Auf das richtige Mass kommt es an

Panorama
Der Landbote
Mittwoch, 14. Oktober 2015
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Tatort Garten
Sandra Weber
ist Journalistin,
Hobbygärtnerin
und Mutter
von zwei
kleinen Söhnen.
Herbst geht
durch den Magen
M
Gemässigtes Training, am besten gemeinsam mit Gleichgesinnten, wirkt positiv auf wichtige Gehirnareale des Menschen und führt zu besserem Schlaf.
ein Mann ist kein Fan
von Deko. Meine Ver­
suche, unsere Woh­
nung stimmungsmässig der
jeweiligen Saison anzupassen,
werden bestenfalls toleriert,
nicht aber gewürdigt. Sohne­
mann dagegen liebt Deko. Bloss
versteht er nicht, warum ein im
Gang verstreuter Blumenstrauss
weniger hübsch sein soll als
einer, der in der Vase steht, ge­
schweige denn, warum die bun­
ten Eier an den Kirschenzweigen
nicht zum «Tütschen» gedacht
sind. Mittlerweile habe ich das
Dekorieren aufgegeben – auch
um des Haussegens willen, der
jeweils pünktlich zum Saison­
wechsel hin schief hing, beschul­
digte ich den Kindsvater doch je­
des Mal, absichtlich wegzusehen,
wenn sich unser Zweijähriger
begeistert einem neuen Deko­
objekt näherte.
Shotshop
Auf das richtige Mass kommt es an
Sporttherapie Moderate Bewegung hat sich bei der
Behandlung von Depressionen bewährt. Auch um Demenz
vorzubeugen, empfiehlt sich Sport. Zur Therapie bei
Angststörungen sind noch weitere Studien nötig, sagt
die Ärztin Brigitte Graber.
Manch einer läuft dem Stress da­
von, in Joggingschuhen oder auf
Rollerskates. Der Kopf wird frei,
und der Körper baut das Stress­
hormon Adrenalin, Noradrenalin
und Cortisol wieder ab. Natürlich
ist die Stressreaktion zur kurzzei­
tigen Leistungsaktivierung auch
positiv, sie macht wach und reak­
tionsschnell.
Diese Aktivierung kann aber
nicht unbegrenzt erhalten wer­
den, erklärt Brigitte Graber, Stv.
Ärztliche Direktorin an der Clie­
nia Privatklinik Schlössli, Oetwil
am See, und Konsiliarärztin Swiss
Olympic Medical Center Schult­
hess­Klinik. Aktive Entspannung
ist für die körperliche und geisti­
ge Regeneration genauso wichtig.
Sonst drohen chronischer Stress
und psychische Erkrankungen
wie Depressionen oder Angst­
zustände.
Depression weit verbreitet
Das Risiko für Depressionen ist
von verschiedenen Faktoren ab­
hängig, sagt Dr. Graber. Es gebe
multifaktorielle Ursachen, also
meist mehrere Gründe, wobei die
genetische Veranlagung ein Ein­
flussfaktor davon ist. Schwere
Lebensereignisse oder chronisch
Welchen Einstiegsmodus und
welche Sportarten empfehlen
Sie bei Depression, wenn die
Bewegungsmotivation ohnehin
niedrig ist?
Dr. Brigitte Graber: Es gibt eine
Beginner­Regel, an die man sich
halten kann: Für mehrere Wochen
geht man zehn Minuten pro Tag
zusätzlich — bis das gewünschte
Aktivitätsniveau erreicht ist. Ge­
nerell sollte man natürlich Sport­
arten wählen, die einem persön­
liche Freude bereiten und bei
denen für «Einsteiger» das Verlet­
zungsrisiko niedrig ist.
anhaltende Belastungen sind
dann häufig der Auslöser für eine
Depression. Neurobiologische
Veränderungen mit Ungleichge­
wicht im Hirnbotenstoffsystem
(zum Beispiel Serotonin, Norad­
renalin und Dopamin) ist ein wei­
terer wichtiger Faktor und Gegen­
stand intensiver Forschung. Tat­
sache ist, dass in den westlichen
Industrienationen jeder zehnte
Mann im Verlauf seines Lebens
einmal von Depression betroffen
ist und doppelt so viele Frauen.
