Neurologische Krankheitsbilder in der Palliative Care

Neurologische Krankheitsbilder in der Palliative
Care
Univ.-Prof. Dr. med. Dr. med. habil. Stefan Lorenzl, Dipl. Pall. Med. (Univ. Cardiff)
Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Salzburg
und
Krankenhaus Agatharied, Deutschland
Klinik und Poliklinik für Palliativmedizin LMU, München
Paracelsus Medizinische Privatuniversität | Strubergasse 21, 5020 Salzburg, Austria | www.pmu.ac.at
Differentialdiagnosen des M. Parkinson
MSA
PD
Parkinson
PSP
Multiple Systematrophie
Progressive supranukleäre Blickparese
CBD
Corticobasale Degeneration
Epidemiologie der Parkinsonsyndrome
PD
(1817)
MSA
(1900-1989)
PSP
(1963)
CBS
(1967)
DLB
(1981)
jährliche
Inzidenz /
100,000
12
0.5
1.2
?
6-8 % der
Dementen
Mittleres
Erkrankungsalter
59
54
63
60
75
Mittlere
Überlebenszeit (Jahre)
15
8
5
6
8
15%
0
<1%
0
~20%
Vererbungsrisiko
5-Jahresüberlensrate von Tumorerkrankungen
Prostata: 91,2 %
Brust: 85,3 %
Gebärmutterhals: 64,9 %
Dickdarm: 64,6 %
Enddarm: 62,1 %
Leukämie: 53,6 %
Magen: 31,6 %
Daten aus CONCORDE-2, 2014
Vergleich von Patienten mit neurologischen und
onkologischen Erkrankungen von 2007 – 2011
(n =1472)
Reisinger et al. EAPC Poster 2013
Vergleich von Patienten mit neurologischen und
onkologischen Erkrankungen von 2007 – 2011
(n =1472)
n = 86
Reisinger et al. EAPC Poster 2013
n = 73
n = 1061
Sterbeorte von Parkinsonpatienten in München
(2005-2010)
verstorbene Patienten
IZP
5
Palliativstation Klinikum Harlaching
2
Rotkreuzklinikum
14
Hospiz des CHV
3
Johanneshospiz
0
Palliativ-geriatrischer Dienst
(Pflegeheime in München)
86
Wellponer et al., EAPC Abstract 2012
Krankheitstrajektoren neurologischer
Krankheitsbilder
2
3
1
Symptome in der letzten Lebensphase
• Sprechstörung
• Schluckstörung
• Schmerzen
• Rigor / Spastik /Dystonie
• Schlafstörung (insbesondere Durchschlafstörung)
• Delir / epileptische Anfälle
• Kurzatmigkeit
• Groaning / lautes Stöhnen
• Depression (?)
• Angst (?)
Lorenzl, Nübling, Voltz (2013) Handbook of Clinical Neurology 118:133-139
Symptome in der letzten Lebensphase
• Sprechstörung
• Schluckstörung
• Schmerzen
• Rigor / Spastik /Dystonie
• Schlafstörung (insbesondere Durchschlafstörung)
• Delir / epileptische Anfälle
• Kurzatmigkeit
• Groaning / lautes Stöhnen
• Depression (?)
• Angst (?)
Lorenzl, Nübling, Voltz (2013) Handbook of Clinical Neurology 118:133-139
Schluckstörung bei Parkinsonsyndromen
–
–
–
–
–
Bornaprin (Beginn mit 2 mg/ Tag)
Andicken der Flüssigkeit
Überladen der Gabel vermeiden
Halsbeugemanöver beim Schlucken
PEG bei ausgewählten Patienten
(m : f = 8 : 2 in 2007-2009)
– PEG bei der PSP ist lebensverlängernd,
heilt aber die Erkrankung nicht!
 Bei einigen Patienten
Lebensverlängerung gewünscht!
