Nationen, Minoritäten und Menschenrechte im 20. Jahrhundert – Workshop junger WissenschaftlerInnen zur Geschichte des Politischen vom 6. bis zum 9. Juni 2016 in Jena Call for Papers Das von dem ungarischen Historiker Iván T. Berend geprägte Konzept des „kurzen 20. Jahrhunderts“ richtet den Blick auf politische Umstürze und Revolutionen im Zuge des Ersten Weltkriegs, auf massenhafte durch die Nazis verübte Verbrechen gegen die Menschheit, auf territoriale Neuordnungen und Grenzverschiebungen nach dem Zweiten Weltkrieg sowie auf die Neuformierung von Gesellschaften nach dem Ende des Kalten Kriegs. Berend zufolge sind Epochen entlang tiefgreifender gesellschaftsverändernder Ereignisse zu periodisieren. Hierbei rückt jedoch die Frage nach historischen Kontinuitäten, Ungleichzeitigkeiten, Transformationen und Adaptionen von Vorstellungswelten aus dem Blickpunkt. Zum Synonym für die Zeit zwischen 1914 und 1991 avancierte die Bezeichnung „Das Zeitalter der Extreme“ des britischen Historikers Eric Hobsbawm. Losgelöst von der Frage nach zeitlicher Korrelation sind die Charakteristika des „Zeitalters der Extreme“ über National- und Systemgrenzen hinaus miteinander verflochten. Beispielsweise erfuhren sowjetische Andersdenkende in den 1970er Jahren Unterstützung im Kampf um die Einhaltung der Menschenrechte aus den Niederlanden, Deutschland, und den USA mit explizitem Verweis auf die nicht verhinderten Verbrechen der Nationalsozialisten. Des Weiteren weisen die geteilten Geschichtserfahrungen des 20. Jahrhunderts über die Zäsur des Zusammenbruchs der Sowjetunion hinaus, wie sich in der aktuellen Diskussion um Flüchtlinge zeigt. In der Debatte um die aus Kriegsgebieten wie Syrien stammenden Menschen wird die Vergleichbarkeit zwischen den Fluchterfahrungen von Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg und den gegenwärtigen Fluchtbewegungen diskutiert. Demnach werden biografische Parallelen – losgelöst von Erfahrungszeit und Erfahrungsraum – zum gemeinschaftsstiftenden Moment. Mit dem Fokus auf Andersdenkende, soziale und kulturelle Minderheiten sowie zeitgenössische Ideen zur Wirkmächtigkeit und Umsetzung der Menschenrechte lassen sich Vorstellungen von Gesellschaft und Nation wie mit einem Seismographen abbilden. Dabei geraten Selbstund Fremdbilder, rassistische Stereotype wie positiv besetzte Selbstzuschreibungen und deren Übertragung in kulturelle Praxen in das Blickfeld. Diese Vorstellungswelten beziehen sich auf Ideen und Konzepte der jeweiligen Gegenwart und sind demnach trotz grenzüberschreitenden Ideentransfers orts- und zeitgebunden. Der am Historischen Seminar der Friedrich-Schiller-Universität Jena stattfindende Workshop fragt nach den unterschiedlichen Vorstellungen von Zugehörigkeit zu Gemeinschaften. Wie wurden kollektive Identitäten – auch über Grenzen hinaus – diskursiv hergestellt und wie wurden Exklusionen verhandelt? Was ist das gemeinschaftsstiftende Moment in den Neuen Sozialen Bewegungen? Welche Auswirkungen haben geteilte Geschichtserfahrungen auf die Konstituierung von Gemeinschaft in bestimmten Milieus? Beginnen sich im Kontext von kollektiver 1 Sinnstiftung klassische Periodisierungen aufzulösen? Auf diese Fragen versucht der Workshop aus unterschiedlichen Forschungsperspektiven zu schauen. Während des Workshops erhalten fortgeschrittene Bachelorstudierende, Masterstudierende und DoktorandInnen die Möglichkeit, ihre Forschungsprojekte in 1520-minütigen Impulsreferaten zur Geschichte des Politischen im 20. Jahrhundert vorzustellen. Anschließend werden die Vorträge im Plenum aus interdisziplinärer Perspektive diskutiert. Um die Vielfältigkeit, Verschränkung und Diversität des 20. Jahrhunderts abzubilden, sind Beiträge aus den verschiedenen geistes- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen mit den jeweiligen regionalen Schwerpunktsetzungen in Deutsch oder Englisch erwünscht. Die inhaltlichen Sitzungen werden von einem Kulturprogramm umrahmt. Teil des Workshops ist eine Stadtführung in Jena, eine Exkursion nach Weimar und eine Besichtigung der Gedenkstätte Buchenwald. Die Teilnehmenden werden auf Kosten der Veranstalter in Mehrbettzimmern gemeinschaftlich untergebracht. Es wird kein Teilnahmebeitrag erhoben. Zur Bewerbung sind bis zum 21. März 2016 ein kurzer Abstract des Vortrages (max. 300 Wörter), ein kurzes Motivationsschreiben sowie ein tabellarischer Lebenslauf an [email protected] (vollständig und in einer PDF-Datei) zusenden. Zu- und Absagen erfolgen bis zum 11. April 2016. Vortragende können Reisekostenpauschalen bei den Organisatoren beantragen. Weitere Informationen sind unter gp20.hypotheses.org abrufbar. Organisation: Svea Lehmann, Robert Pursche, Benedikt Rothhagen (Studierende des Masterstudiengang Geschichte und Politik des 20. Jahrhunderts), gefördert durch das Jena Center Geschichte des 20. Jahrhunderts und die Ernst-Abbe-Stiftung. 2
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