15.2.03. Rückerstattung von rechtmässig

Sicherheitsdirektion Kanton Zürich
Kantonales Sozialamt
15.2.03. Rückerstattung von rechtmässig bezogenen Leistungen
aufgrund günstiger Verhältnisse
Rechtsgrundlagen
§ 27 Abs. 1 SHG
SKOS-Richtlinien, Kapitel E.3.1
SKOS-Richtlinien, Kapitel H.9
Erläuterungen
1.
Allgemeines
Nach § 27 Abs. 1 lit. b SHG kann rechtmässig bezogene wirtschaftliche Hilfe unter Berücksichtigung der Verjährungsfristen (vgl. Kapitel 15.4.01) ganz oder teilweise zurückgefordert
werden, wenn die Hilfe empfangende Person aus Erbschaft, Lotteriegewinn oder anderen
nicht auf eigene Arbeitsleistung zurückzuführenden Gründen in finanziell günstige Verhältnisse gelangt ist. In Fällen eigener Arbeitsleistung kann eine Rückerstattung nur gefordert
werden, wenn diese zu derart günstigen Verhältnissen führt, dass ein Verzicht auf Rückerstattung, unter Berücksichtigung der Gründe des Hilfebezugs, als unbillig erscheint.
Als Vermögensanfall im Sinne von § 27 Abs. 1 lit. b SHG gelten auch Pauschalentschädigungen von Versicherern oder andern Leistungspflichtigen. Einigen sich die geschädigte
Person und der leistungspflichtige Dritte (z.B. ein Haftpflichtversicherer) auf eine Pauschale
per Saldo aller Ansprüche, so verzichten sie darauf, die mit der Pauschale abgegoltenen Ansprüche der geschädigten Person nach Art, Höhe und Periode zu unterscheiden. Die Leistung soll also nicht rückwirkend in einer bestimmten Zeitspanne entstandene Ausfälle ausgleichen. Vielmehr werden damit sämtliche Ansprüche der geschädigten Person abgegolten,
seien dies Ansprüche zur Abgeltung von entstandenem Schaden oder von künftigen Ausfällen. Es handelt sich deshalb nicht um einen Anwendungsfall von § 27 Abs. 1 lit. a SHG. Dies
hat für die unterstützte Person den Vorteil, dass sie im Vergleich zu einer Anwendung von
§ 27 Abs. 1 lit. a SHG von einem höheren Freibetrag profitiert (vgl. dazu nachfolgend Ziff. 2).
Anders sieht es aus, wenn Versicherer und Versicherungsnehmer den Gesamtschaden in
einzelne Positionen wie z. B. Erwerbsausfall, Haushaltsschaden, Schadenszins, Genugtuung, vorprozessuale Anwaltskosten aufteilen und sich daraus die (ungefähre) Zusammensetzung der Pauschalentschädigung ergibt. In einem solchen Fall müssen die Positionen,
welche für die Bestreitung des vergangenen und künftigen Lebensunterhalts abgegolten
werden und damit den gleichen Zweck wie die wirtschaftliche Hilfe verfolgen, gestützt auf
§ 27 Abs. 1 lit. a SHG (vgl. Kapitel 15.2.02) zurückgefordert werden (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 6. Dezember 2012, VB.2012.00576).
Grundsätzlich unerheblich für die Rückerstattungsforderung ist, ob die unterstützte Person
im Zeitpunkt der Rückforderung nach wie vor in günstigen Verhältnissen ist oder nicht. Gibt
sie also das ihr zugeflossene Vermögen sogleich wieder aus (z.B. zur Tilgung von Schulden), so hat dies keinen Einfluss auf die Rückerstattungsforderung. Auch in einem solchen
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Fall kann eine Rückerstattung verfügt werden. Die tatsächlichen Vermögensverhältnisse
können aber in einem allfälligen Stundungs- oder Erlassverfahren (vgl. Kapitel 15.4.02) berücksichtigt werden.
2.
