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B. Theoretisches Grundwissen
In diesem Kapitel werden grundlegende Begriffe wie „Humor“, „Lachen“ und „Pädagogik“ definiert.
Es bildet das theoretische Fundament für die ganze Arbeit.
B.1 Definition „Humor“
Schlägt man im Duden Band 7 „Herkunftswörterbuch“ (2001, S. 349) nach, so wird Humor als die
„Gabe eines Menschen, der Unzulänglichkeit der Welt und der Menschen, den Schwierigkeiten und
Missgeschicken des Alltags mit heiterer Gelassenheit zu begegnen“ beschrieben.
Sigmund Freud, ein Psychoanalytiker, hat dem Humor schon sehr früh die Fähigkeit eines
psychischen und emotionalen Ventils zugeschrieben. Der menschliche Humor ist folglich ein
Abwehrmechanismus, der Unlustgefühle abwehrt und in Lustgefühle umwandelt.
(Ruch & Auerbach 2011, S. 21)
Dazu passt folgendes Zitat von Wilhelm Busch:
„Humor zu haben ist die List, zu lachen, wenn‘s zum Weinen ist.“ (zit. in Kassner 2002, S.55)
Ein weiteres bekanntes Sprichwort, mit dem man ein Missgeschick, etwas Unerfreuliches oder
Ähnliches kommentiert, lautet: „Humor ist wenn man trotzdem lacht.“ Diese leicht ironische
Redewendung stammt von Otto Julius Bierbaum aus dem 19. Jahrhundert.
(Duden Band 11 „Redewendungen“ 2002, S.376)
Humor gehört in den Bereich „Positive Psychologie“, welche man erst vor circa zehn Jahren als
Ergänzung der hundertjährigen wissenschaftlichen Psychologie entdeckte. Die „Positive
Psychologie“ befasst sich mit der Frage, was das Leben lebenswerter macht. (Meier-Rust 2010,
Internetquelle) Im Gegensatz zur alten Wissenschaft, die sich „der Beschreibung, Erklärung und
Vorhersage des menschlichen Erlebens und Verhaltens“ widmet. (Ruch & Auerbach 2011, S.20)
Dabei geht es ausschliesslich um Störungen, Krankheiten und Fehlentwicklungen.
(Meier-Rust 2010, Internetquelle)
~6~
B.1.1 Die antike Temperamentenlehre
Das Wort „Humor“ bedeutet „Feuchtigkeit“ oder „Flüssigkeit“ und stammt ursprünglich aus der
lateinischen Sprache. Der römische Arzt und Anatom Claudius Galen (129-216 n. Chr.) hatte die
Ansicht einer „Leib-Seele-Einheit“. Er war der Meinung, dass die unterschiedlichen Temperamente
sich auf vier Körpersäfte (lat. humores) des menschlichen Körpers beziehen: Schleim, Blut, schwarze
und gelbe Galle. In der antiken Medizin galt eine ausgewogene Mischung der „humores“ im Leben
als ideales Gleichgewicht. Überwog jedoch ein Sekret, schrieb man ihnen eine der vier uns heute
noch bekannten Temperamente zu (Liebertz 2009, S.83):
•
Ein Phlegmatiker ist ein Mensch der zur Trägheit neigt. „Phlegma“ stammt aus dem Latein
und heisst übersetzt „der Schleim“.
•
Der Sanguiniker ist ein lebhafter und heiterer Gemütstyp. „Sanguis“ ist lateinisch und
bedeutet „Blut“.
•
Der Melancholiker neigt schnell zur Schwermut. Bei ihm überwiegt die schwarze Galle, was
in Latein „melancholia“ heisst.
•
Der Choleriker ist leicht reizbar und jähzornig. „Chole“ ist griechisch und steht für „gelbe
Galle“, welche dieses Temperament charakterisiert.
Aus dieser antiken Temperamentenlehre kristallisierte sich später die Humoral-Psychologie heraus.
