagt. Auf der Versammlung sollte es um eine Anleihe mit einem Volumen von 52,4 Millionen Euro gehen, die zum 1. April hätte zurückgezahlt werden müssen. German Pellets hatte die Gläubiger um eine Laufzeitverlängerung von zwei Jahren bis zum 31. März 2018 gebeten. Außerdem sollte der Zinssatz von 7,25 auf 5,25 Prozent reduziert werden. Im Gegenzug sollten die Anleiheinhaber 50 Prozent der Gesellschaftsanteile an der German Pellets GmbH als Sicherheit erhalten. Anlegervertreter wie die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger warnten vor den Vorschlägen. Reguläre Insolvenz oder Eigenverwaltung? German Pellets wird angesichts der Pleite nun seine Gläubiger zusammentrommeln müssen. Eine wichtige Frage lautet zunächst: Geht das Unternehmen in ein reguläres Insolvenzverfahren oder stimmt das Gericht einer Insolvenz in Eigenverwaltung zu, die dem Vernehmen nach beantragt wurde. In letzterem Fall bliebe zum Teil das bisherige Management am Ruder, das für die Probleme die Mitverantwortung trägt - eine Lösung also, die für die Gläubiger möglicherweise nicht optimal ist. "Eine Eigeninsolvenz läuft bei German Pellets nur auf eine weitere Täuschung der Anleger hinaus", sagt Rechtsanwalt Marc Gericke von der Kanzlei Göddecke Rechtsanwälte, die auch Anleihegläubiger des notleidenden Unternehmens berät. Nach seiner Überzeugung ist das reguläre Insolvenzverfahren bei German Pellets nun "der beste Weg und auch der einzig noch verbliebene Schutz der Anleger gegen einen weiteren Budenzauber". Das Inkasso-Unternehmen Creditreform Mecklenburg-Vorpommern in Rostock berichtete, German Pellets habe seit Jahresende 2015 relativ plötzlich Rechnungen nicht mehr beglichen, etwa von Holzlieferanten. Ein Grund dafür sei nicht bekannt. 2. Teil: Auch Gewerkschaft lehnt Insolvenz in Eigenverwaltung ab German Pellets ist über zwei weitere, ebenfalls mit 7,25 Prozent verzinste Anleihen mit weiteren 172 Millionen Euro bei Anlegern in der Schuld. Die Laufzeit dieser Anleihen endet aber erst 2018 beziehungsweise 2019. Die Anleihen von German Pellets verloren nach der Absage der Gläubigerversammlung weiter dramatisch und notierten am Mittwoch zwischen 0,2 und knapp 2 Prozent des Nennwerts. Die Firma beschäftigt weltweit rund 600 Mitarbeiter, davon 150 in Wismar. Nach Angaben der IG Metall, die auch Arbeitnehmer in der Holzverarbeitung vertritt, existiert bei German Pellets kein Betriebsrat. Es könne damit weder ein Sozialplan noch einen Interessensausgleich geben, sagte Gewerkschaftssekretär Maik Schwaß. Auch der Gewerkschafter hofft, dass das Amtsgericht Schwerin kein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung zulässt. Das würde bedeuten, dass die Geschäftsführung selbst befugt sei, unter Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten. "Wir haben schlechte Erfahrungen damit, wenn nicht die Köpfe ausgetauscht werden", sagte er. Mit der Insolvenz von German Pellets dürfte sich indes auch die Nervosität unter Anlegern erhöhen, die ihr Erspartes in den vergangenen Jahren in andere mittelständische Unternehmen gesteckt haben. Das Angebot der sogenannten Mittelstandsanleihen klang meist verlockend: 7 bis 8 Prozent Rendite in Zeiten, in denen die Zinsen auf der ganzen Welt in den Keller gingen. Der "Mittelstand" im Namen schien Programm, Sicherheit und Zuverlässigkeit waren das Signal. Hintergrund: Mittelstandsanleihen sind im Grunde Darlehen, die Anleger an Firmen geben. Im Gegenzug bekommen sie Zinsen. Teilweise werden die Papiere an der Börse gehandelt. 