Ausgabe 2/15 November 2015 26‘000 Exemplare SCHWEIZER PATIENTENMAGAZIN FÜR PHYSIOTHERAPIE Osteoporose Wenn die Knochen brüchig werden 09 Wunderwerk Hand 12 Raymond Farquet Weit mehr als ein Greiforgan Der Genfer Schriftsteller lernt wieder zu gehen www.patientenseite.ch 2 THEMA Physiotherapie hilft! Therapeutensuche unter www.patientenseite.ch Schweizer Physiotherapie Verband UNSERE LEISTUNG BEWEGT ALLE. PHYSIOMAGAZIN 2/15 EDITORIAL / INHALT Herzlich willkommen Osteoporose – die stumme Krankheit. Häufig wird sie erst bei erst bei einem Sturz und einer folgenden Fraktur erkannt. Gute Ernährung, Vitamin D und genügend Bewegung können sie verhindern oder lindern. In diesem physiomagazin lesen Sie über den Besuch in einer Osteogym-Gruppe, in welcher es um viel Bewegung, Gleichgewicht und auch Spass geht. Und Sie erfahren Näheres zur tückischen Krankheit Osteoporose. OSTEOPOROSE Bei «Knochenschwund» ist neben einer guten Ernährung Bewegung besonders wichtig. Besuch bei einer Osteogym-Gruppe. Die Physiotherapeutin Marlene Arnold zeigt auf, weshalb die Physiotherapie ein Hand-Werk ist und wie Sie Ihren Händen Sorge tragen können. Domizilbehandlungen, Physiotherapie zuhause, sind wichtig für viele Menschen jeden Alters. So auch für den 85-jährigen Schriftsteller Raymond Farquet. Er beschreibt seinen Weg vom Rollstuhl zum Gehen in den Gassen von Genf. Die Verhinderung von Stürzen im Alter haben sich bfu, physioswiss, Rheumaliga und Pro Senectute zur gemeinsamen Aufgabe gemacht. Was Sie selber tun können und wo wir Sie unterstützen, erfahren Sie in dieser Ausgabe. Wir wünschen Ihnen beim Lesen des Magazins gute, kurzweilige Unterhaltung. 04 HÄNDE Tasten, greifen, spüren, lesen, reden und auch heilen können Hände. Die Hand in der Therapie und im Alltag. 09 Der Schriftsteller Raymond Farquet schreibt darüber, wie er mit seiner Physiotherapeutin die Tour rund um die «Place de la Madeleine» in Genf meistert. Ein poetischer Einblick in die Domiziltherapie. 12 PERSÖNLICH PÄDIATRIE Der Kauf des ersten Kinderschuhs ist nicht immer ganz einfach – die Ratschläge der Kinderphysiotherapeutin. KURZ NOTIERT Schulterschmerzen 15 17 GESUNDHEITSORGANISATION Die BFU will gemeinsam mit Pro Senectute, Rheumaliga und physioswiss Stürze verhindern. Pia Fankhauser Vizepräsidentin physioswiss 18 03 04 OSTEOPOROSE Bewegung ist für Osteoporose-Patientinnen und -Patienten äusserst wichtig. Sie stimuliert die Knochen. OSTEOPOROSE Wenn die Knochen brüchig werden Gleichgewicht, Tanz und Spiel liegen nah beieinander. Um das eine zu trainieren, kann das andere nützlich sein. Besuch in einer Osteogym-Gruppe, wo es um Koordination, Kraft und Kameradschaft geht. Montagmorgen in Sihlfeld Zürich. In der Osteogym-Gruppe der Rheumaliga treffen sich Frauen, die trotz ihrer Osteoporose-Erkrankung fit bleiben möchten. Sie alle sind gekommen, um ihr Gleichgewicht und ihre Kraft zu verbessern und damit Stürzen vorzubeugen. Und nicht nur das: Sie wollen auch ihre Knochen stärken. Die «Krankheit der brüchigen Knochen» Heidi Bretscher, 71 Jahre, ist erst kürzlich auf dem Trottoir gestürzt. Sie hat sich dabei das Handgelenk gebrochen. Nach Operation, Spitalaufenthalt und Physiotherapie ist sie wieder zurück in der Gruppe. Sie möchte so etwas nicht so schnell wieder durchmachen müssen. Deswegen übt sie fleissig, auf einem Bein zu stehen. Das braucht sie nämlich für jeden sicheren Schritt in ihrem Alltag. Frau Bretscher hat Osteoporose (im Volksmund auch Knochenschwund genannt). Osteoporose ist weit verbreitet. Durch die gestiegene Lebenserwartung steigen auch die Fälle mit Knochenschwund. Denn mit dem Alter wird Os- Eine aufrechte Haltung wiederfinden. teoporose immer häufiger: Die Hälfte aller Menschen über 80 Jahren hat eine Osteoporose. Schon bei den über 50-Jährigen trifft es fast jede dritte Frau und jeden siebten Mann. Osteoporose ist eine Erkrankung der Knochen, bei der die Knochenmasse zu niedrig ist und der Knochen dadurch spröde und brüchig wird. Beim Knochenschwund wird mehr Knochensubstanz ab- als aufgebaut. Ursachen dafür gibt es verschiedene. Einerseits kann durch eine Mangelernährung in der Jugend zu wenig Knochensubstanz aufgebaut worden sein. Andererseits wird der Knochen während des Alterungsprozesses natürlich abgebaut. Das Zusammentreffen beider Faktoren ergibt, dass der Knochen zu wenig Masse hat und somit eine Osteoporose entsteht. Zusätzlich kann ein Hormon- PHYSIOMAGAZIN 2/15 05 06 OSTEOPOROSE mangel bei der Menopause der Frau