PM 01.02.2016: Landesförderung für kommunale Infrastruktur

PRESSEMITTEILUNG
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Vorstandsmitglied
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Dr. Susanne Nusser
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F 0711 22921-42
Az 797.74 - P 240/2016 · Nu/Gs
01.02.2016
Pressemitteilung zum Thema 'Landesförderung für
kommunale Verkehrsinfrastruktur'
Stuttgart
Gemeindeverkehrsfinanzierung: Städtetag BadenWürttemberg und Verband Deutscher Verkehrsunternehmen kritisieren die abwartende Haltung des Landes
im Hinblick auf die Fortführung der Gemeindeverkehrsfinanzierung. Vor dem Hintergrund, dass die bisherigen
Mittel 2019 auslaufen werden, fehlt den Kommunen
schon heute die Planungssicherheit für wichtige Projekte. Die erneute Ausweitung der Fördertatbestände des
Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes verstärkt das Problem der Mittelknappheit noch.
Der Städtetag Baden-Württemberg und der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) kritisieren die aktuelle
Änderung des Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (LGVFG). Unter anderem erfolgt mit dem nun in Kraft
getretenen Gesetz eine weitere Ausweitung der Fördertatbestände, wovor die beiden Spitzenverbände mehrfach mit
Nachdruck gewarnt hatten.
Als kritisch bewerten der Städtetag und der VDV unter anderem, dass nun auch kleinere Vorhaben wie Lärmschutzmaßnahmen außerhalb von Ortschaften oder der Ausbau des
Rad- und Fußverkehrs aufgenommen wurden. „Der Ansatz
des Landes, bei gleichbleibendem Fördervolumen möglichst
viele kleine Maßnahmen zu fördern, wird zu Lasten der großen und sinnvollen Verkehrsprojekte gehen“, betont Gudrun
Heute-Bluhm, Hauptgeschäftsführerin des Städtetags. „Das
halten wir vor dem Hintergrund der Mittelknappheit für äu-
ßerst fragwürdig“, bestätigt der VDV-Landesvorsitzende
Wolfgang Arnold und betont: „Zudem sind zentrale Fördertatbestände für den Erhalt der bestehenden ÖPNV-Systeme,
wie die Schienenfahrzeugförderung und Grunderneuerungsmaßnahmen bei der Infrastruktur zwar formal im Gesetz enthalten, aber nicht mit Mitteln hinterlegt. Hier liegen
die großen Herausforderungen für die Zukunft, da dies
Kommunen und Verkehrsunternehmen nicht alleine schultern können“.
Dazu müssten die Fördermittel notwendigerweise aufgestockt werden. Das Land plant nach Kenntnis von Städtetag
und VDV aber auch diesmal nicht, die vom Bund bis 2019
bereitgestellten Fördergelder aus eigenen Mitteln zu erhöhen. Aus dem bestehenden Fördertopf lassen sich die anstehenden Maßnahmen aber nicht einmal ansatzweise finanzieren, zumal ein Großteil der Mittel schon heute bis ins
Jahr 2019 gebunden ist.
Besonders problematisch stellt sich auch die Situation im
Hinblick auf den barrierefreien Ausbau des ÖPNV dar. Die
Einführung des neuen Fördertatbestandes „Barrierefreier
Ausbau“ im LGVFG ist nach Überzeugung des Städtetags
und des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen in jedem Fall ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings werden die vorhandenen Fördermittel keinesfalls ausreichen,
um die anstehenden Maßnahmen umsetzen zu können. „Wir
haben Finanz- und Verkehrsministerium bereits mehrfach
darauf hingewiesen, dass es aus unserer Sicht nicht bei der
Schaffung eines neues Fördertatbestands bleiben kann“,
sagt Gudrun Heute-Bluhm. Und der VDV-Landesvorsitzende
Wolfgang Arnold betont: „Solange das Land keine eigenen
Mittel für den barrierefreien Ausbau zur Verfügung stellt, wird
es bei einer bloßen politischen Absichtserklärung bleiben.“
Die Verkehrsinfrastruktur in den Kommunen ist bereits heute
deutlich unterfinanziert, was auch daran liegt, dass die Landesregierung entgegen früherer Praxis keine eigenen Mittel
mehr für die Gemeindeverkehrsfinanzierung bereitstellt.
