Literatur im historischen Kontext

Literatur im historischen Kontext
1.Sitzung: Mittelalter
Hartmann von Aue: Der arme Heinrich (1200)
1.1 Status des Buches:
Jetzt:
ein Text/Autor -> ein Buch, ein Titel
Mittelalter:
wenig Auswahl/Ausgaben, handgeschrieben – abgeschrieben
verschiedene Texte/Autoren in einem Buch
Titel meist erst später hinzugefügt
Meistens Auftraggeber und Sponsoren für ein lit. Werk
Bei z.B. Heldenepik Autor anonym
kein „Respekt“ vor Werk des Autors, viele Veränderungen
Geschichten aus dem Ausland etc. „kopiert“, Qualität = Abweichungen von
Vorhandenem (Autor soll nicht originell sein)
Text „gehört“ nicht Autor, dieser stellt sich aber meist im Pro-/Epilog vor
1.2 Autor
Nicht viel bekannt
Daten: 1180 begann zu schreiben
1200 Der arme Heinrich (Reihenfolge: Erec-Gregorius-Heinrich-Iwein)
1230
torben
1.3 Autorenvorstellung im Text
In zwei Prologen findet sich eine Autorenvorstellung, fast deckungsgleich
 Text beginnt mit Beschreibung des Autors in der 3.Person
 Ritter und Gelehrter (contradicto in adiecto)
 Ritter: besitzt ein Pferd, höfische (Benehmen, musikalische) und kämpferische Fähigkeiten
 Schulbildung, konnte lesen, sowohl religiöse (Bibel) als auch irdische Texte, mehrere
Sprachen (Latein, Französisch, Deutsch)
 Hartmann öfters überliefert, sicher
 „Aue“ oft verwendeter Ort -> nicht genau lokalisierbar, Überregionales Deutsch
 Sozial abgestiegender Adel, unfrei geworden -> ministrale (hoher Beamter an einem Hof),
wichtigste Literaturschreibende Schicht um 1200, vom Hof (=Auftraggeber) abhängig,
 Freier Ritter = Krieger (fit, mutig, stark, an Hof gebunden)
 „Minister“ erstellten Ritterethos -> Rangordnung nicht nur durch Geburt bestimmt (alle
können Ritter werden)
 Ritterethos: Minnekult, - gesang; Verhaltenskodex (nicht rüpelhaft; zurückhaltend; Loyalität,
Treue gegenüber Höhergestellten und Untergebenen)
 Schreibt Texte für Gott und die Menschen (Beliebtheit), Vermittlung zwischen den Ebenen,
1.4 Inhalt
Heinrich:

freier Ritter
Jung, fröhlich, loyal, mutig, dem Ethos entsprechend, Minnesänger
Heinrich und Hartmann = Gelehrte
Heinrich wird nie als „gottergeben“ bezeichnet
Mieselsucht = „Aussatz“, medizinische Bedeutung ist nicht relevant
Symb. Bedeutung:
schließt aus der Gesellschaft aus
gerechte Strafe oder Prüfung
Heinrich sucht eine Therapie ohne Gott (Blut einer Jungfrau, freiwillig)
Zieht zu Untergebenen, verschenkt seinen Besitz (nicht standesgemäß!)