einen übermässigen Knochenabbau bewirken (Risikofaktoren siehe Infobox S. 7). Ein Sturz kann die ganze Lebenssituation verändern Wenn der Knochen brüchig ist, können schon leichte Stürze verheerende Folgen haben. Ein Sturz kann die ganze Lebenssituation verändern, wie die Geschichte von Frau Vogt (Name geändert) zeigt: Die ältere Frau, die bis anhin selbstständig bemerkbar. Frau Vogt kann schliesslich nicht mehr nach Hause zurück, sondern muss in ein betreutes Wohnen ziehen. Nicht nur Osteoporose-Patienten stürzen. Nahezu jede dritte Person über 65 Jahren stürzt jährlich einmal. Die Gesundheitskosten infolge Sturzverletzungen von über 65-Jährigen belaufen sich auf 1,4 Milliarden Franken pro Jahr. Und 81 Prozent der Todesursachen in Haus und Freizeit sind Stürze (bfu). Vorbeugen ist also überaus wichtig! Unser Körper ist intelligent: Wenn er merkt, dass er gebraucht wird, veranlasst er, den Knochenaufbau zu fördern. 1. Spielend wird die Schnelligkeit verbessert. 2.Tanzen schult die Koordination und hilft so, Stürze zu vermeiden. 1 PHY in ihrer Wohnung lebt, stolpert über eine Teppichkante, stürzt und bricht sich den Oberschenkelhals. Während der Operation erleidet sie eine leichte Minderdurchblutung des Gehirns. Danach hat sie Mühe, wieder auf die Beine zu kommen, denn sie liegt einige Zeit im Spitalbett. Ihre Muskeln bauen deswegen stark ab. Auch der erlittene Sauerstoffmangel im Gehirn macht sich mit Einschränkungen Prävention ist alles Deshalb trainieren die Frauen in der Osteogym-Gruppe: Sie möchten beweglich bleiben, sie wollen Hindernissen ausweichen können und wieder so gehen, dass sie nicht am Teppichrand hängen bleiben. Heidi Bretscher erzählt, dass sie nun besser auf einem Bein stehen und so einfacher in ihre Badewanne steigen kann. Darüber hinaus beeinflusst Bewegung OSTEOPOROSE den Knochenaufbau positiv. Reize wie Zug und Druck am Knochen geben dem Körper wichtige Informationen. Und unser Körper ist intelligent: Wenn er merkt, dass er gebraucht wird, veranlasst er, den Knochenaufbau zu fördern. Inaktivität dagegen ist Gift für uns. Denn unser Körper ist darauf aus, ökonomisch zu haushalten: Alles, was nicht gebraucht wird, fährt er auf ein Minimum zurück. So wird der Knochenabbau weiter voranschreiten. Bewegung ist also für Osteoporose-Patienten eine wichtige «Medizin» und für alle ältere Menschen ein Mittel, um mobil zu bleiben. Zur Osteoporose-Prävention ist Bewegung in jedem Lebensalter elementar, insbesondere auch für Kinder und Jugendliche: Denn je höher die Knochendichte in der Jugend ist, desto später wird der Knochen durch den altersbedingten Abbau zu dünn (osteoporotisch). Ursi Hellwig, Physiotherapeutin und die Leiterin der Osteogym-Gruppe, ist sich bewusst, dass neben dem Training auch die Aufklärung über die Körperzusammenhänge ein wichtiger Bestandteil ihrer Lektion sein muss. Sie lädt jeweils alle ein, an einem Informationsabend der Rheumaliga teilzunehmen. Dort wird alles Wissenswerte zu Osteoporose vermittelt, Fragen werden beantwortet und Tipps zur Ernährung gegeben. Und wenn eine Frage offen geblieben ist, kommt Ursi Hellwig in der Lektion darauf zurück. Die Gruppenmitglieder schätzen diese Kombination aus Training und Information sehr. Margareta Hofmann, 82 Jahre, erwähnt zuerst, sie käme nur wegen der tollen Kameradschaft und der netten Physiotherapeutin. Aber, erzählt sie dann, sie hätte auch gelernt, jeden Tag eine Runde an der frischen Luft spazieren zu gehen – und das bei jedem Wetter. Sie erklärt mit Nachdruck, das sei ihre Art, mit dem Alter umzugehen. Sie könne zwar nicht mehr auf das Tram rennen, aber spazieren könne sie noch allemal. Gute Ernährung und Sonne Zur Vorbeugung und Therapie von Osteoporose ist eine gesunde Ernährung mit genügend Kalzium und Vitamin D wichtig. 2 RISIKOFAKTOREN FÜR DIE ENTSTEHUNG EINER OSTEOPOROSE • • • • • • • • • • Bewegungsarmut in der Jugend bis ins Alter Mangelernährung (insbesondere Kalzium- und Vitamin D-Mangel) Rauchen Übermässiger Alkoholkonsum Niedriges Körpergewicht auch in jungen Jahren Frühe Menopause (Wechseljahre) Östrogenmangel Vererbte Neigung zu Osteoporose Lange Einnahme von Kortison Krankheiten wie Schilddrüsenüberfunktion, Diabetes, chronischer Durchfall Das Kalzium braucht der Köper für verschiedenste Vorgänge. Ist zu wenig davon im Blut, regt der Körper den Abbau des Knochens an, um an das im Knochen eingelagerte Kalzium zu gelangen. Deshalb ist es wichtig, genügend Kalzium über die Nahrung