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Hinduismus – Buddhismus 235
© Cornelsen Verlag, Berlin • FG Ethik/Religion
Das Leben von Siddharta Gautama
Siddhartha Gautama war als nordindischer Fürstensohn im Luxus aufgewachsen.
Bei seiner Geburt (um 560 v. Chr.) hatte ein Weiser prophezeit, dass er ein bedeutender weltlicher Herrscher, oder – falls ihm irgendwelches Leid begegnen würde – ein
geistiger Führer werden würde. Sein Vater tat alles, um Letzteres zu verhindern, aber
bei seinen Ausfahrten in die Stadt sah Siddharta eines Tages einen Alten, einen Kranken und einen Toten. Das war das erste Mal, dass er solches Leid sah. Er war sehr
erschüttert. Aber er hatte auch einen Bettelmönch gesehen. Dessen friedvolle Ausstrahlung hatte ihn tief beeindruckt.
In Indien glaubte man zu dieser Zeit fest an die Wiedergeburt und daran, dass jeder
Mensch entsprechend seinem Karma, seiner guten und schlechten Taten, in seinem
nächsten Leben in einer besseren oder schlechteren Lebenssituation wiedergeboren
werde.
Siddhartha fühlte nach diesen Erfahrungen, dass er diesen Wiedergeburtenkreislauf
durchbrechen wollte, um damit Alter, Krankheit und Tod zu überwinden. Er verließ
sein reiches Elternhaus und schloss sich, nur mit einem einfachen Tuch bekleidet,
einigen Wanderasketen an. Sechs Jahre lang übte er viele Meditationspraktiken bei
verschiedenen Lehrern. Er war sehr diszipliniert, denn seine Suche nach der Wahrheit, deren Erkennen ihn vom Wiedergeburtenkreislauf befreien würde, war ihm
sehr ernst. Er begann, streng zu fasten, bis er täglich nur noch ein Reiskorn und
schließlich gar nichts mehr zu sich nahm und bis auf die Knochen abgemagert war.
Als er erkannte, dass er auf dem Weg einer so strengen Askese nur sterben und folglich erneut wiedergeboren werden müsse, begann er, wieder zu essen. Andere Asketen, die ihn wegen seiner eisernen Disziplin bewundert und ihn begleitet hatten,
waren enttäuscht und verließen ihn, denn sie dachten, dass Siddhartha die Suche
aufgegeben hätte. Aber er hatte nur erkannt, dass beide Extreme – das Leben im Luxus sowie totale Askese – ihn nicht zum Ziel führen würden. Er mied jetzt beides,
weil er selbst erfahren hatte, dass dieser „mittlere Pfad“, wie er es nannte, für seinen
Körper sowie für seine innere Klarheit und Ausgeglichenheit am besten war.
Eines Tages ließ er sich auf seiner Wanderung unter einem Bodhi-Baum nieder. Er
hatte beschlossen, zu meditieren und erst wieder aufzustehen, wenn er sein Ziel, die
Erlösung vom Kreislauf des Sterbens und Wiedergeborenwerdens, erreicht hatte.
Nach mehreren Tagen tiefer Versenkung offenbarte es sich ihm wie ein ErkenntnisBlitzstrahl. Er hatte alles Wesentliche plötzlich verstanden: Das Leben, weil es seinem
Wesen nach vergänglich ist, kann kein dauerhaftes Glück bringen. Trotzdem werden
die Menschen immer wiedergeboren, denn ihre Wünsche nach Geld, Macht, Besitz,
Wissen, angenehmen Gefühlen usw. binden sie an die Welt. Sie machen es nötig, dass
man erneut geboren werden muss, damit sie erfüllt werden können. Dieses Wün-
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schen wird als „Durst“ bezeichnet; das Auslöschen dieses Durstes ist der Weg aus
dem Kreislauf von Werden und Vergehen. Denn wer keine Wünsche mehr hat, dem
muss auch keine Gelegenheit mehr gegeben werden, sich diese zu erfüllen. Derjenige
hat dann das Ziel, einen wunschlosen Zustand, der auch als Erleuchtung oder Erlösung (das Nirvana) bezeichnet wird, erreicht. Das alles hatte Siddharta in seiner Meditation erkannt. Jetzt war er zu einem Buddha (das Wort ist ein Ehrentitel und bedeutet „der Erwachte“) geworden und wusste, dass er nicht mehr wiedergeboren
werden müsse. Aus Mitleid den Menschen gegenüber, die dieses Wissen noch nicht
erlangt hatten, zog er nun mehr als 40 Jahre umher und lehrte dieses Wissen. Seine
Lehre wird auch „Dhamma“ genannt und entspricht dem altindischen Begriff für
„Weltengesetz“. Durch seine erste Predigt setzte Buddha das „Rad der Lehre“ in Bewegung. Das heißt, er brachte die Lehre, die dem Weltgesetz entspricht und dieses zu
verstehen hilft, unter die Menschen. Dieses Rad, so heißt es, also die Verbreitung der
Lehre, wird sich nicht aufhalten lassen, bis alle Wesen erlöst sind.
Aufgaben
• Wie reagiert Buddha auf die vier Begegnungen?
• Inwiefern unterscheiden sich Buddhas Gedanken und Reaktionen von den
­Gefühlen und Überlegungen, die du beim Betrachten der Bilder hattest?
• Kannst du Buddhas Reaktion nachvollziehen? Inwiefern?
• Hast du schon einmal eine Begegnung mit einem Menschen erlebt, die dein
­Leben verändert hat?
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