Vermögensanfall und Freibeträge
Wird gestützt auf § 27 Abs. 1 lit. b SHG die Rückerstattung verfügt, ist den Verpflichteten ein
angemessener Betrag zu belassen. Dieser beläuft sich bei einer Einzelperson auf
Fr. 25'000.-- und bei Ehepaaren bzw. eingetragenen Partnern und Partnerinnen auf
Fr. 40'000.--. Zusätzlich ist pro minderjähriges Kind ein Freibetrag von Fr. 15'000.-- zu berücksichtigen (vgl. SKOS-Richtlinien, Kapitel E.3.1). Übersteigt der Vermögensanfall zusammen mit dem bereits vorhandenen übrigen Vermögen diese Freibetragsgrenzen, kann
von günstigen Verhältnissen gesprochen werden. Mussten zur Erlangung des Vermögens
Geldmittel eingesetzt werden, ist es in der Regel angezeigt, diese als Gestehungskosten
vom Vermögensanfall in Abzug zu bringen (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons
Zürich vom 27. Oktober 2011, VB.2011.00461).
3.
Abgrenzung zur Rückerstattung wegen Realisierung von Vermögenswerten
§ 27 Abs. 1 lit. b SHG kommt zur Anwendung, wenn eine Person nach Unterstützungsbeginn
durch einen Vermögensanfall oder allenfalls durch eigene Arbeitsleistung in günstige Verhältnisse kommt. Besitzt sie demgegenüber bereits im Zeitpunkt, in welchem sie um Ausrichtung wirtschaftlicher Hilfe ersucht, erhebliche Vermögenswerte, die später realisierbar werden (vgl. dazu Kapitel 9.2.02), so erfolgt eine Rückerstattung nicht gestützt auf § 27 Abs. 1
lit. b SHG, sondern in Anwendung von § 27 Abs. 1 lit. c SHG (vgl. Kapitel 15.2.04). Auch
nach § 27 Abs. 1 lit. c SHG richtet sich die Rückforderung, wenn eine Person während der
Unterstützung zwar einen Vermögensanspruch erwirbt, dieser aber noch nicht realisierbar
ist.
Die Unterscheidung der Grundlage für die Rückforderung ist insoweit von Bedeutung, als der
zu gewährende Vermögensfreibetrag im Zusammenhang mit Rückforderungen nach § 27
Abs. 1 lit. c SHG für eine Einzelperon lediglich Fr. 4'000.-- beträgt (vgl. Kapitel 15.2.04), bei
Ansprüchen nach § 27 Abs. 1 lit. b SHG hingegen Fr. 25'000.-- (vgl. vorstehend Ziff. 2).
Beispiele:

Eine unterstützte Person erbt zusammen mit anderen Personen. Die Erbschaft kann aus
bestimmten Gründen nicht sofort geteilt werden, z.B. weil das Erbschaftsvermögen aus
einer Liegenschaft besteht, welches von einem Erben selber bewohnt wird und ein Verkauf nicht zumutbar ist und der Erbe die anderen Erben mangels liquiden Mitteln nicht
auszahlen kann. Die unterstützte Person bildet zusammen mit den anderen Erben eine
Erbengemeinschaft, das Erbschaftsvermögen steht den Erben als Gesamteigentum zu.
Bis zur Teilung kann über das Vermögen nur gemeinsam verfügt werden. Der Anteil am
Erbschaftsvermögen, welcher der unterstützten Person zusteht, kann also nicht sogleich
realisiert werden. In einem solchen Fall ist die unterstützte Person anzuhalten, eine
Rückerstattungsverpflichtung zu unterzeichnen (§ 20 SHG). Wird die Erbschaft später
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geteilt und der unterstützten Person ihr Anteil ausbezahlt, dann stützt sich die Rückforderung auf § 27 Abs. 1 lit. c SHG.

4.
