e-Unternehmensethik Prof. Dr. Karl Homann Ordnungstheoretischer Ansatz von Karl Homann Das Verhältnis von Ethik und Ökonomie Der zentrale Aspekt jeglicher wirtschaftsethischer Diskussion ist für Karl Homann der Widerspruch zwischen Ethik und Wirtschaft. Aus den hieraus recht kontrovers geführten Ansätzen über das Verhältnis von Ethik und Ökonomie münden letztlich zwei grundlegende Fragestellungen. Hierbei geht es zum einen um die Frage über Teilbar- bzw. Unteilbarkeit von Ethik und Ökonomie bzw. über die Frage, welche der beiden Disziplinen im Konfliktfall priorisiert werden soll. Nach Meinung von Homann geht es allerdings nicht um die Frage eines Interessenausgleichs zwischen Ethik und Ökonomie bzw. welcher der beiden Disziplinen im Konfliktfall der Vorrang einzuräumen sei. Aus seiner Sicht lässt sich Moral in einer Gesellschaft nicht gegen die Wirtschaft, sondern letztlich nur in und durch die Wirtschaft durchsetzen. Aus diesem Grund geht es ihm um eine grundsätzliche Thematisierung des Verhältnisses zwischen Gewinn und Moral im Unternehmen und darum, Ansätze dafür zu finden, wie unter den Bedingungen einer modernen Wirtschaft Normen und Ideale in Unternehmen implementiert und zur Geltung gebracht werden können. Konkretisiert bedeutet dieser zentrale ordnungstheoretische Ansatz von Homann, dass er Wirtschaftsethik nicht als Teildisziplin der Wirtschaftswissenschaften, sondern vielmehr als integralen Bestandteil der Ökonomie sieht. Diese Sichtweise der grundsätzlichen Gleichrangigkeit bedeutet letztlich, dass weder der Ökonomie auf Kosten der Moral noch umgekehrt der Moral auf Kosten der Ökonomie prinzipieller Vorrang gebührt. Unabhängig von derartigen in der Wissenschaft geführten Diskussionen lässt sich ein lang anhaltender sozialer Akzeptanzverlust der gesamten Wirtschaftsordnung, also des Systems der unternehmerischen Gewinnerzielung im Rahmen der wettbewerblich verfassten Märkte, feststellen. Doch trotz der zunehmenden Vorbehalte der Bevölkerung in die marktwirtschaftlich aktiven Akteure sowie der wettbewerblich orientierten Marktverfassung darf nach Homann der Wettbewerb marktwirtschaftlicher Prägung nicht infrage gestellt werden, da dieser letztlich für die Wohlstandsmehrung ursächlich ist. Dies bedeutet, dass zwar die monetären Restriktionen der Marktakteure, nicht aber deren monetäre Präferenzen, die letztlich die Basis für wettbewerbliche Aktivitäten darstellen, zu Gunsten ethischer Forderungen zu hinterfragen sind. Vor diesem Hintergrund ist aus ordnungstheoretischer Sicht die langfristige Gewinnorientierung nicht nur ein Privileg, sondern ihre ureigene Pflicht. Da letztlich hierdurch die langfristige Existenzfähigkeit des Unternehmens gewährleistet wird, wird aus unternehmensethischer Sicht allgemein das Gewinnprinzip als solches der ethischen Bewertung entzogen. Aus ethischer Sicht ist allerdings von entscheidender Bedeutung, mit welchen Methoden der Gewinn erwirtschaftet wird. Den durch den Wettbewerb induzierten Problemstrukturen dürfen nach Meinung Homanns nicht durch Appelle an einzelne Marktteilnehmer begegnet werden, da es e-Unternehmensethik | Karl Homann Schneider, H. (2011), S. 5-16 1 von 8 e-Unternehmensethik Prof. Dr. Karl Homann hierdurch zur Ausbeutung des Einzelnen durch diejenigen kommen kann, die ihr Handeln selbst nicht nach den geäußerten moralischen Standards orientieren. Hierbei kommt es letztlich eher zu einer Schädigung der Gesamtmoral in der Wirtschaft. Homann begründet diese zentrale Annahme damit, dass jede moderne Wirtschaftsethik mit dem Dilemma konfrontiert ist, dass unter Wettbewerbsbedingungen ein Unternehmen, das