e-Unternehmensethik Prof. Dr. Karl Homann - Evenord-Bank

e-Unternehmensethik
Prof. Dr. Karl Homann
Ordnungstheoretischer Ansatz von Karl Homann
Das Verhältnis von Ethik und Ökonomie
Der zentrale Aspekt jeglicher wirtschaftsethischer Diskussion ist für Karl Homann der Widerspruch
zwischen Ethik und Wirtschaft. Aus den hieraus recht kontrovers geführten Ansätzen über das
Verhältnis von Ethik und Ökonomie münden letztlich zwei grundlegende Fragestellungen. Hierbei
geht es zum einen um die Frage über Teilbar- bzw. Unteilbarkeit von Ethik und Ökonomie bzw. über
die Frage, welche der beiden Disziplinen im Konfliktfall priorisiert werden soll.
Nach Meinung von Homann geht es allerdings nicht um die Frage eines Interessenausgleichs
zwischen Ethik und Ökonomie bzw. welcher der beiden Disziplinen im Konfliktfall der Vorrang
einzuräumen sei. Aus seiner Sicht lässt sich Moral in einer Gesellschaft nicht gegen die Wirtschaft,
sondern letztlich nur in und durch die Wirtschaft durchsetzen. Aus diesem Grund geht es ihm um
eine grundsätzliche Thematisierung des Verhältnisses zwischen Gewinn und Moral im Unternehmen
und darum, Ansätze dafür zu finden, wie unter den Bedingungen einer modernen Wirtschaft Normen
und Ideale in Unternehmen implementiert und zur Geltung gebracht werden können. Konkretisiert
bedeutet dieser zentrale ordnungstheoretische Ansatz von Homann, dass er Wirtschaftsethik nicht
als Teildisziplin der Wirtschaftswissenschaften, sondern vielmehr als integralen Bestandteil der
Ökonomie sieht. Diese Sichtweise der grundsätzlichen Gleichrangigkeit bedeutet letztlich, dass weder
der Ökonomie auf Kosten der Moral noch umgekehrt der Moral auf Kosten der Ökonomie
prinzipieller Vorrang gebührt. Unabhängig von derartigen in der Wissenschaft geführten
Diskussionen lässt sich ein lang anhaltender sozialer Akzeptanzverlust der gesamten
Wirtschaftsordnung, also des Systems der unternehmerischen Gewinnerzielung im Rahmen der
wettbewerblich verfassten Märkte, feststellen.
Doch trotz der zunehmenden Vorbehalte der Bevölkerung in die marktwirtschaftlich aktiven Akteure
sowie der wettbewerblich orientierten Marktverfassung darf nach Homann der Wettbewerb
marktwirtschaftlicher Prägung nicht infrage gestellt werden, da dieser letztlich für die
Wohlstandsmehrung ursächlich ist. Dies bedeutet, dass zwar die monetären Restriktionen der
Marktakteure, nicht aber deren monetäre Präferenzen, die letztlich die Basis für wettbewerbliche
Aktivitäten darstellen, zu Gunsten ethischer Forderungen zu hinterfragen sind. Vor diesem
Hintergrund ist aus ordnungstheoretischer Sicht die langfristige Gewinnorientierung nicht nur ein
Privileg, sondern ihre ureigene Pflicht.
Da letztlich hierdurch die langfristige Existenzfähigkeit des Unternehmens gewährleistet wird, wird
aus unternehmensethischer Sicht allgemein das Gewinnprinzip als solches der ethischen Bewertung
entzogen. Aus ethischer Sicht ist allerdings von entscheidender Bedeutung, mit welchen Methoden
der Gewinn erwirtschaftet wird. Den durch den Wettbewerb induzierten Problemstrukturen dürfen
nach Meinung Homanns nicht durch Appelle an einzelne Marktteilnehmer begegnet werden, da es
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hierdurch zur Ausbeutung des Einzelnen durch diejenigen kommen kann, die ihr Handeln selbst nicht
nach den geäußerten moralischen Standards orientieren. Hierbei kommt es letztlich eher zu einer
Schädigung der Gesamtmoral in der Wirtschaft. Homann begründet diese zentrale Annahme damit,
dass jede moderne Wirtschaftsethik mit dem Dilemma konfrontiert ist, dass unter
Wettbewerbsbedingungen ein Unternehmen, das aus moralischen Gründen kostenträchtige Vorbzw. Mehrleistungen erbringt, Wettbewerbsnachteile hinnehmen muss oder gar ganz aus dem Markt
ausscheidet. Nach Homann können sich moralische Aktivitäten, die etwas kosten, im Wettbewerb
auf Dauer nur Wenige leisten.