einzunehmen. Vitamin D hilft im Darm, das Kalzium aufzunehmen und es in den Knochen einzubauen. Es ist somit ein wichtiger Baustein, der schnell zur Mangelware werden kann. Vitamin D wird zum einen unter der Haut produziert. Dazu braucht die Haut genügend Sonnenbestrahlung. Im Sommer PHYSIOMAGAZIN 2/15 07 08 OSTEOPOROSE KALZIUM IN LEBENSMITTELN UND GETRÄNKEN • Milch und Milchprodukte wie: Joghurt und Käse • Kalziumreiches Mineralwasser wie: Adelbodner, Adello, Eptinger, Farmer • Grünes Gemüse wie: Brokkoli, Bohnen, Grünkohl kann jeder mit einem kurzen Sonnenbad, ohne Sonnenschutz, diese Produktion anregen. Schwieriger ist es in den Wintermonaten. Um einem Vitaminmangel vorzubeugen ist es ratsam, auch in der kalten Jahreszeit täglich mindestens 20 Minuten ins Freie zu gehen. Im Alter lässt die Produktionsfähigkeit in der Haut jedoch nach. So kann es trotzdem schnell zu einem Mangel an Vitamin D kommen. Weitere Informationen: • www.rheumaliga.ch/osteoporose • www.osteoswiss.ch Alexa Oberson, Physiotherapeutin FH und Journalistin aus Sursee LU. © cut - Fotolia © monticellllo – Fotolia Eine zweite Möglichkeit, um an Vitamin D zu gelangen, besteht darin, es über die Nahrung aufzunehmen. Allerdings enthalten nur wenige Lebensmittel Vitamin D und auch nur in einer geringen Konzentration. Es ist zum Beispiel in Lachs, Hering, Eigelb, Butter und Pilzen zu finden. Vitamin D ist auf jeden Fall wichtig, denn es verbessert auch die Muskelkraft, vor allem die Schnellkraft und die Koordinationsfähigkeit. Auch das trägt dazu bei, Stürze zu vermeiden. Wenn die Osteoporose schon da ist Bevor die Osteoporose weiter fortschreitet, ist eine Einnahme von Kalcium und Vitamin D in Tabletten- oder Tropfenform ratsam. Auch die Behandlung mit spezifischen Medikamenten ist wirksam gegen den weiteren Knochenabbau. Wann welche Medikamente sinnvoll sind, wird vom Hausarzt abgeklärt und entschieden. Die Frauen von der Osteogym-Gruppe haben schon viel erlebt, die meisten waren auch schon mehrmals in medizinischer und physiotherapeutischer Behandlung. Aber sie haben über alles ihre Motivation und Lebenslust nicht verloren. «Man muss das Älterwerden auch mit Humor nehmen», fügt Heidi Morf (70) mit einem Augenzwinkern hinzu. Beim abschliessenden Spiel in der Gruppe sind alle mit viel Spass dabei und staunen selber, wie beweglich und geschickt sie doch sein können. Grünes Gemüse, kalziumreiches Mineralwasser und Milchprodukte enthalten viel Kalzium. PHYSIOMAGAZIN 2/15 HÄNDE 09 Weit mehr als ein Greiforgan: Wunderwerk Hand Hände sind ein überaus bedeutender Körperteil und nicht nur für Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten zentral. Was Hände alles können, wie wir ihnen Sorge tragen sollten und welche Hygieneregeln zu beachten sind. Wann haben Sie zuletzt Ihre Hände betrachtet? Die Bedeutung der Hände liegt quasi auf der Hand: Faszinierende Werkzeuge, weit mehr als ein Greiforgan und wahre Meisterwerke der Schöpfung. Mit den Händen erkunden wir die Umwelt, spüren, verstehen und begreifen. Wir können sie auf bestimmte Tätigkeiten hin trainieren, sodass sie uns in den unterschiedlichsten Berufen unschätzbare Dienste leisten. Mit ihnen erledigen wir den grössten Teil unseres Tagwerks, ob bei Haus- oder Büroarbeiten, ob als Pianist, als Bauarbeiter oder als Physiotherapeutin – ohne Hände nicht vorstellbar! 30 Prozent des Bewegungsareals im Gehirn werden von den Händen beansprucht Die Hand: 27 Knochen, 15 Gelenke, 40 Muskeln, 3 Hauptnerven, unzählige Sinnesrezeptoren, Schweissdrüsen und mehr sorgen für Fingerfertigkeit und Fingerspitzengefühl. Kein anderes Organ ist mit dem Gehirn so eng verbunden wie die Hand. 30 Prozent des Bewegungsareals im Gehirn werden von den Händen beansprucht. Den Füssen steht zum Vergleich nur so viel wie zwei Fingern zu. © Marlene Arnold Das Gehirn steuert die Hände. Dass aber auch die Hände das Gehirn und das Kurzzeitgedächtnis trainieren können, ist weniger bekannt. Studien mit Blinden haben gezeigt, dass die Finger direkt unser Denken, unsere geistigen Fähigkeiten und unser Gehirn beeinflussen. So vergrössert sich zum Beispiel das Hirnareal für den Lesefinger beim Erlernen der Blindenschrift. Ein weiteres Beispiel zeigt die unglaubliche Bedeutung («Multitool») der Hand. In einem Experiment hinderten Wissenschaftler die Testpersonen am Gestikulieren. Das Ergebnis war erstaunlich. Die Testpersonen sprachen langsamer, weniger flüssig und PHYSIOMAGAZIN 2/15 HÄNDE DIE PERFEKTE HANDWASCHTECHNIK © Gina