Abnicken oder prüfen - EWR Consulting GmbH

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Abnicken oder prüfen grundlagen der betriebsratsarbeit
Abnicken oder prüfen
wirtschaftsprüfung Der Jahresabschluss zeigt die wirtschaftliche
Lage des Betriebs. Die wichtigsten Punkte zur Prüfung und dazu,
wann Betriebsräte nachhaken sollten.
VO N JOAC H I M E I S BAC H UND A N DREA ROT HKEGEL
D
as Oberlandesgericht Saarbrücken
hat Mitte vergangenen Jahres einen Abschlussprüfer vom Vorwurf
einer Reihe von Verstößen bei
der Abschlussprüfung frei gesprochen. In der
Zeitschrift „Steuern und Bilanzen (StuB)“ ist
dieses Urteil heftig kritisiert worden. Der Autor
der Kritik sieht eine „neue Variante der Erwartungslücke“ drohen: „Denn die Öffentlichkeit
kann – oder muss (?) – das Urteil so lesen: Die
Wirtschaftsprüfung erschöpft sich in der vertrauensseligen Entgegennahme von Auskünften und Unterlagen des geprüften Unternehmens, stellt also eine Nichtprüfung dar.“1
eine Verbindlichkeit gegenüber einem nahestehenden Unternehmen nicht ausgewiesen worden. Statt eines positiven Eigenkapitals hätte
sich bei einer korrekten Prüfung eine bilanzielle
Überschuldung herausgestellt.
Der Insolvenzverwalter war der Ansicht,
dass dem Abschlussprüfer der Sachverhalt
bei einer sorgfältigen Prüfung hätte auffallen
müssen, womit das Unternehmen früher einen
Insolvenzantrag hätte stellen müssen. Stattdessen sei die Insolvenz mit einem erheblichen
Schaden für die Insolvenzmasse verschleppt
worden. Der beklagte Abschlussprüfer hielt dagegen und bekam vom Gericht Recht.
Der Fall, um den es ging
Auswirkungen auf Betriebsräte
Worum ging es in dem Prozess?2 Ein Insol­
venz­
verwalter hatte einen Abschlussprüfer auf
Schadensersatz verklagt, weil er einen uneinge­
schränkten Bestätigungsvermerk erteilt hat.
Etwa ein Jahr später erstattete der Geschäfts­
führer des betreffenden Unternehmens Selbstanzeige wegen umfangreicher Bilanzmanipulation
und stellte unmittelbar danach einen Insolvenzantrag. Er wurde später wegen Betrugs verurteilt.
Der eingesetzte Insolvenzverwalter argumentierte nun, dass der Bestätigungsvermerk nicht
nur nicht hätte erteilt werden dürfen, sondern
wegen der Bilanzfälschung hätte versagt werden müssen. Der Abschlussprüfer habe sich bei
der Inventur auf Mitteilungen der Lagerhaltung
verlassen und nicht auf einen Systemausdruck
bestanden, sondern sich mit Excel-Ausdrucken
zufrieden gegeben, die durch den Geschäftsführer manipuliert waren. Stichproben wurden
so gezogen, dass eine Überprüfung des unteren
Preissegments der bevorrateten Handelswaren
unterblieben sei. Somit wurden deutlich überhöhte Warenbestände ausgewiesen. Ferner sei
Auf die Arbeitnehmervertretung im Unternehmen gewendet, die in vielen Fällen (zum Beispiel: Sanierungsbeiträge, Interessenausgleich)
auch auf die Richtigkeit der Jahresabschlüsse
angewiesen ist, stellt sich die Frage: Kann sich
ein Mitglied des Betriebsrats oder des Wirtschaftsausschusses ohne weiteres darauf verlassen, dass die Jahresabschlüsse sorgfältig geprüft
wurden, sie also ein den „tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-,
Finanz- und Ertragslage“ (§ 322 HGB) vermitteln und folglich zurecht einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk tragen?
Anforderungen an die Abschlussprüfung
Um sich dazu eine Meinung zu bilden, erscheint
es sinnvoll, sich zu vergegenwärtigen, was unter
einer sorgfältigen Prüfung verstanden wird.
Zur Erinnerung: Den Jahresabschluss
stellen die Unternehmen auf (§§ 264, 290
Handels­
gesetzbuch, HGB); die Wirtschaftsprüfer haben ihn unvoreingenommen und un-
darum geht es
1. Die Anforderungen an
die Bestätigungsvermerke von Abschlussprüfern
bei dem Jahresabschluss
sind hoch.