Implementierung von Moral in die Ökonomie
Bei der Fragestellung bezüglich der Implementierung von Moral in die Ökonomie basieren die
Überlegungen von Homann auf dem klassischen ökonomischen Ansatz von Adam Smith. Aus der für
eine funktionierende Wirtschaft resultierenden hohen Arbeitsteilung und Spezialisierung resultiert
ein entsprechender Abstimmungs- und Koordinationsbedarf. Während sich dieser in früheren Zeiten
z. B. auch über gemeinsame Werte und Gruppenzugehörigkeit vollzog, ist dies in zunehmend
komplexeren Gesellschaftsstrukturen nicht mehr alleine in dieser Form möglich. Während es in
Kleingruppen aufgrund der gegenseitigen, direkten sozialen Kontakte noch möglich ist, moralische
Motive entsprechend leicht zu sanktionieren bzw. zu belohnen, ist dies in den anonymen Strukturen
einer stark funktional differenzierten Gesellschaft nicht mehr möglich. Indem moralisches Verhalten
sich nicht mehr auf direktem Weg durchsetzen und kontrollieren lässt, kann nach Homann Moral in
anonymisierten Gesellschaften durch eine allgemein verbindliche Regelbindung aller Akteure mit
Hilfe einer entsprechenden Rahmenordnung sichergestellt werden. Es ist nicht der einzelne Akteur,
sondern vielmehr alle Akteure gemeinsam, die in gleicher Weise an bestimmte Normen und Regeln
gebunden werden. Durch eine derartig kollektive Verpflichtung ist es nunmehr unabhängig von der
individuellen moralischen Lage möglich, allgemein verbindliche, moralische Standards zur Geltung zu
bringen.
So wird es durch allgemein verbindliche Regeln möglich, eine stabile Erwartungs- und
Verhaltensbasis zu schaffen. Die Akteure können sich darauf verlassen, dass die verbindlichen
Verhaltensstandards für alle anderen Marktakteure gleichermaßen gelten und sie somit vor
moralischer Ausbeutung geschützt werden. Dieser Umstand ist gerade in zunehmend anonymisierten
Gesellschaften wesentlich, da das Handlungsergebnis nicht mehr ausschließlich von einzelnen
Akteuren abhängt. Vielmehr wird es auch vom Verhalten der anderen Marktteilnehmer beeinflusst.
Durch die verhaltenssteuernden Regeln treten nunmehr die individuellen Handlungsmotive der
Marktakteure in den Hintergrund. Durch die zwingende Ausrichtung an die übergeordnete
Regelsteuerung werden die moralischen Verhaltensweisen somit im gewünschten Sinne kanalisiert.
Entscheidend ist nicht mehr das individuelle Motiv, sondern die verbindliche Regelordnung an dem
sich alle Marktakteure auszurichten haben.
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Im Rahmen der Ausgestaltung dieser Ordnung ist es Aufgabe der Politik, die Regeln des
Wirtschaftens festzulegen und hierbei auch dauerhafte moralische Regeln aufzustellen, um
anschließend deren Nichteinhaltung entsprechend zu sanktionieren. Durch die Schaffung
einheitlicher Moralstandards, d. h. einheitlicher und verbindlicher Spielregeln, wird elementares
moralisches Verhalten von allen Marktteilnehmern gleichermaßen eingefordert (z. B. Arbeitsschutz,
Umweltschutz oder Verbot von Absprachen). Dies bedeutet, dass der ökonomische Wohlstand aller
nicht mehr vom Wohlwollen der einzelnen Marktakteure abhängig ist, sondern vom gemeinsamen
Regelsystem, sprich: der Rahmenordnung. Letztlich versteht Homann vor diesem Hintergrund
Wirtschaftsethik als „Ordnungsethik“, die an den Rahmenbedingungen des Wirtschaftens ansetzt. Da
sich die moralischen Forderungen einzig auf die Regelgestaltung beziehen, sieht Homann
wirtschaftliches Handeln der Marktteilnehmer für den Fall einer perfekten marktwirtschaftlichen
Rahmenordnung als prinzipiell „moralfrei“ an. Vor diesem Hintergrund ist für Homann eine
Tugendethik, die auf individuelle Moral bzw. intrinsische Motivation der Akteure angewiesen ist,
nachrangig.