Sanders – Fotolia 10 Werden Hände richtig gewaschen, geben Sie Keimen keine Chance: hatten Formulierungsprobleme. Das heisst: Mit den Händen sprechen wir besser, vor allem dann, wenn wir mit Worten überzeugen wollen. Heilen mit den Händen Eine Physiotherapeutin muss ein umfangreiches, differenziertes anatomisches Wissen haben, das sie gezielt in der jeweiligen therapeutischen Situation einsetzt. Ihre geschickten und geübten Hände fassen fest und dennoch dosiert in das zu behandelnde Gewebe. Sie spürt die Haut, ob diese warm oder kalt, trocken oder feucht ist. Die Konsistenz des Gewebes beurteilt sie durch leichten Druck mit der flach aufliegenden Hand. Verhärtungen kann sie orten, einzelne Muskeln, Sehnen, Knochen und Nerven, ja sogar Bänder und Gelenke ertasten. Ergibt die physiotherapeutische Untersuchung, dass das Gewebe behandelt werden muss, so kann die Physiotherapeutin auf viele verschiedene Techniken zurückgreifen. Sie kann mit den Händen in Form von Massagen – durch Streichen, Reiben, Klopfen, Rollen, Schütteln, Verschieben von Narben und Faszien (Bindegewebsplatten) – über die Haut in tiefere Schichten vordringen. Muskeln werden geknetet, schmerzhafte Punkte (Triggerpunkte) mit Druckpunktmassage beseitigt. Gelenke müssen manuell mobilisiert werden, ganze Gelenksketten in die anatomisch exakte Bewegungsrichtung gelenkt werden. Diese manuellen Therapien können sehr fein, kaum spürbar sein, aber auch bis an die Schmerzgrenze des Patienten reichen. PHYSIOMAGAZIN 2/15 • Hände unter fliessendem Wasser anfeuchten • ausreichend Flüssigseife nehmen, um die gesamte Handoberfläche damit zu bedecken • erst die Handflächen aneinander reiben, um die Seife gut aufzuschäumen • dann die Fingern spreizen, Fingerzwischenräume waschen • den Schaum über die Handgelenke verteilen • dann die Hände gegenseitig im Wechsel übereinander reiben • nun den Daumen der linken Hand in der geschlossenen rechten Hand drehen, den rechten Daumen in gleicher Weise Der Waschgang sollte 20-30 Sekunden dauern. HÄNDE Wer auf Handhygiene achtet, schützt nicht nur sich, sondern auch andere Ausserhalb des medizinischen Umfelds gilt: Das einfachste und wirksamste Mittel, um eine Keimübertragung zu vermeiden, ist das gründliche und regelmässige Händewaschen. Eine Flüssigseife mit hohem pH-Wert ist besser als ein Stück Seife. Sie schont die Haut und hat eine rückfettende Wirkung. Desinfizieren ist im Alltag nicht nötig, nur bei immungeschwächten Personen, Pflegebedürftigen und bei Personen, bei denen gehäuft Infektionen auftreten. Die Hände sollen gewaschen werden: • beim Nachhausekommen • vor dem Kochen und Essen • nach dem Aufsuchen des WCs • nach dem Naseschnäuzen, Niesen oder Husten • nach dem Kontakt mit Tieren • vor und nach dem Windelwechseln Hände aus dem Gesicht: Wir greifen uns durchschnittlich 15-mal in der Stunde ins Gesicht. Das kann krankmachende Folgen für uns haben. Sind wir erkältet, verteilen wir die Keime mit unseren Händen an unzählige Orte und gefährden so andere. Händeschütteln gehört in unsere Kultur, aber von übertriebenem Händeschütteln wird abgeraten, besonders während einer Grippewelle. Marlene Arnold ist seit 26 Jahren Physiotherapeutin in der Handtherapie am Inselspital Bern. 1 3 2 1. Behandlungstechnik in der Physiotherapie. 2. Ein Rapsbad - eine Wohltat für die Hände. 3. Knetbälle kräftigen die Hände und halten sie beweglich. © Marlene Arnold Hygieneregeln Die Physiotherapeutin ist darauf bedacht, sich und andere zu schützen. Dennoch kann sie sich nicht nach jedem Patienten die Hände waschen. Das würde die Haut trocken und spröde machen und den Säureschutzmantel angreifen. So gilt als Regel: Ist kein sicht- oder tastbarer Schmutz an den Händen zu erkennen, reicht das Desinfizieren mit einen rückfettenden Desinfektionsmittel. WAS TUN, WENN DIE HÄNDE ALTERN, STEIF WERDEN UND SCHMERZEN? Sehr wohltuend für die Hände ist mehrmals tägliches Eincremen mit einer rückfettenden Handcreme. Verbindet man dies mit einer ausgiebigen Handmassage, so trägt man nicht nur zum gepflegten Erscheinungsbild der Hände bei, sondern auch zu deren Wohlbefinden. In der Handtherapie wird ein Wachs-Paraffinbad zur Hautpflege, Schmerzlinderung und Förderung der Durchblutung und Beweglichkeit eingesetzt. Günstige Paraffinhandbäder für zuhause findet man bei verschiedenen Anbietern im Internet. Insbesondere im Winter sind raue, steife und kalte Hände dankbar für ein warmes Paraffinbad mit Paraffinkneten. Sehr angenehm ist auch das Rapsbad. 