Kassner (2002) erklärt, dass es darin um die Bestimmung von Zusammenhängen „zwischen den
Eigenschaften und Mischungsverhältnissen der Körpersäfte und bestimmten Charaktereigenschaften
oder Krankheiten“ geht. (Kassner 2002, S. 55) In der Renaissance war man der Ansicht, dass eine
Person „guten Humor“ besass, wenn die vier Körpersäfte „in einem ausgeglichenen Verhältnis
zueinander standen“. Als „humorlos“ wurden diejenigen bezeichnet, bei denen diese
Ausgewogenheit nicht vorhanden war. (Titze 2000 zit. in Kassner 2002, S. 55)
~7~
B.1.2 Die Ausdrucksform von Humor
Mit Lachen eine Freundschaft zu beginnen, das ist gar nicht übel.
(Oscar Wilde)
„Das Lachen ist eine mit dem Körper ausgedrückte Explosion.“ (Critchley 2004, S.18) Demnach ist
das Lachen die Ausdrucksform und Reaktion auf ein Humorerlebnis. (Schreiner 2003, S. 90)
Seit etwa 30 Jahren beschäftigt sich die Forschung mit dem Lachen und seinen Auswirkungen.
(Schreiner 2003, S. 92) Die Wissenschaft des Lachens wird als Gelotologie bezeichnet. Der Begriff
stammt vom griechischen Wort „gelos“ (dt.: das Lachen) ab und geht auf den Pionier der
„Humorpsychologie“ William F. Fry zurück. (Kassner 2002, S. 22)
Das Lächeln ist unsere erste Kommunikationsform nach der Geburt. Die Entwicklung des kindlichen
Lachens ist ein wunderbares Phänomen. Kinder lachen im Durchschnitt 400-mal am Tag, inbegriffen
sind alle ihre Ausdrucksformen des Fröhlichseins wie Kichern oder Grölen. Erwachsene hingegen
kommen nur auf 15 Lacher pro Tag! (Liebertz 2009, S. 102)
Die Begriffe „Lachen“ und „Lächeln“ sind im Deutschen wie auch im Französischen etymologisch
Verwandt: „sourire“ (lächeln) und „rire“ (lachen). (Liebertz 2009, S. 102) Diese zwei Hauptarten
können in sprachliche Unterarten und Phasen aufgefächert werden (Schreiner 2003, S. 71):
(1) Durch eigene Wortstämme: grölen, kichern
(2) Als Phasen: auflachen, losprusten, herausplatzen
(3) Als feste Verbindung und Redewendung: Tränen lachen, sich totlachen
(4) Als Beschreibung von Gesten und Redensarten: sich den Bauch halten vor Lachen, sich ins
Fäustchen lachen (metaphorisch)
(5) Das Lächeln wiederum kann sich äussern im: belächeln, schmunzeln, grinsen, vor Freude
strahlen
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Die physiologischen Vorgänge des Lachens
Das Lachen bringt unseren ganzen Körper in Bewegung. Dabei sind 80 Muskeln aktiv. Alleine im
Gesicht beteiligen sich 17 Muskeln, die durch krampfartige Kontraktion und Entspannung bewegt
werden. (Critchley 2004, S.17) Die Augen werden zu Schlitzen, die Augenbrauen und Mundwinkel
werden nach oben gezogen. Die Nasenlöcher weiten sich und der Atem wird beschleunigt. Er
schiesst mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h durch die Lunge, zusätzlich wird drei bis vier Mal
mehr Sauerstoff transportiert. Das Zwerchfell bewegt sich beim Lachen rhythmisch. Der Spruch „ich
falle um vor Lachen“, kommt davon, dass die Beinmuskeln erschlaffen und wir uns tatsächlich „nicht
mehr halten können vor Lachen“. Das Herzkreislaufsystem wird durch herzhaftes Lachen gekräftigt.
