Grundkurs Biologie (Berlin): Abituraufgaben 2015 Aufgabe A1: Physiologische Grundlagen ausgewählter Lebensprozesse Thema: Stofftransport an Synapsen Wie erfolgt innerhalb einer menschlichen Zelle die Steuerung des Transportes von Stoffen genau zum richtigen Zeitpunkt? Diese Frage beantworteten die Medizinnobelpreisträger von 2013 mit ihren Forschungsarbeiten zum vesikulären Transportsystem. Versagt dieses, z. B. durch die Einwirkung von Giftstoffen, sind gesundheitliche Folgen unvermeidlich. Quelle: Osterkamp, J.: Wie Zellen Moleküle von A nach B versenden, In: Spektrum der Wissenschaft, Dezember (2013), S. 14 –16 Aufgaben 1 Skizzieren und beschriften Sie eine tierische Zelle mit mindestens sechs Zellbestandteilen. Geben Sie deren Funktionen an. Erklären Sie die Bedeutung der Kompartimentierung. 17 2 Erklären Sie den Stofftransport bei der Erregungsübertragung an Synapsen mit Hilfe von M 1 und Ihren Kenntnissen der neurobiologischen Vorgänge. 10 3 Stellen Sie mit Hilfe der Materialien die Wirkungsweise des Tetanus-Giftes in einem Fließschema dar. 9 4 Vergleichen Sie tabellarisch die Wirkungsweise des Tetanus-Giftes mit dem Gift der schwarzen Witwe anhand von drei Kriterien. 9 5 Prüfen Sie mithilfe von M 1 die Behauptung, dass der Transportmechanismus im Inneren eukaryotischer Zellen evolutionär sehr alt ist. 5 Material 1: Nobelpreis für Physiologie und Medizin 2013 Der Nobelpreis für Medizin 2013 ging an die beiden Amerikaner JAMES E. ROTHSCHEKMAN sowie an den aus Göttingen stammenden MAN und RANDY W. THOMAS C. SÜDHOF. RANDY SCHEKMAN hat 23 Gene identifiziert, die jeweils an verschiedenen Stadien des Vesikeltransports in der Hefezelle beteiligt sind. Er experimentierte dazu mit der Bäckerhefe, einem einfach gebauten und deshalb vergleichsweise leicht zu handhabenden einzelligen Pilz. Solche einzelligen Pilze gehören mit zu den evolutionsbiologisch ältesten Organismen. JAMES ROTHMAN arbeitete mit Zellen von Säugetieren. Er konnte zeigen, dass die Transportvesikel ihren Bestimmungsort über die Erkennung zueinander passender Proteine finden. Die Vesikel tragen ein Protein auf der Oberfläche, das zu genau B – GK 2015-1 einem Eiweiß am Zielort passt. Die beiden Proteine greifen wie die Teile eines Reißverschlusses ineinander. Nur wenn die eine Seite zur anderen Seite passt, hat das Vesikel die richtige Andockstelle gefunden. In der Zelle gibt es mehrere zueinander passende Kombinationen, über die der Transport gesteuert wird. Die von ROTHMAN entdeckten Proteine werden durch Erbgutabschnitte kodiert, die mit den von SCHEKMAN gefundenen Genen der Hefe fast identisch sind. THOMAS SÜDHOF hat untersucht, auf welches Signal hin Nervenzellen ihre Botenstoffe in den synaptischen Spalt abgeben. SÜDHOF hat gezeigt, dass die Zelle das Signal für das Freisetzen der Neurotransmitter über den Einstrom von Calcium-Ionen erhält. Die Calcium-Ionen docken an das Protein Synaptotagmin an, welches sich dann an die reißverschlussähnliche Fusionsstelle zwischen Neuronenmembran und Vesikelmembran bindet. Die Membranen der Vesikel verschmelzen erst auf dieses Signal hin mit der präsynaptischen Membran. Daraufhin öffnet sich der Reißverschluss zwischen Vesikel und Membran und die Botenstoffe werden in den Spalt entlassen. Quelle: Osterkamp, J.: Wie Zellen Moleküle von A nach B versenden, In: Spektrum der Wissenschaft, Dezember (2013), S. 14 –16 Stofftransport aus Vesikeln Quelle: picture-alliance/ dpa-Grafik Material 2: Die Wirkung von Giften Manche Krankheitserreger, wie z. B. Tetanus-Bakterien, produzieren Gifte, die in das Zentralnervensystem gelangen können. Dort greift das Tetanus-Toxin das Protein Synaptotagmin in hemmenden Synapsen von Motoneuronen an und blockiert es, wodurch die Freisetzung hemmender Neurotransmitter gestört ist. Dadurch kommt es zur unkontrollierten Aktivierung der Motoneuronen und zu andauernden und zuckenden Verkrampfungen der Skelettmuskulatur. Nach: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Artikel „Tetanus“. Lizenziert unter cc-by-sa-3.0 B – GK 2015-2 Das Gift der Schwarzen Witwe, einer Netzspinne, erzeugt bei den Beutetieren eine Lähmung der Muskulatur. Die wirksamste Substanz des