Eine unterstützte Person hat lediglich eine Anwartschaft, zum Bespiel auf eine güterrechtliche Vorschlagsbeteiligung. Eine Anwartschaft stellt eine ungewisse Aussicht auf
einen künftigen Erwerb von Rechten dar. Im Falle einer Anwartschaft auf güterrechtliche
Vorschlagsbeteiligung bedeutet das, dass die unterstützte Person bei der Auflösung der
Ehe durch Tod oder Scheidung möglicherweise (d.h. soweit z.B. eine Errungenschaft
vorhanden ist) einen güterrechtlichen Anspruch auf eine Vorschlagsbeteiligung hat. Wer
eine Anwartschaft besitzt, hat also weder einen Vermögensanspruch noch ist ihm ein
Vermögen zugeflossen. Eine Rückforderung kommt daher weder gestützt auf § 27
Abs. 1 lit. b SHG noch gestützt auf § 27 Abs. 1 lit. c SHG in Frage. Reicht nun aber ein
Ehegatte das Scheidungsbegehren ein, so wird, wenn eine Errungenschaft vorhanden
ist, aus der Anwartschaft ein Anspruch auf güterrechtliche Vorschlagsbeteiligung, der allerdings betragsmässig in diesem Zeitpunkt noch nicht feststeht. Vom Zeitpunkt der Einreichung des Scheidungsbegehrens bis zum Zeitpunkt der Auszahlung der Vorschlagsbeteiligung liegt also ein (noch) nicht realisierbarer Vermögenswert vor. Die Sozialbehörde kann die Sicherstellung nach § 20 SHG verlangen. Im Zeitpunkt der Auszahlung
fliesst der unterstützten Person dann ein Vermögen zu, so dass dann eine Rückforderung nach § 27 Abs. 1 lit. b SHG in Frage kommt.
Erbschaft von Kindern
Macht ein zusammen mit den Eltern bzw. einem Elternteil unterstütztes Kind eine Erbschaft,
so kann gestützt darauf (zumindest für die Zeit vor dem Erbanfall) keine Rückerstattung von
Sozialhilfeleistungen verlangt werden, da ein bei den Eltern lebendes Kind nicht als direkter
Hilfeempfänger gilt (vgl. aber zur vorschussweisen Ausrichtung wirtschaftlicher Hilfe zugunsten eines Kindes Kapitel 15.2.04).
Allerdings dürfen die Erträge des Kindesvermögens normalerweise für Unterhalt, Erziehung
und Ausbildung des Kindes und unter Umständen auch für die Bedürfnisse des Haushalts
verwendet werden. Sofern dies zur Bestreitung der Kosten für das Kind nötig ist, kann die
Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde darüber hinaus Eingriffe in das Kindesvermögen
gestatten (vgl. Art. 319 ff. ZGB). Macht ein Kind also eine Erbschaft, kann zwar nicht gestützt
auf § 27 Abs. 1 lit. b SHG eine Rückerstattung bezogener wirtschaftlicher Hilfe verlangt werden, es kann aber wegen den neu anfallenden Einnahmen aus Erträgen des Kindesvermögens und allfälliger Anzehrung desselben mit Einverständnis der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde gegebenenfalls die wirtschaftliche Hilfe künftig reduziert werden (vgl. Kapitel
9.2.01, Ziff. 4).
5.
Eigene Arbeitsleistung
In Fällen eigener Arbeitsleistung ist eine Rückforderung nur ausnahmsweise zulässig, nämlich dann,

wenn die Arbeitsleistung zu derart günstigen Verhältnissen führt,
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
dass unter Berücksichtigung der Gründe des Hilfebezugs

ein Verzicht auf Rückerstattung als unbillig erscheint.
Es geht also darum, dass ausserordentlich günstige Verhältnisse zusammen mit den besonderen Gründen des Hilfebezugs und allfälligen weiteren Umständen einen Verzicht auf die
Rückerstattung als stossend erscheinen liessen. Auf eigene Arbeitsleistung sind auch Freizügigkeitsguthaben einer Person zurückzuführen. Zu beachten ist hier, dass ein BVG- bzw.
