rettet Leben

Gesundheit
Spenden
rettet Leben
Diese Organe werden transplantiert:
Was muss ich tun, wenn ich Organspender werden will? Woher wissen
die Ärzte, ob ich wirklich tot bin? Und wie läuft eine Transplantation ab?
Wir beantworten die drängendsten Fragen zu einem brisanten Thema.
Fotos: Keystone
Text Ginette Wiget Grafik tnt-graphics.ch
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Wenn ich mich zur Organspende bereit
erkläre, entnehmen mir die Ärzte nach
meinem Tod automatisch alle Organe?
Nein. Weniger als 0,5 Prozent aller Verstorbenen kommen überhaupt als Organspender in Frage. Wer zu Hause verstirbt,
scheidet als Spender aus. Denn die Entnahme braucht medizinische Vorbereitungen, die nur im Spital möglich sind.
Die meisten Organspender sind Menschen mit einer Hirnblutung oder Unfallopfer mit Hirnverletzungen, die auf der
Intensivstation sterben. Die Wahrscheinlichkeit, eines Tages selbst auf eine Transplantation angewiesen zu sein, ist fünf- bis
sechsmal höher als die, überhaupt als
Spender in Frage zu kommen.
Was muss ich tun, wenn ich Organspender werden will?
Sie müssen nur die Spendekarte des Bundesamts für Gesundheit ausfüllen (siehe
Box). Falls Sie nur bestimmte Organe
spenden möchten, lässt sich das vermerken. Am besten tragen Sie den Ausweis im
Portemonnaie mit sich. Sie können Ihre
Wünsche zur Organspende auch in einer
Patientenverfügung festhalten. Es ist ratsam, auch die Angehörigen über Ihre Entscheidung zu informieren.
Warum sind Organspenden sinnvoll?
Weil damit kranken Menschen geholfen
wird. Bis zu sieben Leben kann ein einziger Spender mit seinen verschiedenen Organen retten. Infolge des medizinischen
Fortschritts wird immer häufiger eine
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Transplantation möglich. Die Organspenden jedoch haben nicht zugenommen.
Deshalb stehen in der Schweiz mehr Leute
auf der Warteliste als früher: Mit aktuell
1102 Menschen ist sie fast doppelt so lang
wie noch vor zehn Jahren. Jährlich sterben
rund 100 Menschen, weil für sie kein lebensrettendes Organ zur Verfügung steht.
Wie lange müssen Menschen in der
Schweiz auf ein Organ warten?
Das hängt davon ab, um welches Organ es
sich handelt und wie dringend ein Patient
es braucht. Im Jahr 2011 warteten Patienten im Schnitt 242 Tage bis zur Transplantation eines Herzens. Für eine Leber waren es 191 Tage, für eine Niere 692 Tage.
Warum ist es wichtig, sich ausdrücklich für oder gegen eine Organspende
zu entscheiden?
Weil Sie Ihren Liebsten womöglich eine
schwierige Situation ersparen. Ist unklar,
Spendekarte
Sie kann in Apotheken,
Arztpraxen und Spitälern
bezogen oder unter
0800 570 123, info@
swisstransplant.org
bestellt werden.
Es gibt auch die Möglichkeit, sie unter www.
transplantinfo.ch oder
www.swisstransplant.
org herunterzuladen und
auszudrucken.
ob ein Verstorbener ein Organspender
sein könnte, befragen die Ärzte die Angehörigen. Denn laut Gesetz dürfen die
Organe eines Verstorbenen nur dann entnommen werden, wenn der Verstorbene
zu Lebzeiten einer Spende zugestimmt hat
oder seine nächsten Angehörigen eine
Spende erlauben. Sie müssen dabei im
Sinne des Verstorbenen entscheiden. Diese Regelung heisst erweiterte Zustimmungslösung.
Viele Menschen fürchten, bei der
Organentnahme noch nicht tot zu sein.
Wie können die Ärzte sicher sein,
dass der Tod wirklich eingetreten ist?
Zwei Ärzte müssen unabhängig voneinander nachweisen, dass der Mensch hirntot ist. Um den Hirntod zu diagnostizieren, führen sie eine Reihe von Tests durch.
Sie prüfen zum Beispiel, ob grundlegende
Reflexe wie der Husten- oder Schluckreflex noch funktionieren, die durch das
Gehirn gesteuert werden. Ausserdem
wird getestet, ob der Patient nicht
bei abgeschaltetem Beatmungsgerät wieder von selbst zu atmen beginnt.
Was bedeutet «Hirntod»?
Ein Mensch ist hirntot, wenn
sein Gehirn nicht mehr
durchblutet wird und unwiderruflich ausfällt. Rein äusserlich unterscheidet sich ein
Hirntoter nicht von einem
bewusstlosen Menschen: Seine 
Gewebe
Zwei Fünftel aller Transplantationen betreffen Gewebe, am
häufigsten die Augenhornhaut.
