Gemeinsame Stellungnahme

Gemeinsame Stellungnahme der Gesellschaft für Toxikologische und Forensische
Chemie (GTFCh), der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin (DGVM), der
Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie (DGVP) und der Deutschen
Gesellschaft für Rechtsmedizin (DGRM) zum Einsatz von Markerverfahren als
Alternative zur Sichtkontrolle bei Urinkontrollen für Untersuchungen für die
Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen
Programme zur Überprüfung einer Alkohol-, Rauschmittel-oder Arzneimittel-Abstinenz im
Rahmen der Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen durch eine Serie von
Urinproben dürfen nach Auffassung des Verordnungsgebers nur nach anerkannten
wissenschaftlichen Grundsätzen vorgenommen werden (Anlage 4a zu §11 Absatz 5 der
Fahrerlaubnisverordnung FeV). Eine besondere Bedeutung kommt hierbei der Gewinnung
einer Urinprobe zu, die eindeutig dem Probanden zuzuordnen sein muss und bei der die
Möglichkeit von Manipulationen ausgeschlossen werden muss.
Aufgrund vermehrter Anfragen zur Durchführung von Urinkontrollen, speziell zum Ersatz der
Sichtkontrolle durch sog. Markerverfahren, besteht der Bedarf für eine Darstellung des
Konsenses zum Stand der Wissenschaft aus Sicht der oben angeführten Fachgesellschaften.
Für die Überprüfung der Kraftfahreignung werden Abstinenzbelege ausschließlich von Stellen
anerkannt, in denen die nach dem Stand der Wissenschaft und Technik erforderlichen
Rahmenbedingungen der Abstinenzkontrolle wie Terminvergabe, Identitätskontrolle und
Probenentnahme gewährleistet sind. Ein Marker-Verfahren ist eine Möglichkeit, bei der
Probennahme eine Urinprobe so zu markieren, dass sie einem Probanden eindeutig
zuzuordnen ist. Dies kann beispielsweise durch Einnahme von nach dem Zufallsprinzip
ausgewählten Stoffen erfolgen, die dann im entnommenen Urin analytisch nachweisbar sein
müssen. Ein derartiges Verfahren stellt eine nach Anlage 4a Absatz 3 FeV mögliche
Alternative zur Sichtkontrolle dar, um eine eindeutige Zuordnung einer Urinprobe zur zu
untersuchenden Person zu ermöglichen. Bei Verzicht auf eine Sichtkontrolle kann durch ein
derartiges Verfahren eine Manipulation allerdings nicht ausgeschlossen werden.
Das Problem der Urinprobennahme in einem forensischen Setting besteht nämlich nicht
alleine in der Zuordnung eines Urins zu einem Probanden, was sich auf Verwechselung von
Proben und Abgabe von Fremd- oder Kunsturin bezieht, zusätzlich muss bei einer
forensischen Probennahme auch jegliche Manipulationsmöglichkeit ausgeschlossen werden.
Ohne Sichtkontrolle bleiben dem Probanden zahlreiche Möglichkeiten, die Zusammensetzung
der Urinprobe zu verändern (vgl. auch Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung –
Beurteilungskriterien 3. Auflage, Seite 250). Als Manipulationsmöglichkeiten kommen neben
der Zugabe von Reagenzien zur Störung von späteren Analysen einfache Mittel wie eine
Verdünnung mit Wasser oder Fremdurin bis an die Grenze des Markernachweises in Betracht.
Eine Probe kann so nicht verwertbar gemacht werden. Einige Störungen können
möglicherweise aufgedeckt werden, aber ohne einen Nachweis der Manipulation kann das
nicht als Abbruchkriterium für ein Abstinenzprogramm gelten. Die Beweispflicht für eine
tatsächlich erfolgte Manipulation liegt beim Labor, welches zwischen natürlichen und
bewusst herbeigeführten Störungen auch durch Einsatz zusätzlicher Untersuchungsverfahren
ohne eine Sichtkontrolle nicht beweissicher unterscheiden kann. Folglich bestünde bei einer
Probennahme, bei der u.U. ein positives Analysenergebnis zu erwarten wäre, die Möglichkeit
einer Unbrauchbarmachung der Probe, was dem Gedanken einer Abstinenzüberprüfung unter
forensischen Aspekten widerspricht. Daher gehört die Sichtkontrolle essentiell zu den oben
angeführten Rahmenbedingungen eines Abstinenzkontrollprogrammes im Rahmen der
Fahreignungsdiagnostik.
Nach übereinstimmender Auffassung der Gesellschaft für Toxikologische und
Forensische Chemie (GTFCh) sowie der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin
(DGVM), der Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie (DGVP) und der
Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin (DGRM) kann bei Einsatz eines MarkerVerfahrens nicht auf eine Sichtkontrolle verzichtet werden.
Prof. Dr. Stefan Tönnes
Prof. Dr. Volker Dittmann
Präsident der GTFCh
Präsident der DGVM
Prof. Dr. Wolfgang Fastenmeier
Prof. Dr. Thomas Bajanowski
Vizepräsident der DGVP
Präsident der DGRM