Kunststoffspalten für die Mast?

Stallbau
Kunststoffspalten
für die Mast?
Forscher der Universität Bonn* haben neu entwickelte
Kunststoff-Spaltenböden mit strukturierter Oberfläche,
nur 3,8 % Schlitzanteil und 12 mm Schlitzweite getestet.
Mit zum Teil verblüffenden Ergebnissen.
B
etonspaltenböden mit ebener
Oberfläche, 17 mm Schlitzen und
15 % Schlitzanteil sind in Schweineställen weit verbreitet. Denn diese
leiten Kot und Urin schnell in den Güllekanal ab. Den Tieren steht dadurch
eine weitgehend saubere Bewegungsund Liegefläche zur Verfügung.
Aus der Tierwohl-Sicht stehen die
Böden allerdings massiv in der Kritik.
Insbesondere der harte Beton und die
Schlitzbreite werden bemängelt, da sie
zu Verletzungen der Klauen und Fundamente führen können. Tierschützer
fordern daher vehement, den Schlitzanteil und die Schlitzbreite zu reduzieren.
Das Problem: Wird beides stark verringert, verschlechtert sich die Drainagefähigkeit des Bodens. Es bleibt vermehrt Kot auf der Oberfläche liegen,
was zu einer starken Verschmutzung
und steigenden Ammoniakbelastungen
(NH3) führt. Beides ist aus Sicht der
Tiergesundheit kontraproduktiv.
Kunststoff-Spalten getestet:Die Uni
Bonn hat jetzt einen neuen Bodentyp
(comfi-Floor der Fa. Hölscher & Leusch-
Übersicht 1: Gute Hygiene trotz
geringem Schlitzanteil1)
Grafik: Driemer
Die Sauberkeit des
comfi-Floor-Bodens
war trotz des
deutlich geringeren
Schlitzanteils gut.
Nur gegen Ende der
Mast war die
Verkotung der
Oberfläche höher
als beim konventionellen Vollspaltenboden.
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top agrar 1/2014
Der Kunststoffspaltenboden
lässt sich problemlos mit
herkömmlichen Betonspalten
kombinieren.
ner) getestet. Das Projekt wurde durch
die Bundesanstalt für Landwirtschaft
und Ernährung (BLE) gefördert.
Der neue Spaltenboden zeichnet sich
durch mehrere Besonderheiten aus:
• Seine Oberfläche ist dreidimensional
gestaltet. Gleichmäßig verteilte Gefällestrecken in Richtung Schlitz sollen
für einen schnelleren Ablauf des Urins
sorgen.
• Auch der Kot soll dank des Gefälles
von den Tieren besser und schneller
zum Schlitz hin „gearbeitet“ werden.
• Der Schlitzanteil ist deutlich auf 3,8 %
reduziert.
• Die Schlitzweite beträgt nur 12 mm,
die Schlitzkanten sind abgerundet.
• Die Spaltenelemente sind komplett
aus Kunststoff gefertigt.
Wie sich der neue Typ Spaltenboden
im Praxisalltag schlägt, wurde in zwei
Mastdurchgängen im Versuchs- und
Bildungszentrum Haus Düsse getestet.
Für den Versuch wurde der alte Betonboden in einem Mastabteil gegen
Kunststoffspaltenboden ausgetauscht.
*) Die Untersuchungen wurden durchgeführt von Felix Austermann und
Prof. Wolfgang Büscher.
Während der Mastphase erfolgten
Bonituren der Klauen und Fundamente.
Zudem wurde alle zwei Wochen die
Verschmutzung bzw. Hygiene in der
Bucht beurteilt. Darüber hinaus gehörten Verhaltensbeobachtungen und
Schadgasmessungen zum Versuchsprogramm.
Gute Hygiene:Wie in Übersicht 1 zu
sehen ist, schnitt der neue Kunststoffspaltenboden mit 3,8 % Schlitzanteil in
Grafik: Orb
Übers. 2: Emissionen
sinken deutlich1)
Die Schlitzkanten sind abgerundet, so dass hiervon keine Verletzungsgefahr ausgeht
(Bild links). Die Oberfläche ist dreidimensional gestaltet, Flüssigkeiten sollen dadurch
schneller ablaufen und der Boden soll rascher abtrocknen (Bild rechts).
puncto Verschmutzung und Hygiene
während der gesamten Mastphase nicht
wesentlich schlechter ab als ein herkömmlicher Betonspalten mit 15 %
Schlitzanteil. Allerdings fiel die Verkotung auf der Oberfläche gegen Ende der
Mast deutlicher aus als beim konventionellen Spaltenboden mit vier Mal mehr
Schlitzfläche.
Auffällig war, dass die Luftfeuchtigkeit in dem mit Kunststoffspalten ausIm Sommer waren die AmmoniakEmissionen um 50 % geringer.
gelegten Stallabteil vergleichsweise
gering war. Das ist ein Indiz dafür, dass
die Flüssigkeit auf der Oberfläche des
Kunststoffbodens schnell abgeleitet
wird.
Signifikant besser als beim Standard-Betonspaltenboden war die Raumluftqualität. So war zum Beispiel die
durchschnittliche NH3-Konzentration
im Versuchsabteil im Winter 13 % und
im Sommer sogar 26 % geringer. Die
Ursache dürfte unter anderem in der
sehr guten Drainagefunktion des
Kunststoffbodens gelegen haben.