aus moralischen Gründen kostenträchtige Vorbzw. Mehrleistungen erbringt, Wettbewerbsnachteile hinnehmen muss oder gar ganz aus dem Markt ausscheidet. Nach Homann können sich moralische Aktivitäten, die etwas kosten, im Wettbewerb auf Dauer nur Wenige leisten. Implementierung von Moral in die Ökonomie Bei der Fragestellung bezüglich der Implementierung von Moral in die Ökonomie basieren die Überlegungen von Homann auf dem klassischen ökonomischen Ansatz von Adam Smith. Aus der für eine funktionierende Wirtschaft resultierenden hohen Arbeitsteilung und Spezialisierung resultiert ein entsprechender Abstimmungs- und Koordinationsbedarf. Während sich dieser in früheren Zeiten z. B. auch über gemeinsame Werte und Gruppenzugehörigkeit vollzog, ist dies in zunehmend komplexeren Gesellschaftsstrukturen nicht mehr alleine in dieser Form möglich. Während es in Kleingruppen aufgrund der gegenseitigen, direkten sozialen Kontakte noch möglich ist, moralische Motive entsprechend leicht zu sanktionieren bzw. zu belohnen, ist dies in den anonymen Strukturen einer stark funktional differenzierten Gesellschaft nicht mehr möglich. Indem moralisches Verhalten sich nicht mehr auf direktem Weg durchsetzen und kontrollieren lässt, kann nach Homann Moral in anonymisierten Gesellschaften durch eine allgemein verbindliche Regelbindung aller Akteure mit Hilfe einer entsprechenden Rahmenordnung sichergestellt werden. Es ist nicht der einzelne Akteur, sondern vielmehr alle Akteure gemeinsam, die in gleicher Weise an bestimmte Normen und Regeln gebunden werden. Durch eine derartig kollektive Verpflichtung ist es nunmehr unabhängig von der individuellen moralischen Lage möglich, allgemein verbindliche, moralische Standards zur Geltung zu bringen. So wird es durch allgemein verbindliche Regeln möglich, eine stabile Erwartungs- und Verhaltensbasis zu schaffen. Die Akteure können sich darauf verlassen, dass die verbindlichen Verhaltensstandards für alle anderen Marktakteure gleichermaßen gelten und sie somit vor moralischer Ausbeutung geschützt werden. Dieser Umstand ist gerade in zunehmend anonymisierten Gesellschaften wesentlich, da das Handlungsergebnis nicht mehr ausschließlich von einzelnen Akteuren abhängt. Vielmehr wird es auch vom Verhalten der anderen Marktteilnehmer beeinflusst. Durch die verhaltenssteuernden Regeln treten nunmehr die individuellen Handlungsmotive der Marktakteure in den Hintergrund. Durch die zwingende Ausrichtung an die übergeordnete Regelsteuerung werden die moralischen Verhaltensweisen somit im gewünschten Sinne kanalisiert. Entscheidend ist nicht mehr das individuelle Motiv, sondern die verbindliche Regelordnung an dem sich alle Marktakteure auszurichten haben. e-Unternehmensethik | Karl Homann Schneider, H. (2011), S. 5-16 2 von 8 e-Unternehmensethik Prof. Dr. Karl Homann Im Rahmen der Ausgestaltung dieser Ordnung ist es Aufgabe der Politik, die Regeln des Wirtschaftens festzulegen und hierbei auch dauerhafte moralische Regeln aufzustellen, um anschließend deren Nichteinhaltung entsprechend zu sanktionieren. Durch die Schaffung einheitlicher Moralstandards, d. h. einheitlicher und verbindlicher Spielregeln, wird elementares moralisches Verhalten von allen Marktteilnehmern gleichermaßen eingefordert (z. B. Arbeitsschutz, Umweltschutz oder Verbot von Absprachen). Dies bedeutet, dass der ökonomische Wohlstand aller nicht mehr vom Wohlwollen der einzelnen Marktakteure abhängig ist, sondern vom gemeinsamen Regelsystem, sprich: der Rahmenordnung. Letztlich versteht Homann vor diesem Hintergrund Wirtschaftsethik als „Ordnungsethik“, die an den Rahmenbedingungen