1
Tugend sichtbar -> Familie nimmt Aussätzigen auf


Tochter der Familie:
Zwischen 8 und 16 Jahren (je nach Fassung), schließt sich Heinrich an
Beziehung:
unschuldig oder erotisch? -> „Braut“
Geschenke: für Kind und Frau geeignet
Die Beiden „spielen“ mit Beziehung
Immer in Grauzone, gesellschaftlich nicht akzeptiert
Darstellungsmöglichkeit wechselt zu Gesprächen, Heinrich selbst (nicht „Erzähler“) sieht seine Schuld
ein, als er von der Therapie erzählt. Mädchen will sich opfern – überzeugt Familie und Heinrich
(Rhetorik!), Gespräch Arzt-Mädchen
Astlochmoment: Heinrich beobachtet das nackte, gefesselte Mädchen, erkennt, dass es falsch ist, sie
zu schön ist, verhindert alles
Letzte Rede des Mädchens: voller Wut und Trauer, danach stumm
Rückkehr -> Heinrich wird geheilt, erhält seine Länder wieder, mächtiger als zuvor, beschließt
Mädchen zu heiraten, sehr fromme Hochzeit/Leben danach, Ende des Textes: Amen
1.5 Besonderheiten
 Kein „didaktischer Nachsatz“, der Moral zusammenfasst
 Hartmann und Heinrich aus „Aue“ Geschlecht
 Geschichte in „realer“ Welt (Salerno wichtiges med. Zentrum)
 Autornaher Text nicht rekonstruierbar, viele Fassungen
 Fassung B: Ehe wird nicht vollzogen, beide gründen ein Kloster
 Andere Fassung: keine Ehe
 Behandelte Fassung: mittlerweile verbrannt, aber übliche
 Keine vergleichbare franz. Quelle (nicht „abgeschrieben“)
 Keine Schuldzuweisung/Grund für Aussatz durch Erzähler -> keine „objektive“ Schuld
 Heinrich kommt in einem großen Teil des Textes nicht vor (Eltern-Tochter Gespräch, ArztOpferung)
Aussatz-Legenden:
Silvester-Legende (Kaiser Konstantin Aussatz, Blut unschuldiger Kinder heilt, verzichtet,
Erscheinung: Bad der Taufe bei Papst Silvester heilt)
Freundschaftslegende: Freund tötet die Söhne des Anderen um ihn vor Aussatz zu retten, Motiv der
Freiwilligkeit des Opfers und der Übertragung ins Weltliche
Opfer-Szene: textlich gedehnt, Heinrich wird ausreichend Zeit gegeben sich um zu entscheiden, „Neue
Güte“, eigentlich wieder altes Ich (Aussatz vor Mädchen schon angenommen), Neues-Altes Testament
(neues=Güte),
Mädchen:
Schwierige Figur, Mittelteil – Hauptfigur, nach Heilung „verschwindet“ sie komplett
Anfangs: Art Therapie für isolierten Heinrich
Rhetorik/Argumente: Tod ohne Sünde (Egoismus), Familie bleibt „guter“ Herr Heinrich erhalten
(bessere Stütze im Alter als sie selbst), großartige Rhetorik -> „vom heiligen Geist inspiriert“
Wenn sie weiter lebt: arm oder Hochzeit, lieber Hochzeit mit Jesus
Kindliches Verhalten: festhalten an etwas, ohne genauer nachzudenken
Verliert in Schimpftirade nach Opferung ihre Rhetorik („den heiligen Geist“)
Problematik: immer eine „Hilfsfigur“ Heinrichs, am Ende weiß der Autor keinen rechten Platz für sie
2
1.6 Interpretationsversuche
1.
Interpretation: „Heilsegoismus“
Mädchen will rein sein, Eltern absichern, keine Ehe mit Irdischem, nur mit Christus. „Eigene Seele
vor Erbsünde retten“. Sich vor vorbestimmten Leben retten. Seelenheil im Tod finden. „Bändigung in
letzter Minute“.
2.
Interpretation „Spitzenahne“
Heinrich ist „Spitzenahne“ der Familie von Hartmann. Autorenvorstellung, beide vom gleichen Ort.
Standesminderung durch Hochzeit des Mädchens -> deshalb ist Hartmann „unfrei“
Damals hätte man kaum Leser/Auftraggeber gefunden, u.U. Teil der Wahrheit
3.
Interpretation „Disziplinierung einer Frau“
Durch ungewollte Rettung vor dem Tod in Ehe gezwungen,
2. Sitzung: Frühe Neuzeit/Reformation:
Thüring von Ringoltingen: Melusine (1456)
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Frühneuhochdeutsch (noch nicht standardisiert)
Umbruchszeit: Handschrift-Buchdruck (erste Drucke: Ablassbriefe)
Buchdruck für gemeines Volk noch nicht wichtig
17 Versionen von Handschriften, mehrere Auflagen (1477 erster Druck)
„Bestseller“ 100e male gedruckt/geschrieben
Neuheit: deutscher Text (Deutsch-> primitive Volkssprache)
Prosa, nicht Versform
•
französische Vorlagen (2), Stoff schon um 1200 erwähnt
•
genealogisches Werk
•
Autor: „Aufsteigerfamilie“ – Bauern kaufen Adelstitel, sozial anerkannt
Fortuna/ Glück als zentraler Punkt
Melusine:
eigtl. Mere Lusignan – Mutter der „von Lusignan“
mar=Nachtgespenst
Herkunft nicht bekannt
Keine dämonische Figur, christlich (zeigt sich in erstem Auftritt am Brunnen)
gestörte Marten-Ehe: Mensch + Halb Mensch/Halb Fabelwesen
zeitbedingt Fabelwesen, darf dabei nicht gesehen werden -> sonst Ehe-Aus
Mar meist Frau
oft Element-Motiv (z.B. Wasser)
Eber Motiv zieht sich durch gesamtes Werk (Eber töten, Zahn, Wut..)