Stattdessen wurden bereits im Jahr 2011 neue Fördertatbestände eingeführt, ohne notwendigerweise das Gesamtfördervolumen entsprechend zu erhöhen. Im Jahr 2013 folgte
neben einer erneuten Ausweitung der Fördertatbestände
eine generelle Absenkung der Förderquote von 75 auf 50
Prozent sowie die Einführung einer Festbetragsfinanzierung.
„Der kommunale Eigenanteil an den jeweiligen Vorhaben hat
sich durch diese Absenkung der Förderquote verdoppelt,
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was bereits jetzt die Leistungsfähigkeit vieler Kommunen
und Verkehrsunternehmen übersteigt und damit das Aus für
so manches Projekt bedeutet“, betont der VDV-Landesvorsitzende Wolfgang Arnold. „Schon diese Regelung bedeutet im Vergleich zu früher einen drastischen Rückschritt
für die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur im Land. Zudem werden durch die neue Festbetragsregelung Finanzierungsrisiken einseitig auf die lokale Ebene verlagert.“
Das zur Verfügung stehende Fördervolumen beläuft sich
aktuell auf 165,5 Millionen Euro, die Baden-Württemberg
jährlich an so genannten Entflechtungsmitteln vom Bund
erhält. Mit diesen Bundesmitteln können nach den Vorgaben
des LGVFG kommunale Projekte im Straßenbau oder ÖPNV
mit einem Investitionsvolumen von bis zu 50 Millionen Euro
gefördert werden. ÖPNV-Großprojekte über 50 Millionen
Euro werden über das GVFG-Bundesprogramm gefördert.
Zu den wichtigen Infrastrukturprojekten, die derzeit nach
dem LGVFG gefördert werden, zählen unter anderem der
Ausbau der Strohgäubahn zwischen Hemmingen und Heimerdingen, die Verlängerung der Stadtbahnlinie U12 in
Stuttgart oder die Südumfahrung in Meckenbeuren-Kehlen.
Die Umsetzung weiterer bedeutender Verkehrsvorhaben in
den Kommunen sehen Städtetag und VDV aufgrund der
oben beschriebenen Änderungen der Fördervoraussetzungen nach dem LGVFG stark gefährdet. Erschwerend kommt
hinzu, dass zum Jahr 2019 die Zahlungen nach dem Entflechtungsgesetz durch den Bund auslaufen. Damit fehlt den
Kommunen schon jetzt die notwendige Planungssicherheit
für wichtige Projekte, die in den nächsten Jahren realisiert
werden müssten.
Damit der Ausbau der wichtigen Verkehrsinfrastruktur in Baden-Württemberg nicht auf der Strecke bleibt, fordern die
beiden Verbände Land und Bund auf, politische Verantwortung für die Verkehrsfinanzierung in den Kommunen zu
übernehmen und auch in Zukunft die Realisierung von wichtigen Verkehrsprojekten sicherzustellen.
Überraschend konnte im September 2015 eine Einigung
über die Verlängerung des GVFG-Bundesprogramms über
das Jahr 2019 hinaus erzielt werden. Nach dem GVFG stehen bundesweit jährlich rund 333 Mio. Euro zur Förderung
kommunaler ÖPNV-Vorhaben bereit.
Während für die Verlängerung des GVFG ohne Zweifel der
Bund zuständig war, stellt sich die Situation beim Landes3
gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz anders dar. Die Entflechtungsmittel, aus denen sich das LGVFG derzeit in vollem Umfang finanziert, werden dem Land durch den Bund
für einen Übergangszeitraum bis Ende 2019 als Ausgleich
für die im Rahmen der Föderalismusreform neu geregelten
Finanzbeziehungen überwiesen.
„Das Land kann und darf hier nicht einfach die Hände in den
Schoß legen und abwarten. Wenn die Minister Schmid und
Hermann nur mit dem Finger auf den Bund zeigen, verschweigen sie etwas Entscheidendes. Nämlich dass Sinn
der Föderalismusreform auch und gerade die Entflechtung
der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern war,
und dass nach einem gewissen Übergangszeitraum die
Länder für die Gemeindeverkehrsfinanzierung verantwortlich
sein sollten“, kritisiert Heute-Bluhm.