Den Wirtschaftssubjekten obliege nach Meinung Homanns weiterhin die Pflicht, sich regel- und
systemkonform zu verhalten und im Sinne der gesellschaftlichen Wohlfahrtsmehrung weiterhin
langfristige Gewinnmaximierung zu betreiben. Darüber hinaus verbleibt ihm als letzte Möglichkeit
des moralischen Tuns, Einfluss auf die bestehende Rahmenordnung zu nehmen.
Analyse der Verhaltensweisen der Marktakteure
Nach Auffassung Homanns kann Moral durch eine übergeordnete Regelgestaltung zur Geltung
gebracht werden. Für eine wirksame Implementierung oder Umgestaltung moralischer Regeln bedarf
es aus Sicht der Wirtschaftsethik allerdings zunächst einer umfassenden Analyse der
Verhaltensweisen der Marktakteure unter Bedingung einer modernen Marktwirtschaft. Wesentliche
Aufgaben moderner Gesellschaftsstrukturen setzen sich nach Homann aus funktional
ausdifferenzierten Teilsystemen, wie z. B. dem Rechts-, Politik-, Wirtschaftssystem etc., zusammen,
mit einer jeweils eigenen spezifischen „Kommunikation“ und einem Handlungsschema. Vor diesem
Hintergrund bilden nun auch Unternehmen als kollektive Akteure eigene gesellschaftliche
Teilsysteme.
Innerhalb der modernen Gesellschaftsstrukturen sieht Homann die Menschen nicht als
„vollständiges“ Individuum. Vielmehr füllen diese im Rahmen ihrer Tätigkeit, z. B. als Arbeitnehmer
im Unternehmen, spezifische Rollen aus und sind hierbei entsprechenden Regelungen bzw.
Gesetzmäßigkeiten unterworfen. Hieraus resultieren wiederum entsprechende Anreiz- und
Sanktionsmechanismen. Da den Marktakteuren, wie bereits erwähnt, direkte Absprachen nicht mehr
umfassend möglich sind, ähnelt ihre Situation der eines Gefangenen-Dilemmas. Konkret bedeutet
dies: Ohne wirksame Verhaltensbindung aller muss der einzelne Akteur, aber auch der kollektive
Akteur befürchten, dass sein Verhalten im Sinne des gemeinsamen Ziels („Kooperation“) von den
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anderen „defektiert“, also ausgebeutet werden kann. Aus diesem Grund ist für ihn das wirksamste
Gegenmittel die präventive Gegendefektion.
Nach Homann bestimmt in einem modernen Wettbewerb nicht individuelles moralisches Verhalten
die Handhabung der zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen. Vielmehr sind die
Marktakteure gezwungen, unter Berücksichtigung der Handlungsoptionen ihrer Interaktionspartner
stets ihren eigenen Nutzen zu optimieren. Andernfalls laufen sie Gefahr, die von ihnen einseitig
verursachten ökonomischen Kosten für Moral alleine zu tragen und damit im Wettbewerb
zurückzubleiben. Vor diesem Hintergrund sieht Homann individuelles Handeln aus einer intrinsischen
Moral heraus auf Dauer mit Nachteilen verbunden. Die hieraus resultierende Überforderung der
Akteure führt letztlich zu einem Bedeutungsverlust der Motivmoral. Diesem Umstand entsprechend
erfährt hingegen die Anreizmoral, d. h. die Verankerung der gesellschaftlichen Moralansprüche auf
der Ebene der Rahmenordnung, einen entsprechenden Bedeutungszuwachs. Letztlich tritt die so
beschriebene Dilemmasituation, ausgedrückt in dem Spannungsverhältnis zwischen Markt und
Moral, immer dann auf, wenn zwei oder mehr Akteure ihre individuellen Ziele zu Lasten eines
gesamtgesellschaftlichen Optimums verfolgen und lässt sich spieltheoretisch mit Hilfe des sog.
