„Vertrau mir doch einfach!“ – Vertrauen in der Anlageberatung

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„Vertrau mir doch einfach!“ – Vertrauen in
der Anlageberatung
Wir kaufen arglos bei Ebay gegen Vorkasse, bitten Mitreisende auf unser Gepäck
aufzupassen und hängen unsere Jacken an die Garderobe im Restaurant. Wir sind
generell sehr vertrauenswürdig und wenig misstrauisch. Wir leben Vertrauen und
haben doch in manchen Situationen sehr wenig davon. Vertrauen spielt eine
Schlüsselrolle im Verhältnis des Kunden zum Berater. Deshalb sollten Berater wissen, wie sie ein nachhaltiges Vertrauensverhältnis aufbauen können. Der folgende
Beitrag erklärt die wichtigsten Regeln.
trauensvorschuss in dieses. Anleger
lassen sich auf diesen Vertrauensvorschuss ein und tragen die Risiken. Das
sollte jedem Berater bewusst sein, denn
auch hier liegt ein mögliches hohes Enttäuschungspotenzial mit generationenübergreifender Langzeitwirkung.
Wichtig Mit dem Blick auf das aus
einer Anleger-Berater-Beziehung resultierende Vertrauensgut kann reflektiert werden, dass es aus Anlegersicht
ein spürbares Vertrauensdefizit zu
geben scheint.
Wie viel Vertrauen braucht eine
Beziehung?
Vertrauen ist ein Vorschussgut – auch
in einer Anleger-Berater-Beziehung.
Dass eine stabile Beziehung Zeit für die
Entwicklung braucht, kennen wir aus
unserem Privatleben. Nehmen wir uns
für unsere Kundenbeziehungen ähnlich viel Zeit, oder ist unser Vertrauensverständnis hier ein anderes?
Was ist Vertrauen überhaupt?
Vertrauen als wesentlicher Baustein
des sozialen und geschäftlichen Miteinanders wird sehr unterschiedlich definiert und ausgelegt. In erster Linie ist
Vertrauen und damit verbunden die
Vertrauensbereitschaft ein Fundament
unseres menschlichen Zusammenlebens. Es beinhaltet die Erwartung, dass
• vereinbarte Regeln eingehalten werden,
• vorausgesetzte Verhaltensnormen
als vereinbart gelten und
• ein gegenseitiger Verzicht auf kurzfristige Gewinne zugunsten einer
langen Interaktionsperspektive als
vereinbart gilt.
Vertrauen ist das Resultat zugeschriebener Kompetenz und des Wohlwollens gegenüber den Interessen des anderen. Vertrauen ist relevanter, je
risikoreicher die zu treffende Entscheidung ist. Vertrauen ist eine wunderbare
Sache, wenn die aufgeführten Spielregeln beachtet und eingehalten werden.
Derzeit werden mehr als eine Billion
Euro als täglich fällige Kundeneinlagen von Kunden in Banken und Sparkassen bevorratet. Das kann an den
niedrigen Zinsen, der bestehenden
Aktienkultur oder eben auch am
schwindenden Vertrauen der Anleger
in ihre Banken und Sparkassen und
deren Berater liegen. Aktuell sind dem
Autor keine Befragungen bekannt, in
denen das Kundenvertrauen in Banken und Sparkassen nicht historische
Tiefstwerte aufweist.
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Vertrauen in einer Anleger-BeraterBeziehung
Für eine Vertrauensbeziehung braucht
es mindestens zwei und beide sind frei
darin zu entscheiden, wie sie mit dem
Vertrauensgut umgehen. In unserem
Fall ist ein Anleger der Vertrauensgeber. Vertrauen in einen Kundenberater
erfordert Investitionen, Investitionen
eines Anlegers in das Wollen und in
das Können.
Ein Anleger ist immer in der Vertrauensvorlage in einer Anleger-BeraterBeziehung und er allein trägt damit
das Risiko einer solchen Beziehung. Es
ist also nachvollziehbar, wenn sich Anleger hinterfragen, wie weit auch Berater ein Interesse an einer Beziehung
haben, die über eine Auftragserteilung
hinausgeht, und die Anlegerinteressen
ehrlich, uneingeschränkt und ohne
eine mögliche Vereinbarung dominierende Eigeninteressen bedient.
Das Enttäuschen dieser Erwartungen
geht sehr schnell, gerade weil die Anlegererwartungen deutlich darüber hinausgehen, was bisher als Vertrauen in
Banken und Sparkassen verstanden
wurde. Unmittelbar erlebbar für einen
Anleger ist der Wissensvorsprung der
Berater und der damit verbundene Ver-
Im Geschäftsleben unterscheiden wir
regelmäßig ökonomische Austauschbeziehungen, bei denen es um konkrete Tauschtransaktionen geht, von sozialen Austauschbeziehungen, bei denen
das Vertrauen in die andere Seite im
Vordergrund steht. Beim sozialen Austausch liegt allen Beteiligten vorrangig
am Wohlergehen des Partners.
