50 LEUTE PBM Fassung bewahren von martina scherf E ine Notiz, in altdeutscher Handschrift auf eine Postkarte gekritzelt: „Dieses Bild muss unbedingt (unterstrichen) weiß umrahmt werden“, schreibt Egon Schiele, und zwar „mit nebenstehendem Rahmenprofil (Hoffmann-Leiste)“. Die Skizze hat der Künstler gleich mitgeliefert. Werner Murrer fand die Karte im Nachlass des österreichischen Malers und hielt erst vor Kurzem einen Vortrag in Wien über „Schiele und die Hoffmann-Leiste“. Der richtige Rahmen für bedeutende Kunst, das ist Murrers Lebensthema, dafür ist ihm kein Aufwand zu groß. Seine Werkstatt gilt als die Adresse für Rahmenkunst. Anfragen kommen aus der ganzen Welt. Ein modernes, transparentes Gebäude in einem Thalkirchener Hinterhof ist die Heimat der Werkstatt, die längst mehr ist: Atelier, Showroom, Büro, Archiv. Es riecht nach Holz, Rahmen über Rahmen stehen herum, hängen an den Wänden, liegen auf den Tischen. Es wird gehämmert und geschliffen, gehobelt und geschnitzt, lasiert und vergoldet. Jeder Rahmen ist hier ein Unikat, ganz dem Bild angemessen, das er schützen und präsentieren soll. Die Tür geht auf, Walter Storms kommt herein. Unterm Arm eine große Tüte mit Gebäck aus seiner Schwabinger Lieblingsbäckerei. Der Galerist ist ein alter Bekannter. Jetzt holt er ein Bild von Rupprecht Geiger ab. Es war woanders gerahmt worden, auf die Schnelle, „das habe ich bitter bereut, jetzt muss der Werner es reparieren, und ich zahle drauf, so ist es halt“, sagt er mit rheinländischen Frohsinn, und: „Es gibt keinen zweiten wie ihn.“ Donnerstag, 17. Dezember 2015, Nr. 291 DEFGH Die Werkstatt von Werner Murrer gilt als erste Adresse für Rahmenkunst. Anfragen kommen aus der ganzen Welt, millionenschwere Sammler vertrauen ihm ihre Bilder an Den Papierarbeiten des Blauen Reiter hat er die richtigen Rahmen gegeben Amsterdam, Boston, Wien, New York: Er berät Museumsdirektoren in aller Welt Doch erst einmal gibt es Frühstück in der Gemeinschaftsküche im Souterrain. Halb elf, das ist die heilige halbe Stunde für das Team. Storms weiß, dass er um diese Zeit nicht ohne Gebäck erscheinen sollte. Tischler, Schreiner, Vergolder, Restauratoren gehören zum Team, 15 Mitarbeiter beschäftigt Murrer. Die meisten sind seit Jahren dabei und nebenher selbst künstlerisch tätig. Er kann sich auf sie verlassen und es sich leisten, selbst die Hälfte der Zeit zu reisen, zu Recherchen und Tagungen, Messen und Fachgesprächen mit Museumsdirektoren in aller Welt. Amsterdam, Boston, Wien, New York. Das Nationalmuseum in Oslo bekommt ein neues Haus, spektakuläre Architektur direkt am Hafen, 2020 soll es fertig sein. Bis dahin werden auch die Sammlungen überarbeitet. Murrer wurde geholt, um die Rahmenfrage zu klären. Bei Edvard Munch, Norwegens berühmtestem Maler, war die Sache klar: Das Gemälde „Inger am Strand“ von 1889 war noch im Originalrahmen. „Daran kann Werner Murrer hat sich auf das frühe 20. Jahrhundert spezialisiert. Er baut Rahmen nach, sammelt aber auch Originalstücke. man sich orientieren“, sagt Murrer. Aber längst nicht alle Museen holen sich die nötige Expertise oder machen sich überhaupt groß Gedanken über Rahmen. Es gibt kleinere Häuser, „da macht der Hausmeister die Rahmung“, sagt Murrer, aber auch in großen Häusern „hängen noch Gemälde in Baumarktrahmen, das glaubt man kaum“. Oder in Rahmen aus einer ganz anderen Epoche, ein Beckmann im Goldrahmen: „Das geht auf keinen Fall.