EINSICHTEN: Humor & Lebensglück (ChrisCare)

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TITELTHEMA
Auf der Suche nach
dem eigenen Glück
Vom Handwerksmeister zum Humortherapeuten
Alltagssprache übersetzt: Wenn du es ohnehin tun musst,
dann tu es gerne! Humor ist für mich Normalität – ein Teil
der Gesundheit. Humor ist Begegnung. Und Humor löst
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Glücksmomente aus, und das oftmals sehr nachhaltig.
Was aber bedeutet Glück? Kann Glück ein Dauerzustand sein oder zeigt es sich als wellenartiges Wechselspiel? Der Volksmund sagt: „Ich bin meines Glückes
Schmied“, und verweist uns damit auf uns selbst.
Auch ich empfinde die Selbstwirksamkeit als Schlüsselwort für gelebtes Glück, zu spüren, ich gestalte –
mich, mein Leben, meine Umwelt.
Dies zu erkennen, bedarf oft einiger Umwege.
Umwege, auf denen wir uns blenden lassen von
schnellen Glücksmomenten, die wir über Äußerlichkeiten erlangen. Natürlich fühlen wir uns glücklich, wenn
Das Gedicht hat mir ein
Mann am Rande seines Lebens mit
wir im neuen Auto davonsausen, wir in einen leckeren
Kuchen beißen, ins ersehnte Ziel des Marathons einlau-
auf meinen Lebensweg gegeben. Und es begleitet mich,
fen. Durch den Lustgewinn stößt unser Körper Glückhor-
erinnert mich an meine eigene Auseinandersetzung mit
mone aus. Der Zustand ist wunderbar. Das Problem dabei
dem Sinn des Lebens, meiner persönlichen Suche nach
ist nur, dass der Zustand nicht anhält. Nach drei Wochen
dem Lebensglück. Dem bin ich ein ganzes Stück näher
ist das Auto alt, nach vier Monaten schaut keiner mehr,
gekommen, als ich mich vor einigen Jahren ganz spontan
und das Auto wird zu dem, was es ist, ein Fortbewegungs-
und doch sehr bewusst entschied, den vom Vater über-
mittel. Das Hochgefühl reduziert sich damit ebenfalls
nommenen Beruf des Metzgermeisters aufzugeben und
enorm, alles wird normal. In Erinnerung an die genialen
mich auf meinen eigenen Weg zu machen. Ich lernte bei
Emotionen fangen wir wieder an zu sparen für ein neues
Berufsclowns und Therapeuten, entwickelte selbst den
Auto. Dieses Mal wird es ein noch besseres sein müssen,
Beruf des Humortherapeuten und Demenzberaters. So
um ein ähnliches Hochgefühl in uns auszulösen. Gefan-
kam ich immer intensiver mit mir selbst und den Men-
gen in dieser „hedonistischen Tretmühle“ ist gut zu erken-
schen um mich herum in wirklichen Kontakt – freue mich
nen, wie triebgesteuert wir sind. Wir bewegen uns hier
an Sternenhimmel und Gewimmel, genieße gleichzeitig
alle im gleichen Boot, vielleicht auf verschiedenen Decks
die Ruhe in mir selbst. Das nenne ich heute Glück. Dieses
oder Levels, was keineswegs von materiellem Reichtum
Glück versuche ich, den Menschen in meiner Umgebung
abhängt, eher von persönlichen Erfahrungswerten. Denn
zu vermitteln. Eine große Hilfe dabei ist mir der Humor.
wir alle streben nach Lustbefriedigung.
Humor ist viel mehr als Heiterkeit. Humor ist eine Haltung
In der heutigen Zeit erreichen wir sehr schnell eine Trieb-
zum Leben – und zum Sterben. Diese Haltung, die Art und
sättigung. Was oftmals dazu führt, dass alte Menschen
Weise das Leben zu nehmen, ist eher von Gelassenheit
früher alles als schöner empfanden. Damals konnten noch
als von Verzweiflung gekennzeichnet, eher von Akzeptanz
Kleinigkeiten Freude auslösen, waren die Menschen doch
der Begrenztheit als dem Hadern um verfehlte Möglich-
mit wenigem zufrieden. Heute dagegen braucht es eine
keiten. Diese Definition von Christian Heeck bedeutet in
immer höhere Reizstärke, um Zufriedenheit zu erlangen.