des Wirtschaftens ansetzt. Da sich die moralischen Forderungen einzig auf die Regelgestaltung beziehen, sieht Homann wirtschaftliches Handeln der Marktteilnehmer für den Fall einer perfekten marktwirtschaftlichen Rahmenordnung als prinzipiell „moralfrei“ an. Vor diesem Hintergrund ist für Homann eine Tugendethik, die auf individuelle Moral bzw. intrinsische Motivation der Akteure angewiesen ist, nachrangig. Den Wirtschaftssubjekten obliege nach Meinung Homanns weiterhin die Pflicht, sich regel- und systemkonform zu verhalten und im Sinne der gesellschaftlichen Wohlfahrtsmehrung weiterhin langfristige Gewinnmaximierung zu betreiben. Darüber hinaus verbleibt ihm als letzte Möglichkeit des moralischen Tuns, Einfluss auf die bestehende Rahmenordnung zu nehmen. Analyse der Verhaltensweisen der Marktakteure Nach Auffassung Homanns kann Moral durch eine übergeordnete Regelgestaltung zur Geltung gebracht werden. Für eine wirksame Implementierung oder Umgestaltung moralischer Regeln bedarf es aus Sicht der Wirtschaftsethik allerdings zunächst einer umfassenden Analyse der Verhaltensweisen der Marktakteure unter Bedingung einer modernen Marktwirtschaft. Wesentliche Aufgaben moderner Gesellschaftsstrukturen setzen sich nach Homann aus funktional ausdifferenzierten Teilsystemen, wie z. B. dem Rechts-, Politik-, Wirtschaftssystem etc., zusammen, mit einer jeweils eigenen spezifischen „Kommunikation“ und einem Handlungsschema. Vor diesem Hintergrund bilden nun auch Unternehmen als kollektive Akteure eigene gesellschaftliche Teilsysteme. Innerhalb der modernen Gesellschaftsstrukturen sieht Homann die Menschen nicht als „vollständiges“ Individuum. Vielmehr füllen diese im Rahmen ihrer Tätigkeit, z. B. als Arbeitnehmer im Unternehmen, spezifische Rollen aus und sind hierbei entsprechenden Regelungen bzw. Gesetzmäßigkeiten unterworfen. Hieraus resultieren wiederum entsprechende Anreiz- und Sanktionsmechanismen. Da den Marktakteuren, wie bereits erwähnt, direkte Absprachen nicht mehr umfassend möglich sind, ähnelt ihre Situation der eines Gefangenen-Dilemmas. Konkret bedeutet dies: Ohne wirksame Verhaltensbindung aller muss der einzelne Akteur, aber auch der kollektive Akteur befürchten, dass sein Verhalten im Sinne des gemeinsamen Ziels („Kooperation“) von den e-Unternehmensethik | Karl Homann Schneider, H. (2011), S. 5-16 3 von 8 e-Unternehmensethik Prof. Dr. Karl Homann anderen „defektiert“, also ausgebeutet werden kann. Aus diesem Grund ist für ihn das wirksamste Gegenmittel die präventive Gegendefektion. Nach Homann bestimmt in einem modernen Wettbewerb nicht individuelles moralisches Verhalten die Handhabung der zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen. Vielmehr sind die Marktakteure gezwungen, unter Berücksichtigung der Handlungsoptionen ihrer Interaktionspartner stets ihren eigenen Nutzen zu optimieren. Andernfalls laufen sie Gefahr, die von ihnen einseitig verursachten ökonomischen Kosten für Moral alleine zu tragen und damit im Wettbewerb zurückzubleiben. Vor diesem Hintergrund sieht Homann individuelles Handeln aus einer intrinsischen Moral heraus auf Dauer mit Nachteilen verbunden. Die hieraus resultierende Überforderung der Akteure führt letztlich zu einem Bedeutungsverlust der Motivmoral. Diesem Umstand entsprechend erfährt hingegen die Anreizmoral, d. h. die Verankerung der gesellschaftlichen Moralansprüche auf der Ebene der Rahmenordnung, einen entsprechenden Bedeutungszuwachs. Letztlich tritt die so beschriebene Dilemmasituation, ausgedrückt in dem Spannungsverhältnis zwischen Markt und Moral, immer dann auf, wenn zwei oder mehr Akteure