Volkswirtschaft Kurzinformation. Griechenland-Schuldenkrise: Fragen und Antworten Aus dem Makro Research der Deka-Gruppe. 22. Juni 2015 In Kurzform: Worin liegt das Problem bei Griechenland? Der griechische Staat kann seine Schulden nicht zurückzahlen. Damit gerät seine Mitgliedschaft in der europäischen Währungsunion in Gefahr. Denn die Europäische Zentralbank, die das Zahlungsverkehrssystem für den Euro unterhält, darf keine Banken mit Geld versorgen, die pleite sind. Und das wären die griechischen Banken bei Zahlungsunfähigkeit ihres Staates, denn sie halten viele griechische Staatsanleihen, die sie bei einer staatlichen Zahlungsunfähigkeit sofort abschreiben müssten. Aber Griechenland ist doch schon seit langem pleite …? Worin liegt jetzt der Unterschied? Bislang sind die Europäischen Partnerstaaten und der Internationale Währungsfonds eingesprungen. Sie sind bereit, die griechische Staatsschulden-Rückzahlung aufzuschieben. Das jedoch nur, wenn sich das Land zu Reformen bereit erklärt. Bislang hat Griechenland in den Augen der europäischen Partnerstaaten zu wenig Reformen angeboten. Das ist der Kern des Streits. Waren die Hilfsprogramme nicht von vorn herein zum Scheitern verurteilt? Die Gelder sind doch nur wieder bei den Banken angekommen. In der öffentlichen Debatte gibt es immer wieder Missverständnisse über die Bedeutung der bislang gewährten Hilfen der europäischen Partnerländer an Griechenland. Konkret wird moniert, dass die an das Land gegebenen öffentlichen Gelder nur an die Banken gegangen seien. Es ist richtig: Ein großer Teil der an Griechenland ausgereichten Mittel ist im Zuge von Rückzahlungen auslaufender Anleihen an Finanzinstitutionen als Halter dieser Anleihen geflossen. Der Enttäuschung, dass die Gelder nicht in Griechenland selbst ankommen, liegt jedoch ein falsches Verständnis des Charakters dieses Programms zugrunde. Die Hilfen für Griechenland waren von Anfang an kein Hilfsprogramm im Sinne von Transfers zur Hebung des Lebensstandards oder von Wirtschaftshilfen zur Bereitstellung öffentlicher Leistungen während schwieriger Zeiten. Vielmehr handelte es sich von Anfang an um ein reines Stabilisierungsprogramm für die griechischen Staatsfinanzen, nachdem der private Finanzsektor spätestens seit dem Jahr 2010 angesichts der Höhe der aufgelaufenen Schulden nicht mehr bereit war, diese zu tragbaren Zinskonditionen zu prolongieren. Das Unterstützungsprogramm für Griechenland bewirkt in der Hauptsache lediglich einen Austausch der privaten Gläubiger gegen öffentliche Gläubiger. Damit wurden dem europäischen Finanzsektor die Verluste eines offenen griechischen Staatsbankrotts erspart. Hinter „den Banken“ stehen jedoch private Haushalte als Kunden von Banken ebenso wie die Sparer bei Kapitalsammelstellen oder die Versicherten in der privaten Altersvorsorge – allerdings musste im März 2012 ein partieller Schuldenschnitt hingenommen werden. Auch der griechische Staat wurde vor diesen – selbst gegenüber der jetzigen Lage noch ernsthafteren – Folgen eines Staatsbankrotts bewahrt. Dahinter stand die Hoffnung, dass das Land im Laufe der kommenden Jahre und Jahrzehnte aus eigener Kraft in der Lage sein würde, seine Leistungsfähigkeit zu verbessern und seine Verbindlichkeiten wenigstens verzögert und schrittweise zu bedienen. Das Programm ist somit von der Grundkonstruktion her von Anfang an auf Eigenanstrengungen von griechischer Seite angelegt gewesen. Es ist immer wieder von letzten Terminen die Rede. Wann muss etwas passieren? Es stehen monatlich immer wieder Rückzahlungstermine an den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die