Interview mit Florian Abbenseth, Geschäftsführer der Glenmark

Interview mit Florian Abbenseth,
Geschäftsführer Glenmark Arzneimittel GmbH
„Wir wollen Strukturen aufbrechen und
unsere Kunden überraschen!“
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Glenmark hat sich in den letzten Jahren erfolgreich im deutschen Markt etabliert. Woher
kommt Glenmark und wer steckt dahinter?
Florian Abbenseth: Glenmark ist ursprünglich ein klassisches Generikaunternehmen. Der
Gründer Gracias Saldanha benannte sein Unternehmen nach seinen beiden Söhnen, Glenn
und Mark. Glenn Saldanha hat Anfang der 2000er Jahre den Konzern mit damals
ca. 50 Millionen Dollar Umsatz von seinem Vater übernommen. Heute stehen wir bei fast
einer Milliarde. Glenn hat neue Märkte in den USA und dem aktuellen Fokusmarkt Europa
erschlossen und auch die Strategie von Glenmark verändert. Mit ihm kam die Vision, ein
innovatives Unternehmen zu werden und alles dafür zu tun, dieses Vorhaben umzusetzen.
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Wie genau sieht die Vision von Glenmark aus?
Florian Abbenseth: Wir sehen Generika als Mittel zum Zweck. Natürlich wird damit Geld
verdient, doch das steckt Glenmark wiederum in die Erforschung innovativer Arzneimittel.
Denn das ist unser eigentliches Ziel bzw. unsere Motivation: neue Wege zu finden,
Krankheiten zu behandeln, besser zu behandeln oder überhaupt zu behandeln. Das ist auch
das, was Glenn Saldanha und den ganzen Konzern antreibt.
„Unser großes Ziel: ein erstes eigenes, innovatives Glenmark-Arzneimittel zu vermarkten.“
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Wie setzt Glenmark diese Vision um?
Florian Abbenseth: Glenn hat von Anfang an erhebliche Summen in die innovative Forschung
investiert und weltweit Forschungszentren aufgebaut. Neben dem Forschungsstandpunkt
Indien ist zum Beispiel in der Schweiz ein hochmodernes Zentrum entstanden, das sich auf
die Erforschung von NBEs, also New Biological Entities, fokussiert. Im Jahre 2012 verlieh der
Schweizer Botschafter Dr. Linus von Castelmur Glenn Saldanha den Preis für
„außergewöhnliche Innovation“ und ehrte so die besondere Forschungsarbeit der GlenmarkWissenschaftler in Neuchâtel. Das Schweizer Forschungszentrum steht mit R&D-Head
Dr. Michael Buschle unter deutscher Leitung. Aktuell hat Glenmark mehrere NBEs in der
Florian Abbenseth
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Pipeline. Ein Antikörper gegen Multiple Sklerose z. B. wurde in einer frühen Phase der
klinischen Studien auslizensiert. Unser großes Ziel ist es jedoch, ein erstes eigenes,
innovatives Arzneimittel als Glenmark zu vermarkten. Der Ausblick, ein innovatives
Unternehmen zu werden, macht unsere Arbeit unheimlich spannend!
„Der Ausblick, ein innovatives Unternehmen
zu werden, macht unsere Arbeit unheimlich
spannend!“
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Welche Bedeutung hat es für Sie bzw. Ihr Unternehmen, Teil eines internationalen,
forschenden Konzerns zu sein?
Florian Abbenseth: Wir profitieren in verschiedenster Hinsicht von der Vollintegration des
Unternehmens, z. B. in der Entwicklung und Produktion, und zunehmend auch von der
internationalen Bekanntheit Glenmarks. Wir arbeiten in internationalen Teams kontinuierlich
an der Weiterentwicklung der Produktqualität und transportieren unsere Erfahrungen in den
gesamten Konzern. Feedback aus dem Markt nehmen wir ernst und geben es international
weiter. So lernen wir voneinander und entwickeln uns gemeinsam weiter.
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Glenmark Arzneimittel, die deutsche Tochtergesellschaft, ist erst vor wenigen Jahren
gestartet. Worauf führen Sie Ihren Erfolg zurück? Was ist Ihr Wettbewerbsvorteil?