 Zeichen für entfesselte Wut (Ira – Todsünde)
 Bruder (Zorn) – Vater (Zorn) – Mutter nicht derart zornig, wirft man Ira vor
Hirschhaut voll Land: oft Motiv, Haut wird in Streifen geschnitten, so viel „eingezäunt“
Erfolgsgeschichte nach Hochzeit (Kinder + Gebäude im selben Rhythmus) -> entstellte Kinder, aber
alle Helden (Kämpfe gegen Heiden und Türken,…), heiraten alle und bekommen dadurch Land
Tabubruch:
Frau behüten = völlige Kontrolle (um Untreue zu verhindern -> sonst Stammbaum „konterminiert“)
In Literatur braucht es immer eine 3. Person um Tabu zu brechen (Bruder)
Ira als Todsünde führt zum Bruch, Tabubruch wird tabuisiert
Einer der Söhne(Goffroy, Eberzahn!) tötet seinen Bruder (Brand im Kloster), Raymund wird wütend
(Ira), bringt Tabu an Öffentlichkeit -> eigentlicher Tabubruch! (glaubt sie ist schuld an
„Andersartigkeit“ und somit dem Mord der Söhne
Durch Tabubruch Melusine unsterblich, nicht erlöst, kommt nicht in das Reich Gottes
3
Sohn entdeckt Genealogie der Mutter: ebenfalls Tabubruch, Persina & Helmas, Sex in der
Schwangerschaft, Töchter bestrafen ihn, Mutter – Zorn, Fluch (alle 3 Töchter „Ehefluch“)
Fortuna als Göttin – Symbole: Rad, Haare, Kugel etc.
Verbindung mit Autor: Geschichte eines genealogischen Aufstieges
Genealogien werden später zu Liebesgeschichten
Martin Luther: Sendbrief über das Dolmetschen (1530)
•
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•
•
Luther: 1483 – 1564, hochgebildeter Theologe -> andere Ansicht zu Christetum
Reflexion über das Deutsche!
Buchdruck im 16.Jh. sehr wichtig und erfolgreich geworden
1523: NT und Teile des AT v on Luther erscheinen, sehr erfolgreich
Ausgangssituation: Kritik/Korrektur von Emser
Römer 3,28 „allein durch den Glauben“ (kein „sola“ im Original)
Für Luther sehr wichtig -> sola-fides-Prinzip
•
Luther erste ÜS von Original, nicht Vulgata (Latein-ÜS)
AT: Aramäisch, Hebräisch
NT: Alt-Griechisch (Koiné)
•
Luther Hebräisch und Griechisch-Kenntnisse
•
Wollte „gutes Deutsch“ – keine grammatikalische 1:1 ÜS
•
Sinn wichtiger als Grammatik
Beschimpfung der Baptisten: aus intellektuellen Selbstbewusstsein, bessere Gelehrte (Bibel im
Original lesen)
Emser publizierte Luthers Werk mit Korrekturen -> kein geistiges Eigentum/Copyright (jeder darf
nachdrucken, Honorar für Autor nur bei Erstdruck), Luther erhält Druck-Privileg eines Fürsten, gilt
aber nur in dessen Fürstentum
3-sola-Prinzipien
•
sola-sciptura: nur die Hl. Schrift zählt (deshalb ÜS so wichtig)
•
sola-fides:
nur der Glaube zählt (keine religiösen Gesetzte, Ablass etc.)