2. Dies zeigt auch eine
aktuelle Entscheidung
des Oberlandesgerichts
Düsseldorf.
3. Mitglieder des
Betriebsrats oder
Wirtschaftsausschusses
können Verstoßrisiken
bei der Prüfung eindämmen helfen.
begriff
Bei der Jahresabschlussprüfung stellt ein
Abschlussprüfer für den
den Jahresabschluss eines
Unternehmens fest, ob
Gesetze, Satzungen, der
Gesellschaftsvertrag, die
Grundsätze ordnungs­
mäßiger Buchführung
und die Rechnungs­
legungsvorschriften
eingehalten wurden.
1 W.-D. Hoffmann, Wirtschaftsprüfung bei fraud, in:
Steuern und Bilanzen, Nr. 22, S. 837 f.
2 Saarländisches Oberlandesgericht v. 18.7.2013 – 4 U 278/11–88.
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unterschiede in den bilanzen
definition
Bilanzen vor und nach geänderten Warenbeständen und Verbindlichkeiten:
APAK
Die Abschlussprüfer­
aufsichtskommission
(APAK) ist unabhängig
und frei von Weisungen
für die öffentliche
fachbezogene Aufsicht
über die Wirtschafts­
prüferkammer (WPK)
und die dort vereinigten
Abschlussprüfer zuständig. Die Fachaufsicht
der APAK erstreckt sich
auf Aufgaben der WPK
nach § 4 Abs. 1 Satz
1 Wirtschaftsprüfer­
ordnung gegenüber
den Mitgliedern, die
befugt sind, gesetzliche
Abschluss­prüfungen
durchzuführen oder
die solche ohne diese
Befugnis tatsächlich
durch­führen. Darüber
hinaus ist die APAK
für die Organisation
und Durchführung der
anlassunabhängigen
Sonderuntersuchungen
(§§ 61 a Satz 2 Nr. 2, 62 b
Absatz 1 Wirtschafts­
prüferordnung) unmittelbar verantwortlich.
vorher
nachher
Aktiva
Passiva
Aktiva
Eigenkapital
Vermögen, unter
Berücksichtigung
niedrigerer
Warenbestände
Vermögen,
inkl. erhöhter
Warenbestände
Schulden
Bilanzsumme
Passiva
nicht durch Eigen­
kapital gedeckter
Fehlbetrag
Schulden
(inkl. Verbindlichkeit
gegenüber
nahestehendem
Unternehmen)
Bilanzsumme
Quelle: eigene Grafik (EWR)
parteiisch auf seine Richtigkeit hin zu prüfen
(§ 316 HGB). Das betrifft auch das Aufdecken
von Unrichtigkeiten und Verstößen, auf die
die Interne Revision und das Interne Kontroll­
system (Compliance) gerichtet sind.
Zur Aufgabe der Wirtschaftsprüfer heißt es
in §  323 HGB nur allgemein, dass der Abschlussprüfer „zur gewissenhaften und unparteiischen
Prüfung und zur Verschwiegenheit verpflichtet“ ist. Ähnlich interpretationsoffen heißt es
in der Wirtschaftsprüferordnung (§ 43 WPO):
„Der Wirtschaftsprüfer hat seinen Beruf unabhängig, gewissenhaft, verschwiegen und eigenverantwortlich auszuüben.“ Diese Generalnorm
wird in Prüfungsstandards (PS) des Instituts der
Wirtschaftsprüfer in Deutschland (IDW) konkretisiert: „Ziele und allgemeine Grund­
sätze
der Durchführung von Abschlussprüfungen“
streben an, dem Adressaten zu ermöglichen,
„die Glaubhaftigkeit der Buchführung, des Jahresabschlusses und ggf. des Lage­berichts besser einzuschätzen.“3 Dabei ist die „Abschlussprüfung mit einer kritischen Grundhaltung
zu planen und durchzuführen; die erlangten
Prüfungsnachweise sind kritisch zu würdigen.
Der Abschlussprüfer muss sich stets darüber im
Klaren sein, dass Umstände (Fehler, Täuschungen …) existieren können, aufgrund derer der
Jahresabschluss und der Lagebericht wesentliche falsche Aussagen enthalten. Er kann daher
nicht ohne weiteres im Vertrauen auf die Glaubwürdigkeit der gesetzlichen Vertreter von der
Richtigkeit ihrer Auskünfte ausgehen, sondern
muss sich diese belegen lassen und die Über-
zeugungskraft dieser Nachweise würdigen. Bei
Anhaltspunkten für Verstöße … hat er ergänzende Prüfungshandlungen vorzu­nehmen …“.