Es ist im Sinne aller Beteiligten sich
Klarheit darüber zu verschaffen, welche Art von Beziehung zwischen Berater und Anleger angestrebt wird. In der
Praxis kann beobachtet werden, dass
beide Formen vorhanden sind. Entscheidend sind die damit verbundenen Erwartungshaltungen der Anleger,
denen entsprochen werden muss, um
eine Enttäuschung zu vermeiden.
Ist eine soziale Beziehung zwischen
Berater und Anleger aus Sicht des Beraters durchaus vorstellbar und im
Sinne seiner wirtschaftlichen Ziele, so
kann aus Sicht eines Anlegers die Notwendigkeit einer solchen sozialen Beziehung zum Berater aber auch in Frage gestellt werden.
© 2015 DSV | 2. Oktober 2015 Ausgabe 20
Beziehung gewonnen werden können. Die Angabe der für den Anleger sen
Daten kann für diesen leichter sein, wenn er sich in einer sozialen Bez
befindet. Soziale Beziehungen brauchen Interaktion! Zwei Anleger-Berater-Ko
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im Jahr entsprechen in keiner Weise den Erwartung an eine soziale Beziehung
Zur Lösung der Kundenanliegen und
Kundenprobleme sind viele Daten und
Informationen des Anlegers notwendig, welche am ehesten aus einer sozialen Beziehung gewonnen werden
können. Die Angabe der für den Anleger sensiblen Daten kann für diesen
leichter sein, wenn er sich in einer sozialen Beziehung befindet. Soziale Beziehungen brauchen Interaktion!
Abbildung 1: So lässt sich Vertrauen aufbauen
Achtung Zwei Anleger-Berater-Kontakte im Jahr entsprechen
in keiner braucht Zeit – immer!
Vertrauen
Weise den Erwartung an eine soziale
erkennen, dass das Vertrauen eines
nativen aus. Fakt ist, dass in langen
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in
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Anleger-Berater-Beziehungen
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Für einen Anlageberater als Vertrauensnehmer
bleibt festzuhalten,eine
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ist, das entgegengebrachte
Anlegervertrauen
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sich kennt. Versuche unter Partnern
mit weitreichenden Folgen und KonseVertrauen braucht Zeit – immer!
Vorteil und zum
Nachteil des Vertrauensgebers
auszunutzen. Es lohnt sich
Für einen Anlageberater als Vertrauquenzen ist.
aus sehr langen Beziehungen ergaben,
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dass es eine signifikante Differenz zwiFür einen Anleger ist es nur sehr
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Nachberatungspflicht noch nicht besteht, so ist es doch nur verständlich, das
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ein Ergebnis von vielen Gesprächen.
Anleger diese bereits bei der zu treffenden Anlageentscheidung erwartet
der Vertrautheit. Eine mögliche Bealleine trägt.
möglicher Verweis
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ist nicht im
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Die Illusion der Vertrautheit
einesVerAnlegers
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von Privatanlegern.
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im Sinne allerzu Beteiligten
anzuerkennen,
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demzu- auch
Vertrauen eines Anlegers in einen Berater
für einennimmt
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Auch wenn von gesetzgebender
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Risikoentscheidung mit weitreichenden Folgen und Konsequenzen ist.zu.
bei Entscheidungen zur Wertpapieranhung besteht, um so sicher sind sich
Wichtig Hier kann der „Beratungslage eine Nachberatungspflicht noch
viele Berater, dass sie ihre Anleger gut
Für einen Anleger
ist es nur sehr schwer möglich
die Qualität einer Anlageber
genug kennen, um selbst entscheiden
nicht besteht, so ist es doch nur verprozess Anlage“dabei helfen, die Lücke
einzuschätzen.
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in Form einer Vermögensme
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den Anleger aktiv in eine Entscheireits bei der zu treffenden Anlageentdann bewertet
werden und
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auch ein
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vielen Gesprächen.
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einzubinden.
Achtung Ein möglicher Verweis auf
eine nicht bestehende Nachberatungspflicht ist nicht im Sinne eines Anlegers und ein Misstrauensvotum.
Der heute feststellbare Umgang mit
dem Fokus auf dem erlebten Anlegervertrauen beim Vertragsabschluss ist
deutlich zu kurz gesprungen und trifft
in nur sehr geringem Maße die Vertrauenserwartungen von Privatanlegern.
Es ist im Sinne aller Beteiligten anzu-
Abbildung 2: So lässt sich Vertrauen erhalten
Die Illusion der Vertrautheit
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Oft meinen wir zu wissen, was in den Köpfen unser Kunden und Anleger vo
Kann es sein, dass uns der sogenannte sechste Sinn täuscht?