Freizügigkeitsguthaben in erster Linie der Alters- und Invalidenvorsorge des Versicherten
dient und nicht zur Deckung von Schulden oder Lebensunterhalt vor Eintritt des Vorsorgefalls verwendet werden soll. Es ist daher grundsätzlich nicht angebracht, das aus dem Bezug
eines BVG- bzw. Freizügigkeitskapitals anfallende Vermögen für die Rückerstattung empfangener wirtschaftlicher Hilfe heranzuziehen.
Erzielt eine ehemals unterstützte Person nunmehr ein hohes Erwerbseinkommen und erscheint es angebracht, eine Rückerstattung der bezogenen wirtschaftlichen Hilfe zu verlangen, so ist zur Festlegung des Betrages, welcher monatlich an die Rückerstattungsforderungen zu leisten ist, ein erweitertes Budget nach den SKOS-Richtlinien zu erstellen (SKOSRichtlinien, Kapitel H.9). Dieses umfasst folgende Positionen:

doppelter Ansatz des Grundbedarfs für den Lebensunterhalt,

Wohnkosten,

medizinische Versorgung,

Erwerbsauslagen,

übrige Kosten wie z.B. Steuern, Versicherungen, Unterhaltsbeiträge, Schuldzinsen und
Schuldentilgung.
Von der Differenz zwischen dem so ermittelten Bedarf und dem aktuellen Einkommen ist
höchstens die Hälfte als monatliche Rückerstattung festzulegen.
Um die wirtschaftliche und berufliche Integration nicht zu gefährden, kann es angezeigt sein,
die zeitliche Dauer der Rückerstattung zu begrenzen. Die SKOS-Richtlinien empfehlen hier
einen Rückerstattungszeitraum von vier Jahren. Ist die ausgerichtete wirtschaftliche Hilfe
nach vier Jahren noch nicht vollständig zurückbezahlt, sollte auf den Rest verzichtet werden.
Rechtsprechung
VB.2012.00576: Nur weil die Versicherungsleistung für einen erlittenen Unfall als Pauschalentschädigung ausgerichtet wurde, kann entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht
die gesamte Summe als Vermögensanfall gemäss § 27 Abs. 1 lit. b SHG gelten. Derjenige
Teil, der den Erwerbsausfall entschädigen soll, begründet nach § 27 Abs. 1 lit. a SHG nur einen Rückforderungsanspruch, soweit er zeitlich kongruent zum Unterstützungszeitraum ist
(E. 3.3). Um die Berechnung des Rückforderungsanspruchs vorzunehmen, ist die Versicherungsleistung sowohl sachlich als auch zeitlich aufzuteilen.
VB.2011.00735: Rückerstattung von Sozialhilfeleistungen aufgrund einer Erbschaft. [Die So15 Rückerstattung
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zialbehörde kürzte den Fürsorge-Grundbedarf des Beschwerdeführers um 15% und verrechnete diesen Betrag mit einer erbschaftsbedingten Rückerstattungsforderung.] Die Vorinstanz
ging zu Unrecht davon aus, dass die Rückerstattungsverpflichtung des Beschwerdeführers
im Rahmen des Grundbedarfskürzungsverfahrens nicht mehr überprüft werden könne: Der
Beschwerdeführer focht die Verfügung, die ihn zur Rückerstattung "in der Höhe des Erbanteils" verpflichtete, zwar nicht an. Doch diese Verfügung stellt keine vollstreckbare Sachverfügung dar, denn die Höhe des Erbanteils war zum Zeitpunkt der Rückerstattungsverfügung
noch nicht bekannt und wurde erst im Rahmen der Grundbedarfskürzung festgelegt (E. 4).
Die Sozialbehörde verpflichtete den Beschwerdeführer zu Unrecht zur Rückerstattung bezogener Sozialhilfeleistungen, denn dieser gelangte durch die Erbschaft nicht in finanziell günstige Verhältnisse: Der Willensvollstrecker zahlte fast den ganzen Erbanteil direkt an das Betreibungsamt, weil der Beschwerdeführer dem Gemeinwesen abgetretene Unterhaltsbeiträge
schuldete (E. 5.2). Der Betrag von Fr. 5'000.-, der dem Beschwerdeführer aus der Erbschaft
effektiv zufloss, ist zu gering, um eine Rückerstattungspflicht auszulösen, so dass sich die
Grundbedarfskürzung als unzulässig erweist (E. 5.3).