Folgender Vergleich zeigt, dass Lachen genau so anstrengend sein kann wie Sport. Mit 20 Sekunden
Lachen wird etwa die gleiche körperliche Leistung erbracht, wie mit drei Minuten schnellem
Rudern. (Planet Wissen, Internetquelle)
B.1.3 5 Theorien des Humors
Es gibt diverse mehr oder weniger elaborierte Theorien des Humors, die spezifische Teilaspekte
genauer betrachten: motivationale, kognitive, physiologische und soziale Komponenten. Es gibt fünf
Erklärungsansätze, die sich teilweise überschneiden und für einen Überblick dieses Phänomens
sorgen (Schreiner 2003, S. 97):
(1) Psychophysiologische Erklärungsmodelle
(2) Soziale Theorien
(3) Überlegenheits- und Aggressionstheorien
(4) Inkongruenztheorien
(5) Psychoanalytische Erklärungsmodelle
Kassner (2002, S.97) weist darauf hin, dass bei all diesen Modellen kein einheitliches
Begriffsverständnis des Humors vorhanden ist. Teilweise beziehen oder beschränken sie sich auf die
vorher erläuterten Humorreaktionen (Lachen, Lächeln).
In dieser Arbeit wird nicht auf alle Theorien bis ins Detail eingegangen. Sie werden nur kurz
beschrieben, um einen Gesamteindruck von Humor und seinen Facetten zu erhalten. Auf das letzte
Modell (5) wird nicht weiter eingegangen, weil es sich mit den anderen Theorien überschneidet und
sehr viele Details beinhaltet, die für diese Arbeit nicht weiter von Bedeutung sind.
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(1)
Psychophysiologische Erklärungsmodelle
Die emotionalen und physiologischen Aspekte von Humorereignissen werden innerhalb dieser
Theorie untersucht. Kassner (2002) zitiert den Psychologen W. Frings, der die Ansicht der Vertreter
dieser Theorie wie folgt erläutert:
Sie sehen im Humor „den Lustgewinn vor allem in der Abreaktion von geistiger, nervöser oder
allgemein psychischer Energie. Humor bietet die Möglichkeit, sich auf sozial akzeptierte Weise über
kulturelle, konventionelle, logische und andere Zwänge hinwegzusetzen. Er ermöglicht Entlastung
vom Realitätsprinzip und von der im Alltag geforderten Vernunft. […].“
(W. Frings zit. in Kassner 2002, S. 32)
Der Naturwissenschaftler Charles Darwin hat schon Ende des 19. Jahrhunderts die positive Wirkung
des Lachens auf den menschlichen Körper festgestellt. Der Kreislauf wird angeregt, der Blutdruck
stabilisiert und es macht sich Entspannung im Körper breit. Auch Sigmund Freud äusserte sich zum
Thema „Humor“. Er sprach dem Phänomen die Fähigkeit zu, seelische Erregung und Anspannung zu
lösen. (Schreiner 2003, S. 97)
Humor ist der Knopf, der verhindert, dass uns der Kragen platzt.
(Joachim Ringelnatz zit. in Kassner 2002, S. 304)
(2)
Soziale Theorien
Der sozial verbindende Aspekt des Lachens wird in diesem Unterkapitel erklärt. Schon bei Babys
wird Lachen als kommunikatives Mittel festgestellt. Später sind Humor und Lachen als Ausdrucksund Interaktionsformen bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in sozialen Kontexten täglich
zu beobachten. Dabei kann Humor Gruppenhierarchien symbolisieren. Die Gruppenmitglieder
passen sich an, um nicht ausgelacht zu werden. Die Möglichkeit, dass auf Grund sozialer Konflikte
ein Kind ausgeschlossen wird, ist dabei kein seltener Fall. (Schreiner 2003, S. 103)
Weiter ist Humor auch als soziale Konfliktbewältigungsstrategie anzusehen. Heikle Themen oder
Belastungen können besser angesprochen werden. (Schreiner 2003, S. 104)
~ 10 ~
(3)
Überlegenheits- und Aggressionstheorien
„Durch nichts bezeichnen die Menschen mehr ihren Charakter, als durch das, was sie lächerlich
finden.“ (Johann Wolfgang von Goethe zit. in Schreiner 2003, S. 100)
Das Zitat des berühmten Dichters weist auf die aggressive Art von Lachen hin. Der Psychologe Avner
Ziv erklärt, dass das Lachen in der Evolution als Aggressionsausdruck verwendet wurde.
