Felsenpflanzungen Mit Bonsai eine Landschaft malen - Bonsai

Stilkunde Theorie
Text: red-wb/as/oy
Fotos: red-wb u.a.
Felsenpflanzungen
Mit Bonsai eine Landschaft malen
Die japanischen Felsenformen Ishizuke werden prinzipiell in zwei ganz unterschiedliche Stilarten aufgeteilt. In
der einen wachsen Bäume auf, in der anderen über einem Stein – oder anders formuliert - entweder umschließen die Wurzeln den Felsen oder die Bäume werden in Vertiefungen eines Felsens gepflanzt.
DEFINITION
• Bei der Felsen-Form Ishisuki werden kleine Bäume auf einen relativ großen Stein, der auf einem flachen Tablett ohne Erde steht,
gepflanzt.
• Bei der Felsen-Form Sekijoju wird ein im Vergleich zum verwendeten Stein deutlich größerer Baum verwendet. Dessen Wurzeln
schlingen sich um diesen Stein, um schließlich in Erde zu verschwinden.
Idealisierte Skizzen der Felsen-Form Sekijoju und Ishisuki
42 - 139
BCD_03_2013.indd 42
BERGE, FELS UND PEN-JING
Nach einem sehr alten chinesischen Glauben sind
die Berge Wohnsitz der Weisen und Götter. Diese
Auffassung erklärt, warum Berge in China als heilig
gelten und verehrt werden. Diese besondere Verehrung für Berge hat die chinesische Kunst, Literatur
und Religion über Jahrtausende begleitet und maßgeblich beeinflusst.
Felsen oder Felsstücken als Teil eines Berges wurde
demnach starke symbolische Bedeutung zugemessen. Nicht von ungefähr steht ‚san-siu’, die chinesische Bezeichnung für Landschaftsmalerei, für „Berg
und Wasser“. Bis heute geht es in der Darstellung
von Landschaften in der Schale ‚pen-jing’ und auch
in der chinesischen Gärtnerei um die symbolhafte
Darstellung von Gebirgen.
Bild rechts: Inspiration
Natur: Felsen- und Gebirgsimpression aus China
www.bonsai-club-deutschland.com
27.08.13 14:44
Foto: Bastian Busch
Stilkunde Theorie
STEINE IN DER BONSAI-GESTALTUNG
Im Laufe der Zeit gelangte die Verehrung für Berge und Felsen, begleitet von Kalligraphie,
Keramik und der Gartenkunst, über Korea nach Japan. Die Bedeutung von Steinen als
Stilmittel in der japanischen Bonsai-Gestaltung sollte deshalb zum besseren Verständnis
immer auch im Zusammenhang mit der Geschichte und Religion Chinas gesehen werden.
DIE ÄSTHETIK DER FELSPFLANZUNGEN
Ishisuki - „Baum auf dem Stein“
Impression eines Landschaftsbildes
Pflanzt man kleine Bäume, teilweise in Kombination mit noch kleineren Pflanzen, auf einen
relativ großen Stein, kann der Eindruck einer „Fels-Landschaft“ entstehen, die auch schon
bei Erstgestaltungen beeindruckende Ergebnisse, ebenso wie bei Wald-Gestaltungen, liefern kann.
Man benötigt hierzu einen witterungsbeständigen, interessanten Stein, auf dem die Pflanzen, ihrer Art entsprechend, angeordnet werden. Nadelbäume werden nach oben, Laubbäume in die Mitte und blühende Gehölze weiter unten platziert. Solche Gestaltungen
können harmonische aber auch dramatische Lebensbedingungen für die Pflanzen darstellen. Präsentiert wird der Stein bei dieser Stilform in einem flachen Tablett ohne Abzugslöcher und Erde, in Japan Suiban (für Wasserschale) genannt.
Bei diesen Gestaltungen kann ein Felsstück sowohl ein ganzes Gebirge, als auch einen
einzelnen Berg darstellen. Bei gelungenen Gestaltungen kann es ausreichen, einen einzelnen Baum zu verwenden, wenn er als solcher in geduckter Position am Berg erkannt wird.