1-2 Kilogramm Raps in der Landi oder im Internet gekauft, reichen für eine Schüssel. Und schon ist das Rapsbad einsatzbereit. Raps hat an sich eine kühlende und pflegende Wirkung. Wer es kälter oder wärmer mag, kühlt den Raps im Gefrierfach oder erwärmt ihn im Backofen. Die Haut und die Gelenke werden davon profitieren, wenn Sie täglich einige Minuten genüsslich darin baden mit viel Strecken, Spreizen, Greifen und Kreisen der Finger. Auch Knetbälle (Jonglierball oder Knetmasse) eignen sich hervorragend zur Beweglichkeitserhaltung und Kräftigung der älter und schwächer werdenden Hände. PHYSIOMAGAZIN 2/15 11 12 PERSÖNLICH BUCHHINWEIS: GENÈVE EN FAUTEUIL Raymond Farquet hat seit 1980 über zehn Bücher veröffentlicht, die sich insbesondere auch mit dem Wallis beschäftigen, von wo der Schriftsteller stammt. Sein jüngstes Werk trägt den Titel «Genève en fauteuil» (Genf vom Rollstuhl aus, bislang nur Französisch erhältlich) und ist bei «Éditions d’Autre Part» erschienen. Es sind poetische Beobachtungen von seinen Spaziergängen durch Genf mit dem Elektrorollstuhl, der neue, andere Blickwinkel auf die Stadt erlaubt. Raymond Farquet (2015): Genève en fauteuil, Éditions d’Autre Part. 26 Franken. In den Gassen von Genf, mit meiner Physiotherapeutin Der 85-jährige Genfer Schriftsteller Raymond Farquet lernte mit seiner Physiotherapeutin Yasmine, die ihn zuhause besuchte, wieder selbständig gehen. «Ich träume oft davon, auf einsamen Wegen zu spazieren und eins mit der Stille des Waldes zu werden. Aber leider verhindert meine Altersschwäche, diese Lust auf Natur ausleben zu können. Meinen Schwächen nimmt sich jedoch Yasmine, meine Physiotherapeutin, zwei Mal in der Woche an. Sie begleitet mich auf die friedliche Place de la Madeleine. Entlang der Mauer legen wir kurze Pausen ein. Wir spazieren in kleinen Schritten und kommen tröpfchenweise voran. Aber immerhin kommen wir voran. Bei den gerings- PHYSIOMAGAZIN 2/15 ten Unebenheiten im Kopfsteinpflaster nimmt mich Yasmine bei der Hand. Festgehalten von ihrem Arm kommen wir am Karussell vorbei. Yasmine führt mich und hält mich fest, um unerwarteten Hindernissen auszuweichen. Und da ich mit meinen 85 Jahren viel kleiner bin als sie, folge ich brav ihren Anweisungen. Wir kommen immer voran. Wir erreichen die Treppe, der Abstieg ist steil. Sie hält mich wie ein kleines Kind. Schon kann sie eine kleine Katastrophe verhindern, einen Sturz auffangen. Nach der Rue du Collè- ge gehen wir wieder hinauf, dem Brunnen mit den Engeln entgegen. Um dort langsam aber doch zu meinem Rollstuhl zurückzukehren. Dank ihren Anstrengungen hält sich meine Erschöpfung in Grenzen. Ich weiss nicht warum, aber in ihrer Anwesenheit schöpfe ich neues Vertrauen, um gehen zu können, um ohne Zurückhaltung oder Angst einen Fuss vor den andern zu setzen. Sie gleicht meine Altersschwächen sehr geschickt aus. Yasmine verströmt eine stille Menschlichkeit, mit der sie sich PERSÖNLICH 1 den Unvollkommenheiten und Beschwerden des Alters annimmt. Und ich spaziere einfach weiter, unbekümmert und immer festgeklammert an ihrem Arm. Sie ist meine Rundumversicherung. © Genève Tourisme Bevor wir jedoch die Stadt unter freiem Himmel erkunden konnten, hat Yasmine mit mir zuhause alle Bewegungen geübt. Ich konnte so die Kraft zurückgewinnen, die ich brauche, um das Haus verlassen zu können. Vom ersten Moment an fühlte ich mich bei ihr gut aufgehoben. Ich erklärte ihr meine Beschwerden, sie hörte zu und hatte sofort eine passende Übung bereit. Für jedes Anliegen eine Übung. Mit jeder Übung ein Fortschritt: In vielen kleinen Schritten schaffte ich es immer besser, mit meinen Altersgebrechen umzugehen. Yasmine ist nicht sehr gesprächig, aber sie brachte mir gezielt wieder die Bewegungen bei, die ich benötige, um meine Schwächen vergessen zu machen. Es ist, als könnte sie sich in meine Muskeln hineinversetzen und deren Steifigkeit auflösen. Hatte ich einmal Rückenschmerzen, wusste ihre Hand immer sie zu lindern. 