Aber: „Die Adres­
saten können jedoch nicht
davon ausgehen, dass die Prüfungsaussagen des
Abschlussprüfers eine Gewähr für die zukünftige Lebensfähigkeit des Unternehmens oder
die Effektivität und Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung darstellen.“
Art und Umfang der Prüfung bestimmen sich
nach dem einzelfallbezogenen Ermessen des
Prüfers. Sie sind so zu bestimmen, „dass unter
Beachtung des Grundsatzes der Wesentlich­keit
(und Wirtschaftlichkeit – die Verf.) die geforderten Prüfungsaussagen möglich werden“ und
mit hinreichender Sicherheit getroffen werden
können. „Hinreichende Sicherheit bedeu­
tet
nicht absolute Sicherheit, die bei der Abschlussprüfung nicht zu erreichen ist. Immer besteht
dabei jedoch die Gefahr, dass Fehler unentdeckt bleiben. „Aus der nachträglichen Entdeckung eines Fehlers kann daher nicht zwingend
auf berufliches Fehlverhalten des Ab­
schluss­
prüfers geschlossen werden.“ Darauf bezog sich
denn auch das Oberlandesgericht: Die Haftung
des Abschlussprüfers aus Verletzung seiner
Prüfungspflichten tritt hinter die vorsätzliche
Bilanz­fälschung des Geschäftsführers zurück.
Risikoorientierte Planung der Prüfung
Wo es um das Erkennen von Unregelmäßigkeiten geht, die aus dem absichtlichen Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften resultieren
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(Täuschungen, Vermögensschädigungen; auch
als „Fraud“ bezeichnet), kommt der IDW PS
210 „Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten im
Rahmen der Abschlussprüfung“ ins Spiel. Der
Standard konkretisiert die Vorschrift nach
§ 317 HGB, wonach die Prüfung so anzulegen
ist, dass Unrichtigkeiten und Verstöße gegen
gesetzliche Vorschriften, Gesellschaftsvertrag
oder Satzung „bei gewissenhafter Berufsausübung erkannt werden“ (risikoorientierter
Prüfungsansatz). Damit ist jedoch keine gezielte und von tiefem Misstrauen geprägte Untersuchung gemeint – wie etwa bei einer Unterschlagung. Im „Normalfall“ und bei fehlenden
Hinweisen auf wesentliche Unrichtigkeiten
und Verstöße „kann der Abschlussprüfer die
Buchführung und den Abschluss sowie den Lagebericht als ordnungsgemäß akzeptieren und
bestätigen. Gleichwohl darf ein Abschlussprüfer das Risiko von Fehlern und Verstößen nicht
aus dem Auge verlieren. Er muss seine Prüfung
mit Rücksicht auf besondere Risikofaktoren
planen. Dazu sind eventuelle Auffälligkeiten
und ungewöhnliche Geschäfte zu registrieren
und bisherige Erfahrungen zu verarbeiten.
Nachvollziehbarkeit und Lückenlosigkeit
Die Nachvollziehbarkeit und Lückenlosigkeit
von Dokumentationen, beispielsweise bei Änderungen von IT-Programmen und der Zugriff
darauf, spielen ebenso eine Rolle wie hohe Provisionen oder behördliche Straf- oder Bußgeld­
bescheide. Gespräche sind nicht nur mit dem
Management, sondern ebenso mit Vertretern
der Aufsichtsorgane, Mitarbeitern der Internen
Revision oder des Internen Kontrollsystems
(IKS) zu führen. Zu prüfen ist, ob eine wirtschaftlich schlechte Lage oder Kontrollmängel
die Anfälligkeit für Manipulationen erhöhen.
Darüber hinaus hat der Abschlussprüfer sich ein
Bild von der Kompetenz der mit Controllingaufgaben befassten Mitarbeiter zu machen.
Zudem sollte er sich selbst – bei längerfristigen
Mandaten – hinsichtlich seiner Einstellung zum
Management hinterfragen: Kann er seine Aufgaben noch kritisch und unvoreingenommen
erfüllen oder haben sich in die Beurteilung von
Unterlagen oder Auskünfte bereits früher gewonnene Ansichten über die Solidität von Unternehmen und Unternehmer eingeschlichen?