„Gefangenen-Dilemmas“ darstellen.
Eine Erkenntnis aus der Schilderung des „Gefangenen-Dilemmas“ ist es, dass aus den für die Märkte
geltenden Wettbewerbsregeln mit der damit verbundenen Wettbewerbsförderung eine – auch im
Sinne der Wirtschaftsethik – Wohlstandsförderung resultiert. So werden z. B. die Unternehmen
aufgrund gesetzlicher Regelungen, z. B. des Kartellrechts, daran gehindert, ihre Preise abzusprechen
und zum Schaden des Konsumenten zu kooperieren. Allerdings wird hierdurch auch individuellem
moralischen Verhalten klare Grenzen gesetzt, da im Wettbewerb grundsätzlich nicht mehr zwischen
handlungsleitenden Motiven unterschieden werden kann. Es ist mithin gleichgültig, ob nun ein
Wettbewerber aufgrund ökonomischer Fehlplanungen oder aber durch Verzicht von
Wettbewerbsvorteilen aus moralischen Motiven heraus Defizite erwirtschaftet – das Ergebnis ist
dasselbe: Beide Akteure werden letztlich mit dem wirtschaftlichen Ruin bestraft. Letztlich – und dies
ist die zentrale Kernbotschaft des Ansatzes von Karl Homann – können unerwünschte
Dilemmastrukturen in der Wirtschaft nur überwunden werden, wenn der systematische Ort der
Moral in der Marktwirtschaft die Rahmenordnung ist.
Unternehmensethischer Ansatz nach Karl Homann
Homanns ordnungstheoretisches Konzept verlagert die individuelle ethische Verantwortung auf
rahmengebende Institutionen. Für ihn ist der systematische Ort der Moral die Rahmenordnung.
Diese stellt gleichsam die Spielregeln dar, die für alle Akteure verbindlich festgelegt sind.
Wirtschaftsethik muss in diesem Sinne eine nach moralischen Erwägungen gesetzte Rahmenordnung
sein. Wesentliche Aufgabe der Unternehmen besteht hierbei, sich anreizkompatibel zu verhalten.
Das hiermit verbundene Streben nach Gewinnmaximierung ist daher im Sinne der Erhöhung der
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allgemeinen Wohlfahrt kein Privileg, sondern Pflicht. Vor diesem Hintergrund untersucht die
Unternehmensethik welche Möglichkeiten den Unternehmen zu eigenständigem, moralischen
Handeln verbleiben bzw. wie sich deren systematische moralische Mehrleistungen erklären lassen.
Zentraler Aspekt der Unternehmensethik ist somit die Auseinandersetzung mit der Frage, wie von
Unternehmen, unter den Bedingungen einer modernen Wirtschaft, moralische Normen und Ideale
zur Geltung gebracht werden. Die hieraus resultierende Thematisierung des Verhältnisses von Moral
und Gewinn ist letztlich der zentrale Untersuchungsgegenstand der Unternehmensethik.