ihre individuellen Ziele zu Lasten eines gesamtgesellschaftlichen Optimums verfolgen und lässt sich spieltheoretisch mit Hilfe des sog. „Gefangenen-Dilemmas“ darstellen. Eine Erkenntnis aus der Schilderung des „Gefangenen-Dilemmas“ ist es, dass aus den für die Märkte geltenden Wettbewerbsregeln mit der damit verbundenen Wettbewerbsförderung eine – auch im Sinne der Wirtschaftsethik – Wohlstandsförderung resultiert. So werden z. B. die Unternehmen aufgrund gesetzlicher Regelungen, z. B. des Kartellrechts, daran gehindert, ihre Preise abzusprechen und zum Schaden des Konsumenten zu kooperieren. Allerdings wird hierdurch auch individuellem moralischen Verhalten klare Grenzen gesetzt, da im Wettbewerb grundsätzlich nicht mehr zwischen handlungsleitenden Motiven unterschieden werden kann. Es ist mithin gleichgültig, ob nun ein Wettbewerber aufgrund ökonomischer Fehlplanungen oder aber durch Verzicht von Wettbewerbsvorteilen aus moralischen Motiven heraus Defizite erwirtschaftet – das Ergebnis ist dasselbe: Beide Akteure werden letztlich mit dem wirtschaftlichen Ruin bestraft. Letztlich – und dies ist die zentrale Kernbotschaft des Ansatzes von Karl Homann – können unerwünschte Dilemmastrukturen in der Wirtschaft nur überwunden werden, wenn der systematische Ort der Moral in der Marktwirtschaft die Rahmenordnung ist. Unternehmensethischer Ansatz nach Karl Homann Homanns ordnungstheoretisches Konzept verlagert die individuelle ethische Verantwortung auf rahmengebende Institutionen. Für ihn ist der systematische Ort der Moral die Rahmenordnung. Diese stellt gleichsam die Spielregeln dar, die für alle Akteure verbindlich festgelegt sind. Wirtschaftsethik muss in diesem Sinne eine nach moralischen Erwägungen gesetzte Rahmenordnung sein. Wesentliche Aufgabe der Unternehmen besteht hierbei, sich anreizkompatibel zu verhalten. Das hiermit verbundene Streben nach Gewinnmaximierung ist daher im Sinne der Erhöhung der e-Unternehmensethik | Karl Homann Schneider, H. (2011), S. 5-16 4 von 8 e-Unternehmensethik Prof. Dr. Karl Homann allgemeinen Wohlfahrt kein Privileg, sondern Pflicht. Vor diesem Hintergrund untersucht die Unternehmensethik welche Möglichkeiten den Unternehmen zu eigenständigem, moralischen Handeln verbleiben bzw. wie sich deren systematische moralische Mehrleistungen erklären lassen. Zentraler Aspekt der Unternehmensethik ist somit die Auseinandersetzung mit der Frage, wie von Unternehmen, unter den Bedingungen einer modernen Wirtschaft, moralische Normen und Ideale zur Geltung gebracht werden. Die hieraus resultierende Thematisierung des Verhältnisses von Moral und Gewinn ist letztlich der zentrale Untersuchungsgegenstand der Unternehmensethik. Die Relevanz der Unternehmensethik Durch das Befolgen der Regeln im Rahmen einer vollkommenen Rahmenordnung steht das Streben nach dem unternehmerischen Gewinnmaximum unter einer ethischen Richtigkeitsvermutung und gilt daher als legitim. Allerdings kann in der Realität niemals von einer vollkommenen und lückenlos durchsetzbaren Rahmenordnung ausgegangen werden. Ein wesentlicher Grund hierfür ist u. a., dass die übergeordneten Kontroll- und Steuerungsmechanismen niemals die vollständige Einhaltung der Spielregeln sicherstellen noch das Auseinanderfallen von rechtlicher Legalität und moralischer Legitimität ausschließen können. Aus diesem Defizit der Rahmenordnung resultiert letztlich die Verpflichtung für die Unternehmen, die von der übergeordneten Ordnungsebene übernommene moralische Verantwortung wieder selbst zu übernehmen, um das entstandene moralische Vakuum auszufüllen. Zum anderen leitet Homann die