(Schreiner 2003, S. 100)
Meister der spöttelnden Rede war Cicero, der den aggressiven Humor geschickt in der Politik
einsetzte. So erscheint der Humor als verbale Attacke: feindselig, entwertend und aggressiv.
(Schreiner 2003, S. 101)
Griechische Philosophen, insbesondere Aristoteles und Platon, definierten die Aggressionstheorien
wie folgt:
„Das Lachen sei die Folge des Erlebens eines unmittelbaren Triumphes über einen als minderwertig
(Defekte, Deformationen, Hässlichkeit) wahrgenommenen Menschen.“
(zit. in Schreiner 2003, S. 101)
Das Selbstwertgefühl wird erhöht und Minderwertigkeitskomplexe werden vermindert, dabei fühlt
man sich der anderen Person überlegen. Diese Theorie kann auch bei (2) zugeordnet werden, weil
es sich ebenfalls in einem sozialen Kontext abspielt.
(Schreiner 2003, S. 101)
(4)
Inkongruenztheorien
„Aber worüber lacht der Mensch, wenn sein Herz und sein Verstand bei der Sache sind? Das ist rasch
gesagt. Er lacht über Kontraste!“ (Erich Kästner zit. in Schreiner 2003, S. 107)
Bereits vor 200 Jahren haben die Philosophen Immanuel Kant und Arthur Schopenhauer die
Grundannahme der Inkongruenztheorien zu erklären versucht. Die Theorie behandelt den Aspekt
der kognitiven Voraussetzungen und Abläufe bei Humorerlebnissen. (Schreiner 2003, S. 107)
Für ein besseres Verständnis der Theorien lohnt es sich, den Begriff „Inkongruenz“ zu definieren. Im
Duden Band 5 „Fremdwörterbuch“ (Drosdowski Günther 1982, S. 344) steht: „inkongruent [lat.]:
nicht
übereinstimmend,
nicht
passend,
nicht
Nichtübereinstimmung, Nichtdeckung“.
~ 11 ~
deckungsgleich;
Inkongruenz
[die]:
Die Elemente, die eine Humorsituation ausmachen, werden als widersprüchlich oder eben als
inkongruent erlebt:
„[…]. Der Lustgewinn liegt darin, eine vertraute Sache oder Person in einen völlig anderen Kontext
oder Bezugsrahmen eingeordnet zu sehen als es der eigenen Erwartung entspricht […].“
(W. Frings zit. in Kassner 2002, S. 29)
Humor sprengt den Rahmen der Normalität und wird begleitet von einem Überraschungseffekt.
(Schreiner 2003, S. 108)
Das Erleben einer Inkongruenz genügt nicht, um eine positive Humorreaktion hervorzurufen. Fasst
ein Kind die Nichtübereinstimmung falsch auf oder passt der Widerspruch nicht zur moralischen
Haltung des Humorempfängers, löst es eine Angstreaktion aus. Dann stellt sich, trotz des
Inkongruenzerlebnisses, keine Humorreaktion ein. (Schreiner 2003, S. 108,109)
~ 12 ~
B.2 Definition „Pädagogik“
Die Komplexität des Phänomens Humor ist enorm und deshalb ist es schwierig den Fokus auf nur
einen Bereich zu richten. Damit der Übergang vom allgemeinen Humor zum pädagogischen Humor
einfacher ist, lohnt es sich den Begriff „Pädagogik“ zu definieren. Dafür ist es sinnvoll, drei
verwandte griechische Wörter zu übersetzen und deren Bedeutung genauer zu betrachten:
(1) „paidagogía“ bedeutet „Erziehung“
(2) „pais“ wird übersetzt mit „Knabe, Kind“
(3) „ágein“ bedeutet auf Deutsch „führen, leiten“
Im antiken Griechenland wurde unter dem Begriff „paidagogos“ ein Sklave, der Knaben
beaufsichtigen musste, verstanden. Im klassischen Griechenland musste der Pädagoge, genannt
Knabenführer, seine Lehrlinge in Philosophie schulen. (Pädagogik, Internetquelle)
Die heutige Bedeutung des Ausdrucks „Pädagogik“ entstand erst in der zweiten Hälfte des 18.