Florian Abbenseth: Wir haben uns innerhalb von vier Jahren in Deutschland nicht nur gut
etabliert, sondern sind auch seit über einem Jahr das am schnellsten wachsende
Unternehmen der Branche. Der starke, vollintegrierte Konzern im Hintergrund ist sicherlich
der wichtigste Schlüsselfaktor für unseren Erfolg. Denn vom Wirkstoff bis zum Fertigprodukt
stammt alles aus der firmeneigenen Entwicklung und Produktion. Das ermöglicht eine gute
Kostenstruktur.
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Welche Rolle spielen für Sie Rabattverträge?
Florian Abbenseth: Ich persönlich glaube, dass die Rabattverträge dem deutschen Gesundheitswesen sehr hohe Einsparungen ermöglichen. Deshalb halten wir sie für sinnvoll und
begreifen sie als Chance. Über die Rabattverträge sind wir in den Markt eingedrungen und
haben fast 100 Ausschreibungen gewonnen bzw. am Laufen.
„Wir halten Rabattverträge für sinnvoll und begreifen sie als Chance.“
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Worauf setzen Sie noch außer auf Ausschreibungen? Welche Strategie verfolgen Sie neben
den Rabattverträgen?
Florian Abbenseth: Die Rabattverträge laufen immer nur mittelfristig, in der Regel zwei
Jahre, und es ist nicht sicher, ob wir beim nächsten Mal wieder dabei sind. Deshalb
versuchen wir natürlich, uns von den Rabattverträgen noch weiter unabhängig zu machen.
Erreichen möchten wir dies durch den Aufbau eines starken Portfolios, wobei wir uns nicht
nur auf die großen Blockbuster stürzen werden. Wie in den vergangenen Jahren wollen wir
weiterhin jedes Jahr eine große Anzahl von Produkten einführen. Dabei fokussieren wir uns
zum einen auf gewisse Bereiche, zum anderen werden wir über Nischenprodukte
rabattvertragsfreie Bereiche abdecken. Ein Beispiel hierfür ist ein Arzneimittel zur
Malariaprophylaxe, mit dem wir derzeit generischer Marktführer in Deutschland sind. Von
unserem Preis profitieren übrigens direkt die Patienten, weil das Medikament nicht
erstattungspflichtig ist.
„Es geht uns um den Aufbau eines großen, starken Portfolios.
Dabei werden wir uns nicht nur auf die großen Blockbuster
stürzen.“
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Gibt es noch weitere Beispiele für Nischenprodukte?
Florian Abbenseth: Ja – beispielsweise hat Glenmark in seinem Portfolio auch einen
Wirkstoff zur lebensverlängernden Behandlung der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS), einer
degenerativen Erkrankung des motorischen Nervensystems. ALS ist eine sehr kleine
Indikation, die sich aus der Sicht vieler Firmen „nicht lohnt“. Wir sehen das anders, für uns
sind auch solche Indikationen wichtig. Mit unserem Produkt sind wir derzeit deutscher
Marktführer und können durch unsere günstige Kostenstruktur große Einsparungen
ermöglichen. Aber auch im Indikationsbereich des Bluthochdrucks und des sekundären
Hyperparathyreoidismus, bei dem infolge einer chronischen Nierenerkrankung eine Störung
der Nebenschilddrüse zu einer übermäßigen Produktion des Parathormons führt, sind wir
einer der wenigen Generika-Anbieter am Markt.
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Trotzdem haben Sie ja bestimmte Schwerpunkte. Welche Indikationsgebiete bedienen Sie
hier?
Florian Abbenseth: Der Bereich der Neurologie bzw. des Zentralen Nervensystems (ZNS)
bildet einen unserer großen Schwerpunkte. Hier decken wir viele Indikationsbereiche ab,
seien es Mittel gegen Migräne, Antipsychotika, Antiepileptika, Antidepressiva oder
Medikamente gegen Morbus Parkinson. Das Jahr 2015 steht voll im Zeichen der Einführung
Florian Abbenseth
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neurologischer Präparate, hier allein werden wir drei bis vier Produkte auf den Markt
bringen. Einen weiteren Schwerpunkt bildet das kardiovaskuläre System.