2010 rief die Börse Stuttgart das Segment BondM für solche Schuldscheine ins Leben. "Das Segment wurde geschaffen, um den Unternehmen eine Plattform an der Börse und einen neuen Zugang zum Kapitalmarkt zu geben, die sie an der Börse nicht hätten", erklärt Martin Steinbach von der Unternehmensberatung Ernst & Young. "Die Mischung aus guten Renditen und verfügbaren Ratings hat im Niedrigzinsumfeld zu einem Boom geführt." 3. Teil: "Der hohe Zins ist ein Risikopreis" Doch der flaut merklich ab: Schlagzeilen über Insolvenzen wie im Falle der Windenergiefirma Prokon haben Anleger skeptisch gemacht. Die Börse Düsseldorf hat das Segment inzwischen wieder eingestellt. In Stuttgart sind noch elf Anleihen gelistet - zwei von German Pellets. Der Begriff Mittelstandsanleihe habe viele Anleger in die Irre geführt, sagt Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). "Der Zins ist ein Risikopreis." Solide mittelständische Unternehmen seien in der Regel überkapitalisiert und bekämen ausreichend Kredit von der Bank. Mittelstandsanleihen nutzten Unternehmen, die dringend Geld brauchten. Die German-Pellets-Anleihen werden in Stuttgart als "spekulativ" eingeordnet. Rechtsanwalt Klaus Nieding, dessen Kanzlei auch Anleihezeichner von German Pellets vertritt, fordert deshalb nicht nur das Verbot sogenannter Kaskadenfinanzierung, mit deren Hilfe fällige Anleihen einfach durch neue Schuldscheine abgelöst werden. Auch die Plakate, die häufig mit grünem Gewissen und erneuerbaren Energien lockten und im Falle von Prokon in S- und U-Bahnen hing, müssten verboten werden. Anleihezeichner "stehen am Ende der Nahrungskette" Im vergangenen Jahr wurden laut Ralf Garrn, Geschäftsführer von Euler Hermes Rating, etwa 21 Anleihen neu aufgelegt, nur eine fiel wegen einer Insolvenz aus. Trotzdem: "Über die vergangenen fünf Jahre haben sich die Ratingnoten der Emittenten von Mittelstandsanleihen trotz einer guten wirtschaftlichen Lage kontinuierlich verschlechtert", so Garrn. Das Risiko der Anleihe sei häufig noch höher zu bewerten. Denn die meisten Anleihen seien nicht ausreichend besichert. Der schlimmste Fall für die Anleihezeichner ist die Insolvenz wie im Falle der Windenergiefirma Prokon oder der baden-württembergischen Firma Windreich. Der Projektentwickler für Windkraftanlagen war seiner Schuldenlast nicht Herr geworden und in die Insolvenz gegangen. "Nach dem Insolvenzrecht werden Anleihezeichner nachrangig behandelt wie Darlehensgeber", erklärt Rechtsanwalt Nieding. Erst wenn Löhne, Steuern und andere Schulden beglichen sind, bekommen sie Geld. "Sie stehen am Ende der Nahrungskette." Nieding rechnet in diesem und dem nächsten Jahr mit einer großen Welle von Zahlungsausfällen. Denn die mit dem Boom von Mittelstandsanleihen vor fünf Jahren aufgelegten Papiere sind jetzt fällig. "Jetzt kommen wir in die Zeit, in der die ersten Anleihen restrukturiert und refinanziert werden oder das operative Geschäft weiter finanziert werden muss", erklärt E&Y-Experte Steinbach. Euler-Hermes-Geschäftsführer Garrn ist optimistischer: "Die wirtschaftliche Lage ist aber gut, die meisten werden es schaffen. Quelle: http://www.manager-magazin.de/finanzen/artikel/german-pellets-ist-pleite-millionen-anlegergelder-imfeuer-a-1076704.html
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