Emmi kann sich gut behaupten

Mittwoch, 19. August 2015 / Nr. 189
Lindt & Sprüngli
verdient mehr
KILCHBERG sda. Bei Edelschokolade
wie Lindor-Kugeln und Goldhasen
greifen die Konsumenten beherzt zu
– trotz steigenden Preisen. Das hat
bei Lindt & Sprüngli in der ersten
Jahreshälfte die Kassen klingeln lassen: Der Reingewinn schoss um 15,6
Prozent in die Höhe. Der Gewinn
belief sich auf 65 Millionen Franken,
wie Lindt & Sprüngli gestern mitteilte.
Mit dem Gewinnbeitrag der im Sommer übernommenen US-Firma Russell Stover musste die Gruppe etwas
mehr Steuern abliefern. Der Betriebsgewinn vor Zinsen und Steuern
(EBIT) zog daher mit einem Plus von
17,5 Prozent noch etwas kräftiger auf
90,6 Millionen Franken an – und stieg
damit trotz teurerer Rohstoffe im
Gleichschritt mit dem Umsatz.
Angesichts der steigenden Preise
für Kakaobohnen, Haselnüsse und
Mandeln waren die Gewinnzahlen
von Branchenbeobachtern gespannt
erwartet worden. Die Steigerung
des Betriebsgewinns begründet
Lindt & Sprüngli nun mit dem Umsatz- und Volumenwachstum, Effizienzsteigerungen und Kosteneinsparungen sowie dem erstmaligen Einbezug des Ergebnisses von Russell
Stover in die Konzernrechnung.
Strafe wegen
Insiderhandel
BELLINZONA sda. Das Bundesstrafgericht hat einen ehemaligen Verwaltungsrat der Schulthess Group AG
wegen Insiderhandels zu einer bedingten Geldstrafe von 210 Tagessätzen à 3000 Franken schuldig gesprochen. Dies geht aus einem gestern
publizierten Urteil hervor. Der Beschuldigte hatte im Vorfeld des Verkaufs des Wärmepumpen- und Waschtechnikherstellers Schulthess an die
schwedische Nibe-Gruppe im April
2011 Börsengeschäfte für die eigene
Familienstiftung getätigt. Am 8. und
15. März liess er über die Konten der
Stiftung Call-Optionen auf SchulthessAktien kaufen. Zu diesem Zeitpunkt
war er als Verwaltungsrat der Schulthess über die Verhandlungen mit der
Nibe-Gruppe im Bild. Wegen mehrfachen Ausnützens der Kenntnis vertraulicher Tatsachen hat ihn das Bundesstrafgericht schuldig gesprochen.
D
Wirtschaft
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Emmi kann sich gut behaupten
LUZERN Trotz rückläufigen Umsätzen in
der Schweiz präsentiert die EmmiGruppe überraschend gute Zahlen
für das erste Halbjahr 2015.
sagt Riedener. Die ausländischen Tochtergesellschaften hätten die Preiserhöhungen
für Exportprodukte aus der Schweiz erfolgreich umgesetzt. Weiter setzten die ausländischen Produktionsbetriebe immer
mehr Kostenspar- und Effizienzsteigerungsmassnahmen um. «Zudem haben
wir letztes Jahr mit Trentinalatte und
Emmi Penn Yan zwei Unternehmen
mit nicht zufriedenstellenden Erträgen verkauft», sagt Riedener.
Etwas weniger gut lief es hingegen für Emmi in Italien und
Deutschland, wo der Export
von AOP-Käse aus Schweizer
Produktion, allen voran von
Emmentaler, harzte. So
musste Emmi in der Division Europa, zu der auch
Grossbritannien, Österreich und die Benelux-Länder gehören, einen organischen Umsatzrückgang
von 0,7 Prozent hinnehmen.
BERNARD MARKS
[email protected]
Der grösste Schweizer Milchverarbeiter Emmi spürt den
rauen Wind, der aktuell im
Schweizer Detailhandel weht.
