Des Guten zu viel – wenn Feuchttücher zum Problem werden Eigenbetrieb Stadtentwässerung schlägt Alarm: Kanalisation stark belastet – Immer mehr Störungsmeldungen Stuttgart – Als Saubermacher stehen Feuchttücher heute in fast jedem Badezimmer. Es gibt sie als Toilettenpapier, zur Babypflege, zum Abschminken und zum Putzen. Dabei können die reißfesten Tücher aus Vlies eine Sauerei verursachen: in der Kanalisation, wenn sie im WC entsorgt werden. Der städtische Eigenbetrieb Stadtentwässerung (SES) schlägt Alarm: Feuchttücher verstopfen zunehmend die Kanalisation und die Pumpen. Von Elke Hauptmann Feuchte Tücher, eine Erfindung aus dem Jahr 1958, sind in Deutschland in den vergangenen Jahren immer beliebter geworden, das Angebot im Handel immer breiter. „Das bekommen wir deutlich zu spüren“, sagt Boris Diem von der SES. „Die Tücher stellen zunehmend ein Problem dar.“ Grund dafür ist ihr Grundmaterial: Trockenes Toilettenpapier besteht aus Zellstoff, der sich in Verbindung mit Wasser schnell in einzelne Fasern auflöst. Feuchtes Toilettenpapier hingegen wird aus Vliesstoff gefertigt, die Fasern sind mit speziellen Chemikalien zusammengeklebt, um es reißfest zu machen. Die Folge: Sie Immer häufiger werden Feuchttücher zur Reinigung verwendet – sehr zum Ärger des städtischen Abwasserbetriebs. Foto: dpa verknoten sich ineinander und verfangen sich an den Engstellen im 1685 Kilometer langen Kanalnetz der Landeshauptstadt – vorzugsweise an den Pumpen, die das Abwasser zu den Kläranlagen befördern sollen. Lange, verfilzte und zähe Stränge setzen sich dort fest und bringen die Pumpen letztendlich zum Stillstand. „Feuchttücher sind wahre Pumpenkiller“, meint Diem. Wie häufig die Kanalarbeiter deshalb eingreifen müssen, kann er nicht genau sagen. Aber er räumt ein: „Die Störungsmeldungen nehmen zu. Die Bereitschaftsdienste müssen immer öfter ausrücken, um Pumpen auszubauen und zu reparieren.“ Tücher, die den Weg in der Kanalisation unbeschadet überstehen, landen in einem der vier Stuttgarter Klärwerke. 250 000 Kubikmeter Abwasser werden dort täglich aufbereitet. In in einem ersten Reinigungsschritt werden feste Stoffe in Grob- uns Feinrechenanlagen herausgefiltert. „Allein dabei fällt im Jahr 2500 Tonnen Material an, das dann verbrannt werden muss“, berichtet Diem und seufzt: Der Aufwand werde immer größer – es seien ja nicht allein Feuchttücher, die Probleme bereiten würden. Sondern auch Babywindeln, Ziga- rettenfilter, Ohrenstäbchen, Pflaster, Tampons, Kondome, Katzenstreu, Socken, Essensreste. Es gibt eigentlich nichts, was Diem und seine Kollegen nicht schon aus dem Wasser gezogen haben. „Abfälle sollten nicht mit dem Abwasser entsorgt werden“, mahnt Diem. Verstopfte Kanäle und Abwasserpumpen erhöhen den Energieverbrauch; die Behebung der Störung kostet Geld. Die Konsequenzen müssen alle Verbraucher tragen – die stetig steigenden Kosten fließen in die Kalkulation der Abwassergebühren ein. Der SES setzt daher auf Aufklärung: Eigens wurde ein Handzettel erstellt, auch bei Betriebsführungen macht man auf das Problem aufmerksam. „Der Verbraucher ist gefordert, sein Verhalten zu überdenken“, sagt Diem. Die Hersteller von Feuchttüchern sehen sich übrigens kaum in der Pflicht: Einige verweisen darauf, ihre Produkte seien mit einem Piktogramm gekennzeichnet, das vom Entsorgen im WC abrate. Zudem würden auf Toilettenpapier oder WC-Desinfektionstüchern Begriffe stehen wie „spülbar“ oder „biologisch abbaubar“. Doch was genau das bedeutet, erläutert so gut wie keiner von ihnen.
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