Notwendigkeit, moralisches Handeln auf Unternehmensebene zu implementieren, auch in den Fällen unvollständiger Verträge ab. Hierbei stützt er sich insbesondere auf die Erkenntnisse der Neuen Institutionenökonomik. Diese geht im Gegensatz zur neoklassischen Theorie, die ausschließlich von vollständigen Verträgen ausgeht, von der Annahme aus, dass in Verträgen aufgrund der Komplexität der umgebenden Umwelt nicht alle relevanten Vertragsinhalte hinreichend genug erfasst und geregelt werden können. Folge der hieraus entstehenden Informationsdefizite ist das Entstehen eines moralischen Ausbeutungspotentials. So können z. B. die in einem Arbeitsvertrag vor Vertragsabschluss vereinbarten Leistungen und Gegenleistungen nicht hinreichend genug spezifiziert werden, wodurch z. B. eine gerichtliche Durchsetzung der geschuldeten Gegenleistung durch den Arbeitnehmer nicht oder nur schwer möglich ist. Aus dieser mangelnden Konkretisierung des unvollständigen Vertrages leitet die Neue Institutionenökonomik den sog. „Impliziten Vertrag“ her, der die nicht schriftlich vereinbarten Vertragsgegenstände zum Inhalt hat. In Frage kommen hier unternehmensfördernde Aspekte, wie z. B. „Fairness“, „Loyalität“, „Glaubwürdigkeit“ oder „Einsatzbereitschaft“. Aufbau einer Unternehmensethik Vor diesem Hintergrund ist die Unternehmensethik in der Art zu gestalten, dass moralisches Handeln durch direkte bzw. indirekte Steuerung der individuellen Akteure implementiert werden kann. Hierbei kann zum einen auf die Individualethik zurückgegriffen werden, die sich mit ethischen e-Unternehmensethik | Karl Homann Schneider, H. (2011), S. 5-16 5 von 8 e-Unternehmensethik Prof. Dr. Karl Homann Ansprüchen an eine einzelne Person beschäftigt. Zentrale Annahme hierbei ist, dass die Ursache für moralisches Handeln im Menschen selbst durch dessen internalisierte Wertvorstellungen und Normen begründet ist. Bei der Institutionenethik hingegen gilt es auf der Basis eines unternehmenseigenen Ordnungsrahmens, entsprechende Normen zu implementieren, um somit Anreize für moralisches Verhalten der individuellen Akteure sicherzustellen. Entscheidendes Element aus unternehmensethischer Sicht ist, dass mit der Implementierung und Durchsetzung eines derartigen Regelsystems letztlich die Überwindung des Gefangenen-Dilemmas gelingt und somit „ausbeutungsfreies“ moralisches Handeln im Unternehmen ermöglicht werden kann. Gelingt es dem Unternehmen in diesem Sinne, dass die impliziten Verträge unter Verzicht auf Opportunismus eingehalten werden, kann mit der hieraus resultierenden Förderung der intrinsischen Motivation der Mitarbeiter deren Leistungsbereitschaft erhöht und somit entsprechende Wettbewerbsvorteile generiert werden. Letztlich wird es dem Unternehmen somit möglich, das vorhandene Humankapital weiter aufzubauen. Hierbei ist allerdings anzumerken, dass nach Meinung Homanns in einer modernen Wirtschaft sich eine Unternehmensethik nur aus einer ordnungstheoretischen Perspektive entwickeln kann. Durch die zentrale Fokussierung auf die Institutionenethik wird das Unternehmen als eigener moralischer Akteur zu Lasten des individuellen menschlichen Handelns aufgewertet. Durch das verstärkte Zusammenspiel der einzelnen Akteure im Rahmen des implementierten anreizkompatiblen Regelungssystems wird das Unternehmen zunehmend als kollektiver Akteur wahrgenommen. Hierdurch wird ihm die Schaffung moralfördernder Elemente, wie z. B. Reputation oder Vertrauen, möglich. Gelingt dies, so vermindert sich für das Unternehmen die Gefahr des opportunistischen Verhaltens durch die anderen Marktteilnehmer. Mit der bewussten Implementierung