Mit Rugby gegen Gewalt

Mit Rugby gegen Gewalt
Regensburger Jugendliche lernen
im Rugby-Projekt
von Familienwerkstatt e.V. mit
ihren Aggressionen umzugehen.
Von Nadine Jungwirth
Regensburg. Sie sind hyperak-
tiv, extrem zurückgezogen, haben ein Aufmerksamkeitsdefizit
oder ein Problem mit ihren Aggressionen – so unterschiedlich
die zwölf Jungs und ihre Probleme auch sind, eines haben sie
gemeinsam: Ihr Herz schlägt für
Rugby. Sie nehmen teil am Rugby-Projekt des Regensburger
Vereins Familienwerkstatt e.V.
und finden dabei, was vielen
von ihnen vorher fehlte: Anerkennung und „einen Raum, in
dem sie gut sind“, wie Natalie
Hofmann-Jäger, Initiatorin des
Projekts und Vorsitzende der Familienwerkstatt, erklärt.
Doch es geht um mehr, denn
das Projekt hat auch einen pädagogischen Effekt: Die Jugendlichen, die zwischen elf und 16
Jahren sind, lernen hier mit ihrem Aggressionen umzugehen.
„Wir wollten Sport, Pädagogik
und Therapie zusammenbringen“, erklärt Hofmann-Jäger.
Die Sozialpädagogin spielt selber Rugby und weiß daher wovon sie spricht, wenn sie behauptet, dass gerade ein Sport
wie Rugby besonders gut als pä-
Teamfähigkeit wird groß geschrieben, denn beim Rugby-Spiel wird
jeder gebraucht.
Foto: Familienwerkstatt
dagogisches Element geeignet
sei. „Rugby ist ein Sport mit
Vollkörperkontakt“,
erklärt
Hofmann-Jäger, „das verhilft
den Jungs zu einer besseren Körperwahrnehmung.“ Sie erkennen, wann etwas wehtut, bemerken, wie viel Kraft sie haben
und lernen, ihre körperlichen
Grenzen zu spüren.
Außerdem lernen die Jungs, sich
an Regeln zu halten. „Beim Rugby gibt es ein strenges Regelwerk“, erklärt Hofmann-Jäger.
Nur der Captain darf mit dem
Schiedsrichter reden und unfaires Verhalten wird auch von der
eigenen Mannschaft sanktioniert. „Ein Rugbyspieler ist ein
Gentleman“, erklärt HofmannJäger den unausgesprochenen
Ehrenkodex der aus England
stammenden Ballsportart.
Das Projekt ist vor gut zwei Jahren gestartet. Zwei Stunden pro
Woche trainieren die Jugendlichen, die oft über kinder- und
jugendpsychologische Praxen
an den Verein vermittelt werden, seither. Sebastian war von
Anfang an dabei. „Ich war früher ziemlich unsportlich und
bin den ganzen Tag zu Hause
rum gesessen“, sagt der Junge
über die Zeit vor Rugby. Doch
das Training hat den ehemals
zurückgezogenen Jugendlichen
verändert. Mittlerweile ist Sport
sein liebstes Hobby und neben
Rugby spielt er jetzt auch Handball und macht Krafttraining.
Vor allem, dass er sich beim
Rugby auspowern kann, gefällt
ihm. „Wenn ich heim komme,
bin ich einfach zufrieden und
ausgeglichen und ruhig.“
Für die Jugendlichen bedeutet
der Sport vor allem eines: Er ist
cool und macht Spaß. Doch die
therapeutischen
Fortschritte
sind laut Hofmann-Jäger äußerst gut: „Die Jungs lernen ihre
Impulse zu kontrollieren, bauen
Bindungen auf und merken, wie
wichtig das Team ist.“ Sie leitet
das Training zusammen mit
Rugby-Trainer Marc Legras und
einem Jugendspieler des RC Regensburg 2000. Die Sozialpädagogin greift immer nur dann
ein, wenn die Situation es erfordert, es beispielsweise im Spiel
nicht mehr weitergeht. Dann
gilt es das Aggressionsverhalten
in der Gruppe zu besprechen.
Einmal im Jahr fahren die Jungs
sogar in ein Trainingslager. „Es
ist zwar nicht der Leistungsaspekt, der bei uns im Vordergrund steht, aber die Jugendlichen sollen auch die Möglichkeit bekommen, gegen andere
Teams zu spielen.“ Ab einem Alter von 16 Jahren ist auch ein
Übergang in den RC Regensburg
2000 möglich. „Wir wollen die
Jungs langfristig binden, denn
wir sehen, dass wir mit der
Kombination aus Training und
Therapie gute Fortschritte machen“, erklärt Hofmann-Jäger.
Ziel des Vereins ist es deshalb,
das Training auch für Kinder ab
fünf Jahren anzubieten. Das
scheitert derzeit noch an den Finanzen. Auch eine MädchenMannschaft wäre denkbar, denn
Natalie Hofmann-Jäger ist sich
sicher: „Rugby ist für jeden etwas. Egal ob dick oder dünn,
klein oder große – jeder wird im
Team gebraucht.
! Informationen auf www.familienwerkstatt-regensburg.de.