Kunsthaus Zürich zeigt «Joan Miró – Mauer, Fries, Wandbild» Vom

Medienmitteilung
Zürich, 1. Oktober 2015
Kunsthaus Zürich zeigt «Joan Miró – Mauer, Fries, Wandbild»
Vom 2. Oktober 2015 bis 24. Januar 2016 zeigt das Kunsthaus Zürich «Joan
Miró – Mauer, Fries, Wandbild», eine wegweisende Ausstellung, die Mirós
grossformatige Wandbilder im Kontext seines Gesamtwerks präsentiert und
ein neues Verständnis seines Zugangs zur Malerei eröffnet. Sie veranschaulicht wichtige Konstanten der Laufbahn des Künstlers, nicht zuletzt
die zutiefst monumentale Qualität seiner Kunst und seine Vorliebe für grosse
Formate. Die Ausstellung umfasst rund 70 Werke aus bedeutenden
öffentlichen und privaten Sammlungen in Europa und den USA.
Mirós Werk zeichnet sich durch unwiderstehliche Direktheit und eine ausgesprochen materiale Qualität aus. Es überrascht daher nicht, dass es in den
Äusserungen des Künstlers zu seiner Arbeit vorwiegend um «reine», einfache
Formen und die Oberfläche jener Wand geht, die gern als Ursprung seiner
Malerei bezeichnet wird. Alles begann mit den gemauerten Wänden des
Bauernhofs der Familie Miró in Mont-roig. Sie bildeten den Ausgangspunkt des
bekannten Gemäldes «Der Bauernhof» (La Ferme, 1921/22), in dem der
Künstler die Schönheit ihrer materialen Beschaffenheit mit akribischer, ausserordentlich poetisch wirkender Detailgenauigkeit festhielt. Die Wand war für
ihn also nicht nur ein abzubildendes Objekt, sondern ihre Beschaffenheit
bestimmte auch die intensive physische und taktile Qualität seiner Bilder. Diese
Abkehr von der einfachen Wiedergabe der Wirklichkeit hin zur Gleichsetzung der
Bildfläche mit der Wand prägte sein Werk. Am Anfang des Ausstellungsrundgangs hängt «Der Bauernhof» gegenüber dem Werk «Die Hoffnung des
zum Tode Verurteilten I–III» (L’Espoir du condamné à mort I–III, 1974). Damit
wird ein Bogen geschlagen zwischen Mirós frühen Darstellungen gemauerter
Wände und den wandähnlichen Graffiti in diesem monumentalen späten
Triptychon, das als erschütternde Anklage gegen die anhaltende Grausamkeit
Francos während der letzten Jahre seines Regimes gelesen werden kann. Die
Gegenüberstellung eines frühen und eines späten Werks ist eine konsequent
weitergeführte Strategie der Ausstellung. Mirós besonderes Verhältnis zur
Wand erklärt die Sorgfalt, mit der er seine Bildgründe in jeder Phase seiner
künstlerischen Laufbahn auswählte und vorbereitete. Er arbeitete dabei vielfach
in Serien. Der Ausstellungsrundgang veranschaulicht diese Praxis, indem Werke
mit farblich ähnlichen Grundierungen oder solche, in denen gleichartige Alltagsmaterialien verarbeiten wurden, zu Gruppen zusammengefasst sind.
Zürcher Kunstgesellschaft Postfach CH 8024 Zürich Tel. +41 (0)44 253 84 84 Fax +41 (0)44 253 84 33 www.kunsthaus.ch [email protected]
Museum Heimplatz 1 Direktion Winkelwiese 4, CH 8001 Zürich
BRAUNE UND BLAUE BILDGRÜNDE
In den 1920er-Jahren tropfte und spritzte der Künstler Farbe auf braune
Bildgründe, um den Eindruck alter, verwitterter Mauern zu erzeugen. In seiner
Tendenz, bestimmte Formate und Grössen über eine Reihe von Werken hinweg
zu wiederholen, spiegelt sich sein serieller Ansatz. In diesem Teil der Ausstellung sind auch mehrere Bilder mit blauem Malgrund zu sehen – darunter
«Malerei» (Peinture, 1925), das einen satten, sorgfältig gemalten Grund mit
lediglich einem Punkt in der oberen linken Ecke zeigt – sowie einige von Mirós
«Traumbildern» aus den mittleren 1920er-Jahren, die mittlerweile Kultstatus
haben. Gewöhnlich wird das Blau mit dem Himmel gleichgesetzt, Miró selbst
brachte es jedoch mit seinen Erinnerungen an die mit blauer Sulfitlauge
bespritzten Mauern von Bauernhöfen in Verbindung. Dieser Ansatz ist im
Triptychon «Blau I–III» (Bleu I–III, 1961) majestätisch ausgearbeitet, das diesen
Teil der Ausstellung abrundet.