•
sola-gratia:
nur die Gnade Gottes zählt (Seelenheil nicht beeinflussbar)
3. Sitzung: Lyrik des Barock
Mäzenatentum: immer mehr Schulen und reiche Bürger geben Auftragswerke (lit. Gedenktexte,
Dramen,..)
Publikation: Druck als gängiges Mittel, allerdings werden Texte oft ohne direkte Zustimmung des
Autors gedruckt, Quantitätsanstieg
Reformierte Länder (Norddeutschland, Schlesien, Nürnberg): deutsche Dramen
Nicht-reformierte Länder (Habsburgerreich): lateinisches Jesuitendrama
Mittelalter: Humanisten: Gesinungsgemeinschaft/Latein/Rezeption und Meistersinger: strenges
Regelwerk für Dichter/zünftischer Zusammenhalt in der Stadt
Sprachgesellschaften:
übernehmen diese Rolle, erste: Fruchtbringende Gesellschaft (reformiertes Gebiet), dann wichtige in
Hamburg und Nürnberg
Gesellschaftsnamen: Gleichheit vor der Kunst, ungebrochenes Selbstbewusstsein der deutschen
Sprache, Sprachpflege: Stellung gegen Fremdwörter
Martin Opitz: Buch der Deutschen Poeterey: „Gründungsmanifest“ der deutschen Literatur
Barockdichtung: Lyrik, Drama (Historiendrama oder Kömödie), Roman (Historien-, Schäfer- und
Abenteuerroman), Tod ist allgegenwärtig
Illustration sehr wichtig, Holzschnitte oder Formgedichte,..
Martin Opitz:
4
Erst 1629 in Fruchtbringende Gesellschaft, da bereits sehr bekannter Dichter (z.B. des Kaisers), weil
Ges. protestantisch, Opitz auch katholische Herren, dann Der Gekrönte/Lorbeerbaum stirbt an
Pestepedemie,
Ich empfinde fast ein Grawen
Erste Strophe: Gelehrsamkeit im Vergleich mit dem Vergnügen des „wirklichen“ Leben
Zweite Strophe: Studieren im Gegensatz zum Tod, sinnlos?,
dritte Strophe: menschliches Leid im Wein ertränken (Aufbau Wein-Leid-Wein; poetisch ertränkt)
vierte/fünfte: Gelage, exotisches Essen, irdisches Vergnügen
 Lob der Lebensfreude, memento mori
An Herrn Schützen/auff seiner liebsten Frawen Abschied
Anlass- und Gelegenheitsdichtung (typisch für Barock)
Schütz: Musiker, Komponist,
antike Anspielungen (Orpheus als Schütz, Musenanruf)
Opitz motiviert Schütz erneut zum Komponieren, gemeinsames Werk Dafne, (Musik verloren, unklar
ob Oper)
Paul Fleming:
Über Herrn Martin Opitzen auff Boberfeld sein Ableben
Sehr mythologisiert, antike Anlehnung (Homer, Vergil und Pindar), mit Opitz sterben Germanien und
ihre Kunst
Andreas Gryphius:
Gute Schulbildung, Vorlesungen bei Descartes, humanmedizinische Bildung
Dreißigjährige Krieg: 1618 – 1648, dadurch Missernte, Bevölkerung um 2/3 reduziert, Bevölkerung
davor noch nicht von Pest erholt, deshalb Todesobsession
Es ist alles Eitel:
Latein und deutsch
Versform: Alexandrina: sechshebiger Iambus mit Mittelzäsur (oft inhaltlich, in dem Fall Vergleich
Jetzt und Zukunft), Auf und Ab inhaltlich eingesetzt
Mehrere Versionen: einmal „ich“ als Sprecher (Ich seh wohin ich seh), oder „du“ (Du siehst..)
Kein lyrisches Ich!,
Tränen des Vaterlandes / Anno 1636
Mehrere Fassungen, „Wir“ als Einheit (Deutschland/Vaterland), Bilder des Krieges, keine Autorität
mehr, moralisches Versagen, Blut und Leichen, Konfessionskrieg für viele schlimmer als realer!
