VO zur Feministischen Medien- und Kommunikationsforschung http://www.laudenbach.at/hosted/vo-fem_geiger-voglmayr/ Feministische Öffentlichkeitskritik (Fraser 2008) Dr.in Brigitte Geiger, WS 15 Öffentlichkeitsbegriff Duden: 1) für jeden hörbar, sichtbar; 2) für die Allgemeinheit zugänglich, nutzbar; 3) die Gesellschaft allgemein, die Allgemeinheit betreffend, von ihr ausgehend, auf sie bezogen Weiter Begriff: Öffentlichkeit (Staat, Arbeitswelt/Wirtschaft, öffentlicher Raum) in Abgrenzung zu häuslicher Sphäre Enger Begriff: Öffentlichkeit als gesellschaftliche Diskurssphäre (Habermas), als „... Sphäre der Kritik, der Kontrolle und der Entscheidungsfindung, die allen am sozialen Geschehen und politischen Handlungszusammenhang Beteiligten offensteht, in den Fragen, die alle angehen ...“ (Brockhaus) Brigitte Geiger: VO-FEM WS15 Feministische Öffentlichkeitskritik (Überblicke u.a.: Klaus/Drüeke 2012, Drüeke 2013) Kritik an theoretischer Konzeption und realer Verfasstheit von bürgerlich-liberaler Öffentlichkeit Dichotomie Öffentlichkeit und Privatheit – gekoppelt mit Geschlechterdualismus und geschlechtsbezogener Arbeitsteilung – Umstrittene Grenzziehung, Verschiebungen Verbindung Öffentlichkeit/Politik und Männlichkeit – konstitutiv in Konzeption und Entstehung eingelassen Brigitte Geiger: VO-FEM WS15 1 Feministische Öffentlichkeitskritik Ideal bürgerlicher Öffentlichkeit mit weiteren (geschlechtlich codierten) Dualismen verknüpft: – Rationalität – Emotion; Diskurs – Tratsch; Information – Unterhaltung; Hochkultur – Populärkultur ... Verschränkungen mit Machtverhältnissen, Hierarchisierungen und sozialer Ungleichheit – Geschlechterdualismen, Schicht/Klasse, Ethnie ... Brigitte Geiger: VO-FEM WS15 „Öffentlichkeit neu denken“ (Nancy Fraser 2001, 2008) Kritische Theorie der Öffentlichkeit Problemfelder: – Zugang und Beteiligung (Inklusivität & Parität) – Gegenstand und Ziel (Legitimität & Effektivität) – Nationalstaatlicher Rahmen und Herausforderungen durch Globalisierung und Migration Brigitte Geiger: VO-FEM WS15 Zugang und Beteiligung (Wer + Wie) Beschränkungen: – Formal: (Frauen-)Wahlrecht, Staatsbürgerschaft – Informell: zB. Sprachcodes, Regeln, Verfahrensweisen, Zeit/Termine, Adressierungen – Zugang zu (materiellen/symbolischen) Ressourcen (Medien, PR, Anerkennung, ExpertInnenstatus etc.) Reflexion von Zugangskriterien und Austauschbedingungen – Betroffenheit statt Staatsbürgerschaft; erweitertes Menschenrechtskonzept ... Brigitte Geiger: VO-FEM WS15 2 Gegenstand der Debatte (Was + Wozu): Definition des Allgemeinen, des Relevanten – Wer definiert und repräsentiert das Allgemeine? (zB Androzentrismus, Frauen als das Besondere) – Privatheitsideologie zur Immunisierung von Bereichen (Privateigentum; Privatsphäre) Weiter Politikbegriff, „Das Private ist Politisch“ – Auch das sog. ,Private‘/Persönliche ist politisch (Identität, Beziehungen, Sexualität, Hausarbeit, ...) – Erweiterung des Politischen in bezug auf Themen, Akteur_innen und Foren Brigitte Geiger: VO-FEM WS15 Erweiterung von Öffentlichkeit Keine normative Begrenzung der relevanten Themen und Bereiche Vielfalt von Öffentlichkeiten – Starke und schwache Öffentlichkeiten – „Subalterne“ Gegen-Öffentlichkeiten (Frauen, Arbeiter, Schwarze ...) als Erweiterung des diskursiven Raums – Austausch in einem durch Macht strukturierten Setting Möglichkeiten transnationaler Öffentlichkeiten und Institutionen Brigitte Geiger: VO-FEM WS15 Exkurs: Neubestimmung von Privatheit (Cohen 1994, Rössler 2001, Jurczyk/Oechsele 2008) Doppelchararakter von Privatheit – Ideologie und Persönlichkeitsrecht – Privatheit nicht nur Repression, auch Schutzort; Öffentlichkeit