WEISSE BILDGRÜNDE UND DIE MAGIE DER FARBE
Eine Gruppe von weiss grundierten Gemälden aus den späten 1920er-Jahren
wird zusammen mit «Malerei (Die Magie der Farbe)» – Peinture (La Magie de la
couleur, 1930) – präsentiert, einem Werk, das hier eine Schlüsselrolle spielt für
das Verständnis von Mirós berühmter Erklärung, «ich will die Malerei ermorden», aus dem Jahr 1927. Die «abstrakte Sparsamkeit» der übergrossen
roten und gelben «Punkte» und die sie umgebende Leere verdeutlichen seinen
Versuch, dem herkömmlichen Ansatz der Bildproduktion eine Absage zu
erteilen und weisen bereits auf seine späteren Grossformate hin.
TEER, SANDPAPIER UND MASONIT
Die Verwendung von unkonventionellen Malgründen wie unbehandelte Leinwand, Jute, Masonit, Sandpapier und Teer, charakterisiert die Werke des nächsten Ausstellungsabschnitts, der die Materialien ins Visier nimmt, zu denen Miró
im Bestreben, die Malerei zu «überwinden», in den frühen 1930er-Jahren gegriffen hat. Die besondere Textur und Materialbetontheit mancher Werke, etwa
der Collage «Kopf Georges Auric» (Tête de Georges Auric, 1929) oder des Reliefs
«Menschlicher Kopf» (Tête humaine, 1931), veranschaulichen Mirós neuen Ansatz. In diesem Teil der Ausstellung sind auch Werke zu sehen, deren materiale
Beschaffenheit Miró verstärkte, indem er der Ölfarbe Kies, Sand und Teer
beimischte, was den Bildern einen taktilen Charakter verleiht.
DER KRIEG, WERKE AUF SACKLEINWAND
1937 schuf Miró sein erstes öffentliches Wandbild für den Pavillon der
Spanischen Republik an der Weltausstellung in Paris, für welchen Picasso
«Guernica» malte. Wie Picassos Beitrag war auch Mirós «Der Schnitter» (Le
faucheur, verschollen) ein politisches Statement – nicht nur zum Spanischen
Bürgerkrieg, sondern auch zu der weltweit zunehmend bedrohlichen politischen
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Lage. Eine Serie von Gemälden auf rauer Sackleinwand, die Miró zwei Jahre
später schuf, widerspiegelt nach wie vor die herrschenden politischen Unruhen
und unterstreicht zugleich die Vorliebe des Künstlers für starke Materialbetontheit und belebende Texturen. Der kühne Stil dieser Werke, in denen er der
Malerei auf der nackten Wand vielleicht am nächsten kam, verrät die zunehmende Niedergeschlagenheit des Künstlers angesichts der verhängnisvollen
politischen Ereignisse.
WEISSE UND GRAUE BILDGRÜNDE
In der Zeit unmittelbar nach dem Krieg knüpfte Miró wieder an frühere Werke
an und zeichnete frei und ganz fein auf weisse oder graue Gründe und schuf
Bilder, die wie Freskos wirken. Die strukturierten weissen Bildgründe ahmen
erneut die visuelle Vielfalt der weissgetünchten Wände nach, die ihm aus seiner
Jugend auf dem Bauernhof in Erinnerung waren und für ihn stets ein wichtiger
Bezugspunkt darstellten. Für die grauen Bildgründe verwendete er Stroh, mit
dem er die Fläche so aufraute, dass sie wie eine wunderschön verwitternde
Wand wirkt.