Die Relevanz der Unternehmensethik
Durch das Befolgen der Regeln im Rahmen einer vollkommenen Rahmenordnung steht das Streben
nach dem unternehmerischen Gewinnmaximum unter einer ethischen Richtigkeitsvermutung und
gilt daher als legitim. Allerdings kann in der Realität niemals von einer vollkommenen und lückenlos
durchsetzbaren Rahmenordnung ausgegangen werden. Ein wesentlicher Grund hierfür ist u. a., dass
die übergeordneten Kontroll- und Steuerungsmechanismen niemals die vollständige Einhaltung der
Spielregeln sicherstellen noch das Auseinanderfallen von rechtlicher Legalität und moralischer
Legitimität ausschließen können. Aus diesem Defizit der Rahmenordnung resultiert letztlich die
Verpflichtung für die Unternehmen, die von der übergeordneten Ordnungsebene übernommene
moralische Verantwortung wieder selbst zu übernehmen, um das entstandene moralische Vakuum
auszufüllen. Zum anderen leitet Homann die Notwendigkeit, moralisches Handeln auf
Unternehmensebene zu implementieren, auch in den Fällen unvollständiger Verträge ab. Hierbei
stützt er sich insbesondere auf die Erkenntnisse der Neuen Institutionenökonomik. Diese geht im
Gegensatz zur neoklassischen Theorie, die ausschließlich von vollständigen Verträgen ausgeht, von
der Annahme aus, dass in Verträgen aufgrund der Komplexität der umgebenden Umwelt nicht alle
relevanten Vertragsinhalte hinreichend genug erfasst und geregelt werden können. Folge der hieraus
entstehenden Informationsdefizite ist das Entstehen eines moralischen Ausbeutungspotentials.
So können z. B. die in einem Arbeitsvertrag vor Vertragsabschluss vereinbarten Leistungen und
Gegenleistungen nicht hinreichend genug spezifiziert werden, wodurch z. B. eine gerichtliche
Durchsetzung der geschuldeten Gegenleistung durch den Arbeitnehmer nicht oder nur schwer
möglich ist. Aus dieser mangelnden Konkretisierung des unvollständigen Vertrages leitet die Neue
Institutionenökonomik den sog. „Impliziten Vertrag“ her, der die nicht schriftlich vereinbarten
Vertragsgegenstände zum Inhalt hat. In Frage kommen hier unternehmensfördernde Aspekte, wie z.
B. „Fairness“, „Loyalität“, „Glaubwürdigkeit“ oder „Einsatzbereitschaft“.
Aufbau einer Unternehmensethik
Vor diesem Hintergrund ist die Unternehmensethik in der Art zu gestalten, dass moralisches Handeln
durch direkte bzw. indirekte Steuerung der individuellen Akteure implementiert werden kann.
Hierbei kann zum einen auf die Individualethik zurückgegriffen werden, die sich mit ethischen
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Ansprüchen an eine einzelne Person beschäftigt. Zentrale Annahme hierbei ist, dass die Ursache für
moralisches Handeln im Menschen selbst durch dessen internalisierte Wertvorstellungen und
Normen begründet ist. Bei der Institutionenethik hingegen gilt es auf der Basis eines
unternehmenseigenen Ordnungsrahmens, entsprechende Normen zu implementieren, um somit
Anreize für moralisches Verhalten der individuellen Akteure sicherzustellen. Entscheidendes Element
aus unternehmensethischer Sicht ist, dass mit der Implementierung und Durchsetzung eines
derartigen Regelsystems letztlich die Überwindung des Gefangenen-Dilemmas gelingt und somit
„ausbeutungsfreies“ moralisches Handeln im Unternehmen ermöglicht werden kann.
Gelingt es dem Unternehmen in diesem Sinne, dass die impliziten Verträge unter Verzicht auf
Opportunismus eingehalten werden, kann mit der hieraus resultierenden Förderung der intrinsischen
Motivation der Mitarbeiter deren Leistungsbereitschaft erhöht und somit entsprechende
Wettbewerbsvorteile generiert werden. Letztlich wird es dem Unternehmen somit möglich, das
vorhandene Humankapital weiter aufzubauen. Hierbei ist allerdings anzumerken, dass nach Meinung
Homanns in einer modernen Wirtschaft sich eine Unternehmensethik nur aus einer
ordnungstheoretischen Perspektive entwickeln kann. Durch die zentrale Fokussierung auf die
Institutionenethik wird das Unternehmen als eigener moralischer Akteur zu Lasten des individuellen
menschlichen Handelns aufgewertet.