„Das Jahr 2015 steht voll im Zeichen der Einführung neurologischer Präparate.“
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Warum sehen Sie insbesondere in diesen Bereichen eine Zukunft?
Florian Abbenseth: Im Bereich Neurologie und Kardiologie wird es nicht zuletzt aufgrund der
Alterspyramide künftig einen wachsenden Bedarf an günstigen Arzneimitteln geben.
Innerhalb der kardiovaskulären Erkrankungen werden jedes Jahr 170 Millionen Packungen in
Deutschland verordnet, im Bereich der Neurologie oder ZNS-Präparate sind es 120 Millionen.
Wir werden künftig aber auch weitere Indikationsbereiche und neue Geschäftsfelder
erschließen.
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Konnten Sie bereits erste Erfolge erzielen?
Florian Abbenseth: Im deutschen Markt sind wir mit mehreren Präparaten entweder
generischer oder sogar Gesamtmarktführer. Wir sind tatsächlich stolz, dass wir das in nur
vier Jahren geschafft haben. Aktuell führt bei den beiden wichtigsten Antihistaminika kaum
noch ein Weg an Glenmark vorbei. Bei Levocetirizin sind wir derzeit Gesamtmarktführer und
auch bei Desloratadin stehen wir weit vorne.
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„Wir werden in den nächsten Jahren im Konzert der großen
Generika-Anbieter mitspielen.“
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Kam dieser Erfolg über Rabattverträge oder über den Preis?
Florian Abbenseth: Ich denke über beides. Sicher ist der Preis ein wichtiger Faktor. Aber wir
verstehen uns nicht als Preistreiber. Vielmehr achten wir darauf, dass wir uns unter den
günstigsten Präparaten befinden. So kann der Apotheker jederzeit Glenmark auswählen. Für
Levocetirizin haben wir einen exklusiven Rabattvertrag mit der Techniker Krankenkasse. Das
hilft sicherlich. Jedoch stellen wir fest, dass wir auch an viele andere Patienten und
Krankenkassen abgegeben werden. Meiner Meinung nach liegt der Erfolg in unserer
Arbeitsweise begründet. Wir haben ein hochmotiviertes, sehr kompetentes Team und eine
gute Herangehensweise im Markt. Denn wir bedienen den kompletten Marketing-Mix, bis
auf den Außendienst. Der Erfolg bei unserer jüngsten Neueinführung Aripiprazol zeigt, dass
das sehr gut funktioniert. Wir waren zeitweise generischer Marktführer mit 16 %
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Marktanteil – und das als einziger Player ohne Außendienst. Unserer Einschätzung nach sind
Ärzte und Apotheker für andere Kommunikationsmittel durchaus offen. Wir wollen den
Markt und die Strukturen weiter aufbrechen, unsere Branche und unsere Kunden
überraschen mit frischen Ideen.
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Was ist Ihr Ziel für Glenmark in den nächsten Jahren?
Florian Abbenseth: Wir haben klare Ziele. Wir wollen im Konzert der großen GenerikaAnbieter in den nächsten Jahren mitspielen. Ich persönlich finde, Deutschland wurden durch
die Rabattverträge Chancen eröffnet. Diese werden wir weiter nutzen. Wir werden natürlich
sehr viel aus dem Markt lernen, werden Anregungen von Apothekern, Ärzten, Patienten
aufnehmen. Wir wollen unseren eigenen Weg finden mit Services und mit Hilfestellungen für
unsere Kunden. Außerdem arbeiten wir natürlich stark an der Weiterentwicklung des
Portfolios und neuen Segmenten. Und wir werden auch personell weiter wachsen. Innerhalb
der vier Jahre, die wir im deutschen Markt vertreten sind, haben wir die Zahl unserer
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter deutlich erhöht. Das werden wir auch weiter tun. Natürlich
profitieren auch viele Partner, mit denen wir in ganz Deutschland zusammenarbeiten, von
unserem Wachstum, z. B. im Bereich Lager/Logistik, Agenturen und viele andere
Dienstleister.
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