VB.2011.00461: Vor dem Hintergrund der klaren gesetzlichen Grundlage, die die sozialhilferechtliche Rückzahlungspflicht einzig vom Zufluss erheblicher Vermögenswerte abhängig
macht (vgl. E. 2.1), kommt eine Reduktion des Rückerstattungsbetrags nur ausnahmsweise
und in begründeten Fällen infrage. Im vorliegenden Fall rechtfertigen sich Abzüge – wie die
Vorinstanz zu Recht festhielt – lediglich im Zusammenhang mit jenen Aufwendungen der
Beschwerdeführerin, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Eheschutz- und
Scheidungsverfahren standen. Die nachweislich angefallenen Verfahrens- und Anwaltskosten müssen als eigentliche „Gestehungskosten“ erachtet werden bzw. als Aufwand, der erforderlich war, um eine für die Beschwerdeführerin finanziell günstige Regelung zu erwirken
und schliesslich ein Ende ihrer Sozialhilfeabhängigkeit herbeizuführen (E. 4.2).
Fliessen einem Sozialhilfebezüger erhebliche Vermögenswerte zu, so kommt als Anspruchsgrundlage für eine Rückforderung bezogener Hilfeleistungen einerseits § 27 Abs. 1
lit. c in Verbindung mit § 20 Abs. 1 Satz 1 SHG infrage, andererseits § 27 Abs. 1 lit. b SHG.
Nach § 27 Abs. 1 lit. c SHG richtet sich die Rückforderung dann, wenn bereits vor dem Vermögensanfall ein – noch nicht realisierbarer – Anspruch auf den betreffenden Vermögenswert bestand (Beispiel: Anspruch auf die Erbschaft eines verstorbenen Erblassers). Auf § 27
Abs. 1 lit. b SHG stützt sich der Rückforderungsanspruch hingegen dann, wenn bis zum
Zeitpunkt des Vermögenszuflusses kein Anspruch auf die betreffenden Vermögenswerte bestand (Beispiel: Anwartschaft auf Erbschaft eines noch nicht verstorbenen Erblassers). Die
Unterscheidung der Anspruchsgrundlage ist insofern von Bedeutung, als der zu gewährende
Vermögensfreibetrag im Zusammenhang mit Rückforderungen nach § 27 Abs. 1 lit. c SHG
Fr. 4'000.-- beträgt, bei Ansprüchen nach § 27 Abs. 1 lit. b SHG hingegen der Vermögensfreibetrag gemäss Ergänzungsleistungsrecht, derzeit Fr. 25'000.-- (E. 5.2). Im vorliegenden
Fall hatte die Beschwerdeführerin bis zur Einreichung des Scheidungsbegehrens lediglich
eine Anwartschaft auf die güterrechtliche Vorschlagsbeteiligung. Die Rückerstattungsforderung der im April 2008 realisierten Vermögenswerte stützt sich für diesen Zeitraum demnach
nicht auf § 27 Abs. 1 lit. c SHG, sondern auf § 27 Abs. 1 lit. b SHG, sodass ein Vermögensfreibetrag von Fr. 25'000.-- zu gewähren ist (E. 5.4). Für den Zeitraum nach Einreichung des
Scheidungsbegehrens hingegen stützt sich der Rückerstattungsanspruch auf § 27 Abs. 1
lit. c SHG (E. 5.5.).
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Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin trotz Realisierung einer erheblichen güterrechtlichen Ausgleichszahlung verschuldet blieb, steht der Rückerstattungsforderung nicht entgegen. Der Verschuldung kann aber allenfalls im Rahmen eines Erlassverfahrens noch Rechnung getragen werden, und bei einer allfälligen betreibungsrechtlichen Durchsetzung der
Rückerstattungsforderung muss das Existenzminimum gewahrt werden (E. 6).