Durch das verstärkte Zusammenspiel der einzelnen Akteure im Rahmen des implementierten
anreizkompatiblen Regelungssystems wird das Unternehmen zunehmend als kollektiver Akteur
wahrgenommen. Hierdurch wird ihm die Schaffung moralfördernder Elemente, wie z. B. Reputation
oder Vertrauen, möglich. Gelingt dies, so vermindert sich für das Unternehmen die Gefahr des
opportunistischen Verhaltens durch die anderen Marktteilnehmer. Mit der bewussten
Implementierung moralischen Handelns gelingt es dem Unternehmen darüber hinaus seine
gesellschaftliche Legitimität zu erhalten. So reicht bei Defiziten der Rahmenordnung die bloße legale
Regelbefolgung nicht mehr zur Rechtfertigung des gewinnorientierten Handelns aus. Hieraus letztlich
resultiert für das Unternehmen ein Konflikt zwischen seinem eigenen ökonomischen Anspruch und
den moralischen Forderungen der Gesellschaft. Da das Unternehmen aber ohne hinreichende
gesellschaftliche Akzeptanz am Markt nicht bestehen kann, wird es letztlich im Eigeninteresse neben
dem Gewinn auch moralische Forderungen der Gesellschaft berücksichtigen.
Unternehmensethische Handlungsmöglichkeiten
Einhergehend mit der zunehmend kritischen Hinterfragung des legalen, gewinnorientierten,
unternehmerischen Handelns nach dessen Legitimität, sehen sich die Unternehmen immer mehr mit
gesellschaftspolitischen und moralischen Forderungen konfrontiert. Vor diesem Hintergrund gilt es
aber zunächst zu prüfen, ob die an das Unternehmen gerichteten moralischen Forderungen auch
tatsächlich berechtigt sind. Hier ist vor allem von Bedeutung, ob der moralische Anspruch von allen
Anspruchsgruppen geltend gemacht werden könnte. Ist dies nicht der Fall, so erfolgt eine
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begründete Zurückweisung, da es sich hierbei nur um individuelle Anspruchsinteressen handelt. Sind
die Forderungen hingegen berechtigt, ist in einer erneuten Prüfroutine zu hinterfragen, ob diese in
ausreichendem Maße in der Rahmenordnung abgegolten sind. Ist dies nicht der Fall, so wird
nunmehr im dritten Schritt zu klären sein, ob die berechtigten moralischen Forderungen, unter den
gegebenen Wettbewerbsbedingungen, in dem zur Verfügung stehenden Rahmen erfüllt werden
können.
Für den Fall, dass der moralische Anspruch an das Unternehmen gerechtfertigt ist, ergibt sich für das
Unternehmen in einem weiteren Schritt das Erfordernis seine eigene Handlungssituation zu
analysieren, um dann letztlich zu klären, wie diese Anliegen vor dem Hintergrund des eigenen
Gewinnanspruchs in Strategien umgesetzt werden können. Das mit dem gesellschaftlichen
Legitimitätsvorbehalt entstehende Spannungsfeld zwischen Moral und Rentabilität klassifizieren
Homann/Blome-Drees in vier Handlungssituationen in denen sich Unternehmen befinden können.
Diese wiederum bilden für die Unternehmen – je nach Ausgangsfall – die Basis zur Ableitung
entsprechender Strategien. Homann/Blome-Drees unterscheiden hierbei zwischen der
Wettbewerbsstrategie, der ordnungspolitischen Strategie sowie der Marktaustrittsstrategie. Da die
letztgenannte Strategie eher von theoretischer Natur ist, sind vor allem die Wettbewerbsstrategie
und die ordnungspolitische Strategie von Bedeutung.
Im Zuge der Wettbewerbsstrategie werden Produkte und Dienstleistungen angeboten bzw.
entwickelt, die den moralischen Forderungen entsprechen. Mit der Implementierung von Moral im
Sinne der Institutionenethik verbindet das Unternehmen Moral und Gewinn zu einem
Wettbewerbsvorteil für innovative Unternehmer. Folge hieraus ist, dass sich das gewinnbringende
Handeln auf der Basis gesellschaftlicher Akzeptanz vollzieht. Letztlich generiert das Unternehmen im
Rahmen der Wettbewerbsstrategie die Gewinne durch Moral bzw. trotz Moral. Im Rahmen der
ordnungspolitischen Strategie sollen Defizite durch eine Mitgestaltung des ordnungspolitischen
Rahmens kompensiert werden. Dieser Strategieansatz richtet sich an eine Selbstverpflichtung von
Unternehmen auf Branchen- bzw. Verbandsebene. Ihre Anwendung ist dann sinnvoll, wenn die
Kosten der Selbstbindung zu hoch sind und darüber hinaus keine Möglichkeiten einer Kompensation
durch Nutzung entsprechender Wettbewerbsvorteile bestehen.