Gute Ergebnisse gab es auch bei den
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Stallbau
Schnell gelesen
• Die Uni Bonn hat einen neu­en
Spaltenboden aus Kunststoff
im Maststall getestet.
• Der Boden verfügt über eine
dreidimensionale Oberfläche,
3,8 % Schlitzanteil und 12 mm
Schlitzbreite.
• Sauberkeit und Hygiene des
Bodens sind trotz des sehr
geringen Schlitzanteils als gut
zu beurteilen.
• Dank der Strukturoberfläche
Das Gangbild verändert sich auf dem
Spalten, die Tiere laufen viel vorsichtiger.
NH3-Emissionen aus dem Stall. Im
Winter waren sie im Vergleich zum
Standard-Betonspalten um knapp 9 %
vermindert, im Sommer um satte 50 %
geringer (vergleiche Übersicht 2 auf
Seite S 23).
Da Einstallzeitpunkt, Fütterungsregime, Tierzahl, Genetik und Güllemangement identisch waren, ist die
Verminderung der NH3-Emissionen
größtenteils der Bodengestaltung zuzuschreiben.
Der Klauenabrieb geht bei der Haltung
auf Kunststoffspaltenboden zurück.
Längere Klauen, mehr rutschen:Der
Klauenabrieb ist auf Kunststoffböden
geringer als auf Beton. Das zeigte sich
auch beim comfi-Floor-Boden. Die
Klauen der auf Kunststoffboden gemästeten Tiere waren am Ende der Mast
länger als bei den auf Betonböden
gemästeten Schweinen, Stallklauen
wurden aber nicht gefunden. Insbesondere die Außenklauen an den Hintergliedmaßen waren betroffen.
Schwierigkeiten scheint die spezielle
mit Gefällestrecken zum
Schlitz läuft Urin schnell ab.
• Das reduziert die NH3-Konzen­
tration im Abteil und die NH3Emissionen aus dem Stall.
Strukturoberfläche den Tieren beim
Laufen zu bereiten. Die Mastschweine
rutschten auf den Strukturspaltenböden häufiger aus, auch vermehrtes Grätschen wurde insbesondere zum Ende
der Mast beobachtet. Dies dürfte zum
einen an den Gefällestrecken gelegen
haben, aber auch die relativ glatte
Kunststoffoberfläche bereitet den
Schweinen offensichtlich Probleme.
Interview
Tierverhalten weiter untersuchen
top agrar: Herr Austermann, in puncto
Sauberkeit und NH3-Reduzierung im
Stall punktet der neu entwickelte Boden.
Wie beurteilen Sie das Tierverhalten?
Austermann: Aufgrund der strukturierten Oberfläche mit Gefällestrecken
laufen die Schweine anders. Die unterschiedlichen Höhen führen dazu, dass
sich die Tiere viel vorsichtiger bewegen. Ob das allerdings negative Auswirkungen hat, muss noch weiter erforscht werden. Auch was das Liegeverhalten der Schweine angeht, sind weitere Untersuchungen nötig. Dies soll in
einem Folgeprojekt geschehen.
top agrar: Ist es sinnvoll, komplette
Stallabteile mit dem Kunststoffboden
auszurüsten, oder ist der Strukturspalten
besser als „Insellösung“ zu verlegen?
Austermann: In Großgruppen ist es
durchaus denkbar, konventionelle
Betonspalten und Kunststoffspalten
miteinander zu kombinieren. Das fördert einerseits den Klauenabrieb und
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kann andererseits die Stallluftqualität
verbessern. Fordert die Politik reduzierte Schlitzanteile im Liegebereich,
könnte auch hier der Kunststoffboden
verlegt werden.
top agrar: Auf klassischen Kunststoffböden, die z. B. im Flatdeckstall verlegt sind,
steigt der Lärmpegel im Stall an. Gilt das
auch für den neuen Mastspalten?
Austermann: Da die comfi-FloorBöden auf Betonunterzügen aufliegen,
dürfte die Geräuschbelastung weniger
problematisch sein. Aber auch das
muss im Rahmen von Geräuschpegelmessungen noch untersucht werden.
top agrar: Lassen sich bereits Aussagen
zur Haltbarkeit des neuen Kunststoffspaltens treffen?
Austermann: Kunststoff ist unter
Umständen weniger beständig als
Beton. Um hierzu genauere Aussagen
treffen zu können, soll die Haltbarkeit des neu entwickelten Bodens
Felix Austermann, Universität Bonn
demnächst im Rahmen von DLGMessungen getestet werden.
top agrar: Der Boden kann zu einem
besseren Stallklima beitragen, das ist gut
für das Tierwohl. Gibt es Fördermittel,
wenn man den Boden einbaut?
Austermann: Im Rahmen der AFPFörderung für besonders tiergerechte
Haltungsverfahren wird der comfiFloor-Boden bereits gefördert. Vor der
Kaufentscheidung muss das aber
einzelbetrieblich mit den jeweils
zuständigen Behörden geklärt werden.
Das Interview führte Marcus Arden