europäischen Partnerstaaten an. Bis Anfang Juni hat Griechenland diese Rückzahlungen bedient. Seit Juni läuft eine vierwöchige AufschiebeErlaubnis des IWF. Das Land wird aber erst dann für zahlungsunfähig erklärt, wenn die Gläubigerstaaten und der IWF nicht mehr an eine Rückzahlung glauben. Das ist dann der Fall, wenn sie die Verhandlungen als gescheitert ansehen. Es ist also eine politische Entscheidung ohne konkretes Datum. Fest steht jedoch, dass in den kommenden Wochen etwas geschehen muss, weil bei allem Verhandeln die Geberländer wohl doch irgendwann die Geduld verlieren. Ist ein Austritt Griechenlands nicht die Lösung? Außerhalb des Euro können die Griechen ihre Probleme wieder mit ihrer eigenen Währung lösen. Und überhaupt hätten sie gar nicht in den Euro hineingehört! Im Nachhinein hätte man sich vielleicht viele Probleme ersparen können, wenn Griechenland nicht in die Währungsunion aufgenommen worden wäre. Das bedeutet leider nicht, dass die Probleme weg sind, wenn das Land jetzt den Euro verlässt (Grexit). Die Vorteile eines Grexit: Griechenland wertet ab, die Wirtschaft kann vielleicht in einem Jahr wieder mehr ins Ausland verkaufen (Tourismus), kommt nach ein paar Jahren wieder in Gang, natürlich auch unter Einbußen im Lebensstandard. Der allergrößte Vorteil ist wahrscheinlich der, dass niemand anderes mehr für die griechischen Probleme verantwortlich gemacht werden kann. Die Nachteile: Eine Abwertung allein löst nicht die wirtschaftlichen Probleme in Griechenland. Griechenland wird Impressum: Herausgeber: DekaBank Deutsche Girozentrale Makro Research Mainzer Landstr. 16 60325 Frankfurt www.dekabank.de/economics Chefvolkswirt: Dr. Ulrich Kater (069) 71 47 - 23 81 [email protected] Nachdruck und Vervielfältigung nur mit Genehmigung der DekaBank Deutsche Girozentrale. Alle Angaben wurden sorgfältig recherchiert und zusammengestellt. Eine Gewähr für ihre Richtigkeit kann aber nicht übernommen werden. Volkswirtschaft Kurzinformation. Griechenland-Schuldenkrise: Fragen und Antworten Aus dem Makro Research der Deka-Gruppe. 22. Juni 2015 noch vermutlich weniger Schulden zurückzahlen als bei einer Verhandlungslösung. Ohne ein humanitäres Hilfsprogramm in Milliardenhöhe stünde das Land vor großer Not. Die politische Stabilität wäre gefährdet, denn viele Griechen wollen im Euro bleiben und werden gegen die Regierung protestieren, eventuell ist gar die Demokratie in Gefahr. Ein Austritt wirft schließlich viele Fragezeichen über die politische Zukunft der EU auf: Was bleibt von der Idee der engen wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit? Es ist also – wie so oft – doch nicht so einfach mit den einfachen Lösungen. Was wird nun passieren? Bringt ein Sondergipfel die Lösung? Die Volkswirte, Analysten und Marktteilnehmer bei der DekaBank glauben nach wie vor an eine Verhandlungslösung: Es wird ein Reformprogramm unterzeichnet, das eine weitere Stundung der Kredite möglich macht. Es ist richtig, dass die Umsetzung solcher Reformen in den Sternen steht. Aber wenn sich diese griechische Regierung einmal zu einem Programm bekannt hat, wird man es kontrollieren und Abweichungen öffentlich machen, was wiederum Druck erzeugt. Selbst wenn die Erneuerung der Strukturen lange dauert, ist dies der einzige Weg der Einwirkung, solange es in der EU keine gemeinsame Finanzpolitik gibt. Da auch die griechische Regierung dem immer lauter artikulierten Willen des Volkes, im Euro zu bleiben, Tribut zollen muss, wird sie vermutlich weitere Zugeständnisse machen, die zu einem „Deal“ führen werden. Sie steht dabei unter dem Druck, weiterhin die Wählersympathien zu