Die Verlockungen von Google & Co

TOP-THEMA DATENSCHUTZ: SCREENING VON BEWERBERN
Die Verlockungen von Google & Co
Der Bewerbungsprozess bringt einige datenschutzrechtliche Tücken mit sich. Wo
dürfen Informationen über Kandidaten eingeholt werden und wo nicht? Einige
Tipps, damit Sie beim Screening Ihrer Kandidaten nicht im Netz hängen bleiben.
 Bettina Hübscher, MLaw und MRisk
Soziale Netzwerke verändern das Kommunikationsverhalten und verschieben die
Grenzen von Privatsphäre und Öffentlichkeit.
Von dieser Entwicklung sind unter anderem
arbeits- und datenschutzrechtliche Bereiche
betroffen – und damit auch die Personalabteilung. Zwar bieten soziale Netzwerke HR-Verantwortlichen neue Möglichkeiten, wie etwa
bei der betriebsinternen Kommunikation oder
beim Bewerbungsprozess, doch im Hinblick
auf den Datenschutz gilt es verschiedenste
Risiken zu beachten. Einige kontrovers diskutierte Fragen werden im Folgenden beleuchtet
und mit Lösungsansätzen umrahmt.
Datenschutz ist oberstes Gebot
Die Pflicht des Arbeitgebers, die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu schützen, beinhaltet auch die Datenschutzpflicht. Sowohl
im Bewerbungsprozess als auch während
des Arbeitsverhältnisses werden in grossem
Umfang personenbezogene Daten erhoben
und in der Regel über längere Zeit bearbeitet.
Art. 328b OR legt explizit fest, dass der Arbeitgeber Daten über den Arbeitnehmer nur bearbeiten darf, wenn sie dessen Eignung für das
Arbeitsverhältnis betreffen oder zur Durchführung des Arbeitsvertrages erforderlich sind.
Was sind Personendaten?
Als Personendaten gemäss dem Datenschutzgesetz (DSG) gelten alle Daten, die
sich auf eine bestimmte Person beziehen
(Alter, Ausbildung sowie auch Werturteile
bezüglich der Arbeitsleistung). Zudem spezifiziert das DSG die religiösen, weltanschaulichen, politischen oder gewerkschaftlichen
Ansichten oder Tätigkeiten sowie die Gesundheit, die Intimsphäre oder die Rassenzugehörigkeit als besonders schützenswerte
Daten. Darunter fallen auch Zusammenstellungen von Daten, wie sie im Personaldossier oder in einem Arbeitszeugnis typisch
sind. Diese Sammlungen werden als Persönlichkeitsprofile qualifiziert. Anhand dieser
gesetzlichen Vorschriften müssen wir uns
also im Arbeitsprozess verhalten und darauf sensibilisiert sein, dass im HR-Prozess
hochsensible Daten bearbeitet werden. Und
Vorsicht: dieser Prozess beginnt bereits beim
Bewerbungsverfahren.
Umgang mit Bewerbungsunterlagen
Bewerbungsunterlagen sind mit höchster
Diskretion zu behandeln und dürfen nur von
den zuständigen Personen eingesehen werden. Prüfen Sie genau, auf welchem Weg Sie
die elektronischen Bewerbungsunterlagen
einfordern. Die häufig angegebene info@Adresse bringt das Risiko mit sich, dass
mehrere Personen auf die Unterlagen Zugriff
haben. Schränken Sie deshalb den Kreis der
Personen ein oder verwenden Sie die eigene
E-Mail-Adresse.
Was gilt es bei Referenzauskünften zu beachten?
• Einfache Auskünfte sind direkt beim Bewerber einzuholen.
• Bevor eine Referenzauskunft eingeholt wird, muss der Bewerber darüber informiert werden und es ist seine
Einwilligung einzuholen. Es gilt zu definieren, bei welchen ehemaligen Arbeitgebern Referenzauskünfte eingeholt
werden.
• Die Einwilligung muss freiwillig erfolgen. Der Bewerber darf nicht unnötig unter Druck gesetzt werden, indem
man ihm in Aussicht stellt, dass die Referenzauskünfte «sowieso» eingeholt werden. Es gilt auch nicht als Einwilligung, wenn der Bewerber im Rahmen des Bewerbungsgesprächs die Namen seiner ehemaligen Arbeitgeber
bekannt gibt.