Bei aufgedeckten oder vermuteten Unregelmäßigkeiten hat der Abschlussprüfer das
Management – zumeist diejenige Ebene über
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derjenigen, auf der die Fehler und Verstöße festgestellt wurden – zu informieren. Hat er den
begründeten Verdacht, dass Geschäftsführung
oder Vorstand dabei mitgewirkt haben, so ist
das Aufsichtsorgan zu informieren. Die erkannten Verstöße sind zu dokumentieren; im Prüfungsbericht ist darüber zu berichten; der Bestätigungsvermerk ist dann einzuschränken, wenn
die Verstöße oder Unrichtigkeiten wesentliche
Auswirkungen auf den Jahresabschluss haben.
Zwiespältiger Eindruck des Urteils
Im Hinblick auf das Saarbrücker Urteil bleibt
somit ein zwiespältiger Eindruck. Zum einen
geben die IDW PS keine eindeutigen Anhaltspunkte für eine Verletzung der Sorgfaltspflicht
des Abschlussprüfers in dem betreffenden
Fall, zum anderen fordern die IDW PS die Abschlussprüfer jedoch nachdrücklich zur Aufmerksamkeit gegenüber Fehlern und Verstößen
auf und erwarten, dass ihre Prüfungsaussagen
auf der Grundlage hinreichender Sicherheit erfolgen. Die Abschlussprüfer sind gehalten, ihre
Prüfung auszuweiten, wenn Fehler und Verstöße entdeckt wurden. In diesem Punkt kann
jedoch die kritische Grundhaltung des Prüfers
mit seinen Gewinnzielen in Konflikt geraten,
nämlich dann, wenn die getroffene Honorarvereinbarung derartige Prüfungsausweitungen
nicht abdeckt und der Prüfer weitere Prüfungshandlungen auf eigene Rechnung vornehmen
müsste. So stellt APAK (s. Randspalte S. 60) in
ihrem Tätigkeitsbericht für 2012 fest: „Zu oft
verlassen sich Abschlussprüfer bei der Beurteilung wesentlicher Sachverhalte maßgeblich auf
Aussagen des Managements … ohne weitere
Prüfungsnachweise einzuholen.“4
Tipp für die Praxis
Aufgrund seiner Verschwiegenheitspflicht wird
kein Abschlussprüfer eventuell gewonnene Erkenntnisse über Verstöße mit Betriebsrat oder
Wirtschaftsausschuss diskutieren. Aber beharrliches Nachfragen nach den von ihm unternommenen Schritten zur Eingrenzung möglicher Verstoßrisiken kann einen Eindruck von
der Sorgfalt der Prüfung vermitteln. v
Dr. Joachim Eisbach,
Berater bei EWR Consulting GmbH.
Andrea Rothkegel, Beraterin und
Gesellschafterin bei EWR Consulting GmbH.
4 Abschlussprüferaufsichtskommission (APAK). Tätigkeitsbericht
2012, S. 14. Der Bericht kritisiert ferner die oftmals unkritische Übernahme von Schätz- und Zeitwerten, unzureichende
Befassung mit den in den Unternehmen zur Aufdeckung von
Unregelmäßigkeiten eingerichteten Kontrollen oder nicht
angesprochene Risiken im Lagebericht.
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checkliste
Mögliche Fragen des
Betriebsrats oder des
Wirtschaftsausschusses
an die Abschlussprüfer
(AP)
··Mit welchen Personen
oder Abteilungen außer
dem Management haben die AP gesprochen?
··Welchen Eindruck haben
die AP von den Kompetenzen und der Arbeit
der Kontrollorgane
(IKS, interne Revision)?
··Werden die Erkenntnisse
der Kontrollorgane von
der Geschäftsleitung
angemessen beachtet?
··Sind im abgelaufenen
Geschäftsjahr früher
unübliche Geschäfte
getätig worden?
··Sind sämtliche Risiken,
denen das Unternehmen
ausgesetzt ist, identi­
fiziert und bewertet
worden?
··Gibt es Risiken, die
zwar darzeit für wenig
wahrscheinlich gehalten
werden, die aber zu
hohen Belastungen
führen können?
··Hat sich die wirtschaftliche Situation des
Unternehmens derart
verschlechtert, dass
Manipulationen wahrscheinlicher geworden
sind?
··Ist die Datenverarbeitung ausreichend
gegen nicht autorisierte
und externe Zugriffe
geschützt?
··Haben die AP nach
Hinweisen von Beschäftigten auf Misstände im
Unternehmen gefragt
und sind sie ihnen nachgegangen?
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