Anmerkung:
Mit der Revision der SKOS-Richtlinien vom Dezember 2010, welche für den Kanton Zürich
per 1. August 2011 übernommen wurde (vgl. § 17 SHV), wird bei der Rückerstattung nach
§ 27 Abs. 1 lit. b SHG nicht mehr auf die Vermögensfreibeträge nach Ergänzungsleistungsrecht abgestellt, sondern sind die bei der Rückerstattung massgebenden Freibeträge betraglich festgelegt.
VB.2010.00639: Rechtmässig bezogene Fürsorgegelder müssen nur dann zurückerstattet
werden, wenn die unterstützte Person - beispielsweise durch eine Erbschaft - in eine verbesserte finanzielle Situation gelangt. Nicht massgebend ist, ob die zugeflossenen Vermögenswerte sofort oder erst später realisierbar sind, und ob sie zum Zeitpunkt der Rückforderung
noch vorhanden sind oder nicht. Keiner Rückerstattungspflicht unterliegt demgegenüber eine
Person, die zu keinem Zeitpunkt einen Vermögenszufluss erhalten hat, selbst wenn sie ohne
Weiteres die Möglichkeit gehabt hätte oder gar bewusst darauf verzichtete, in bessere finanzielle Verhältnisse zu gelangen. Das Sozialhilferecht verpflichtet die Fürsorgeempfänger
nicht dazu, während der Dauer der wirtschaftlichen Unterstützung sowie während den 15 darauf folgenden Jahren sämtliche potenziellen Vermögenszuflüsse zu realisieren und die
(rechtmässig) bezogenen Sozialhilfeleistungen auch bei fehlendem Mittelzufluss zurückzubezahlen (E. 4.4).
VB.2006.00499: Die Auszahlung einer Freizügigkeitsleistung ist auf eigene Arbeitsleistung
zurückzuführen und darf daher nur unter den erwähnten, besonderen Voraussetzungen für
die Rückerstattung von wirtschaftlicher Hilfe beansprucht werden. Dabei ist entsprechend
dem Zweck eines BVG- bzw. Freizügigkeitsguthabens davon auszugehen, dass dieses in
erster Linie der Alters- und Invalidenvorsorge des Versicherten dienen und nicht zur Deckung von Schulden oder Lebensunterhalt vor Eintritt des Vorsorgefalls verwendet werden
soll. Ausgehend von dieser Zielsetzung erscheint es – abgesehen von extremen Fällen – in
aller Regel nicht angebracht, das aus dem Bezug eines BVG- bzw. Freizügigkeitskapitals anfallende Vermögen für die Rückerstattung empfangener wirtschaftlicher Hilfe heranzuziehen.
Das Freizügigkeitsguthaben betrug im vorliegenden etwas über Fr. 100'000.-- und war damit
als Vorsorgekapital eher bescheiden. Unter diesen Umständen ist ein Verzicht auf die Rückerstattung keineswegs stossend, sondern durchaus gerechtfertigt (E. 3.1.2).
VB.2006.00352: Bei einem dauernd fremdplatzierten Kind liegt ein eigener sozialhilferechtlicher Wohnsitz vor. Die Leistungen kommen ihm zu und können deshalb von einem Elternteil,
der durch eine Erbschaft in finanziell günstige Verhältnisse gelangt ist, nicht zurückgefordert
werden (E. 5.2).
VB.2003.00393: Den Sozialbehörden ist es im Rahmen des ihnen bei der Anwendung von
§ 27 Abs. 1 SHG zustehenden Rechtsfolgeermessens nicht verwehrt, aus Billigkeitsüberlegungen die Gesamtsituation des Betroffenen und damit allenfalls auch bestehende Schulden
zu berücksichtigen. Dazu verpflichtet sind sie jedoch nicht, zumal das Vorliegen eines
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rechtskräftigen Rückerstattungsentscheids nicht ausschliesst, dass solchen Schuldverpflichtungen in einem anschliessenden gesonderten Erlassverfahren gleichwohl noch Rechnung
getragen wird. Aufgrund dieser Auslegung von § 27 Abs.1 SHG steht den Sozialbehörden
bei dessen Anwendung bezüglich der Berücksichtigung allfälliger Schulden ein erheblicher
Ermessensspielraum zu; in die diesbezügliche Ermessensbetätigung hat das auf Rechtskontrolle beschränkte Verwaltungsgericht nicht einzugreifen.
