Greencity auf Kurs – ohne Wasserkraftwerk

Zürich 2
AKTUELL
Nr. 52
24. Dezember 2015
5
Der Baumanager
mit Wollishofer
Wurzeln
Alain Capt – seine Eltern stammen
aus dem Waadtland beim Lac de
Joux – wuchs zuerst an der Reginastrasse in Wollishofen und später in Adliswil auf. «Als ich früher
mit der Sihltalbahn in die Kanti
nach Zürich fuhr, konnte ich mir
nicht im Traum vorstellen, dass
hier auf dem ehemaligen Sihlpapier-Areal mal Leute wohnen würden», lacht der 56-Jährige. Als
Gymnasiast hatte Capt übrigens
Geografieunterricht beim heutigen
Männerchor-Leimbach-Ehrenmitglied Philipp Jäger. Dann studierte
er Bauingenieur an der ETH Zürich und war zwei Jahre ETHAssistent bei Prof. Dr. P. Dubas.
Später heuerte er bei der Baufirma
Losinger an. Heute ist er Direktor
für Ausführung beim Totalunternehmen Losinger Marazzi. Er war
vor der Gesamtverantwortung für
Greencity für Prestigebauten wie
den Prime Tower und den PostHauptsitz in Bern verantwortlich.
Nun hat er sein Büro an der Allmendstrasse und leitet ein Team
von etwa 35 Projekt- und Bauleitern. Auf der Baustelle arbeiten
momentan rund 100 Personen, ab
2016 werden es gegen 250 Personen sein. Da sei es wichtig, vor Ort
zu sein und nicht in einem Bürogebäude in der Innenstadt, betont
Capt. Betreten darf die Baustelle
nur, wer die biometrisch gesicherten Schleusen durchläuft. Wegen
der rauen Bauarbeiterhände wird
dort aber nicht der Fingerabdruck,
sondern die Form der Finger gescannt. «Mit diesen Kontrollen
beugen wir der Schwarzarbeit
vor», betont Capt. Von den herkömmlichen Badges ist man weggekommen, weil diese leicht missbraucht werden. (ls.)
Alain Capt, Greencity-Gesamtprojektleiter, präsentiert stolz das 3-D-Modell des zukünftigen Spinnerei-Gebäudes mit 38 neuen Loftwohnungen.
Greencity auf Kurs – ohne Wasserkraftwerk
Alain Capt von Losinger
Marazzi hätte früher nie
geglaubt, dass auf dem
ehemaligen Sihlpapier-Areal
dereinst gearbeitet und gewohnt wird. Jetzt sorgt er
dafür, dass dies ab 2018
möglich wird. Doch ein
Wermutstropfen bleibt:
Dem Wasserkraftwerk wurde
die über 150-jährige Konzession nicht verlängert.
Lorenz Steinmann
Alain Capt bei der Grundsteinlegung des 1. Bauloses im August
2015.
Foto: ls.
Und der Kanton?
Das im Artikel unter anderem angesprochene Thema Kleinwasserkraftwerk
wirft
verschiedene
fachliche Fragen auf. Von «Zürich
2» darauf angesprochen, bat der
Kanton wegen des komplexen
Themas um ein klärendes Fachgespräch. Dieses findet wegen
der Feiertage erst Anfang Januar
statt. «Zürich 2» wird demnach in
einer späteren Ausgabe über das
Thema vertieft berichten. (zh2.)
«Rund die Hälfte der Lofts in der ehemaligen Spinnerei und 70 Prozent der
Eigentumswohnungen sind schon verkauft», freut sich Alain Capt, Direktor
Ausführung für das Greencity-Projekt.
Er redet von jenen Bauten, die das
Totalunternehmen Losinger Marazzi
selber vermarktet. Auffällig sind vor
allem die Loftwohnungen in der ehemaligen Spinnerei, also dem denkmalgeschützten Gebäude, das momentan
mit einer gut sichtbaren, riesigen
Stahlklammer vor dem Zusammensturz bewahrt ist. Es ist jenes Gebäude, das quasi als Reminiszenz an die
traditionelle Vergangenheit des Areals
als Keramikfabrik (ab 1861), Spinnerei (1875 bis 1904) und Papierfabrik
(1904 bis 2007) genutzt wurde. Die
Wohnungen zeichnen sich durch hohe
Räume und grosse Fenster aus, so wie
Industriebauten damals eben ausgelegt waren, erläutert Ulrich Blessing,
Verantwortlicher für die Entwicklung.