• Wenn der Bewerber das Einholen von Referenzauskünften untersagt, muss auf das Einholen von Referenzauskünften verzichtet werden. Eine Ausnahme gilt bei Tendenzbetrieben.
• Wenn sich ein Bewerber in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befindet, dürfen beim aktuellen Arbeitgeber
ohne Einwilligung auf keinen Fall Referenzauskünfte eingeholt werden.
6
ARBEITSRECHT
NEWSLETTER 04
Am Ende der Evaluation ist klar, welche der
Bewerber nicht berücksichtigt werden. Diese
Daten sind zu vernichten bzw. dem Bewerber zurückzugeben. Stellen Sie sicher, dass,
wenn mehrere Personen die Unterlagen zur
Prüfung erhalten haben, jede von ihnen den
Papierausdruck vernichtet oder das abgespeicherte Dossier im persönlichen Ordner
löscht. Um hier den Überblick zu bewahren,
ist es ratsam, eine Plattform einzurichten, auf
der definierte Personen Zugriff auf die Bewerbungsdossiers haben. So schränken Sie
den Weiterversand per E-Mail ein und stellen
sicher, dass die Daten am Ende des Bewerbungsprozesses gelöscht werden. Eine noch
offene Frage ist, ob das Löschen auf dem
Server reicht oder ob sogar das Backup –
sprich, die Sicherungskopie – auf dem Server
vernichtet werden muss.
Fragen im Vorstellungsgespräch
Im Rahmen des Vorstellungsgesprächs
dürfen nur Fragen thematisiert werden, die
für die betreffende Arbeitsstelle geeignet
und zur Durchführung des Arbeitsvertrages
erforderlich sind. Die Fragen dürfen sich
also nur auf die berufliche Ausbildung und
Erfahrung beziehen. Bei Stellen mit grösserer Verantwortung und Kompetenz oder bei
Tendenzbetrieben (z.B. Vorstrafen bei einem
Securitas) ist es zulässig, weitere Informationen, wie Strafregisterauszüge, einzuholen. Diese Einschränkung gilt ebenfalls bei
der Durchführung von Eignungstests und
Assessments (psychologische oder grafologische Gutachten). Fragen, die über dieses
Mass hinausgehen, dürfen vom Bewerber
mit einer Notlüge beantwortet werden, weil
eine Verweigerung der Antwort wohl die
Chance auf den Erhalt der Stelle beträchtlich
schmälern würde.
Referenzauskünfte
Traditionell wird in erster Linie das Arbeitszeugnis konsultiert. Weil Arbeitszeugnisse oft in einer «verschleiernden» Sprache
geschrieben werden, haben Arbeitgeber,
sobald sich die Ernsthaftigkeit einer Einstellung eines Bewerbers abzeichnet, oft das
Bedürfnis, bei ehemaligen (oder aktuellen)
Arbeitgebern des Bewerbers Referenzauskünfte einzuholen. Auch beim Einholen von
Referenzen muss stets der Datenschutz beachtet werden.
APRIL 2016
TOP-THEMA DATENSCHUTZ: SCREENING VON BEWERBERN
Heikle Recherchen: Seriöse Arbeitgeber verzichten darauf, Kandidaten auf gut Glück zu googeln.
Nach Art. 328b OR dürfen Daten über einen
Stellenbewerber nur bearbeitet werden, «soweit sie dessen Eignung für das Arbeitsverhältnis betreffen». Diese Einschränkung muss
auch beim Einholen von Referenzauskünften
beachtet werden. Der Arbeitgeber darf keine
Referenzauskünfte einholen, um Antworten
auf Fragen zu bekommen, die dem Stellenbewerber selber, aus Gründen des Datenschutzes, nicht gestellt werden dürften. So darf z.B.
der Arbeitgeber beim ehemaligen Arbeitgeber
eines Bewerbers nicht nachfragen, wie hoch
der Lohn des Bewerbers war oder ist. Anhand
von Referenzauskünften ist es auch möglich,
arbeitsrelevante Informationen über den Bewerber ausfindig zu machen, die dieser dem
künftigen Arbeitgeber unterschlagen hat (z.B.
schwere Krankheitsfälle u.ä.). Generell darf
dem Bewerber das Verschweigen von Informationen nicht zur Last gelegt werden, wenn
der Arbeitgeber diese Informationen über Referenzeinkünfte hätte einholen können.