Jahrhunderts. Diese Wissenschaft kristallisierte sich aus der Philosophie und Theologie heraus.
(Pädagogik, Internetquelle) Kassner (2002, S. 71) definiert Pädagogik als „die Lehre, Theorie und
Wissenschaft von der Erziehung und Bildung nicht nur der Kinder, sondern, seit dem Vordringen der
Pädagogik in vielen Bereichen der Gesellschaft, auch andere pädagogische Felder wie Freizeit oder
Beruf“. Die Pädagogik beinhaltet verschiedene Unterdisziplinen und Fachrichtungen, wozu auch die
Schulpädagogik gehört. (Kassner 2002, S. 71,72)
B.3 Definition „Pädagogischer Humor“
Die Didaktik und Pädagogik spielen bei der Definition des „Pädagogischen Humors“ eine
grundlegende Rolle.
„Didáskein“ ist griechisch und bedeutet „lehren“, demzufolge befasst sich die Didaktik mit der
Theorie des Unterrichtens und der Praxis des Lehrens und Lernens. (Didaktik, Internetquelle)
Kassner überträgt die Erkenntnisse der didaktischen Ebene des Unterrichts auf alle Bereiche, in
denen pädagogische Prozesse stattfinden. Die Schule, der Kindergarten, wie auch die häusliche
Erziehung gehören dazu. Die Zielsetzungen sind dabei unterschiedlich festgelegt. Die Funktion des
Humors ist die positive Beeinflussung der Zielerreichung. Erfüllt der Humor dieses Kriterium, wird er
„Pädagogischer Humor“ genannt. Dieter Kassner (2002) bezeichnet den pädagogischen Humor
folglich als „jenen Humor, der pädagogische Prozesse zielorientiert beeinflusst“.
(Kassner 2002, S. 72)
~ 13 ~
B.3.1 Humorkommunikationsmodell
Dieter Kassner hat ein Modell des „Pädagogischen Humors“ entwickelt. Ich erläutere hier die
vereinfachte Variante des Modells, weil dies für meine Arbeit ausreichend ist.
Es spielen dabei folgende Komponenten eine Rolle:
(1) Humorsender
(2) Humorsituation
(3) Humorsensibilität des Schülers
(4) Bandbreite des Humors
(5) Pädagogische Interaktionen
Das Modell des „Pädagogischen Humors“ zeigt, wie die Humorkommunikation abläuft. Die
einzelnen Teile werden in den folgenden Kapiteln genauer erklärt.
(4)
(3)
(2)
(5)
(1)
Abbildung 1: einfaches Humorkommunikationsmodell (Kassner 2002, S. 87)
~ 14 ~
B.3.1.1 Humorsender
Die Kommunikation ist ein Prozess, welcher täglich zwischen Menschen stattfindet. Auch im
Unterricht finden solche Prozesse statt, in welchen der Humorsender und der Humorempfänger die
Hauptrollen spielen. Die Lehrperson ist in den häufigsten Fällen der Sender, sie leitet und
beeinflusst den Unterricht am meisten. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass Schüler diesen Part
übernehmen und Humor „senden“. Lässt der Lehrer den Humor zu, hat es eine positive Auswirkung
auf den Unterricht. Blockt er ab, hinterlässt es ein unangenehmes Empfinden beim Humorsender.
