Jede Wahl ist eine Entscheidung – jede Entscheidung macht selbstständig Das FORUM hat auch die JugendpolitikerInnen der Hamburger Parteien gefragt, wo Kinder und Jugendliche „die Wahl haben“. Wo in der Politik sind jugendliche Meinungen gefragt, wie und in welchem Maß kommen sie zur Geltung und fließen schließlich auch in das admi- nistrative Handeln ein? Wir baten die PolitikerInnen, ihren Beitrag so zu schreiben, dass er möglichst auch von Kindern verstanden werden kann. Dabei sollten sie auch sagen, was sie ihrerseits gerne von Kindern wissen wollen. Jede Wahl ist eine Entscheidung – jede Entscheidung macht selbstständig von Andrea Hilgers Ich finde, dass Kinder da bestimmen oder mitbestimmen dürfen, wo es um ihre Dinge geht. Dazu gehört: Wer will, dass ihm zugehört wird, muss auch den anderen, also z.B. Eltern oder Lehrern zuhören. Denn (mit)bestimmen kann man nur, wenn man weiß, worüber man bestimmen kann. Manchmal geht was nicht, weil kein Geld da ist. Manchmal geht was nicht, weil es leider unmöglich ist. Man wünscht sich z.B. fliegen zu können, da steht aber die Schwerkraft dagegen. Manchmal geht was nicht, weil die Bestimmer ganz weit weg sind. Also z.B., wenn man sich wünscht, dass ein Krieg aufhört, so ist dies leider nicht in der Macht der Eltern. Man kann aber gemeinsam überlegen, ob es nützlich ist, weiter die Produkte der Kriegstreiber zu kaufen oder ob man was anderes kauft. Man kann auch gemeinsam für den Frieden demonstrieren und so deutlich machen, wie viele gegen den Krieg sind. Auch ganz junge Kinder können z.B. im Kindergarten ihre Ideen vertreten gegenüber den Erzieherinnen und Erziehern, ältere Kinder und Jugendliche im Spielhaus oder im Haus der Jugend. All das habe ich in Hamburger Einrichtungen erlebt. Und überall da, wo gemeinsam bestimmt wird über das Programm, die Ausstattung usw., ist es viel interessanter. Denn da ist es „mein Ding“ und nicht das, was mir irgendwer vorsetzt. Da ich keine eigenen Kinder habe, erinnere ich meine Erfahrungen als Kind und Gespräche mit den Kindern meiner Schwester und den Kindern von Freunden und Freundinnen sowie den Kindern, die ich in Hamburger Einrichtungen kennen gelernt habe. Ich habe es als Kind immer furchtbar gefunden, wenn meine Eltern alleine bestimmen wollten, z.B. was ich anziehe. Und ich glaube, das ist bei Kindern immer noch ein heißes Thema. Meine Eltern hielten sich für die alleinigen „Bestimmer“. Sie kauften für mich z.B. Kleider, die preisgünstig und haltbar waren. Meistens sahen die dann auch so aus: langweilig. Ich fühlte mich in den Klamotten unwohl und das haben dann die lieben Mitschülerinnen und Mitschüler gemerkt und machten manch dummen Spruch. Zuerst mal wollte ich einfach das Gegenteil von diesen Klamotten und war zornig mit meinen Eltern. Sie wiederum wollten mir kein Geld geben für den „Quatsch“ den ich kaufen wollte. Ich hatte aber wenig eigenes Geld, habe mir dann was dazu verdient z.B. durch Putzen bei Opa und Oma. Damit hab ich Stück um Stück meine Kleider-Wahl durchge- setzt. Es ging auch um Marken, allerdings begrenzt. Vor allem bestimmte Jeansmarken. Dann hab ich gespart und mit dem Geld gekauft, was ich wollte. Diese Sachen waren teuer und gingen schnell kaputt. Und es war mein Geld! Ich war sauer und meine Eltern haben sich einen gegrinst. Zurück geschwenkt bin ich nicht. Aber, ich habe genauer geguckt, ob das Zeug, was ich mir kaufe, auch länger als zwei Wochen taugt. Hatten also meine Eltern Recht, alleine zu bestimmen? Ich finde nicht. Jahrelange Kämpfe, schlechte Stimmung und Geschrei war nötig, ehe das Thema Klamotten halbwegs friedlich zwischen uns ausgetragen werden konnte. Sie haben mich nicht ernst genommen und nicht gesehen, dass ich mich geschämt habe in bestimmten Klamotten. Sie haben nicht realisiert, das Wohlfühlen mehr bedeutet als die Haltbarkeit eines Kleidungsstückes. Sie haben sich nicht mit mir auf die Suche gemacht nach Dingen, die vielleicht uns beiden passten. Was der Fehler war: Beide Seiten haben nicht richtig erklärt, worum es ihnen ging. Beide haben wir auf stur geschaltet. Das Foto: M. Kalde FORUM für