als Bedrohung Privatheit als Persönlichkeitsrecht – Privatheit (persönliche Lebensgestaltung, Informationskontrolle und ein eigener Raum) als Basis für persönliche Freiheit (Rössler) – Schutz persönlicher Autonomie ungleich verteilt Brigitte Geiger: VO-FEM WS15 3 Grenzverschiebungen privat / öffentlich: Wandel geschlechtsbezogener Arbeitsteilung: – Erwerbsintegration von Frauen, Frauen in Entscheidungspositionen, in Öffentlichkeit/Politik – neue Arrangement der Reproduktionsarbeit ... Mediale Entwicklungen: – Thematisierung des „Privaten“ in neuen Medienformaten (Daily Talks, Reality-TV ...) – Grenzverwischungen durch neue Medientechnologien (Handy, Online-Kommunikation, Social Web ...) – Neue Möglichkeiten der Kontrolle und Überwachung Brigitte Geiger: VO-FEM WS15 Öffentlichkeit als Verständigungsprozess (Klaus 1998/2005, 2001; 2004) Frage nach einem Öffentlichkeitsbegriff, der Frauen und Frauenöffentlichkeiten einschließt: „Öffentlichkeit als gesellschaftlicher Verständigungsprozess, in dem Wirklichkeitskonstruktionen verhandelt, Regeln und Normen, Werte aufgestellt und modifiziert, kulturelle Ziele überprüft und kulturelle Identitäten geschaffen werden.“ Nicht an bestimmte Räume, Medien, Bereiche gebunden, dynamisch auf mehreren Ebenen, in einer Vielfalt an Teilöffentlichkeiten Brigitte Geiger: VO-FEM WS15 Ebenen von Öffentlichkeit: Einfache Öffentlichkeiten spontaner Alltagskommunikation: Æ Festlegen der Bedeutung und Wirkung von Themen Mittlere Öffentlichkeiten zivilgesellschaftlicher Organisierung: Æ Bündelung und Bereitstellung von Themen Komplexe Öffentlichkeiten der Massenmedien & PRApparate: Æ Themenselektion, -verarbeitung und -verbreitung – Steigende Komplexität, Reichweite und Zugangsvoraussetzungen – dynamischer Austausch, wechselseitige Abhängigkeiten Brigitte Geiger: VO-FEM WS15 4 Frauen-/Feministische Öffentlichkeiten (Geiger 2002; Klaus 2001; Wischermann 2003) von Frauen gebildete Öffentlichkeiten als „Subalterne“ Öffentlichkeiten (iS Frasers) – Entstehen auf Basis geteilter Erfahrungen, ähnlicher Lage und Interessen – Austausch, Selbstverständigung, Strategieentwicklung; Entwicklung „oppositioneller Interpretationen ihrer Identitäten, Interessen und Bedürfnisse“ – Rückzugsort und Basis zur Beeinflussung breiterer Öffentlichkeiten Brigitte Geiger: VO-FEM WS15 Frauen-Öffentlichkeiten von Frauen gebildete Kommunikationsforen, an Geschlechterdualismus gekoppelt – Waschplatz, Brunnen, Markt, Wohlfahrtsverein, Spielplatz, Mütterrunde, Kaffeekränzchen, Kaufhaus, Medienangebote für Frauen ... „heimliche“ Öffentlichkeiten (Klaus): – weil oft nicht als Öffentlichkeit anerkannt – ambivalent zwischen Stützung der Genderordnung und Empowerment von Frauen Brigitte Geiger: VO-FEM WS15 Feministische Öffentlichkeiten Foren/Diskurse, in denen Geschlechterverhältnisse explizit thematisiert und verhandelt werden – Öffentlichkeiten & Medien der Frauenbewegungen: Intiativen, Projekte, Netzwerke, Medien, Kampagnen ... – Emanzipatorische Öffentlichkeiten: zB berufsbezogene Frauen-Netzwerke; (Post-)Feminismus als Lifestyle – Institutionelle Frauen-/Gleichstellungspolitik: Frauenministerin, Frauenbüros, UN-Einrichtungen – lokal, national, inter- und transnational Brigitte Geiger: VO-FEM WS15 5 Feministische Medien (Susemichel ua. 2008, Zobl/Drüeke 2012, www.grassrootsfeminism.net) Kristallisationspunkte, Vermittlung nach innen & außen Information, Austausch und Vernetzung, Intervention Erweiterung der Themen und Darstellungsformen Alternative, partizipatorische Produktionsweise Vielfalt und Bandbreite Brigitte Geiger: VO-FEM WS15 6
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