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Vertrauen ist kein Spiel!
„Vertrauen ist der Anfang von allem“
– schrieb einst eine Bank und heute,
wenige Jahre später bleibt festzustellen, dass gerade das Vertrauen der Anleger in die Banken und Sparkassen
auf eine harte Bewährungsprobe gestellt wird. Aber im Ernst: Erlebbares
und auch belastbares Vertrauen baut
sich im besten Fall erst im Verlauf dieser Beziehung auf.
Am Anfang einer Beziehung steht aber
die Frage, ob sich Kunde und Berater
überhaupt sympathisch sind. Denn
ohne Sympathie füreinander geht in
einer Anleger-Berater-Beziehung nicht
viel. Es ist wissenschaftlich untersucht,
dass sich Anleger, welche sich vom Verkäufer gemocht fühlen, eher überzeugen lassen und den Vorschlägen eines
Beraters folgen.
Wichtig Sympathie erhöht folglich
die Kauf- und Wiederkaufswahrscheinlichkeit und stärkt die Kundenbindung.
Liegt aber auf der Seite des Beraters keine Sympathie gegenüber dem Anleger
vor, kann dieser versuchen, Sympathie
vorzuspielen. Ist das auf Dauer erfolgversprechend?
Diese Frage wurde mit umfassenden
Studien untersucht. Hier einige ausgewählte Ergebnisse auf einen schnellen
Blick:
• Berater, die von ihren Kunden gemocht werden, erzielen mehr Abschlüsse als jene, die ihren Kunden
unsympathisch sind.
• Kunden erkennen seitens des Beraters vorgetäuschte Sympathie. Beim
Vortäuschen von Sympathie ist mit
geringeren Erfolgsaussichten zu
rechnen.
• Die bemerkte Täuschung kann neben negativen Empfindungen beim
Kunden zu einer Beeinträchtigung
der grundlegenden Stimmung in der
Beratungssituation führen.
• Zum Teil wird das Vorspielen von
Sympathie von den Kunden erwartet
und in Ansätzen toleriert.
Das erfolgreiche Vorspielen von Sympathie ist eine schwierige Herausforderung für Berater. Wenn es Beratern
nicht gelingt, sowohl auf der nonverbalen als auch auf der verbalen Ebene
kongruente Signale zu senden, werden
Täuschungsversuche durch Anleger
erkannt. Eine vertrauensbasierte Anleger-Berater-Beziehung wird sich nicht
entwickeln.
Das Vortäuschen von Sympathie ist keine geeignete Strategie, um langfristig
beiderseitig erfolgreiche und zufriedenstellende Anleger-Berater-Beziehung zu gestalten. In der Anleger-Berater-Beziehung entsteht Vertrauen auch
aus der gegenseitigen Sympathie zwischen Anleger und Berater.
Vertrauen – was bleiben sollte
Für eine heute sehr komplexe und anspruchsvolle Anlegerberatung kann
festgestellt werden, dass Vertrauen ein
wesentlicher und nachhaltiger Einflussfaktor ist, welcher die Entscheidungsfindung von Anlegern vereinfacht und risikoreduzierend wirkt.
Vertrauen steht für einen achtsamen
und nachhaltigen Umgang mit Anlegern und deren Erwartungen an eine
Anlageberatung und die damit verbundenen Ergebnisse.
Fazit Vertrauen reduziert Komplexität, senkt die Transaktionskosten,
schafft Flexibilität, erhöht die Akzeptanz von Entscheidungen, entlastet von
Absicherungen und verpflichtet zugleich.
Verfasst von Janko Laumann, Institut für angewandte Finanzpsychologie
Beide schaden sich selbst: der,
der zu viel verspricht und der,
der zu viel erwartet.
Gotthold Ephraim Lessing (1729 –
1781)
Recht
Neue Rechtsprechung zur anlage- und
anlegergerechten Beratung einer Stiftung
Das OLG Frankfurt hat in seinem Urteil vom 28.1.2015 (1 U 32/13, Vorinstanz: LG
Frankfurt a. M.) Leitsätze für die anlage- und anlegergerechte Beratung einer
Stiftung festgelegt. Der folgende Beitrag interpretiert diese Entscheidung und
erklärt die Auswirkungen auf die Praxis.
Leitsätze
• Einer Stiftung, der aus stiftungsrechtlichen Gründen die Minderung ihres
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Kapitalstocks durch Anlagegeschäfte
untersagt ist, darf die anlageberatende Bank grundsätzlich keinen in ei-
ner Fremdwährung finanzierten geschlossenen Immofonds empfehlen.
• Die fehlende Anlegergerechtigkeit
einer solchen Empfehlung wird
nicht durch den Umstand berührt,
dass der das Beratungsgespräch führende Stiftungsvorstand Wirtschaftsprüfer und Steuerberater ist.
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