Positive Aspekte im Gedicht: Metrik ändert sich, Jenseits, nicht Diesseits,
Paul Gerhardt:
Theologe und Prediger, Texte, Predigten und Liedtexte (keine Kunstwerke an sich, einfache Form),
noch heute rezipiert (im kath. Gesangsbuch), Diesseits als schön beschrieben
Friedrich von Logau:
Epigramme: kurzes, meist zweiversiges Gedicht, pointiert/satirisch/sarkastisch/zynisch, Sprachwitz
wichtig, lange Tradition,
didaktische Absicht, lange Sinngedichte und Epigramme, oft auch Hofkritik
Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau:
Verspielter, verfasst: Gedichte (auch erotische), Theaterstücke, einen fiktiven Briefwechsel (Einfluss
von Ovid)
Person des öffentlichen Lebens, publizierte nur um gegen unautorisierte Drucke vorzugehen, (Galante
Gedichte – nicht Vergänglichkeit, sondern innere Schönheit)
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Catharina Reginas von Greiffenberg:
Viele Figurengedichte, Österreicherin, protestantisch – Gegenreformation ausgesetzt, großer religiöser
Eifer, „flieht“ nach Nürnberg, theologisch hoch gebildet, sprachlich kunstvoll,
Gesamtes Werk monotheistisch, geistlich, sprachlich hohe Qualität, stark expressive Ausdrucksmittel
Auch positive Gedichte (z.B. Frühlingslied, angelehnt an Gerhart),
Andacht=Aufmunterung
Sprachlich sehr kunstvoll, theologische Meditation über das Wort Gottes
 Zwei Bedeutungen „Wort“´: Gottes Wort und das der Menschen
4. Sitzung: 18. Jahrhundert – Bürgerliches Trauerspiel, Empfindsamkeit
Weltabwendung nimmt ab, Aufklärung setzt ein, Roman etabliert sich (vor allem Abenteuerromane:
Crusoe etc.)
Ständeklausel,: Tragödie: adliges Personal, Komödie: bürgerliches; wird immer mehr aufgeweicht
- Sentimentale Komödie: bürgerliche Figuren in nicht komischer Handlung
- Bürgerliches Trauerspiel: Lessing: Miss Sara Simpson, Emilia Galotti; Schiller: Kabale und
Liebe (eigentlich Luise Miller)
Friedrich Schiller:
Versetzte Publikum in Aufruhr, thematisierte Gefühle der Protagonisten, erfasst Zeitgeist
Kabale und Liebe / Luise Miller
 Adel und Bürgertum/Hierarchien/soziale Auf- und Abstiege
 Selbstbewusstsein des dritten Standes (Bürgertum) tritt auf!, sehen sich selbst als tugendhaft,
Adel als verschwenderisch
 Gegensätze der Orte: Raum bei den Millers(immer Zimmer), Palast (immer Saal);
 Grundstruktur: Liebeskomödie (sich überkreuzende Liebespaare: Luise – Ferdinand – Lady
Millford – Wurm)
 Kirche im Drama: Seelenfrieden (der nicht immer gefunden wird), Moral, ständeübergreifende
Begegnungen,
 Bürgertum: Ehe aus Liebe, solange sie im Stand bleibt
 Beziehung von Anfang an zum Scheitern verurteilt, Luise und Ferdinand reden aneinander
vorbei
 Ferdinand: negative oder positive Figur: blind vor Liebe oder rücksichtsloser Adel
 Luise vergibt vor ihrem Tod allen
 Lady Milford: politisch wichtige Figur, agiert in zwei Systemen: Liebe und Politik,
 Präsident: einzige nicht liebende Person, Schillers Kritik an Gesellschaft?