“ Man spürt, dass dem Kunstliebhaber so ein Anblick in der Seele weh tut. Max Beck- mann bitte nur in Schlagmetall, einer Legierung aus Kupfer und Aluminium, sagt er: dezenter Glanz, wie es zum Geist der Zeit passt. Beckmann, der Sezierer, der mit seiner Malerei die Tünche von den gesellschaftlichen Phänomenen seiner Zeit abkratzte, da passt kein Blattgold. Der Künstler selbst hat sich allerdings wenig Gedanken über Rahmen gemacht. Anders als Schiele, der sich ganz bewusst für die Leisten seines Landmanns Josef Hoffmann entschied, oder die BrückeKünstler, allen voran Ernst Ludwig Kirch- ner und Karl Schmidt-Rottluff, die selbst Rahmen entwarfen. Murrer hat sich auf das frühe 20. Jahrhundert spezialisiert, die Expressionisten vor allem. Er baut deren Rahmen nach, sammelt aber auch Originalstücke. Viel ist nicht mehr da, unzählige Rahmen wurden einfach weggeworfen, weil sie nicht mehr dem Zeitgeschmack entsprachen. Mehrere Tausend hat der 56-Jährige aber inzwischen in seinem Lager. Er verkauft sie gelegentlich an Museen. Auf einer schönen alten Staffelei in der Werkstatt steht ein an- FOTO: ALESSANDRA SCHELLNEGGER deres Prunkstück: ein Originalrahmen des Münchner Hofbaumeisters Joseph Effner. Und weiter hinten ein Modell, „das haben wir für einen Renoir in der Albertina in Wien gemacht“. Berühmte Namen fallen hier ganz nebenbei. Der größte Auftrag war ein Goldrahmen für die Sixtinische Madonna von Raffael in Dresden. Solchen Arbeiten gehen monatelange Recherchen voraus. Bei den Expressionisten gibt es immerhin einen entscheidenden Vorteil: Von ihnen und ihren Werken existieren in der Regel Fotos. So ist Murrers Bildarchiv über Der Traum von der eigenen Werkstatt Deutschland von der Hauptschule auf das Gymnasium überwiesen, die dritte Tochter auf die Realschule. Der Sohn besucht noch die Grundschule. Fatima und Ali Sulaiman haben Sprachkurse besucht und sprechen gut Deutsch, aber sie würden gerne noch besser die Sprache lernen und weiter Kurse belegen. Zudem wünschen sie sich noch einige Möbel für ihre neue Wohnung. inga rahmsdorf So können Sie spenden Wer helfen will, wird um ein Geldgeschenk gebeten, Sachspenden können leider nicht entgegengenommen werden. Bareinzahlungen sind von Montag bis Donnerstag von 9.30 bis 18 Uhr sowie Freitag und Samstag von 9.30 bis 16 Uhr im SZ-Servicezentrum, Fürstenfelder Straße 7, möglich. Sicher online spenden können Leser im Internet unter www.sz-advents- SZ-Servicezentrum Fürstenfelder Straße 7 tal en tr. er S g n dli Sen s Ro In Afghanistan ist er bedroht worden, drei seiner Brüder wurden ermordet. Sie flohen. Und es folgte eine Odyssee, die so weit weg erscheint, wenn das Ehepaar davon erzählt, hier in ihrer neuen Wohnung, wo sie Tee und selbst gebackene Plätzchen servieren. Doch die Erinnerungen und Bilder verfolgen Fatima Sulaiman immer noch jede Nacht in Albträumen und quälen sie tagsüber. Als die Sulaimans vor sechs Jahren in der Türkei ankamen, Fatima schwanger mit Zwillingen, litt sie unter schweren Depressionen. Fatima erinnert sich: „Ich wollte mich umbringen. Ich wollte lieber Schlaftabletten schlucken und friedlich einschlafen, als mit dem Boot im Mittelmeer zu ertrinken“, sagt sie. „Doch mein Mann war so stark, er hat immer wieder gesagt, schluck die Tabletten nicht.“ Als sie schließlich in Deutschland landeten, wurde Fatima sofort in die Klinik eingewiesen, es gab Komplikationen bei der Schwangerschaft mit den Zwillingen. Ihr Mann kam mit den vier Kindern in die Erstaufnahmeeinrichtung. „Ich durfte nur liegen, aber ich habe nichts verstanden, hatte Panik und bin erst weggelaufen aus der Klinik, weil ich so Angst um meine Kinder hatte“, erzählt Fatima. Heute kann sie darüber lachen. Die Familie tut alles, um sich hier eine eigene Exitenz aufzubauen – aber ohne eine finanzielle Starthilfe tut sie sich schwer. Fatima hat bereits Praktika im Kindergarten und in einer Schneiderei gemacht. Ali Sulaiman arbeitet schon seit längerem als KFZMechaniker. Sein Traum ist es, eines Tages eine eigene Werkstatt zu haben. „Auch wenn sie nur klein ist“, sagt er. „Aber ich möchte für meine Familie sorgen können. Ich schäme mich so, dass wir Leistungen vom Jobcenter beziehen müssen, weil mein Gehalt nicht ganz ausreicht.