MATERIALITÄT UND STRUKTUR
«Sans titre» (1953) verbindet kühne Flächenstrukturen mit wenigen zeichnerischen Elementen, die aus dem früheren anspielungsreicheren Stil des
Künstlers abgeleitet sind und setzt auch auf die bei den Surrealisten beliebte
Praxis des Zufälligen und «Automatischen». Derselbe Ansatz findet sich auch in
dem rätselhaften Bild «Das Erwachen von Frau Bou-Bou im Morgengrauen» (Le
Réveil de Madame Bou-Bou à l’aube, 1939/1960), wo die fein auf den weissen
Grund gezogenen Linien wirken, als seien sie direkt auf eine alte Wand gezeichnet. Bei anderen Werken in diesem Teil der Ausstellung bearbeitet Miró
Kartonoberflächen, in dem er sie mit Farben beschichtet, die mit anderen Substanzen, wie Zement oder Sand vermischt sind, damit sie mehr Struktur
aufweisen.
SKULPTUREN
Mirós Technik, zusätzlich zur Farbe noch andere Materialien zu verwenden, um
die Oberflächen seiner zweidimensionalen Bilder zu strukturieren, spiegelt sich
auch in seinen Skulpturen der 1950er-Jahre, in denen sich dieselben sehr
persönlichen Motive finden. Bei «Grosse Figur» (Grand Personnage, 1956) etwa,
einem Werk, das als Schenkung von Gustav Zumsteg, einem engen Freund von
Miró, in die Sammlung des Kunsthauses gelangte, verstärkte Miró die Rauheit
der Oberfläche, indem er den Ton vor dem Brennen und Glasieren mit feinem
Kies durchsetzte.
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BLAUE FLECKEN UND SPÄTE WERKE
1973 schuf Miró die vermutlich als Triptychon konzipierten Bilder «Malerei I–III»
(Peintures I–III), in denen ein blauer Fleck an der «Wand» den Betrachter in
seinen Bann zieht: eine unwiderstehliche Demonstration der künstlerischen
Vitalität des mittlerweile achtzigjährigen Malers. Diese drei Bilder fassen seinen
lebenslänglichen Glauben an die Inspirationskraft nackter Wände zusammen
und rufen Leonardo da Vincis «componimento inculto» (nicht gezielt erarbeitete
Komposition) in Erinnerung, worauf sich Miró im Lauf seiner Karriere immer
wieder berief. Die Bilder beweisen seine Vorliebe für Serien und die
Wiederholung von Formaten und Massen und verdeutlichen zugleich seine
Gedanken zur Wandmalerei – Ideen, die enormen Einfluss auf den Abstrakten
Expressionismus ausübten. Drei Spätwerke aus der Fundació Pilar i Joan Miró
in Palma belegen einmal mehr, dass Mirós Bildsprache auf schlichte
Hausmauern samt ihren Flecken und sonstigen «Schönheitsfehlern»
zurückgeht. Der extreme radikale Charakter dieser grossformatigen SchwarzWeiss-Bilder ist einmalig in Mirós Œuvre und bildet einen Kontrapunkt zu den
leuchtend bunten Werken, für die er so berühmt ist.
DIE KERAMISCHEN WANDBILDER
Das keramische Wandbild «Vögel, die wegfliegen» (Oiseaux qui s’envolent,
1971/72), das im Innenhof des Kunsthaus Zürich steht, war der Ausgangspunkt
für diese Ausstellung und den sie begleitenden Katalog. Entsprechend schliesst
die Präsentation mit Werken, die in Bezug zu einem weiteren Beispiel dieses
Genres in Mirós Œuvre stehen: den Entwürfen im Originalmassstab, die Miró im
Zusammenhang mit den zwei Wandbildern für den Hauptsitz der UNESCO in
Paris schuf. «Mondwand» (Mur de la lune) und «Sonnenwand» (Mur du soleil),
beide 1957, markieren den Anfang einer ergiebigen und fruchtbaren Erforschung der Möglichkeiten der grossformatigen Keramik. Die beiden Entwürfe
sind hier erstmals zusammen ausgestellt.