“Groaning”
• Nase zuhalten
• Tracheotomie
MSA schwere Dystonie
Sterben - Symptomkontrolle
•
Sprechen häufig erhalten (leise, hauchende Stimme)
•
Schluckstörung aber Hunger – PEG / parenterale Ernährung
•
Starker Rigor, eventuelle Spastik – Amantadin, MIdazolam, Opioide
•
Atemveränderungen und Dyspnoe – Opioide, Midazolam,
Tracheotomie
•
Laryngospastik mit teilweise schweren Erstickungsanfällen – Opioide,
Tracheotomie klären
•
Patient hört und versteht, Merkfähigkeitsstörungen
Symptomkontrolle von Patienten mit PSP und CBD auf der
Palliativstation (2006 – 2012)
Sterben mit M. Huntington
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Unfähigkeit zu Sprechen
Unfähigkeit zu Schlucken
teilweise Agressivität
Demenz
Starker Rigor, eventuelle Spastik
Atemveränderungen
Myoklonien
Chorea
Angehörige stark belastet!
Erkrankungen mit Demenz
• Morbus Alzheimer
• Multiinfarktdemenz / vaskuläre Demenz
• Lewy-Körperchen-Demenz
• Frontotemporale Demenz
• M. Parkinson, PSP, CBD
• Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)
• Down-Syndrom
...
Häufigkeit der Demenz
l
Weltweit 24,3 Millionen Menschen
l
Jährlich 4,6 Millionen Neuerkrankungen
l
Europa: 10 Millionen Menschen
l
= 2 % der Bevölkerung
l
=> 4 % der Bevölkerung in 2040
l
Deutschland: 1,2 Millionen Bundesbürger
l
China, Asien, Lateinamerika:
ca. 350 % Anstieg der Demenzerkrankungen bis 2040
Ängste in der Frühphase der Demenz
 Anderen zur Last fallen (finanziell und emotional)
 Persönlichkeitsveränderungen
 Isolation
 Veränderungen des Selbstbildes
 unwürdiges Sterben mit langem Siechtum
Wenn sich schwer demente Hochbetagte
verstanden fühlen...
.... gehen sie nicht in die innere Emigration
.... kommunizieren sie fast bis zuletzt mit uns
.... verlieren sie ihre soziale Rolle nicht ganz
.... verlieren sie ihre Beziehung zu den
Aktivitäten des täglichen Lebens nicht ganz
.... vergessen die meisten bei liebevoller
Pflege bis zuletzt nicht ganz, wie man
kaut und schluckt
Marina Kojer 2006
Formen der Kommunikation
Darf oder muss Simon sterben?
© Paracelsus Medizinische Privatuniversität
Bildgebung
© Paracelsus Medizinische Privatuniversität
Simon darf weiterleben ...
 Hautzellen wachsen endlich nach 10 Monaten an (Speziallabor in Wien
und der Schweiz bei Prof. Brian Fowler): cblE-Defekt!
 Isolierter Methylierungsdefekt:
(Methionin-Synthase-Reduktase = cblE)
Stoffwechselprodukt Homocystein
wird nicht abgebaut
© Paracelsus Medizinische Privatuniversität
Angehörige („Unit of Care“)
• jahrelange aufopfernde Pflege
• konsequente Vernachlässigung
eigener Bedürfnisse
• soziale Isolation
• Neudefinition der eigenen Rolle
Aufgabe für das Ehrenamt?
• Entlastung der Angehörigen durch Anwesenheit
• Gesprächspartner
• Vermittler zu Selbsthilfegruppentreffen
• Wegbegleiter
„Eine kurze Reise in die Schweiz ...“
Daten von Dignitas 2011-2013
© Paracelsus Medizinische Privatuniversität
Dynamische Palliative Care
2
3
1
Palliative Care
Zusammenfassung
• Neurologische Erkrankungen erfordern aufwendige palliative
Maßnahmen – dynamische Palliative Care
• Oft ist es doch wichtig, dem Leben mehr Tage zu geben
• Krankheitstrajektoren beachten
• Sterben für den Patienten und die Angehörigen oft sehr belastend
(Verzichtsentscheidungen)
• Einbeziehen der Angehörigen sehr wichtig
(„Respite Care“)
• Dringende Notwendigkeit weiterer Forschung
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Arbeitsgruppe „Palliative Care für Neurologische Erkrankungen “
Georg Nübling
Mira Hensler
Joahnnes Bükki
Madeleine Schuberth
Carmen Richinger
Lisa Butzhammer
Kathrin Feldmer
Marlene Reisinger
Stefan Lorenzl