moralischen Handelns gelingt es dem Unternehmen darüber hinaus seine gesellschaftliche Legitimität zu erhalten. So reicht bei Defiziten der Rahmenordnung die bloße legale Regelbefolgung nicht mehr zur Rechtfertigung des gewinnorientierten Handelns aus. Hieraus letztlich resultiert für das Unternehmen ein Konflikt zwischen seinem eigenen ökonomischen Anspruch und den moralischen Forderungen der Gesellschaft. Da das Unternehmen aber ohne hinreichende gesellschaftliche Akzeptanz am Markt nicht bestehen kann, wird es letztlich im Eigeninteresse neben dem Gewinn auch moralische Forderungen der Gesellschaft berücksichtigen. Unternehmensethische Handlungsmöglichkeiten Einhergehend mit der zunehmend kritischen Hinterfragung des legalen, gewinnorientierten, unternehmerischen Handelns nach dessen Legitimität, sehen sich die Unternehmen immer mehr mit gesellschaftspolitischen und moralischen Forderungen konfrontiert. Vor diesem Hintergrund gilt es aber zunächst zu prüfen, ob die an das Unternehmen gerichteten moralischen Forderungen auch tatsächlich berechtigt sind. Hier ist vor allem von Bedeutung, ob der moralische Anspruch von allen Anspruchsgruppen geltend gemacht werden könnte. Ist dies nicht der Fall, so erfolgt eine e-Unternehmensethik | Karl Homann Schneider, H. (2011), S. 5-16 6 von 8 e-Unternehmensethik Prof. Dr. Karl Homann begründete Zurückweisung, da es sich hierbei nur um individuelle Anspruchsinteressen handelt. Sind die Forderungen hingegen berechtigt, ist in einer erneuten Prüfroutine zu hinterfragen, ob diese in ausreichendem Maße in der Rahmenordnung abgegolten sind. Ist dies nicht der Fall, so wird nunmehr im dritten Schritt zu klären sein, ob die berechtigten moralischen Forderungen, unter den gegebenen Wettbewerbsbedingungen, in dem zur Verfügung stehenden Rahmen erfüllt werden können. Für den Fall, dass der moralische Anspruch an das Unternehmen gerechtfertigt ist, ergibt sich für das Unternehmen in einem weiteren Schritt das Erfordernis seine eigene Handlungssituation zu analysieren, um dann letztlich zu klären, wie diese Anliegen vor dem Hintergrund des eigenen Gewinnanspruchs in Strategien umgesetzt werden können. Das mit dem gesellschaftlichen Legitimitätsvorbehalt entstehende Spannungsfeld zwischen Moral und Rentabilität klassifizieren Homann/Blome-Drees in vier Handlungssituationen in denen sich Unternehmen befinden können. Diese wiederum bilden für die Unternehmen – je nach Ausgangsfall – die Basis zur Ableitung entsprechender Strategien. Homann/Blome-Drees unterscheiden hierbei zwischen der Wettbewerbsstrategie, der ordnungspolitischen Strategie sowie der Marktaustrittsstrategie. Da die letztgenannte Strategie eher von theoretischer Natur ist, sind vor allem die Wettbewerbsstrategie und die ordnungspolitische Strategie von Bedeutung. Im Zuge der Wettbewerbsstrategie werden Produkte und Dienstleistungen angeboten bzw. entwickelt, die den moralischen Forderungen entsprechen. Mit der Implementierung von Moral im Sinne der Institutionenethik verbindet das Unternehmen Moral und Gewinn zu einem Wettbewerbsvorteil für innovative Unternehmer. Folge hieraus ist, dass sich das gewinnbringende Handeln auf der Basis gesellschaftlicher Akzeptanz vollzieht. Letztlich generiert das Unternehmen im Rahmen der Wettbewerbsstrategie die Gewinne durch Moral bzw. trotz Moral. Im Rahmen der ordnungspolitischen Strategie sollen Defizite durch eine Mitgestaltung des ordnungspolitischen Rahmens kompensiert werden. Dieser Strategieansatz richtet sich an eine Selbstverpflichtung von Unternehmen auf Branchen- bzw. Verbandsebene. Ihre Anwendung ist dann