Arnold ergänzt: „Selbstverständlich befürworten wir eine
Fortführung der Finanzierung durch den Bund. Allerdings ist
der Zeitraum ab 2020 schon heute planungsrelevant. Längeres Zuwarten auf eine Einigung zwischen Bund und Ländern
können wir uns nicht leisten. Wir erwarten daher eine rasche
Lösung auf Landesebene, um den Ausbau und Erhalt der
kommunalen Verkehrsinfrastruktur über 2019 hinaus gewährleisten zu können“.
Zugleich mit der Verlängerung des GVFG-Bundesprogramms wurde eine Verständigung über die Anhebung
der Regionalisierungsmittel für den Schienenpersonennahverkehr erreicht. Ein zentraler Erfolg ist für Baden-Württemberg die beschlossene Änderung des Verteilungsschlüssels
dieser Bundesmittel unter den Ländern. Der Anteil des Landes an den Bundeszuweisungen in Höhe von künftig 8,0
Milliarden Euro wird voraussichtlich von bislang 10,44 Prozent auf 12,37 Prozent anwachsen. Da die Regionalisierungsmittel bislang bei weitem nicht auskömmlich waren, hat
das Land zuletzt 100 Mio. Euro aus eigenen Mitteln zur Aufstockung des Bundesbetrags aufgewandt. Durch die nun
beschlossene Erhöhung des Landesanteils wird der bisherige Fehlbetrag ausgeglichen.
„Diese 100 Mio. Euro müssen „im System“ verbleiben und
sollten schon kurzfristig zur Stützung des LGVFG verwendet
werden. Damit könnten insbesondere die bislang ungelösten
Themen Finanzierung des Erhalts der Infrastruktur und der
Schienenfahrzeuge endlich angegangen werden“, schlägt
Heute-Bluhm vor.
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Beispiel barrierefreier Ausbau des ÖPNV durch die Stadt
Karlsruhe und die Verkehrsbetriebe Karlsruhe (VBK)
Die Verkehrsbetriebe Karlsruhe (VBK) haben in den vergangenen Jahren den barrierefreien Umbau von Haltestellen im
Stadtgebiet intensiv vorangetrieben. 2015 konnten mit finanzieller Unterstützung durch Landes- und Bundeszuschüsse
die Haltestellen Händelstraße, Phillipstraße, Entenfang sowie Kronenplatz (Fritz-Erler-Straße) barrierefrei umgebaut
werden.
Auch 2016 stehen weitere Bauprojekte auf der Agenda: So
wird etwa an den Haltestellen Lessingstraße, Ebertstraße
und Haus Bethlehem Barrierefreiheit hergestellt. Die Gesamtkosten belaufen sich hierfür auf circa 6,7 Millionen Euro. Hiervon beträgt der VBK-Anteil rund drei Millionen Euro.
Die LGVFG-Zuschüsse von Seiten des Landes sind mit rund
3,7 Millionen Euro eingeplant.
„Ohne die LGVFG-Zuschüsse wäre das Bauprogramm in der
geplanten Form nicht umsetzbar“, so Dr. Alexander Pischon,
Vorsitzender der Geschäftsführung der VBK. Dies gelte
auch für die zahlreichen Umbaumaßnahmen, die in diesem
Bereich in den kommenden Jahren im Stadtgebiet notwendig sind. Aus Sicht der VBK ist es vor diesem Hintergrund
unabdingbar, dass die notwendige finanzielle Unterstützung
in Form einer ausreichenden Ausstattung des LGVFG –
auch über das Jahr 2019 hinaus – durch das Land gewährleistet ist. Nach derzeitigem Stand laufen zum Jahr 2019 die
Mittel der Gemeindeverkehrsfinanzierung aus.
Sollte diese Förderung langfristig zurückgefahren werden,
könnte auch der bisher zügig voranschreitende Umbau von
Haltestellen aufgrund eines deutlich steigenden Eigenanteils
ins Stocken geraten. „In diesem Zusammenhang gilt es die
Herausforderungen, die wir in puncto Barrierefreiheit in den
kommenden Jahren vor der Brust haben, gemeinsam mit
dem Land Baden-Württemberg in Angriff zu nehmen“, sagt
Karlsruhes Oberbürgermeister Dr. Frank Mentrup, der zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der VBK ist. Unter anderem
soll beispielsweise die Haltestelle Hauptfriedhof für 3,1 Millionen Euro ab 2017 umgebaut werden. Dort werden an den
beiden Haltepunkten (Tullastraße und Haid-und-Neu-Straße)
die Bahnsteige erhöht und verbreitert.
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