LEIHGABEN AUS ÜBERRAGENDEN ÖFFENTLICHEN UND PRIVATEN SAMMLUNGEN
Oliver Wick, ehemaliger Kurator am Kunsthaus, hat die Ausstellung konzipiert.
Betreut und umgesetzt wurde sie von Simonetta Fraquelli, die in den letzten
Jahren als freie Kuratorin an zahlreichen Projekten des Kunsthauses mitwirkte.
Die Ausstellung umfasst Werke aus vielen angesehenen Institutionen, wie der
National Gallery of Art, Washington, der Fundació Joan Miró, Barcelona, dem
Solomon R. Guggenheim Museum, New York, dem Philadelphia Museum of Art,
dem Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía, Madrid, und der Fondation
Maeght in Saint-Paul-de-Vence, sowie zahlreiche Leihgaben aus privaten Sammlungen, etwa der Nahmad Collection, der Sammlung Merzbacher und weiteren,
die nicht genannt werden möchten.
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Folgende Miró-Spezialisten und -Forscher haben Katalogbeiträge verfasst: Joan
Punyet Miró, Carolyn Lanchner, William Jeffett und Simonetta Fraquelli. Der
Katalog (Hirmer Verlag, München, 170 S., rund 110 Abb.) ist im Museumsshop
für CHF 43.– erhältlich. Die Ausstellung wird vom 26. Februar bis 12. Juni 2016
auch in der Schirn Kunsthalle in Frankfurt zu sehen sein.
Unterstützt durch die Credit Suisse – Partner des Kunsthaus Zürich sowie die
Hulda und Gustav Zumsteg-Stiftung
KUNSTPÄDAGOGIK UND ALLGEMEINE INFORMATIONEN
Ein Audioguide (D/E/F/I) ist im Eintrittspreis enthalten. Kinder ab 6 Jahren
haben einen eigenen Audioguide. Die Ausstellung wird von einem umfassenden
kunstpädagogischen Programm und einem Konzert des Zürcher Kammerorchesters am 25. Oktober begleitet. Öffentliche Führungen finden jeweils
mittwochs und donnerstags um 18 Uhr, freitags um 15 Uhr und sonntags um 11
Uhr statt. Englische Führungen am 31. Oktober und 21. November um 13 Uhr,
eine französische Führung am 7. November um 13 Uhr. Private Führungen
können auf Anfrage vereinbart werden.
Ausführliche Informationen zur Ausstellung und den zahlreichen Veranstaltungen für das deutschsprachige Publikum sind auf der Website zur Ausstellung unter www.kunsthaus.ch zu finden.
Kunsthaus Zürich, Heimplatz 1, CH-8001 Zürich, Tel.: +41 (0)44 253 84 84,
www.kunsthaus.ch
Di/Fr–So 10–18 Uhr, Mi/Do 10–20 Uhr, Montag geschlossen. Öffnungszeiten an
Feiertagen siehe www.kunsthaus.ch
Eintritt inkl. Audioguide (D/E/F/I): CHF 22.- / CHF 17.- reduziert und Gruppen.
Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre: Eintritt frei.
Vorverkauf: SBB RailAway-Kombi. Ermässigung auf Anreise und Eintritt: am
Bahnhof oder beim Rail Service 0900 300 300 (CHF 1.19/Min. ab Festnetz),
www.sbb.ch/kunsthaus-zuerich.
Zürich Tourismus: Hotelzimmer-Buchung und Ticketverkauf, Tourist Service im
Hauptbahnhof, Tel. +41 44 215 40 00, [email protected], www.zuerich.com.
HINWEISE UND KONTAKTADRESSE FÜR DIE MEDIEN
Bildmaterial ist auf www.kunsthaus.ch unter Information/Presse erhältlich.
Kontakt: Kunsthaus Zürich, Presse und Kommunikation
Kristin Steiner, [email protected], Tel. +41 (0)44 253 84 13
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