behalten, obwohl fast alle Wahlversprechen – Ende der Sparprogramme, keine Einschnitte, keine Privatisierungen – zurückgenommen werden mussten. Auch ein weiteres Hilfsprogramm wird Griechenland akzeptieren müssen, wenngleich es vielleicht nicht mehr „Hilfsprogramm“, sondern „Partnerschaftsprogramm“ heißen könnte und die Überwachung nicht in Athen, sondern in Brüssel stattfände. Damit sind die Probleme in Griechenland jedoch nicht vom Tisch. Griechenland wird weiterhin versuchen, in Verhandlungen mit den Gläubigern die Schuldenlast zu verringern. Wie weit die griechische Regierung dabei auch über die Auflagen hinaus an einer Verbesserung des eigenen Staatsaufbaus arbeitet, wird am Ende den langfristigen Erfolg dieser Regierung ausmachen. Und was ist wenn es keine Einigung gibt? Dann wird Griechenland den Euro verlassen müssen, weil die EZB – mit Zustimmung der Europäischen Regierungschefs – mit den griechischen Banken nicht mehr zusammenarbeiten wird. Dies wäre kein Vorgang von einem oder wenigen Tagen, sondern das ginge schrittweise über mehrere Monate. Es begänne mit Euro-Kapitalverkehrskontrollen, dann folgte die Ausgabe von Schuldscheinen und danach stünde die Auswechslung des Euro als Zahlungsmittel gegen eine neue Währung. Die Begleitmusik dieser Zeit und der unmittelbaren Periode danach würden Meldungen über wirtschaftliche Not, politisches Chaos und außenpolitische Unsicherheiten sein. Außerdem würden viele Europa-Verhandlungen mit Griechenland geführt werden. Bislang war ein Austritt aus dem Euro nicht vorgesehen. Solche Regeln müssen geschaffen werden, insbesondere sollte sichergestellt werden, dass das Land nicht auch noch die Europäische Union verlassen muss. Was bedeutet das Ganze für mein Geld? Die Aufregung um den griechischen Schuldenstreit ist mittlerweile umgekehrt proportional zur Bedeutung an den Finanzmärkten. Die Märkte können selbst mit der Grexit-Perspektive mittlerweile leben. Wirtschaftlich ist Griechenland zu klein, um die Konjunktur in Euroland zu bremsen (Anteil Griechenlands an der europäischen Wirtschaft beträgt zwei Prozent). Und die Schulden Griechenlands werden mittlerweile nicht mehr vom privaten Sektor, also von privaten Haushalten, Banken oder Versicherungen, gehalten, daher droht auch keine Finanzmarkt-Destabilisierung, wenn die Rückzahlungen bei einem Grexit ausfallen. Im unmittelbaren Umfeld der Verhandlungen kann es zu Schwankungen an den Finanzmärkten kommen: Aktienkurse können deutlich fallen, Anleihekurse von anderen südeuropäischen Ländern können fallen (oder steigen, wenn eine Einigung in Sicht kommt), der Euro kann sich weiter abschwächen. Aber nach den getroffenen Entscheidungen – Verhandlungslösung oder Grexit – dürften sich diese Reaktionen schnell zurückbilden. Kann man griechische Anlagen kaufen, um von einer Einigung im Schuldenstreit zu profitieren? Natürlich werden griechische Aktien- und Anleihekurse eine besondere Erleichterungsrallye starten, sollte eine Einigung zustande kommen. Allerdings können die Konsequenzen im Grexit-Fall auch erhebliche Einbußen bis hin zum Totalverlust lauten. Auf politische Börsen zu setzen, ist kein Anlegen, sondern Zocken, und das sollte einem Anleger, der an der langfristigen Wertsteigerung seiner Anlagen interessiert ist, nicht geraten werden. Impressum: Herausgeber: DekaBank Deutsche Girozentrale Makro Research Mainzer Landstr. 16 60325 Frankfurt www.dekabank.de/economics Chefvolkswirt: Dr. Ulrich Kater (069) 71 47 - 23 81 [email protected] Nachdruck und Vervielfältigung nur mit Genehmigung der DekaBank Deutsche Girozentrale. 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