1/2015 CHRISCARE
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Los geht es bereits bei den Kindern. Wenn ich ein Kind mit
Wild und abenteuerlich! Nur wer sich furchtlos und voller
einem „Leckerli“ animiere, eine gute Note zu schreiben,
Leidenschaft hineinstürzt, erfährt seinen bitter-salzigen,
lernt das Kind für jemand anderen. Dieses Bulimie-Lernen
aufregenden Geschmack. Gleichzeitig trägt der Opa
wird nicht zu dauerhaftem Verstehen führen. Vielmehr
einen Schwimmreifen ums Becken und Schwimmflügel
sehe ich es als Aufgabe der Eltern und Pädagogen, Freude
an den Oberarmen, ist von Kopf bis Fuß abgesichert. Ich
an der Sache, am Lernen zu vermitteln. Lassen wir uns
erinnere mich beim Anblick der Zeichnung jedes Mal an
doch wieder begeistern! Wir müssen für etwas brennen
einen Vortrag, an dessen Ende der Professor ins Audito-
und so andere begeistern. Von der Neurowissenschaft
rium gerufen hatte: „Ich möchte Sie bitten, nehmen Sie
weiß man heute, dass im Gehirn besonders viel passiert,
sich das Leben!“ Die Worte haben mich tief berührt.
wenn du dich begeistern lässt, tief in etwas eintauchst. So
entsteht Glück, der Zustand einer tiefen Befriedigung.
Todsicher verlief zumindest äußerlich auch mein Leben
als Metzgermeister. Bis ich merkte, dass mir der Tod so
Generell müssen wir unterscheiden zwischen Glück als
oder so sicher sein wird und ich mich aufmachte, mein
Lebenszustand (Lebensglück) und dem Glück im Augen-
eigenes Leben zu leben und meinen eigenen Weg zu
blick (Glücksmomenten). Letztere haben viel mit Äußerlich-
finden. Heute bin ich gottfroh, dass ich die Chance, die
keiten zu tun, das Lebensglück empfinden wir als innere
mir das Leben bot, ergriffen habe – im Gegensatz zu dem
Zufriedenheit und Ausgeglichenheit. Um uns rundum
Schwimmer, der nur darüber redet.
glücklich zu fühlen, brauchen wir die Verschmelzung von
tiefem Lebensglück mit äußeren Glücksmomenten.
Wir müssen uns bewegen, um das Glück zu erkennen.
Gleichzeitig wäre es falsch, einen dauerhaften Glückszu-
Alte Menschen tragen oft diese Grundzufriedenheit in
stand herstellen zu wollen. Sobald wir etwas gewöhnt
sich. Das stelle ich immer wieder in meiner Arbeit fest. In
sind, nehmen wir es nicht mehr wahr. Um es wahrzuneh-
der Demenz, wenn die kognitiven Fähigkeiten wegfallen,
men, brauchen wir Veränderungen – Licht und Schat-
lösen sich manche von sämtlichen Konventionen und
ten, heiter und wolkig. Nur in der Dynamik besteht die
landen im Glück. Ähnliches erfahre ich im Kontakt mit
Möglichkeit, uns immer wieder des Glücks bewusst zu
Menschen, die sich vorbereiten, aus dem Leben zu gehen
werden. Ein Gesunder beispielsweise hat viele Wünsche,
oder sich bereits im Sterbeprozess befinden. Menschen,
ein Kranker nur einen einzigen.
die wissen, dass die letzte Phase ihres Lebens eingeläutet ist, sind sich plötzlich selbst genug.
Verzichten wir daher auf Floskeln wie „Wenn ich erst im
Urlaub und in Rente bin“! Wenn ich erst die Rente mit
Die Begleitung alter Menschen hat mich zu einer eigenen
einem guten Leben verknüpfe, habe ich die Hauptle-
Vorstellung inspiriert, eine Vorstellung, die für mich wie
bensphase verpasst. Sich das Leben zu nehmen, ist für
eine Triebfeder wirkt, mein Leben immer wieder neu zu
jeden ein glücksauslösender Moment. Sich das Leben zu
überdenken: Meine Enkel, die ich hoffentlich irgendwann
nehmen beinhaltet, das zu meiden, was mir schadet und
haben werde, kommen zu mir, setzen sich auf meinen
das zu suchen, was mir gut tut. In diesem Sinne: „Trag
Schoß und sagen: „Erzähl mal“. Was werde ich ihnen
munteren Herzens deine Last und übe fleißig dich im
erzählen? Was kann ich ihnen erzählen? Was habe ich
Lachen. Wenn du an dir nicht Freude hast, die Welt wird
bewegt? Wie habe ich mich bewegt?
dir nicht Freude machen.“ (Paul Heyse) n
Diese sinnlichen Bilder haben viel mehr Kraft als konkrete
„Musst du tun Tipps“.
Markus Proske, Humortherapeut /
In meinem Arbeitszimmer hängt ein Cartoon. Ein Opa
Demenzberater, Binswangen,
steht mit seinem Enkel vor den Wellen des Meeres und
www.humorwertstatt.de
sagt: Das Leben ist wie das weite Meer, mein Junge.
www.demenz-kompetenz.info