Auch Blutwerte prüfen
Brigitte Graber weist darauf hin,
dass «eine frühe Diagnose und
Therapie der Depression sehr
wichtig ist». Neben der psychi­
schen gehört auch eine körperli­
che Untersuchung inklusive La­
bor dazu, da gar nicht so selten
veränderte Werte festzustellen
sind:«DerFolsäure­,Vitamin­B12­
und Eisenstatus oder die Schild­
drüsenwerte können zu niedrig
sein.» Sie berichtet von einem Fall
einer Patientin mit Vitamin­B12­
Mangelzustand, bei dem die De­
pression allein durch die Behand­
lung des Vitamindefizits signifi­
kant verbessert werden konnte.
Die Aufforderung, «du solltest
Nachgefragt
Brigitte
Graber
Stv. Ärztliche
Direktorin
Clienia Schlössli
Ein früher
Trainingsbeginn
ist vorteilhaft
halt mal ein bisschen Sport trei­
ben, um auf andere Gedanken zu
kommen», ist dennoch leichter
gesagt als getan. Denn Antriebs­
schwäche und eine verringerte
Aufnahmefähigkeit sind ja gerade
Symptome einer depressiven Ver­
stimmung. Doch auch in kleinen
Schritten kann man seinen men­
talen Zustand verbessern. Zudem
wirkt körperliche Aktivität vor­
beugend gegen Depression.
Sportliche Betätigung – so zei­
gen sehr viele Studien – scheint
über verschiedene Mechanismen
zu vermehrter Nervenzellbildung
in wichtigen Hirnarealen (Hippo­
campus) zu führen. Diese Hirn­
areale beeinflussen unter ande­
rem die Gefühlsregulation und
die Gedächtnisfestsetzung. Weiter
«Auch wer nicht auf einem hohen
Niveau durchtrainieren kann und
will, wird von vermehrter körper­
licher Aktivität in Bezug auf die
Depressionsvorbeugung
und
Therapieunterstützung bereits
profitieren», empfiehlt die Medi­
zinerin.
werden Hirnbotenstoffe ausge­
schüttet, die unter anderem auch
auf das Belohnungssystem wirken
und zu besserem Schlaf führen.
Sportler kennen diese Effekte,
ebenso die geradezu euphorischen
Zustände (Flow, Runner’s High).
Angststörungen verheimlicht
Bei Angststörungen (Panik, Platz­
angst, soziale Phobien, generali­
sierte Angststörung) sieht die
Wirksamkeit von Sport in der
Vorbeugung und Therapie nicht
ganz so gut aus. «Es gibt noch zu
wenig Daten und uneinheitliche
Resultate», resümiert Brigitte
Graber. Weitere Forschung tut
jedoch Not, denn Angststörungen
sind in der Bevölkerung ein oft
verheimlichtes und ernst zu neh­
mendes Problem.
Unbestritten ist hingegen der
positive Einfluss von Sport im Al­
ter. «Regelmässige aerobe Aktivi­
tät bei 60­ bis 79­jährigen Pro­
banden über sechs Monate führte
zu einem verminderten Verlust
an Hirnsubstanz, verbesserter
Merkfähigkeit, Aufmerksamkeit
und Informationsverarbeitung»,
zitiert sie aus einer Studie. In
Langzeitstudien über 20 Jahre
wurde sogar eine deutliche Re­
duktion des Demenzrisikos nach­
gewiesen. Das leichte kognitive
Defizit konnte um 47 Prozent, das
Risiko bei undifferenzierter De­
menz um 25 Prozent und das Alz­
Was ist mit Yoga, Tai Chi und
Ähnlichem? Zählen die auch
zum Sport?
Als sportliche Zusatztherapie
bei der Depression nicht. Ver­
schiedene Entspannungsverfah­
ren können aber gerade bei chro­
nischen Stressbelastungen hilf­
reich sein.
Gibt es Institutionen, die
speziell solche Menschen
ansprechen, die noch nicht in
therapeutischer Behandlung
sind und diese vermeiden
möchten? Oder empfehlen Sie
individuelle Programme, zum
Beispiel ein Trainingstagebuch?
Das ist sehr individuell. Der Haus­
arzt kann ein sinnvoller An­
sprechpartner sein. Dies beson­
ders, wenn es bei vorhandenen
Herzkreislauf­Risikofaktoren wie
hohem Blutdruck und Blutfetten,
Rauchen, früher Herzinfarkt in
der Familie und Ähnlichem um
eine kleine Gesundheitsberatung
vor dem sportlichen Wiederein­
stieg geht.
Gibt es Bevölkerungsgruppen,
bei denen Sport gegen Depression am besten anschlägt?