(Kassner 2002, S.78)
B.3.1.2 Humorsituation im Unterricht
Das Entstehen einer Humorsituation ist sehr unterschiedlich und vielfältig; so ist auch die Reaktion
bei den beteiligten Personen. Es muss nicht zwingend ein Lachen folgen, weil nicht jedes
Humorerlebnis gleich stark reizt. (Kassner 2002, S. 57)
Arten des „Pädagogischen Humors“
Humorsituationen im Klassenzimmer entstehen in unterschiedlicher Weise, wie zum Beispiel durch
Artikulationen, Aktionen und situative Erscheinungen. Die ersten zwei Arten werden unterteilt. Die
Artikulation beinhaltet Humor in mündlicher und schriftlicher Form, die Aktion ist durch Mimik und
Gestik charakterisiert. (Kassner 2002, S. 73)
Folgende Abbildung zeigt die unterschiedlichen Entstehungsarten auf:
Abbildung 2: Entstehungsarten des „Pädagogischen Humors“ (Kassner 2002, S.73)
~ 15 ~
Humor kann spontan entstehen, aber auch geplant in den Unterricht eingebaut werden. Eine
spontane Humorsituation ist oft vom Lerninhalt losgelöst. In der Abbildung wird dieser
Humoreinsatz allgemein als fächerübergreifend bezeichnet, wo hingegen geplanter Humor öfters
fachspezifisch zum Einsatz kommt. Dabei ist er direkt mit dem Lerninhalt verbunden, um die
Unterrichtsziele effizient zu erreichen. (Kassner 2002, S.77)
Abbildung 3: spontaner und geplanter Humoreinsatz (Kassner 2002, S.76)
Der ungeplante Humor ist schwerer einsetzbar. Der Lehrer sollte Unterrichtserfahrung mitbringen,
um unvorhergesehene Situationen mit einer angemessenen Reaktion kontrollieren zu können. Der
situative Humoreinsatz birgt die grössere Gefahr, dass die spontan entstandene Situation nicht zum
pädagogischen Humor wird, sondern negative Wirkung auf den Unterrichtserfolg hat.
(Kassner 2002, S.77)
Bewertung der Humorsituation durch den Schüler
Der Schüler bewertet als Humorempfänger jede Humorsituation individuell. Kassner nennt das „die
Humorsensibilität des Schülers“ und gibt folgende fünf Faktoren an, die diese Bewertung
ausmachen. (Kassner 2002, S. 78)
(1)
Die Beurteilung des Lehrers durch den Schüler
Der Schüler bewertet den Humorsender, also den Verantwortlichen für die entstandene
Humorsituation. Für diese Beurteilung sind gewisse Kriterien notwendig: Einerseits die Erfahrungen
des Schülers, welche er in ähnlichen Humorsituationen in der Schule gemacht hat und andererseits
die Zuneigung oder Ablehnung gegenüber der Lehrerpersönlichkeit durch den Schüler. Die
Eigenschaft der Lehrperson steht hier im Mittelpunkt. (Kassner 2002, S. 78)
~ 16 ~
(2)
Die Beurteilung der aktuellen Rahmenbedingungen
In der Schulpädagogik sind sechs Punkte als Rahmenbedingungen festgelegt: Unterrichtsfach,
Lernstoff, Unterrichtsform, Sozialform, Schulorganisation und Vorerfahrungen. Diese werden vom
Schüler beurteilt und sollen einen positiven pädagogischen Effekt bewirken. (Kassner 2002, S. 79)
(3)
Die Beurteilung der Qualität der Humorsituation
Die Lehrperson sollte wissen, welche Voraussetzungen die Klasse mitbringt, sprich, welches
Leistungsniveau und Humorverständnis sie besitzt, um einen Humorerfolg erzielen zu können.