Bei der Darstellung der vier idealtypischen Ausgangsfälle bezeichnet der positive Kompatibilitätsfall
den Idealfall. Unternehmerisches Handeln vollzieht sich hierbei mit hoher moralischer Akzeptanz und
hoher Rentabilität. Es herrscht kein Dilemma zwischen moralischen Forderungen und ökonomischen
Erfordernissen. Da in diesem Fall moralisches Verhalten einen Wettbewerbsvorteil bewirkt, ist es für
das jeweilige Unternehmen empfehlenswert im Rahmen einer Wettbewerbsstrategie diesen weiter
auszunutzen. In diesem Fall erweist sich moralisches Verhalten für alle Beteiligten als vorteilhaft. Im
Sinne einer „win-win“-Situation werden hier Geschäfte (z. B. Weiterbildungsmaßnahmen der
Mitarbeiter, Aktivitäten im Umweltschutz) angestrebt, welche es möglich machen, mit moralischem
Handeln entsprechend Rentabilität zu erzielen.
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Im moralischen Konfliktfall weist das Unternehmen bei hoher wirtschaftlicher Rentabilität nur eine
geringe moralische Akzeptanz auf. Das unternehmerische Verhalten ist zwar legal, wird aber als
moralisch nicht legitim betrachtet. Hieraus können sich für ein Unternehmen sowohl extern
(gegenüber der Öffentlichkeit) als auch intern (bei den Mitarbeitern) Probleme ergeben. Ethik und
Profit sind in diesem Fall nicht miteinander vereinbar. Hier empfiehlt sich neben einer kritischen
Reflexion der Wettbewerbsstrategie auch eine Hinterfragung der ordnungspolitischen Strategie mit
dem Ziel, moralisch akzeptable Verhaltensstandards zu etablieren.
Im Falle des ökonomischen Konfliktfalls bewirkt unternehmerisches Handeln zwar eine hohe
moralische Akzeptanz in der Öffentlichkeit, wird aber den Renditeanforderungen nicht gerecht. Wie
schon das Gefangenen-Dilemma zeigt, führt langfristig die konsequente Ausrichtung auf die Erfüllung
moralischer Forderungen im Alleingang zu Wettbewerbsnachteilen. Ethik und Profit sind in diesem
Fall nicht kompatibel. Dies kann letztlich dazu führen, dass das Unternehmen aus dem Markt
ausscheidet. Um schließlich der „Ausbeutungsgefahr“ zu entgehen, bleibt hier einzig die Möglichkeit,
die erwünschten sozialen Standards auf ordnungspolitischer Ebene allgemeingültig zu
implementieren.
Letztlich wird mit dem negativen Kompatibilitätsfall ein eher theoretisches Konstrukt dargestellt. Er
ist charakterisiert von einer nicht ausreichenden Rentabilität und einer geringen moralischen
Akzeptanz. Aus rationaler Sicht hat eine derartige Situation ohne eine konsequente
Strategieänderung den Marktaustritt des Unternehmens zur Folge.
Zusammenfassend räumt aber auch Homann ein, dass sich nicht alle moralischen Probleme
vollumfänglich durch die Rahmenordnung ex ante lösen lassen. Insofern billigt er der individuellen
oder unternehmerischen Moral eine nicht zu unterschätzende Rolle zu. Doch er betont: „Allerdings
bedarf die Moral des Einzelnen der nachhaltigen Stützung durch die Rahmenordnung, da sie sonst
durch weniger moralische Konkurrenten ausgebeutet werden kann“. Vor diesem Hintergrund bleibt
für ihn auch im Bereich der Unternehmensethik die Rahmenordnung der zentrale – aber nicht der
einzige – Ort der Moral!
Quelle: Schneider, H. (2011): Implementierung eines Wertemanagementsystems am Praxisbeispiel
der Evenord-Bank eG-KG Nürnberg, Nürnberg
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