2010 wurden in der Schweiz
862 Gewebetransplantationen
gemeldet: 551 Augenhornhäute,
141 Knochen, 102 Amnionmembranen, 50 Gefässe und
18 Herzklappen.
Lunge
1993 wurden in der Schweiz
nur gerade 15 Lungen
transplantiert, im Jahr 2011
waren es schon 54.
113 Menschen standen 2011
auf der Warteliste.
Leber
Die Leber ist das in der Schweiz
am zweithäufigsten transplantierte Organ nach der Niere.
Der Anteil der Lebendleberspenden ist dabei eher klein.
Im Jahr 2011 wurden 109
Lebertransplantationen durchgeführt, auf der Warteliste
standen 289 Personen.
Dünndarm
Dünndarmtransplantationen
werden weltweit nur selten
durchgeführt. In der Schweiz
waren es bisher nur 6 Operationen. Pro Jahr stehen
höchstens 1 bis 2 Personen auf
der Warteliste.
Herz
Jährlich werden schweizweit
rund 30 Herzen transplantiert.
Zwischen 60 und 70 Menschen warteten in den letzten
Jahren auf ein Herz. 2011 war
die Warteliste lang wie noch nie
und umfasste 88 Menschen.
Niere
Die Nierentransplantation ist
weltweit die häufigste Organtransplantation, 282 Nieren
wurden letztes Jahr hierzulande
transplantiert, 1185 Menschen
standen auf der Warteliste.
Bauchspeicheldrüse
Sie wird meist zusammen mit
einer Niere transplantiert, zur
Therapie des Typ-1-Diabetes.
Oft werden auch nur die aus
der Bauchspeicheldrüse isolierten Inselzellen übertragen,
die das den Blutzucker regulierende Hormon Insulin produzieren. Im Jahr 2011 waren es
28 Bauchspeicheldrüsen und
Inselzellen, die übertragen
wurden. 84 Menschen standen
auf der Warteliste.
Die Zahlen stammen von Swisstransplant.
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Gesundheit
Ziel ist es, dass schweizweit
alle die gleiche Chance auf ein Organ haben.
Fotos: Keystone (3)
Ein Ärzteteam entnimmt ein Spenderherz. Das Organ ist für
ein Kind bestimmt. Links: ein Kühlbehälter.
Hautfarbe ist rosig, der Brustkorb hebt
und senkt sich, und das Herz schlägt. Das
Herz-Kreislauf-System wird jedoch nur
dank Geräten der Intensivmedizin aufrechterhalten. Würden die Ärzte die künstliche Beatmung abstellen, stünden auch
das Herz und der Kreislauf still. Zum Hirntod kommt es, wenn das Hirn eines Patienten schwer geschädigt wird, zum Beispiel durch einen Unfall. Nur wenige
Menschen sterben auf diese Weise, bei
den allermeisten hört das Herz auf zu
schlagen, etwa durch einen Herzinfarkt.
Auch dann kommt es als Folge zum Hirntod, weil das Gehirn nicht mehr durchblutet wird.
Geben es Ärzte schneller auf, einen
lebensgefährlich verletzten Organspender zu retten als jemanden, der
keine Organe spendet?
Nein. Die Ärzte auf den Intensivstationen
unternehmen alles, um das Leben ihrer
Patienten zu retten. Für die Transplantation sind zudem Ärzte einer anderen Abteilung zuständig.
Kann jeder Organe spenden?
Grundsätzlich ja. Es gibt keine Altersgrenze, weder nach unten noch nach oben.
Ob eine Organspende möglich ist, hängt
lediglich vom Gesundheitszustand ab.
So können zum Beispiel unklare, schwere
Infektionskrankheiten oder eine aktive
Krebserkrankung eine Organspende ver­hindern.
Wie läuft eine Organspende ab?
Zunächst klären die Ärzte ab, für wen
sich die Organe eignen. Dazu braucht es
Laboruntersuchungen. Währenddessen
bleibt der hirntote Organspender an ein
Beatmungsgerät angeschlossen, denn für
die Transplantation sollten die Organe
noch durchblutet sein. Sind die Empfänger gefunden, werden dem Spender die
Organe entnommen. Danach werden sie
gekühlt und mit dem Helikopter oder der
Ambulanz zu einem Transplantationszentrum gebracht. Das muss innert weniger
Stunden geschehen, weil die Organe nicht
mehr durchblutet werden und mit der
Zeit Schaden nehmen. Weniger schnell
muss es bei Gewebe wie Augenhornhaut,
Knochen, Knorpel oder Haut gehen.
Ist der Leichnam nach einer Organspende entstellt?
Nein. Nach der Entnahme werden die
Wunden verschlossen und abgedeckt. Die
Wundnähte sind die einzigen sichtbaren
Zeichen dafür, dass Organe entnommen
wurden. Die Angehörigen können den
Verstorbenen nach der Operation sehen
und Abschied von ihm nehmen.
Weiss der Empfänger des Organs, wer
es gespendet hat?