Der empfindsame Roman:
Viele Gefühle, Leser dadurch zu einer eigenen Gefühlsregung bringen
Briefroman:
Beginn: Lehrer Abaelard und Heloise (Mittelalter)
18. Jh.: Rousseaus: Julie oder die neue Heloise, Richardson: Pamela / Clarissa (Ideen für La Roches
Werk), Motiv des Standesunterschieds
Sophie von La Roch:
Mehrmals verlobt, u.a. mit Wieland (später Herausgeber und wichtiger Intellektueller), viele Kontakte,
Goethe schreibt über sie in: Dichtung und Wahrheit,
Geschichte des Fräuleins von Sternheim:
 Briefroman mit Multiperspektive
 Stammt aus der Ehe einer Adeligen und eines aufgestiegenen Offizier
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




Kommt an den Hof, lehnt diesen jedoch ab
Polyphoner Roman (mehrere Stimmen in den diversen Briefen)
Lord Seymour: tugendhaft, leicht naiv
Lord Derby: intrigant, hinterlistig
u.U. wollte La Roche mit diesem Roman kompensieren, dass ihre Tochter in einem
Erziehungsinstitut war
5. Sitzung: Erlebnisdichtung – Der junge Goethe
Erlebnis in der Dichtung, Leser identifiziert sich mit dem Autor als „ich“, trotzdem nicht immer
biographisch, eher die Frage „Wie lässt der Autor den Leser mitfühlen?“,
Text hat nun Individualität und Originalität
Copyright wird erfunden: Text ist geistiger Besitz des Autors, dieser ist bekannt, Nachdrucke nur mehr
mit Genehmigung möglich (England 1710, sterreich erst 1846)
Friedrich Gottlieb Klopstock:
Das Rosenband:
 Anakreontik (Lyrik-Gattung des späten 18.Jh. nimmt Themen Anakreons auf: Liebe, Natur,
Freundschaft,…, einfache und fließende Formen
 Band-Metapher
 Lyrisches Ich
 Kein genauer Ort, keine genaue Zeit, keine Dialoge
 Einfache lyrische Form, vier Terzette, Jamben, männliche und weibliche Kadenzen
Johann Wolfgang von Goethe:
Literarische Anfänge: 1770/71, Jus-Student, Fredericke Brion Liebschaft – Sesenheimer Lieder –
später Standesunterschied,
Sesenheimer Lieder:
Mit einem gemalten Band:
 Ähnlichkeiten mit Klopstock/ebenfalls anakreotisch
 Rosen-Motiv
 Zeit und Raum
 Gedicht Teil des Liebesverhältnisses, spricht nicht darüber
 Indirekter Heiratsantrag
Willkommen und Abschied:
 Erzählung, einfache Formen
 Anthropomorphismus (Natur als Menschen)
Dichtung und Wahrheit:
Autobiographische Züge in den Werken, eigen Erfahrungen werden verarbeitet
Die Leiden des jungen Werther(s):
 Unheimlich erfolgreich
 Anfang und Ende: Herausgeber kommt zu Wort, dazwischen Briefe Werthers
 Monolog, kein Briefwechsel
 Keine moralische Vorbildlichkeit
 Werther gut gebildet, aber bürgerlich, auf sein Inneres konzentriert
 Liest viel,
 Lotte: neue Frauengestalt: Mutter und Hausfrau, nicht Gesellschaftsdame
 Verständigung der beiden: tiefe Harmonie, über lit. Werke (Klopstock!)
 Selbstmord am Ende: Sünde, keine Warnung an Leser (später: Sein ein Mann und Folge mir
nicht nach!)
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6. Sitzung: Realismus
Änderung der Leserschaft:
 Alphabetisierungsrate steigt (abhängig von Schicht/Geschlecht etc.),
 Buch wird Massenware (Buchdruck wird schneller und billiger)
 Lesesucht: vor allem Frauen, Verhaltensänderung, Nervenleiden, körperlicher Untergang
 Privatbibliotheken entstehen
 Entstehung des professionellen Autors, der von seinem Schreiben leben kann/will
 Schiller gründet „Rheinische Thalia“
 Zeitschriften als allgemeines Bildungsmedium (Kritik: von allen ein bisschen, nichts richtig)
 Adressat und Autor sind nicht mehr bekannt, keine direkte Rezession (Verkaufszahlen,
Autoren werden freier)
Realismus:
 Etwa 1840-1900 als Epochenbegriff
 Stilbegriff -> poetologisches Programm, realistisches Schreiben
 Polemischer Begriff - Kampfbegriff: Zeitgenossen debattieren intensiv, positiv und negativ!
