Abschliessen und Neues sehen

Toggenburger Tagblatt: 7. August 2015
Abschliessen und Neues sehen
Doris Sutter geniesst die ruhigen Momente bei einer Tasse Kaffee auf dem Balkon ihres Hauses in Ebnat-Kappel.
Bild: Christiana Sutter)
EBNAT-KAPPEL. Doris Sutter aus Ebnat-Kappel war mit Engagement
Lehrerin und Heilpädagogin. Das Wichtigste im Leben sind ihr ihr
Mann, die Kinder und die Enkelkinder. Mit der Pensionierung will sie
Altes abschliessen und Neues entdecken.
CHRISTIANA SUTTER
Doris Sutter sitzt zusammen mit ihrem Mann Jean-Pierre auf dem Balkon ihres Hauses in EbnatKappel, eine Tasse Kaffee vor sich und in Erinnerungen schwelgend. Man sieht ihr an: Sie ist geerdet.
«Wir sind erst vor ein paar Tagen von einer grossen Kreuzfahrt in den Norden zurückgekehrt.» Von
Kopenhagen aus gestartet, führte die Reise über Spitzbergen, den 80. Breitengrad ans Nordkap und
über Murmansk zurück nach Kopenhagen. Zwei Tage nach ihrer Pensionierung als Heilpädagogin an
der Oberstufenschule Büelen in Nesslau hat das Ehepaar Sutter die Reise angetreten. «Ich bin aber
froh, wieder zu Hause zu sein, ich hatte Heimweh nach der Familie.» Die Heilpädagogin ist eine
Familienfrau. Das merkt man, wenn sie von ihren vier Kindern und den acht Enkelkindern spricht. «Wir
waren und sind noch immer eine lebhafte Familie.»Am Sonntagabend war jeweils Familienrat bei den
Sutters, «es wurde <pätsch> über alles gesprochen und nach Lösungen gesucht».
Kinder- und Schulzeit
Nach ihrer Ausbildung zur Primarlehrerin unterrichtete die 59-Jährige im luzernischen Emmenbrücke.
Sie gab auch Religions- und Musikunterricht. Durch die Heirat mit Jean-Pierre Sutter kam sie in die
Ostschweiz. «Dann war während 17 Jahren Kinderzeit.» Die Sutters haben zwei erwachsene Töchter
und Söhne. Tochter Barbara lebt mit ihrem Mann und einem Kind in Luzern, Regina mit drei Kindern
in Speicher, Dominik hat zwei Kinder und lebt in Parpan, und Johannes in Hemberg, auch er hat zwei
Kinder.
Nach der Kinderzeit war der Lebensinhalt von Doris Sutter die Schule. Von 1996 bis 2002 war sie in
Ebnat-Kappel und in der Schule im Wintersberg Stellvertretung und sie arbeitete im Johanneum in
Neu St. Johann. «Irgendwie hat es sich ergeben, dass mich die schwierigen Fälle anzogen.» Dies
bewog Doris Sutter 2002, mit 46 Jahren ein Studium zur schulischen Heilpädagogin in Zürich zu
beginnen. Während der ganzen Studienzeit unterrichtete sie an der Oberstufe in Ebnat-Kappel als
Heilpädagogin. «Von 2000 bis 2008 war ich auch noch im Ebnat-Kappler Gemeinderat», sagt die
engagierte Frau. Sie seufzt und lehnt sich zurück. Für einen Moment schweift ihr Blick ab – sie hat
sich aber gleich wieder gefasst. Ihr letzter Arbeitswechsel war 2010. Sie wechselte als Heilpädagogin
von Ebnat-Kappel nach Nesslau. Am 3. Juli war der letzte Schultag von Doris Sutter.
«In Pension bin ich aber erst seit dem 27. Juli, das heisst nicht, dass ich im Ruhestand bin. Loslassen
und Veränderungen sind wichtig.» Die Arbeit als Heilpädagogin hat Doris Sutter mit sehr viel Herzblut
und Engagement ausgeübt. «Mir war es immer ein Anliegen, das Selbstbewusstsein der Kinder zu
stärken und ihnen so einen Schub fürs Leben mitzugeben.»
Stärken hervorheben
In der heutigen Zeit sind die Heilpädagogen fast nicht mehr von den Schulen wegzudenken, «denn die
Eltern wollen die Kinder nicht in Kleinklassen abgeben». Die Heilpädagogen unterstützen die Lehrer
während des Unterrichts. Die schulischen Anforderungen werden den Kindern angepasst, «und so
Druck von ihnen genommen».
Doris Sutter erzählt spontan von einem jungen Mann, den sie unlängst getroffen hat. «Ein junger
Kosovo-Albaner, der nur Schwierigkeiten hatte im Leben, er wurde ständig mit seinen Fehlern
konfrontiert.» Sie überlegt einen Moment, bevor sie weiterspricht: «Ich habe immer versucht, aus den
Schwächen die Stärken hervorzuheben.» Der junge Mann hat Doris Sutter bei der Begegnung
übrigens voller Stolz seinen Sohn gezeigt. Für die Zeit «danach» hat sich Doris Sutter nicht speziell
vorbereitet, und dies, obwohl ihr Mann Präsident des Regionalkomitees der Pro Senectute ist. Er gibt
Seminare für die Pensionierung. «Ich habe seinen Rat nicht gebraucht, die Pensionierung hat mich
einfach überrollt», lacht sie. Ihr ist aber bewusst, dass die Pensionierung auch Veränderungen mit
sich bringt.
Antennen sind ausgestreckt
Die engagierte 59-Jährige freut sich auf den neuen Lebensabschnitt. «Es wird mir sicher nicht
langweilig.» Denn von Dienstag bis Donnerstag ist sie mit Hütedienst bei einem ihrer vier Kindern
engagiert. «Mein Mann hilft auch, er ist aber der Springer.» Weiter hat sich das Ehepaar Sutter
vorgenommen, auch öfters Kurzferien zu machen oder den Wohnwagen in Wagenhausen zu nutzen.
«Den Wohnwagen habe ich während meiner Studienzeit oft als Rückzugsort benutzt», sagt Doris
Sutter. Ein Hobby, oder eine Passion, hat Doris Sutter – das Geigenspielen. Sie ist auch seit 15
Jahren Dirigentin im Männerchor Bühl. Man merkt Doris Sutter an, dass sie voller Energie ist.
«Meine Antennen sind ausgefahren, Neues zu entdecken.» Bevor aber Neuland betreten werden
kann, muss mit dem Alten abgeschlossen sein. Dass das im Fall von Doris Sutter so ist, spürt man.