Nein. Genauso wenig wissen die Angehörigen des Spenders, wer das Organ erhält.
Möchten sie erfahren, ob die Transplantation gut verlaufen ist, wird ihnen das
mitgeteilt.
Können auch zu Lebzeiten Organe
gespendet werden?
Ja. Es ist möglich, zu Lebzeiten eine Niere,
einen Teil der Leber, Lunge, Bauchspeicheldrüse oder einen Teil des Dünndarms
zu spenden. Meistens sind es enge Verwandte, die ihrem Angehörigen damit das
Leben retten. Eine besondere Beziehung
zwischen dem Spender und dem Empfänger braucht es aber nicht.
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Welche Risiken hat eine
Lebendspende?
Das hängt vom Organ ab. Am häufigsten
sind Lebendspenden von Nieren. Bei ihnen ist für den Spender das Risiko gering,
schwer zu erkranken oder früher zu sterben. Eine Schweizer Datenanalyse hat ergeben, dass das gesundheitliche Wohlbefinden durch die Spende einer Niere
meistens nicht leidet. 95 Prozent der
Spender bereuen ihre Entscheidung nicht.
Das Risiko, nach einer Nieren-Lebendspende irgendwann auf eine Nierenersatztherapie (Dialyse) angewiesen zu sein, ist
nur leicht erhöht.
Bekomme ich eine Entschädigung,
wenn ich ein Organ spende?
Nein, das ist nicht erlaubt. Die Krankenkasse trägt jedoch alle Kosten, die durch
eine Lebendspende entstehen. Zudem erhält der Spender eine Entschädigung für
den Lohnausfall während der Zeit im Spital und für andere Auslagen im Zusammenhang mit der Entnahme.
Warum liegt die Schweiz im europäischen Vergleich bei den Organspenden
auf den hintersten Rängen?
Es liegt nicht daran, dass die Schweizer
spendeunwilliger sind. Die niedrige Rate
lässt sich eher damit erklären, dass die
Spendersuche bei uns weniger gut organisiert ist als anderswo. Diskutiert wird
ausserdem, ob die Gesetzgebung eine Rolle spielt. Während in der Schweiz für die
Organspende die erweiterte Zustimmungsregel gilt (siehe Seite 88), haben die meisten anderen europäischen Länder die
Widerspruchsregelung. Sie sieht vor, dass
dem Toten ein Organ entnommen werden
darf, solange sich der Spender nicht zu
Lebzeiten dagegen ausgesprochen hat.
Wie lässt sich die Zahl der Spender
erhöhen?
Spanien hat in Europa die höchste Spenderrate. Dort arbeiten in den Spitälern sogenannte Transplantations-Koordinatoren. Sie haben die Aufgabe, mögliche
Organspender zu erkennen. Unsere Kantone sind per Gesetz verpflichtet worden,
solche Koordinatoren in den Spitälern
einzusetzen. Vor allem in der Deutschschweiz hapert es aber noch mit der Um-
setzung. Manche Politiker sind der Ansicht, dass es auch einen Systemwechsel
braucht: von der Zustimmungs- zur Widerspruchslösung. In der Praxis ist der
Unterschied zwischen den beiden Regelungen aber nicht so gross. Denn auch mit
der Widerspruchslösung werden vor der
Organentnahme immer die Angehörigen
um Erlaubnis gefragt.
In Deutschland wurden Krankenakten
manipuliert, um Patienten auf der
Warteliste nach oben zu befördern.
Wäre das in der Schweiz auch möglich?
Das ist unwahrscheinlich. Unser System
hat mehr Kontrollmechanismen. Die
Dateneingabe für die Zuteilung von Organen wird zudem nicht von den direkt involvierten Chirurgen gemacht.
Nach welchen Kriterien wird die
Warteliste geführt?
Zuoberst stehen Menschen, die dringend
eine Transplantation brauchen, weil ihr
Zustand lebensbedrohlich ist. Dann wird
der medizinische Nutzen berücksichtigt.
Das heisst: Das verfügbare Organ wird
dem passendsten Empfänger zugeteilt. Bei
einem Herz werden zum Beispiel in einem
ersten Schritt alle Empfänger mit passender Blutgruppe herausgesucht, die nicht
mehr als 15 Jahre vom Alter und nicht
mehr als 20 Prozent vom Gewicht des
Spenders abweichen. Von diesen wiederum wird jener Patient ausgewählt, welcher
am längsten auf der Warteliste ist. Ziel ist
es, dass schweizweit alle die gleiche Chance auf ein Organ haben.
■
Ein Spenderherz wird
mit einem Rega-Helikopter ins Inselspital
in Bern geflogen.
Fachliche Mitarbeit: Franz Immer, Direktor
Swisstransplant, und Susanne Nyfeler, Co-Leiterin
Sektion Transplantations- und Fortpflanzungs­
medizin des Bundesamts für Gesundheit
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Verloren:
Zuversicht.
www.clienia.ch
chiatrie
Führend in Psy ie
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und Psychothe
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