“ Stolz zeigen sie die Zeugnisse ihrer vier älteren Kinder. Zwei Töchter wurden schon innerhalb des ersten Jahres in en ab rgr rbe Fä © Matthias Schrader / BR vergangenen sechs Jahre haben sie in einer Gemeinschaftsunterkunft gelebt. Von Deutschland sind sie begeistert, es biete ihnen Sicherheit, die Kinder, auch die Töchter, können in die Schule gehen, ohne Lebensgefahr. „Es ist unglaublich. Ich wusste nicht, dass es irgendwo auf der Welt so nette Menschen gibt wie hier“, sagt Ali Sulaiman. „Manchmal denke ich immer noch, dass ich träume.“ Kau fing erst r. . r t s Marienplatz n se Ro t ark erm d n Ri Galerist sein, das schien also nicht so schwer. Murrer probierte es zusammen mit einem Freund, stellte aber bald fest: „Wir waren beide keine Verkäufer.“ Doch er lernte in dieser Zeit viele Künstler kennen und stellte fest: Was ihnen fehlte, waren gute Rahmen. So fing es an. Bald eröffnete er seine erste Werkstatt in der Nymphenburger Straße. Münchner Künstler kamen zu ihm, seine Ideen und seine Sorgfalt sprachen sich herum. Mit der Zeit wurden die Werke, die zu ihm gebracht wurden, immer kostbarer. Das Lenbachhaus beauftragte ihn schon in den Neunzigerjahren mit der Rahmung von Gerhard Richters „Atlas“, einem Werk, das inzwischen auf 1000 einzelne Tafeln angewachsen ist. Auch den Papierarbeiten des Blauen Reiter hat er die richtige Fassung gegeben. Heute erstreckt sich sein Netzwerk über ganz Deutschland, millionenschwere Sammler vertrauen ihm ihre Besitztümer an. Beim jährlichen Pin-Fest der Freunde der Pinakotheken sind viele von ihnen vertreten, Adlige, Banker, Unternehmer, man kennt sich. Murrer steuert für die Auktion immer einige Rahmen bei. Selbst stürzt er sich nicht so gerne ins Getümmel. „KunstGetümmel habe ich hier ja jeden Tag.“ Wichtig ist ihm, die Basis nicht aus dem Blick zu verlieren. Deshalb ist er im Vorstand des Akademievereins und arbeitet auch mal für Studenten, die sich keine teuren Rahmen leisten können. Authentisch bleiben. Das kann auch bedeuten, dass Murrer eine Kundin mal ganz ohne Rahmen wieder aus dem Laden schickt. Weil das Kunstwerk es so erfordert. LEUTE DES TAGES Ali und Fatima Sulaiman waren 15 Jahre auf der Flucht – seit sechs Jahren sind sie in München, aber der Neuanfang gestaltet sich schwierig München – Fatima Sulaiman hat die Krankenschwester nicht vergessen. Diese Frau, die ihr die Haare gewaschen und gefönt hat, die so freundlich zu ihr war. Wenn Fatima Sulaiman (Name von der Redaktion geändert) heute, sechs Jahre später, davon erzählt, klingt es, als könne sie es immer noch nicht glauben, dass all die Menschen, denen sie damals in der Münchner Klinik begegnete, sie respektvoll behandelten. Fatima Sulaiman war 15 Jahre auf der Flucht gewesen, bevor sie mit ihrem Mann Ali nach München kam. 15 Jahre lang waren sie von einem Land ins nächste geflohen, von Afghanistan nach Pakistan, in den Iran, Irak, wieder zurück nach Afghanistan, wieder Iran, dann Türkei und von dort mit dem Boot nach Griechenland. Und überall waren sie unerwünscht, wurden bedroht oder als Flüchtlinge verachtet. Bis sie 2009 in München landeten. Sechs Jahre später: eine kleine Wohnung in einem Neubaugebiet in München. Auf dem Boden spielen die sechsjährigen Zwillinge, die jüngsten Kinder der Familie. Es ist der 1. Dezember und ein ganz besonderer Tag für die Familie. Zum ersten Mal nach mehr als 20 Jahren wohnen die Sulaimans zusammen mit ihren sechs Kindern in einer Wohnung. Am Vorabend sind sie eingezogen. Bisher gibt es noch nicht viele Möbel, doch das Ehepaar ist glücklich. Die die Jahre auf mehr als 70 000 Dateien angewachsen. Jeder seiner Mitarbeiter hat einen Hochleistungsrechner an seinem Arbeitsplatz und Zugriff auf die Informationen. Murrer ist Autodidakt. Dass er „irgendwas mit Kunst“ machen wollte, diese Idee entstand schon im Siemens-Gymnasium in Neuperlach, angeregt von einer engagierten Lehrerin. „Sie hat mit uns über Beuys’ New Yorker ,Kojotenaktion’ gesprochen und über Christos Land-Art-Projekte.