Xing ja, Facebook nein
Wie einleitend geschildert, lassen Social Media
die Grenze zwischen Privatleben, Öffentlichkeit
und Arbeit verschwimmen. Aber wie weit ist
es zulässig, im Bewerbungsverfahren in sozialen Medien über die Stellenbewerbenden
Informationen einzuholen? Es lässt sich wohl
nicht abstreiten, dass diese Nachforschungen
über Google und andere Medien in der Praxis
getätigt werden. Hier liegt eine undefinierte
Grauzone vor, wie weit das Screening von potenziellen Arbeitnehmern gehen darf. Es gibt
keine ausdrückliche gesetzliche Regelung.
ARBEITSRECHT
NEWSLETTER 04
Durch die Rechtsprechung definiert ist jedoch, dass bestimmte Fragen nach der
Lebensführung, der Gesundheit, nach politischen Haltungen und anderem im Bewerbungsgespräch nicht zulässig sind (Ausnahme Tendenzbetriebe). Dabei gilt die analoge
Anwendung, dass ebensolche Dinge auch
nicht per Screening in sozialen Netzwerken
recherchiert werden dürfen. Weitere Recherchen über Business-Netzwerke wie Xing
sind zulässig, denn dort stehen nicht private,
sondern geschäftliche Beziehungen im Vordergrund. Das eigene Profil in einem solchen
Netzwerk wird sorgfältig mit dem Ziel verfasst,
dass künftige Geschäftskontakte von diesem
Profil Kenntnis erlangen.
Zulässig
Unzulässig
 Recherchen auf
Business-Netzwerken
wie Xing oder LinkedIn
 Recherchen auf privaten
 Recherchen auf in der
Bewerbung vermerkten
Social-Media-Profilen,
Blogs oder Websites
 Recherchen auf
Netzwerken wie Facebook oder Instagram
Google und anderen
Suchmaschinen
Unzulässig sind hingegen Recherchen auf
Google oder die Datensuche auf Facebook.
Dies, weil die Art der Datenbeschaffung vom
Betroffenen nicht kontrollierbar ist und Angaben auch ohne die Zustimmung des Bewerbers ins Internet gelangt sein können. Klar
strafbar sind Vorgehen wie beim Phishing.
Dabei werden durch Kontaktaufnahmen mit
einer Person unter falscher Identität Informationen gesammelt. Eine andere ebenfalls
strafbare Form der Spionage ist das Cy-
bersquatting. Dabei wird mit einem fiktiven
Profil dem Bewerber eine Freundschaftsanfrage zugestellt, mit dem Ziel, an Informationen zu gelangen.
Im Zweifelsfall nachfragen
Natürlich kann der Bewerber in seinen Bewerbungsunterlagen aktiv auf sein Profil in einem sozialen Netzwerk hinweisen. In diesem
Fall darf der Arbeitgeber diese Daten prüfen.
Wichtig bleibt so oder so, dass sämtliche getätigte Recherchen im Bewerbungsprozess
dokumentiert und im Falle einer Anstelllung
im Personaldossier abgelegt werden. Hier
kann sich der Arbeitgeber auch nicht aus der
Pflicht nehmen, indem postuliert wird, dass
Mitarbeitende selber Daten ins Netz stellen
und sie damit rechnen müssen, dass auch
ihr Vorgesetzter oder die Personalabteilung
davon Kenntnis erlangen. Der Arbeitgeber hat
seinen Fürsorge- und Treuepflichten nachzukommen, indem er die datenschutzrechtlichen Vorschriften einhält. Fragen Sie also
lieber beim Bewerbenden nach, ob Sie sein
Profil in den sozialen Netzwerken prüfen dürfen, und lassen Sie sich beim Screening nicht
auf Risiken ein, die zu Reputationsschäden für
Ihre Unternehmung führen können.
AUTORIN
Bettina Hübscher, MLaw und MRisk,
studierte Rechtswissenschaften und
absolvierte das Masterstudium in
Risikomanagement. Sie ist an der
Hochschule Luzern im Competence
Center Management & Law als Dozentin sowie als Juristin im Bereich Datenschutzmanagement und Compliance
Risk bei der Advokatur Sury AG tätig.
APRIL 2016
7