1. Entlang der Mauer legen wir kurze Pausen ein. 2.Festgehalten von ihrem Arm, kommen wir am Karusell vorbei. © Genève Tourisme 2 PHYSIOMAGAZIN 2/15 13 PERSÖNLICH © Genève Tourisme 14 Die friedliche Place de la Madeleine in Genf - ein anspruchsvolles Trainingsgelände. Ihre wohldosierte Zuwendung, ihr Wissen und ihre ruhige Art sind wie Balsam für mich. Ich lerne, mich wieder aufrecht zu halten. Sie weiss, wie es geht. Sie erklärt. Und ich gehorche, ein kraftloser Greis, der ich geworden bin. Ich kann auf keine ihrer Anweisungen mehr verzichten: ein Bein nach vorne, das andere nach hinten, das Knie beugen, die Hüften locker machen, die Augen schliessen, vorwärtsgehen, rückwärtsgehen. Dies ist das A und O der Methode. Und dann kam der Tag, an dem wir zum ersten Mal hinausgehen konnten. Ich atmete die frische Luft ein, die ich seit so langer Zeit vermisst hatte. Jetzt bleibt mir noch eine letzte Herausforderung: ohne fremde Hilfe zu gehen, nur mit meinem Stock. Der Tag wird kommen, ich glaube fest daran. Aber ich werde dann auch Yasmine verlieren. Sie, die es geschafft hat, meinen Körper mit seinem hohen Alter auszusöhnen. Sie wird mir fehlen. Ich werde meinen Stock ansehen und ihm sagen, dass wir nun wieder Waisen sind.» Raymond Farquet PHYSIOMAGAZIN 2/15 DOMIZILBEHANDLUNG – PHYSIOTHERAPIE ZUHAUSE Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten behandeln nicht nur in Spitälern und Praxen, sondern machen auch Hausbesuche. Eine sogenannte Domizilbehandlung kommt zum Zug, wenn Patientinnen und Patienten nicht mehr selbstständig in eine Physiotherapiepraxis gelangen können. Die Domizilbehandlung wird dann von der Ärztin oder dem Arzt verschrieben und damit von der Grundversicherung bezahlt. Grundsätzlich können alle Krankheitsbilder zuhause behandelt werden, die keinen grossen apparativen Aufwand benötigen. Bei der Domiziltherapie können die Behandlungen und Übungen sehr genau an die Alltagsbedürfnisse angepasst werden. Ein Ziel kann beispielsweise sein, nach einer Operation die Treppe wieder alleine zu bewältigen oder zum Briefkasten gehen zu können. Dabei ist die Zusammenarbeit mit der Spitex und den Angehörigen wichtig. Zudem ist bei der Domizilbehandlung die Beratung zentral, zum Beispiel um Stürze zu verhindern. (red) PÄDIATRIE 15 Der erste Kinderschuh Für Eltern ist es nicht immer ganz einfach abzuschätzen, wann der erste Schuh gekauft werden sollte und worauf zu achten ist. Die Ratschläge der Kinderphysiotherapeutin. Wann der erste Schuh nötig wird Die Kinderphysiotherapeutinnen und Kinderphysiotherapeuten empfehlen den ersten Schuh zu kaufen, wenn das Kind frei und sicher in der Wohnung läuft und draussen im Freien sicher steht. Beim Schuhkauf sollte das Kind unbedingt dabei sein, damit es die Schuhe ausprobieren kann. Zudem ist es empfehlenswert, die Schuhe am Nachmittag zu kaufen. Der Fuss verändert sich durch die Bewegung im Laufe des Tages, in dem er breiter und länger wird. Die wichtigsten Punkte zum Schuhkauf Häufig werden zu kleine Schuhe gekauft. Es sollte darauf geachtet werden, dass der Fuss genügend Platz in der Länge und vorne in der Breite hat, damit die Zehen sich im Schuh frei bewegen können. Empfohlen wird, dass es im Schuh nach vorne hin noch zirka 12 mm bis 17 mm (1-2 Fingerbreite) Platz hat. Von aussen lässt sich mit den Fingern durch Tasten gut spüren, wie viel Platz an der Schuhspitze noch vorhanden ist. Eine andere Möglichkeit ist es, den Fuss auszumessen. Verlassen Sie sich nicht auf die angegebene Schuhgrösse, Schuhgrössen fallen zum Teil unterschiedlich aus. Entscheidend ist die Innenlänge des Schuhs. © athomass - Fotolia Schuhe haben in erster Linie eine Schutzfunktion – vor Verletzungen, Schmutz, Nässe und Kälte. Ein normal entwickeltes Kleinkind braucht keine Schuhe zur Unterstützung des Laufens. Sogenannte Lauflernschuhe oder spezielle Schuheinlagen sind ebenfalls nicht nötig. Im Gegenteil – das Barfusslaufen ist das Beste, um die Fussmuskulatur zu kräftigen. Zudem können die Kinderfüsse so verschiedene Untergründe (wie glatt, rau, weich, hart) erfahren und lernen, sich unterschiedlichen Bedingungen anzupassen. PHYSIOMAGAZIN 2/15 16 PÄDIATRIE Achten Sie zudem darauf, dass der Schuh zwischen Rist (Spann) und Ferse nicht zu weit ist, da der Fuss sonst nach vorne rutschen kann. Der Schuh sollte zu schnüren oder zum Beispiel mit einem Klettverschluss zu schliessen sein. Schauen Sie sich auch die Schuhverarbeitung an: Der Schuh sollte keine harten Nähte haben, um Druckstellen zu vermeiden. Das Material sollte weich, atmungsaktiv und feuchtigkeitsabweisend sein, um einen angenehmen Tragekomfort zu garantieren. Bei der Schuhsohle ist darauf zu achten, dass sie rutschfest und biegbar (verwringbar) ist. Zu kleine Schuhe deformieren den grossen Zeh Bisher gibt es nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen zum Thema Kinderschuhe. Ein österreichisches Forschungsteam hat jedoch Kindergartenkinder untersucht. Die Studie ergab, dass ein zu kurzer Schuh den «Hallux valgus» (Schiefstand des Grosszehs nach innen) fördert.