 Wiederspiegelung der wahren Welt, nichts „phantastisches“
 Beschäftigt sich mit allem: Großen und Kleinen
Adalbert Stifter:
!langweiligster” Realist, spart Spannung aus -> nur unwichtige Details,
Bis 48 Wien, Pädagoge, Hauslehrer, gute Bekanntschaften, dann Linz nach Revolution, Oberschulrat,
Reformierung, Lesebuch zur Förderung humaner Bildung: deutsche Literaturteile (nie richtig
erschienen),
Stifter verändert die Fassungen sehr stark (erste grausamer) (erste Journal, zweite Buch)
Kinder sind wichtig/Protagonisten
Vorrede Bunte Steine: Großphänomen-Kleinphänomen
Keine Psychologie/Einfühlung in die Figuren
Granit:
 Rahmenerzählung: Kindheitsgeschichte/Pech, intradiegetischer Ich-Erzähler (befindet sich in
der Welt), Erzählzeit: Gegenwart des erwachsenen Kindes; erzählte Zeit: Kindheit des
Erzählers
 Binnenerzählung: Geschichte der Region, Pest, Kinder, extradiegetischer Erzähler: Großvater
ist kein Teil der Geschichte, Erzählzeit: Wanderung; erzählte Zeit: Zeit der Pest
 Erste Version: Der Pechbrenner, deutlich grausamer
 Groß-Klein-Vernähung: Pest-Strafe des Kindes, Pechbrennerfamilie
 Binnenerzählung wird immer wieder unterbrochen
 Pech in der Literatur: Zerfall der Gesellschaft, Kinder verhalten sich gegenteilig/sozial, retten
 Kinder in der Binnenerzählung „märchenhaft“: sprechender Vogel, Heilung des Mädchens,
„Rettung“ des erwachsenen Knaben ins Schloss
 Alliteration: Pech-Pest
7. Sitzung: Klassische Moderne
Differenzbegriff: anders sein, vom Alten absetzen (→ von Antiker Überlieferung), Erfahrung der
Krise
Klassische Moderne: Joyce, Proust, Woolf, Mallarmé, Döblin, Benn, Hofmannsthal, Musil, Kafka
→ profitieren stark von Vorläufern wie Poe, Baudelaire, Nietzsche
Avant-Garde (militärischer Begriff: Vorhut) = nicht-klassische Moderne: Futurismus, Dadaismus
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1. Krise des Ichs
Versuch Seele methodisch zu zerlegen und zu verstehen
-Ebbinghaus: Experimentpsychologie: Worte merken – Bedeutung, deshalb Silben ohne BedeutungDadaistische Lautgedichte
-Mach: Philosophie der Wahrnehmung: alles sind nur Sinneseindrücke, alles kann darin zerlegt
werden – Geist/Gehirn stellt Welt zusammen
-Freud: Psychoanalyse: alles in physischem Apparat verarbeitet,
Nicht theologische Frage nach Seele/Psyche sondern wissenschaftliche, Ich in verschiedene Elemente
aufgespalten
2. Krise der Sprache
Diese hängt eng mit der Krise des Ich zusammen. Worte verlieren den natürlichen
Bezug zu Objekten und ihren Bedeutungen und somit zur Welt. Bedeutungen seien nicht
mehr zu fixieren - sie verändern sich ständig.
3. Krise der Kultur
Keine Entscheidung, Unbehagen an der nicht-gewählten Kultur, Kennzeichen Anfang 20. Jh.:
Langweile, Dekadenzliteratur,
Nietzsche: Übermensch zeigt diese Kultur, Übermenschen nicht mehr vorhanden, Nihilismus
Problem der Kultur – Dasein hier ist nichts wert, ablehnen, Warten auf Paradies/Himmel,
Futurismus: 1909, zerstören und durch Neues ersetze (z.B. Venedig zu Handelshafen machen, Museen
zerstören – E-Werke etc.),
Franz Kafka:
Versicherungsbeamter – Unfallversicherung, Sicherheitsinspektor/Jurist, Komplexität moderner
Bürokratie durchschaut, 1900: Nation, mil. Mobilisierung, Infrastruktur wächst – Bürokratie wächst,
Zurückhaltung jeglicher Emotion
Beim Bau der chinesischen Mauer:
 Zu Kafkas Lebzeiten nicht veröffentlicht
 Erzähler: chin. Bauherr
 Angst vor Einfall der Nomaden
 Bricht mitten im Text ab
 Wirkt eher wie Abhandlung/Aufsatz
Ein altes Blatt:
 1920 in Ein Landarzt veröffentlicht
 Erzähler: Schuster in chinesischer Hauptstadt,
 Nomaden (Barbaren) bereits eingefallen
 Abgeschlossener Text
 Wirkt wie kurze Momentaufnahme/Zeugenaussage
 Clash of cultures: Kultur der Händler (Chinesen) gegen Kultur der Helden (Krieger,
Nomaden)
Der Bau:
 Später Text
 Einsame Großaufgabe (wie in chin. Mauer)
 Maulwurf!