Auf die Frage, um wie viel der Denkmalschutz diesen Loft-Bau verteuere,
zucken Capt und Blessing vielsagend
mit den Schultern. Sie hoffen, dass
sich die Stadt finanziell an den Mehrkosten beteiligt.
Ende 2017 abgestellt
Wasserkraftwerkfassung in Adliswil: Bewilligt sind nur noch
5 Prozent der Durchflussmenge.
Einen weiteren Strich durch die Rechnung machte Losinger Marazzi der
Kanton. Denn das zuständige Amt hat
die über 150-jährige Konzession für das
Kleinwasserkraftwerk beim Spinnereigebäude nicht erneuert. Der Grund dafür ist das eidgenössische Gewässerschutzgesetz, das eine Revitalisierung
der Sihl in diesem Abschnitt verlangt.
So wird nichts mit der Energieversorgung aus dem eigenen Wasserkraftwerk, bisher ein wichtiges Kernstück
der Vermarktung von Greencity. «Wir
So sah die Spinnerei vor gut 100 Jahren aus. Erbaut wurde das markante, mittlerweile denkmalgeschützte Gebäude 1857. Fotos: zvg./ L. Steinmann
Der ausgehöhlte Bau heute, rechts der Wasserkanal.
Und so präsentiert sich das Spinnereigebäude nach Bauende.
Hier auf Adliswiler Gebiet erfolgt die Wasserfassung.
Das Greencity-Gebiet von der Allmendstrasse aus gesehen. Die Bausumme beträgt 800 Millionen Franken.
Fürst Albert II von Monaco begutachtet das Wollishofer Modell.
sondern ohne Umweg in der Sihl Richtung Limmat fliessen. Greencity wird,
neben der durch Erdsonden, Grundwasser und Photovoltaik produzierten
Energie, externen, natürlich ökozertifizierten Strom zukaufen. «Auf das
2000-Watt-Label hat diese Änderung
keinen Einfluss», betont Capt. Zudem
klärt Losinger Marazzi zurzeit ab, ob
sich als Ersatz ein Kraftwerk im bestehenden Wehr in der Sihl realisieren
liesse.
eine öffentliche Schule, Einkaufsmöglichkeiten und Restaurants. Die Bausumme beträgt über 800 Millionen
Franken. Dass Greencity tatsächlich
ein Vorzeige-Projekt punkto 2000Watt-Gesellschaft ist, beweist der Auftritt am UN-Klimagipfel «COP 21» in
Paris. Dort liess sich Fürst Albert II von
Monaco das Projekt anhand des jetzt
wieder an der Allmendstrasse stehenden Modells erklären. Gegen 30 Prozent der LKW-Fahrten für die Betonaufbereitung werden übrigens vermieden, weil der Beton der Altbauten der
Sihlpapier auf dem Gelände für die
Neubauten rezykliert wird.
müssen uns fügen, denn das ist übergeordnetes Bundesgesetz», seufzt Capt.
Das Kraftwerk muss nun spätestens
Ende 2017 abgestellt werden, nachdem
es vor über 150 Jahren erbaut wurde,
zusammen mit dem noch auf Adliswiler
Gebiet aus der Sihl abzweigenden Oberwasserkanal. Ob die Turbinen als «Fabrikdenkmal» stehen gelassen werden,
ist noch nicht entschieden. Immerhin
soll durch den Kanal weiterhin Wasser
fliessen, da er zum historischen Ensemble gehört und ein wichtiger Lebensraum für Fische ist. Allerdings werden
statt 3000 Liter pro Sekunde nur noch
rund 150 Liter pro Sekunde durchfliessen. Denn 95 Prozent der Wassermenge
wird künftig nicht mehr abgezweigt,
Aufmerksamkeit am Klimagipfel
Total wird es auf dem Areal der ehemaligen Sihlpapier bis 2020 13 Grossbauten für 2000 Einwohner und 3000
Beschäftigte geben, darunter ein Hotel,
www.greencity.ch; spinnerei-lofts.ch.