Witwengiftes ist das αLatrotoxin. Es bindet sich an ein Protein (Neurexine) auf der präsynaptischen Membran erregender Synapsen, wodurch sich Kanäle für Calcium-Ionen öffnen. Das Gift verursacht auch dann eine Transmitterfreisetzung, wenn keine Calcium-Ionen in die Synapse einströmen. Nach Gifteinwirkung kommt es durch die Entstehung sog. Fusionsporen zur gleichzeitigen und irreversiblen Entleerung aller synaptischen Vesikel in den Spalt. Die folgende Abbildung zeigt die Wirkung von α-Latrotoxin auf eine Synapse. Quelle: verändert nach: Krull, H., Bickel, H., Beyer, I.: Spinnengift als molekulare Sonde (Kopiervorlage), In: Natura Themenheft Neurobiologie, Lehrerband, Ernst Klett Verlag GmbH, Stuttgart 2007, S. 29 B – GK 2015-3 Lösungsvorschläge r1 r r r r r r r r r r Hier geht es im Wesentlichen darum, gelerntes biologisches Grundwissen grafisch und textlich übersichtlich und strukturiert darzustellen. Zunächst soll eine beschriftete Skizze einer tierischen Zelle angefertigt werden, die nicht zu detailliert und anspruchsvoll sein sollte, sie sollte aber die Elemente enthalten, die zur Erläuterung der Funktion der Zellorganellen und der Kompartimentierung absolut notwendig sind. Die Skizze sollte für das Erreichen der vollen BE-Zahl mindestens die Benennung folgender Strukturen enthalten: Zellmembran (Zeichnung als Doppelschicht ist nicht notwendig), Zellkern, Mitochondrium, Endoplasmatisches Retikulum (ER), Dictyosom / Golgi-Vesikel, Ribosomen. Skizze: Angabe der Funktionen: – Zellmembran: Abgrenzung gegenüber der Außenwelt, Ermöglichung eines gezielten Stofftransports – Zellkern: Speicher für DNA und über die DNA Steuerung sämtlicher Stoffwechselvorgänge in der Zelle – Mitochondrium: Ort der Zellatmung, Gewinnung von Stoffwechselenergie in Form von ATP – ER: Stofftransport – Dictyosomen / Golgi-Vesikel: Stoffwechsel und Stofftransport – Ribosomen: Umsetzung der genetischen Information in Eiweißmoleküle (Proteinbiosythese) B – GK 2015-4 Bedeutung der Kompartimentierung: Die einzelnen Kompartimente sind gegenüber dem Zytoplasma durch Membranen abgegrenzt (= kompartimentiert), damit die darin stattfindenden Stoffwechselprozesse ähnlich wie in einem Reagenzglas in einem geschlossen Raum stattfinden können. So können auch gegenläufige Prozesse gleichzeitig ablaufen, die Zelle ist dadurch leistungsfähiger. r2 r r r r r r r r r r Hier geht es um die Verknüpfung von eigenen Grundkenntnissen mit neuen, vertiefenden Informationen aus dem Material 1. Die Anfertigung einer Skizze der Synapse ist in der Aufgabenstellung nicht gefordert und sollte daher unterbleiben, zumal in Material 2 eine Skizze enthalten ist, die als Erinnerungshilfe genutzt werden kann. Es muss im Text deutlich werden, dass hier die elektrische Erregungsleitung auf dem Axon durch eine chemische Übertragung unterbrochen wird. Es ist dabei unbedingt der häufig gemachte Fehler zu vermeiden, dass von Reizleitung statt von Erregungsleitung gesprochen wird. Die Entstehung und Weiterleitung eines Aktionspotenzials muss hier nicht detailliert beschrieben werden, da die Aufgabenstellung dies nicht fordert. Erklärung der chemischen Übertragung der Erregung und der Stofftransporte: – Ankunft eines Aktionspotenzials (AP) am Axonendknöpfchen – Öffnung der spannungsgesteuerten Ca2+-Kanäle, Einstrom von Ca2+-Ionen in das synaptische Endknöpfchen – Andocken der Ca2+-Ionen an das Protein Synaptotagmin, dieses Protein bindet sich an die reißverschlussähnliche Struktur zwischen präsynaptischer Membran und Vesikelmembran – Verschmelzung der beiden Membranen, dadurch Öffnung der Vesikel zum synaptischen Spalt – Ausschüttung von Transmitter-Molekülen (z. B. Acetylcholin ACh) aus den synaptischen Bläschen in den synaptischen Spalt – Diffusion der Transmitter-Moleküle durch den synaptischen Spalt und Anlagerung an die Transmitter-Rezeptoren an den Na+-Kanälen – Öffnen der Na+-Kanäle und Einstrom von Na+-Ionen – Auslösung einer neuen Depolarisation (postsynaptisches Potenzial) – Ablösen der Transmitter von den Rezeptoren, Transmitter werden von Enzym gespalten und wieder in synaptische Bläschen aufgenommen B – GK 2015-5
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