Foto: Willi Benz
www.bonsai-club-deutschland.com
BCD_03_2013.indd 43
43 - 139
27.08.13 14:45
Stilkunde Theorie
Foto: red-hk
Foto: Bastian Busch
Bild links: Felsenform-Gestaltung, die den Eindruck eines ganzen Gebirges wiedergeben
Bild oben:
Felsenform-Gestaltung, die den Eindruck eines einzelnen
Berges wiedergeben
Sekijoju „Baum über dem Stein“
beeindruckt durch das Wurzelwerk
Diese Form der Felsengestaltung, die bezeichnender
Weise auch als „Wurzel über Stein“ und von manchen
Autoren auch als Sattel-Form bezeichnet wird, gehört zu
der Gruppe der Stilformen, die durch die Wurzeln in ihrer
Aussage dominiert werden. Dadurch sind sie der Stelzwurzel- oder Wurzelstammform (Neagarii) ähnlich, wo
ein großer Teil des Stammes durch freigelegte, „stelzende“ Wurzeln dargestellt wird.
verschwinden. Gestaltungen dieser Art werden in flachen
Bonsai-Schalen gehalten, so wie andere Bonsai auch.
Das heißt, der Baum steht in normaler Bonsai-Erde in einer mit Abzugslöchern versehen Bonsai-Schale.
Foto: red-hk
Hierbei kommt ein im Verhältnis zum verwendeten Stein
deutlich größere Pflanze, zur Verwendung. Ihre Wurzeln
schlingen sich um diesen Stein, um schließlich in Erde zu
Foto: red-as
Gelungene „Wurzel-über-Stein“-Gestaltungen
44 - 139
BCD_03_2013.indd 44
www.bonsai-club-deutschland.com
27.08.13 14:45
Stilkunde Theorie
Foto: Gudrun Benz
In China hat sich bereits sehr früh eine Sonderform der
Felspflanzung, das Landschafts- oder Felspenjing herausgebildet. Steine (=Felsen) sind dabei das wichtigste Element der Komposition. Pflanzen können dabei
vorkommen, sie spielen jedoch nicht die Hauptrolle.
Die freibleibenden Teile der Schale sind ein Sinnbild
des Wassers. Ein gelungenes Landschafts-Penjing
suggeriert den Anblick eines Sees im Gebirge, einer
Felsküste am Meer, eines Bachlaufs oder eines tief eingeschnittenen Flusstals in den Bergen.
Beim Wasser-Land-Penjing sind Bäume und Steine
wesentliche Elemente, meist stehen die Bäume etwas
im Vordergrund. Zusammen mit den „leeren“ Partien
des Tabletts (= Wasser) bilden Bäume und Steine eine
möglichst vollständige Landschaft im Kleinformat. WL-Penjing ist in China seit
dem 17. Jahrhundert bekannt; die heutige Form
stammt aus der 2. Hälfte
des 20. Jahrhunderts.
Wichtigste Person in der
Entwicklung ist Quinquang
Zhao; sein Werk „Penjing:
Worlds of Wonderment: A
Journey Exploring an Anci-
ent Chinese Art and Its History, Cultural, Background
and Aesthetics“ ist nach wie vor grundlegend.
Saikei wird häufig als japanische Variante des W-LPenjing bezeichnet. Diese Entwicklung des 20. Jahrhunderts soll Menschen den Zugang zur Welt der
kleinen Bäume ermöglichen, die nicht an die für wirklich gute Bonsai geeignete Ausgangspflanzen herankommen. Für Saikei wird Material eingesetzt, das zur
Bonsai-Entwicklung (noch) nicht taugt (häufig ungeformte Jungpflanzen). „Erfinder“ von Saikei ist Toshio
Kawamato. 1967 veröffentlichte er das Buch „Saikei:
Living Landscapes in Miniature“, das als die „Bibel“
der Saikei-Liebhaber gilt. Saikei-Schalen sind häufig
in einen glasierten Wasserteil und einen unglasierten
Pflanzenteil (mit normalen Abzugslöchern) unterteilt.
Foto: Bastian Busch
www.bonsai-club-deutschland.com
BCD_03_2013.indd 45
45 - 139
27.08.13 14:45