Kinder und Jugendarbeit 3/2007 7 l WO KINDER DIE WAHL HABEN Denn (mit)bestimmen kann man nur, wenn man weiß, worüber man bestimmen kann. ist, so scheint es, eine unwichtige, eine unpolitische Frage, aber sie gibt den Kern vieler Auseinandersetzungen zwischen Kindern und Eltern wieder und in der angeblich „großen“ Politik ist es oft auch nicht viel anders. Beide – Eltern (Erwachsene überhaupt) und Kinder – müssen begründen, warum sie etwas wollen und nichts anders. Die Grenzen des (Mit-)Bestimmens liegen für mich da, wo Kinder sich in Gefahr bringen, nicht durch „gute“ Worte davon abzubringen sind, sich oder andere zu gefährden. Hier müssen Erwachsene eingreifen. Denn Eltern tragen die Verantwortung, sie „haften“ auch für ihre Kinder und werden zur Rechenschaft gezogen. Wir Politikerinnen und Politiker versuchen, viel in der Stadt unterwegs zu sein und zu reden mit Kindern, Jugendlichen, Eltern, Lehrer/innen, Erzieher/innen. Wir bieten auch Foren im Rathaus wie z.B. „Jugend im Parlament“; „Jugend debattiert“ oder die bisher einmalige „Nacht der Jugend“ zur Erinnerung an die Reichspogromnacht. Als SPD-Fraktion schreiben wir gerade den Paula-Karpinski-Preis 2007 (www.spdfraktionhamburg.de/paula_karpinski/) aus zum Thema „Hier leben wir – Kinder und Jugendliche gestalten ihre Stadt“. Hier sind alle Hamburger Kinder und Jugendliche aufgefordert, sich zu beteiligen mit ihren Ideen zur Veränderung der Stadt. Zum Schluss: Ich wüsste gerne von Kindern, was diese unter „Politik“ verstehen, was für sie politisch ist? Dr. Andrea Hilgers ist Sozialwissenschaftlerin und seit 2000 parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bürgerschaftsfraktion. Ihre besonderen Arbeitsschwerpunkte sind Kinder- und Jugendpolitik, liberaler Rechtsstaat und Finanzen. Aber auch Elternverhalten darf Kinder nicht verletzen. Da gibt es auch eine Grenze. Viele Kinder und Jugendliche schaffen es dann, sich selber Hilfe, Rat und Unterstützung zu suchen. Manchen gelingt dies aber nicht, weil sie sich vielleicht schämen oder nicht wissen wie. Hier braucht es die Aufmerksamkeit von Freunden, Verwandten, Erzieher/innen und Lehrer/innen, damit Kinder und Jugendliche Hilfe finden, wenn Eltern nicht willens oder in der Lage sind, gut zu ihren Kindern zu sein. Die Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen muss weiter intensiviert werden! von Stefanie Strasburger Kinder dürfen in ihrer direkten Umwelt mitbestimmen. Das ist auch gut so. Zum Beispiel im Kindergarten oder in der Schule. In eurer Schulklasse könnt ihr Klassensprecher wählen, die dann die Interessen der Klasse gegenüber dem Klassenlehrer vertreten. Klassensprecher können sich auch als Schulsprecher wählen lassen. Schulsprecher vertreten die Mitschüler gegenüber der Schulleitung und können sich für vieles einsetzen, z.B. für Schüler-Cafes, schönere Klassen- Foto: M. Kalde 8 FORUM für Kinder und Jugendarbeit 3/2007 räume, eine bessere Ausstattung der Schule oder für die Verbesserung des Schulprogramms. Aber auch außerhalb der Schule gibt es Mitbestimmungsmöglichkeiten, z.B. in den Kinder- und Jugendeinrichtungen, dazu gehören unter anderem Jugendclubs und Häuser der Jugend oder in anderen Organisationen wie den Pfadfindern, Sportvereinen und vielen mehr. Die großen Parteien haben politische Nachwuchsorganisationen, in denen ihr Mitglied werden und euch einbringen könnt. So zum Beispiel hat die CDU die Schüler Union und die Junge Union, dort könnt ihr aktiv Politik erleben, gestalten und mitbestimmen. Erwachsene bestimmen die Gesetze und deren Einhaltung. Ebenso bestimmen Erwachsene über die Vergabe von Geldern, die durch die Stadt und den Staat ausgegeben werden. Aber auch hier habt ihr die Möglichkeit, mit zu bestimmen. Zum Beispiel bei der Gestaltung von Spielplätzen können die Bezirke eure Meinung einbeziehen. Welche Spielgeräte auf einem Spielplatz stehen sollen, könnt ihr mitentscheiden. Grundsätzlich entscheiden aber die Erwachsenen, sobald eine Entscheidung rechtliche und finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen kann.
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