 Situation der Soldaten im 1.WK im Schützengraben
 Kein Adressat, Rede für „Tier“ selbst
 Besinnungslos vor Sorge, Text wird immer manischer
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8. Sitzung: Drama der Gegenwart
Drama:
Im Kollektiv konsumiert, benötigen große, kostenintensive Institution
Inszenierung: in das Hier und Jetzt holen
Friedrich Schiller:
Die Schaubühne als eine moralische Anstalt betrachtet
Mensch hat zwei Instanzen: rational und emotional, kann nicht nur mit einer entscheiden
Theater schult als „Gericht“ rationale Seite und gibt Einblick in das Innenleben der Charaktere
(emotional), außerdem: soziale, politische und nationale Bildung -> kollektive Urteilsbildung des
Publikum -> wird zu Einheit/Gemeinschaft
Bertolt Brecht:
setzt sich von Schillers Theater ab (laut Bracht „aristotelisch“)
episches Theater: kein Einfühlen, pädagogischer Impetus, Distanz, Reflexion, Rationalität, aktives
mitdenken (wie beim Lesen), „veränderlicher und verändernder Mensch“
Verfremdungseffekt: Störung der Illusion auf der Bühne: Kommentare (oft Schriftbänder),
unnatürliches Schauspielen/Kostüme etc., keine Chronologie, …
Beispiele: Das Leben des Galilei, Mutter Courage, Der gute Mensch von Sezuan, Der kaukasische
Kreidekreis, Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui -> alle in der Institution Theater, Bühne vom
Zuschauer abgetrennt, Charaktere bleiben im Stück sie selbst
Lehrstückperiode: kurze Szenen-Sequenzen, keine richtige Handlung mehr, teilweise nur
Textcollagen, oft Chöre, Musik (Opern), Figuren sind nur noch abstrakte „Typen“
Eigentlich kein Publikum vorgesehen, der Schauspielende wird aktiviert durch das Schauspielen!
Die Maßnahme
4 Kommunisten stehen vor Gericht (Chor), in China Propaganda betrieben, einen Genossen
erschossen, um Gericht Notwendigkeit zu zeigen: versch. Szenen nachspielen (ein Genosse spielt
immer den Toten)
Charaktere spielen im Stück vor!,
2. Szene: Auslöschung der Identitäten, Masken aufsetzen!, sie spielen damit Theater
3.-6.Szene: vier Situationen, in denen sich der Genosse falsch verhalten hat
Genosse mit Tod einverstanden (Ja/Neinsager!),
Elfriede Jelinek:
Nobelpreisträgerin, nimmt vorhandene Texte auf, Romane: Die Klavierspielerin, Lust...
Burgtheater: Nazi-Verstrickung einer Theaterstarfamilie, „Nestbeschmutzerin“
Theater nicht mehr als Schauspielen
Post-dramatisches Theater:
 Text ist Material für den Regisseur, Textcollagen
 Keine Handlung
 Figuren sind keine Charaktere/Schauspieler, nur Text-Sprecher
 Publikum und Bühne gehen ineinander über, Orte werden bespielt
 Theater als Experimentalraum, kein pädagogischer Impetus
 Will verstören!
Sportstück
 Nicht viele Regieanweisungen
 Chor sehr wichtig für Jelinek: nur eine Rede-Position, „Sprachfläche“
 Elektra: klassisch antike Figur, Anfang Jelinek ist Ende Antike,
 Sport und Gewalt, kollektive Gewalt als Sport
 Andi: österr. Bodybuilder, an Anabolika gestorben, Sport als Gewalt gegen den Körper
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