sinnvoll, wenn die Kosten der Selbstbindung zu hoch sind und darüber hinaus keine Möglichkeiten einer Kompensation durch Nutzung entsprechender Wettbewerbsvorteile bestehen. Bei der Darstellung der vier idealtypischen Ausgangsfälle bezeichnet der positive Kompatibilitätsfall den Idealfall. Unternehmerisches Handeln vollzieht sich hierbei mit hoher moralischer Akzeptanz und hoher Rentabilität. Es herrscht kein Dilemma zwischen moralischen Forderungen und ökonomischen Erfordernissen. Da in diesem Fall moralisches Verhalten einen Wettbewerbsvorteil bewirkt, ist es für das jeweilige Unternehmen empfehlenswert im Rahmen einer Wettbewerbsstrategie diesen weiter auszunutzen. In diesem Fall erweist sich moralisches Verhalten für alle Beteiligten als vorteilhaft. Im Sinne einer „win-win“-Situation werden hier Geschäfte (z. B. Weiterbildungsmaßnahmen der Mitarbeiter, Aktivitäten im Umweltschutz) angestrebt, welche es möglich machen, mit moralischem Handeln entsprechend Rentabilität zu erzielen. e-Unternehmensethik | Karl Homann Schneider, H. (2011), S. 5-16 7 von 8 e-Unternehmensethik Prof. Dr. Karl Homann Im moralischen Konfliktfall weist das Unternehmen bei hoher wirtschaftlicher Rentabilität nur eine geringe moralische Akzeptanz auf. Das unternehmerische Verhalten ist zwar legal, wird aber als moralisch nicht legitim betrachtet. Hieraus können sich für ein Unternehmen sowohl extern (gegenüber der Öffentlichkeit) als auch intern (bei den Mitarbeitern) Probleme ergeben. Ethik und Profit sind in diesem Fall nicht miteinander vereinbar. Hier empfiehlt sich neben einer kritischen Reflexion der Wettbewerbsstrategie auch eine Hinterfragung der ordnungspolitischen Strategie mit dem Ziel, moralisch akzeptable Verhaltensstandards zu etablieren. Im Falle des ökonomischen Konfliktfalls bewirkt unternehmerisches Handeln zwar eine hohe moralische Akzeptanz in der Öffentlichkeit, wird aber den Renditeanforderungen nicht gerecht. Wie schon das Gefangenen-Dilemma zeigt, führt langfristig die konsequente Ausrichtung auf die Erfüllung moralischer Forderungen im Alleingang zu Wettbewerbsnachteilen. Ethik und Profit sind in diesem Fall nicht kompatibel. Dies kann letztlich dazu führen, dass das Unternehmen aus dem Markt ausscheidet. Um schließlich der „Ausbeutungsgefahr“ zu entgehen, bleibt hier einzig die Möglichkeit, die erwünschten sozialen Standards auf ordnungspolitischer Ebene allgemeingültig zu implementieren. Letztlich wird mit dem negativen Kompatibilitätsfall ein eher theoretisches Konstrukt dargestellt. Er ist charakterisiert von einer nicht ausreichenden Rentabilität und einer geringen moralischen Akzeptanz. Aus rationaler Sicht hat eine derartige Situation ohne eine konsequente Strategieänderung den Marktaustritt des Unternehmens zur Folge. Zusammenfassend räumt aber auch Homann ein, dass sich nicht alle moralischen Probleme vollumfänglich durch die Rahmenordnung ex ante lösen lassen. Insofern billigt er der individuellen oder unternehmerischen Moral eine nicht zu unterschätzende Rolle zu. Doch er betont: „Allerdings bedarf die Moral des Einzelnen der nachhaltigen Stützung durch die Rahmenordnung, da sie sonst durch weniger moralische Konkurrenten ausgebeutet werden kann“. Vor diesem Hintergrund bleibt für ihn auch im Bereich der Unternehmensethik die Rahmenordnung der zentrale – aber nicht der einzige – Ort der Moral! Quelle: Schneider, H. (2011): Implementierung eines Wertemanagementsystems am Praxisbeispiel der Evenord-Bank eG-KG Nürnberg, Nürnberg e-Unternehmensethik | Karl Homann Schneider, H. (2011), S. 5-16 8 von 8
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