VB.2003.00107: Bei der Prüfung der Frage, ob der bzw. die Betroffene durch den Mittelzufluss "in finanziell günstige Verhältnisse" gelangt ist, sind in jenem Zeitpunkt bestehende
Schulden grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Dafür spricht der in § 22 SHV verankerte
Grundsatz, dass die Sozialhilfe nur ausnahmsweise, zwecks Abwendung einer bestehenden
oder drohenden Notlage, Schulden übernehmen soll. Dies beruht auf dem Gedanken, dass
andere Gläubigerinnen oder Gläubiger nicht gegenüber dem Sozialhilfe leistenden Gemeinwesen bevorzugt werden sollen. Dagegen schliesst die Nichtberücksichtigung von Schulden
beim Entscheid über die Rückerstattung nicht aus, dass solchen Verpflichtungen im Rahmen
eines Erlassverfahrens doch noch Rechnung getragen wird. Ob der bzw. die Betroffene "in
finanziell günstige Verhältnisse gelangt" sei, bestimmt sich demnach bei einem Vermögensanfall einzig aufgrund des fraglichen Mittelzuflusses unter Berücksichtigung eines Freibetrages. Allerdings lässt § 27 Abs. 1 SHG Raum dafür, die Gesamtsituation des oder der Betroffenen und damit auch Überlegungen der Billigkeit zu berücksichtigen. Unter diesem Gesichtswinkel können auch allfällige Schulden schon beim Entscheid über die Rückerstattung
und deren Bemessung, nicht erst in einem allenfalls folgenden Erlassverfahren, berücksichtigt werden.
VB.2002.00041: Rückerstattungspflichtig im Sinne von § 27 SHG ist nur, wer selbst wirtschaftliche Hilfe bezogen hat. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Abs. 1 und 2 von § 27
SHG und aus dem Umstand, dass nur Familien mit gemeinsamem Wohnsitz Unterstützungseinheiten darstellen. Deshalb ist es nicht zulässig, von jemandem, der eine Erbschaft
gemacht hat, die an seine schon damals von ihm getrennt lebende Ehefrau und an sein
schon damals von ihm getrennt lebendes Kind ausgerichtete wirtschaftliche Hilfe zurückzufordern.
RRB Nr. 1160/1997 (nicht publiziert): Eine Rückforderung gemäss § 27 Abs. 1 SHG setzt finanziell günstige Verhältnisse und damit erhebliche Mittel voraus. Zudem darf nicht das gesamte Vermögen des oder der Pflichtigen davon erfasst werden. Vielmehr ist früher bezogene wirtschaftliche Hilfe nur insoweit zurückzuerstatten, als das jeweilige Vermögen gesamthaft bestimmte Limiten übersteigt. Jedenfalls kann nur insofern von finanziell günstigen Verhältnissen gesprochen bzw. eine Rückforderung verlangt werden, als durch den Vermögenszugang (zusammen mit dem übrigen Vermögen) die jeweiligen Vermögensfreibeträge des
Ergänzungsleistungsrechts überschritten werden.
Praxishilfen
Beispiel Rückerstattung nach § 27 Abs. 1 lit. b SHG und § 27 Abs. 1 lit. c SHG
Totalbezug wirtschaftlicher Hilfe vom 1. Januar 2009 bis 31. Januar 2012: Fr. 74'000.-15 Rückerstattung
15.2. Rückerstattung von rechtmässig bezogenen Leistungen
15.2.03. Rückerstattung von rechtmässig bezogenen Leistungen aufgrund günstiger Verhältnisse
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Einreichung Scheidungsbegehren 1. Juni 2011
Auszahlung güterrechtliche Vorschlagsbeteiligung am 1. Februar 2012: Fr. 50'000.--
15 Rückerstattung
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