Der dritte Punkt hängt mit dem ersten Aspekt zusammen. Bewertet der Schüler die Persönlichkeit
des Lehrers negativ, kann dies zu einer Fehlbeurteilung des gesendeten Humors führen und eine
destruktive Wirkung auf die Unterrichtssituation, wie auch auf die Lehrer-Schüler-Beziehung,
haben. (Kassner 2002, S. 79)
(4)
Die Beurteilung der Quantität des gesendeten Humors
„Dieser Witz ist von gestern!“ oder „Jetzt kommt der schon wieder mit einem Witz!“, solche
Gedanken hatte mit Sicherheit jeder Schüler schon einmal. Nicht alle Schüler mögen gleich viel
Humor. Deshalb ist es für die Lehrer wichtig, ein Gespür für die richtige Humordosis zu haben.
(Kassner 2002, S. 80)
(5)
Persönlichkeitsstruktur des Schülers
Die vier bisher genannten Punkte hängen von der individuellen Persönlichkeitsstruktur des Schülers
ab. Die vier aufgelisteten Aspekte werden von jedem Schüler verschieden wahrgenommen und
somit wird die Humorsituation individuell bewertet. Daraus folgt die Möglichkeit, dass eine
Humorsituation als negativ angesehen wird, obwohl sie vermeintlich positiven Rahmenbedingungen
entspricht. Diese subjektive Bewertung hängt ebenfalls von den Erfahrungen und Entwicklungen
des Schülers ab. (Kassner 2002, S. 80)
~ 17 ~
B.3.1.3 Bandbreite des Humors
Das Humorverständnis, also das Spektrum in dem der Humor empfangen wird, ist bei jedem
Menschen unterschiedlich. Umso grösser die Bandbreite dieses Spektrums ist, desto empfänglicher
ist der Mensch für Humor. Der gesendete Humor wird nur als positiv und erfolgreich empfunden,
wenn er sich innerhalb dieser Bandbreite befindet. Trifft er hingegen auf den negativen
Empfangsbereich, so hat der Humor eine störende und negative Wirkung. (Kassner 2002, S.62)
Zum Beispiel kann der gesamte Bereich des „Schwarzen Humors“ dies verursachen. Folglich wird
der gesendete Humor nicht zum „Pädagogischen Humor“. (Kassner 2002, S. 81)
Abbildung 4: Bandbreite des Humors (Kassner 2002, S. 62)
B.3.1.4 Pädagogische Interaktionen durch Humor
Die Humorsituationen finden als Aktion-Reaktion-Wechselspiel statt. Das heisst, es muss eine
gegenseitige Beeinflussung der Beteiligten, also der Humorsender und Humorempfänger, im Modell
berücksichtigt werden. (Kassner 2002, S. 82)
Ohne diesen Aspekt zu beachten, geht das Modell von einem einseitigen Senden von Humor aus.
Um jedoch das einfache Modell vollständig zu erklären, wird dieser Aspekt hinzugefügt, aber nicht
bis ins Detail erklärt.
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Zwei Begriffe sind hier das zentrale Thema: soziale und pädagogische Interaktion. „Von sozialer
Interaktion wollen wir allgemein sprechen, wenn sich zwei oder mehr Menschen in ihrem Handeln
aufeinander beziehen, gleichgültig, ob sie dabei eine Wirkung erzielen oder nicht.“ (Perrez, Huber,
Geissler zit. in Kassner 2002, S. 83) Das entscheidende Kriterium der sozialen Interaktion ist die
wechselseitige Beeinflussung. Die Situation wird von den Individuen zu ihren Gunsten ausgesucht
und beeinflusst. (Kassner 2002, S. 83)
Auf den Unterricht bezogen werden soziale Interaktionen pädagogische Interaktionen genannt. Die
gewünschten Veränderungen bei den Schülern sind nicht immer garantiert. Die Lernenden können
das Verhalten des Lehrers aktiv beeinflussen, weil es sich um eine Interaktion handelt.
(Kassner 2002, S. 83)
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