“ Aktuelle, provozierende Kunst, die weit über die Feuilletons hinaus diskutiert wurde. Eine Mitschülerin teilte damals seine Begeisterung – und tut es bis heute. Sie hat Kunstgeschichte studiert und wurde seine Ehefrau und Beraterin. Murrer selbst fand nach dem Abitur einen Job bei der Galerie Thomas, damals noch in der Maximilianstraße, er wollte die Praxis erleben, alles war ihm recht. „Das war alles noch viel unkomplizierter. Da konnte ich auch noch mittags in der Maximilianstraße eine Wurstsemmel für den Herrn Thomas holen.“ Heute herrscht dort nur noch Luxus, sagt er bedauernd. kalender.de. Überweisungen sind auf folgendes Konto möglich. „Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung e.V.“ Stadtsparkasse München IBAN: DE86 7015 0000 0000 6007 00 BIC: SSKMDEMM Spenden sind steuerlich abzugsfähig; bis zu einem Betrag in Höhe von 200 Euro reicht der vereinfachte Nachweis. Bei Spenden in Höhe von mehr als 200 Euro senden wir Ihnen die Spendenbestätigung zu, sofern auf der Überweisung der Absender vollständig angegeben ist. Jede Spende wird ohne Abzug dem guten Zweck zugeführt. Alle Sach- und Verwaltungskosten, die entstehen, trägt der Süddeutsche Verlag. www.facebook.com/szadventskalender Filmproduzentin Molly von Fürstenberg erhält bei der 37. Verleihung des Bayerischen Filmpreises den Ehrenpreis des Ministerpräsidenten. Die Auszeichnung wird während der Filmpreisgala am 15. Januar 2016 im Münchner Prinzregententheater übergeben. Geprägt von Rainer Werner Fassbinder wurde aus der Schauspielerin Kerstin „Molly“ Dobbertin, die in den Siebzigerjahren vor der Kamera stand, eine junge selbstbewusste Produzentin mit der Vision, künstlerischen Anspruch und populäre Stoffe miteinander zu verbinden. Gemeinsam mit Denyse Noever und Elvira Senft gründete sie 1974 in München die Produktionsfirma „Olga Film“, in der die Frauen das Sagen hatten. sz Zur Belohnung gibt es an diesem Donnerstag ein Essen bei Sternekoch Martin Fauster im Königshof: Bei den Deutschen Jugendmeisterschaften in den gastgewerblichen Ausbildungsberufen haben Teilnehmer aus Bayern ziemlich gut abgeschnitten. In der Mannschaftswertung holten sie einen zweiten Platz, bei den Einzelwertungen schaffte Marvin Lorenz Boerger, Koch bei den Geisel Privathotels in München, eine Silbermedaille. Anja Kirchpfening, Restaurantfachfrau im Maritim Hotel Nürnberg, gewann Bronze. Immerhin einen vierten Platz unter 51 Teilnehmern schaffte Ellen Bauer, Hotelfachfrau im Hilton München Park. schub Diesen Freitag im Herkulessaal: Riccardo Muti und das BR-Symphonieorchester Jetzt Vorteils preise sichern un 30% spa d ren! Freitag, 18.12.2015 I 20 Uhr I Herkulessaal der Residenz, München Erleben Sie als Abonnent/in der Süddeutschen Zeitung zum Jahresabschluss ein besonderes Konzerthighlight zu Vorzugspreisen. Freuen Sie sich auf das Symphonieorchester und den Chor des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung von Stardirigent Riccardo Muti. Franz Schubert I Symphonie Nr. 4 c-Moll, D 417 • Luigi Cherubini I „Krönungsmesse“ für Chor und Orchester A-Dur Vorteilspreise – SZ-Abonnenten sparen 30% Kat. 1 65 € (statt 94 €) Kat. 2 57 € (statt 82 €) Kat. 3 48 € (statt 69 €) Kat. 4 40 € (statt 58 €) Kat. 5 30 € (statt 43 €) Kat. 6 17 € (statt 25 €) Jetzt bestellen mit Angabe Ihrer SZ-Kundennummer über SZ-Ticket unter 089 / 2183 73 00 oder im SZ-ServiceZentrum, Fürstenfelder Straße 7, 80331 München. Ein Angebot der Süddeutsche Zeitung GmbH, Hultschiner Str. 8, 81677 München. Begrenztes Kontingent, nur solange der Vorrat reicht. Angebot gilt nur am 17. und 18.12.15. 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