Körperliche Aktivität
wirkt vorbeugend
gegen Depression.
heimer­Demenzrisiko um 34 Pro­
zent reduziert werden. Als Thera­
pie bei bereits erkrankten Perso­
nen eignet sich Sport leider nicht.
Eine Verbesserung oder ein Auf­
halten der Demenz sei durch
Sport leider nicht möglich.
Gabriele Spiller
Wie vieL SporT MuSS Sein?
Die Britische Gesellschaft für
Sport und Bewegungswissenschaften hat Regeln aufgestellt,
die auch hierzulande von Ärzten
unterstützt werden. Demnach
sollte ein gesunder Erwachsener 2½ Stunden moderates
aerobes Training pro Woche absolvieren oder dreimal 25 Minuten mit gesteigerter Intensität trainieren. Idealerweise sollte die Aktivität mit Muskelaufbau an zwei Tagen pro Woche
ergänzt werden.
Gerade Freizeitsportlern, die
ihre Leistung mit Hilfe von Anabolika «optimieren» oder sorglos Schmerzmittel konsumieren,
rät Brigitte Graber, die auch
Spitzensportler betreut, zur Vorsicht. Anabolika können auf
Körper und Psyche negative
Einflüsse haben. Bestimmte
Schmerzmittel sollten vor allem
vor Ausdauerleistungen nur
unter medizinischer Betreuung
eingenommen werden. gsp
Ein möglichst früher Beginn ist
sicher vorteilhaft, aber Studien
zeigen auch Wirkung in höherem
Lebensalter. Einen Unterschied
nach Frauen und Männern haben
wir nicht gesehen.
Sie haben auf den positiven
Einfluss von Vitalstoffen aufmerksam gemacht. Wie stehen
Sie zur prophylaktischen Einnahme von Vitaminen?
Eine abwechslungsreiche Ernäh­
rung ist sicher wichtig. Ergänzend
kann in den Wintermonaten die
Einnahme von Vitamin D sinnvoll
sein.
Interview: gsp
Nun aber ist Oktober und ich
kann es einfach nicht lassen.
Kürbisse vor der Haustüre ge­
hören für mich zum Herbst wie
Marroni und Morgennebel. So
schwinge ich mich aufs Velo, um
im Hofladen meines Vertrauens
die schönsten Exemplare auszu­
wählen – und verwünsche mich
alsbald für meine Gier, komme
ich doch mit meiner Last, welche
nebst drei stattlichen Kürbissen
auch ein mittlerweile stattliches
Kleinkind umfasst, auf dem
Heimweg gehörig ins Schnaufen.
Während ich bis zu den Ellbogen
in einem «Big Max» stecke und
mit baren Händen glibberige
Masse in den Komposteimer
schaufle, verziehen sich Gatte
und Sohn auf den Spielplatz, em­
pört, dass ich die orangen Riesen
nicht zu Kuchen, sondern zu La­
ternen verarbeite. «Foodwaste»,
kommentierte mein Mann. Und
ob er noch ein paar Kartoffeln
und Lauchstangen vor die Tür
legen solle.
Leider ähnelt meine kreative
Schöpfung frustrierend wenig
der Vorlage aus dem Internet.
Und der Abendwind bläst die
Kerze aus, noch bevor ich wieder
im Haus bin. Resigniert betrach­
te ich den eher debil als dämo­
nisch grinsenden Kürbis, dem
bereits ein schwarzes Schimmel­
pelzchen wächst. «Dafür ist er so
gross, dass ihn nicht mal Sohne­
mann kaputt kriegt», tröstet
mich mein Mann. Und verarbei­
tet die restlichen Kürbisse zu
Kuchen.
Eigentlich hat er Recht, denke
ich, als ich auf dem Weg zum
Kompost die bunten Ahornblät­
ter, die Hagebutten und die letz­
ten knallgelben Staudensonnen­
blumen im Garten betrachte –
alles in ein so wunderbar golde­
nes Licht getaucht, wie es nur die
Oktobersonne hinkriegt. Es
braucht gar keine Herbstdeko
vor der Haustür. Der Herbst ist
Deko genug.
In der Kolumne «Tatort Garten»
vereinigt Sandra Weber zwei
ihrer Leidenschaften: Schreiben
und Schaufeln. Weitere Tipps
zum Thema können Sie in ihrem
Gartenblog in der Onlineausgabe
dieser Zeitung nachlesen.