* Das Forschungsteam empfiehlt, immer die Fusslänge und die Innenlänge der Schuhe zu messen, um den erforderlichen Platz sicherzustellen. Der Schuh sollte regelmässig zirka alle drei bis vier Monate auf Passgenauigkeit überprüft werden, da Kinderfüsse recht schnell wachsen (im Alter von 1 bis 3 Jahren monatlich zirka 1.5 mm). KÖNNEN GETRAGENE KINDERSCHUHE WEITER VERWENDET WERDEN? Je nach Stärke der Abnutzung können Sie bereits getragene Kinderschuhe für ein nachkommendes Kind weiter verwenden. Stellen Sie die gebrauchten Schuhe auf Augenhöhe mit der Fersenkappe vor sich hin: Ist die Sohle noch gerade? Dann schauen Sie entlang der Schuhinnen- und aussenseiten: Sind diese ausgebeult, so dass der Schuh schräg erscheint? Stehen die Schuhe gerade, können Sie diese Kinderschuhe getrost weiter verwenden. Ausgebeulte oder/und schräg abgelaufene Sohlen sollten Sie für Ihr Kind nicht mehr verwenden. SIND KNICKSENKFÜSSE ODER PLATTFÜSSE EIN PROBLEM? Normalerweise gehen Kinder in ihrer Entwicklung eine Weile auf der ganzen Fusssohle, weil das Längs- und Quergewölbe des Fusses noch nicht vollständig ausgebildet ist. Es gibt jedoch durchaus Kinder mit sehr starken Knicksenkfüssen, welche langfristig Beschwerden an Füssen, Knie und Hüften auslösen können. Sind Sie unsicher, ob Sie etwas unternehmen sollen, dann fragen Sie Ihren Kinderarzt oder lassen sich durch eine Kinderphysiotherapeutin beraten. PHYSIOMAGAZIN 2/15 Weitere Informationen: • www.swissmom.ch • www.babycenter.ch • www.kinderfuesse.com • Merkblatt: «Der erste Schuh», Spital Thun. www.paediatrica.ch • Buch: Wieland Kinz: KinderfüsseKinderschuhe. Alles Wissenswerte rund um kleine Füsse und Schuhe. Berit Saupe, Kinderphysiotherapeutin, arbeitet in der Stiftung RgZ, Frühberatungsund Therapiestelle für Kinder in Horgen ZH. * Christian Klein et al. Increased hallux angle in children and its association with insufficient length of footwear: A community based cross-sectional study, BMC Musculoskeletal Disorders, 2009,10: 159. KURZ NOTIERT Schulterschmerzen – Physiotherapie ist gleich gut wie eine Operation Es zwickt stark, wenn man die Teller aus dem Schrank nehmen will, und beim Haarewaschen. Das Portemonnaie in die Gesässtasche zu stecken, ist mühsam geworden und nachts auf der betroffenen Seite zu liegen, geht schon gar nicht: Schulterschmerzen sind sehr unangenehm und auch häufig, etwa 30 Prozent der Menschen leiden zumindest gelegentlich daran (Bundesamt für Statistik). Meist klemmt es Sehnen unter dem engen Schulterdach ein, sie entzünden und schwellen an, die Bewegungen werden noch schmerzhafter, ein Teufelskreis. Oft wird ein solcher Engpass im Schultergelenk operiert. Wissenschaftliche Studien belegen jedoch, dass ambulante Physiotherapie bei einem Grossteil der Fälle ebenso gute Resultate erzielt, ganz ohne Operation. Die Physiotherapeutin, der Physiotherapeut macht das Gelenk wieder beweglich, dehnt und kräf- tigt vor allem die Muskulatur. Nach sechs Monaten sind sowohl die operierten wie auch die nicht-operierten Patientinnen und Patienten, die nur Physiotherapie hatten, gleich gut bezüglich Schmerzen und können den Arm auch wieder gleich gut bewegen. Bedenkt man die Risiken und Kosten einer Operation, so spricht alles dafür, dass Schulterschmerzen «konservativ», also ohne Operation, behandelt werden sollen. (bc) Haahr, J.P., et al. Exercises versus arthroscopic decompression in patients with subacromial SAI: a randomised, controlled study in 90 cases with a one year follow up. Ann Rheum Dis, 2005. 64(5): p. 760-4. Holmgren, T. et al. Effect of specific exercise strategy on need for surgery in patients with subacromial SAI syndrome: randomised controlled study. BMJ, 2012. 344: p. e787. PHYSIOMAGAZIN 2/15 17 18 Gesundheitsorganisation «Sicher stehen – sicher gehen» Mobilität und Selbstständigkeit bis ins hohe Alter Regelmässiges Training von Kraft und Gleichgewicht hilft, Selbstständigkeit und Mobilität bis ins hohe Alter zu erhalten. Gemeinsam mit physioswiss, Pro Senectute Schweiz und der Rheumaliga lanciert die bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung – im 2016 eine Marketingoffensive zur Sturzprävention im Alter. Sturzunfälle sind sehr häufig, verursachen grosses Leid und kosten viel. Mangelnde Kraft und unzureichendes Gleichgewicht sind verantwortlich für einen Grossteil der jährlich rund 80 000 Sturzunfälle von über 65-Jährigen in der Schweiz. Schwere Verletzungen und leider auch oft der Tod können Folgen eines Sturzes sein. Häufig führen diese Unfälle auch zum Verlust der Selbstständigkeit. Stürze gehören nicht «einfach so» zum Älterwerden! Die gute Nachricht: Man kann etwas gegen den Abbau der Muskelkraft und das schwindende Gleichgewicht tun! Bewegung soll bewusst in den Alltag integriert werden, z. B. durch Treppensteigen anstatt den Lift zu nehmen. Zudem ist ein PHYSIOMAGAZIN 2/15 gezieltes, richtig angeleitetes Kraft- und Gleichgewichtstraining bis ins höchste Alter sehr wirkungsvoll. Ein sicherer Stand und ein sicherer Gang sind im Alter ausschlaggebend, um unabhängig und selbstständig leben zu können. Dies ist der Wunsch der meisten älteren Menschen. Möglichst lange in den eigenen vier Wänden leben zu können, ist für viele gleichbedeutend mit Lebensqualität. Um das Leben selbstständig meistern zu können, braucht es körperliche Grundvoraussetzungen, also auch starke Muskeln und Gleichgewicht! Im Alter besteht die Gefahr, dass man aus Angst vor Stürzen die eigene Wohnung nicht mehr verlässt. Doch gerade Treppensteigen, Gartenarbeiten oder längere Spaziergän- ge sind wichtig, um körperlich in Form zu bleiben. Ältere Personen sollten sich mit Angehörigen, einem Hausarzt oder einer Haus ärztin absprechen, welche Aktivitäten für sie sinnvoll sind und ihnen auch Freude bereiten. Ein Physiotherapeut oder eine Physiotherapeutin kann ein individuelles Trainingsprogramm zusammenstellen und instruieren. Gemeinsam mit physioswiss hat die bfu eine Fachbroschüre zum Thema «Sturzprävention in der Physiotherapie» herausgegeben. Sturzprävention ist in der Physiotherapie schon lange ein Thema – mit dieser Broschüre erhalten alle Praktizierenden Fachinformationen auf dem neuesten Stand. GESUNDHEITSORGANISATION DIE BERATUNGSSTELLE FÜR UNFALLVERHÜTUNG BFU Die bfu setzt sich im öffentlichen Auftrag für die Sicherheit ein. Als Schweizer Kompetenzzentrum für Unfallprävention forscht sie in den Bereichen Strassenverkehr, Sport sowie Haus und Freizeit und gibt ihr Wissen durch Beratungen, Ausbildungen und Kommunikation an Privatpersonen und Fachkreise weiter. Mehr über Unfallprävention: www.bfu.ch Training in der Gruppe oder zuhause Sehr wirkungsvoll ist der Besuch eines Kurses, z. B. in einer Physiotherapiepraxis, von Pro Senectute, der Rheumaliga oder bei einer anderen Organisation. Auch das Training zuhause erzeugt eine nachhaltige Wirkung. Es ist nie zu spät, damit anzufangen! In den meisten Fällen lassen sich Stürze verhindern: Regelmässiges Training von Kraft und Gleichgewicht nützt bis ins hohe Alter. Auf www.sicher-gehen.bfu.ch finden Sie nützliche Informationen, wie z. B. ein Video mit einem kurzen Übungsprogramm sowie die dazugehörige Broschüre «Sicher stehen – sicher gehen» zum Downloaden oder Bestellen. Die Broschüre «Selbstständig bis ins hohe Alter» enthält eine Checkliste zum Überprüfen Ihrer Wohnumgebung sowie Tipps betreffend Mobilität und Training. Barbara Pfenninger, wissenschaftliche Mitarbeiterin Haus/Freizeit, bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung Die Marketingoffensive soll auch sinnvolle Übungen zur Sturzprävention verbreiten. PHYSIOMAGAZIN 2/15 19 © Greta Rosa, “Man gets back up” overall winner of WCPT art and health competition 2015 Wieder auf die Füsse kommen – Skulptur von Greta Rosa Die Physiotherapiestudentin Greta Rosa hat mit diesen Skulpturen den Wettbewerb «Kunst und Gesundheit» des Weltverbands für Physiotherapie wcpt gewonnen. Die Figuren sollen verdeutlichen, wie Physiotherapie nach einer Krankheit oder einem Unfall das Wiedergewinnen der Selbstständigkeit unterstützt, und zwar nicht nur körperlich, sondern auch psychisch. Als Material diente Greta Rosa Thermoplastik, mit dem normalerweise Handschienen gefertigt werden. IMPRESSUM Herausgeber und Verlag: physioswiss – Schweizer Physiotherapie Verband · Stadthof · Centralstrasse 8b · 6210 Sursee · T 041 926 69 69 · www.physioswiss.ch Redaktion: Brigitte Casanova (bc), Daniel Amstutz (da), Natalia Rochat Baratali (nr); [email protected] Mitarbeitende in dieser Ausgabe: Pia Fankhauser, Alexa Oberson, Marlene Arnold, Raymond Farquet, Berit Saupe, Barbara Pfenninger Übersetzung: Lingo 24 / Korrektorat: Risch Communications Grafik/Layout: Freistil – Kommunikationsdesign Luzern / Druck: Multicolor Print AG, Baar / Bild Cover: reineg – Fotolia Inserate: Stefanie Meier, [email protected] ISSN 2297-5268
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