Denn der starke Franken motiviert Schweizer Konsumenten zunehmend, Dinge des
täglichen Bedarfs im Ausland einzukaufen statt in
der Schweiz. Das schlägt
sich auch in den Zahlen
der Emmi-Gruppe nieder.
In den ersten sechs Monaten hat Emmi weniger verkauft. Die Verkaufserlöse
betrugen hierzulande in
den Monaten Januar bis Juni
874,2 Millionen Franken. Das
sind 3 Prozent weniger als im
Vorjahreszeitraum. Auch der
Gesamtumsatz fiel um 3,8 Prozent auf noch 1,56 Milliarden
Franken. Trotzdem verdiente
Emmi unter dem Strich mehr als
noch vor einem Jahr. Der Konzerngewinn belief sich auf 46,6 Millionen
Franken, gegenüber 45,2 Millionen im
Vorjahreszeitraum. Das verbesserte Ergebnis sei auf Kostensenkungen sowie
EU-Exporte unter Druck
Der Export von Emmentaler nach Italien
und Deutschland stockt.
PD
«In den USA können
wir weiterhin
zulegen.»
URS RIEDENER
EMMI-CEO
auf Preiserhöhungen in den Divisionen
Europa und Americas zurückzuführen,
sagte dazu Konzernchef Urs Riedener.
Mit knapp 56 Prozent am Gesamtumsatz ist die Schweiz immer noch der
wichtigste Absatzmarkt von Emmi. Vor
allem im Ausland liefen die Geschäfte im
ersten Semester zum Teil deutlich besser
als gedacht. Im Auslandgeschäft profitiert
Emmi allerdings grundsätzlich davon,
dass lediglich 30 Prozent der verkauften
Ware aus dem Export stammen. Der
Grossteil wird im Ausland produziert, zum
Beispiel in Italien. Dadurch bleiben die
negativen Währungseinflüsse auf das Geschäft begrenzt.
Vor allem in der Division Americas,
mit knapp einem Viertel am Gesamt-
umsatz der zweitwichtigste Absatzmarkt,
konnte Emmi zulegen. Währungseffekte und Verkäufe herausgerechnet, resultierte ein organisches Wachstum von
3,0 Prozent.
Preiserhöhungen umgesetzt
Vor allem das Käsegeschäft in den USA
florierte. Die Division umfasst neben den
USA, Kanada und Chile auch Spanien,
Frankreich und Tunesien. «Unser Auslandgeschäft ist profitabler geworden»,
Riedener geht davon aus,
dass sich die Umsatzeinbussen im Zuge der Frankenstärke im zweiten Halbjahr vergrössern werden. «Der Export in
den EU-Raum, das ist hauptsächlich Käse, wird im zweiten Halbjahr
rückläufig bleiben», sagt Riedener.
In den USA und in Grossbritannien
habe Emmi hingegen keinen Währungsnachteil. «Da können wir weiterhin zulegen», sagt Riedener. Einen Umsatzzuwachs erwarte Emmi auch durch die
Desserts aus Italien und die Produktion
in Tunesien. Entsprechend plane der
Konzern keine Stellenstreichungen und
Produktionsauslagerungen. Auch in Zukunft würden alle Produkte, die in der
Schweiz unter dem Namen Emmi verkauft würden, auch hierzulande produziert, hiess es gestern.
Anleger reagieren zufrieden
Analysten zeigten sich erfreut ob der
Gewinnentwicklung. Bei der UBS hiess
es etwa, die Zahlen von Emmi liessen
vor allem auf ein gutes Kostenmanagement schliessen. Die Verbesserung der
Ebit-Marge von 4,6 auf 5,4 Prozent nennt
ein Analyst gar als beeindruckend, zumal der Milchverarbeiter auch unter
Währungseinflüssen leide. Entsprechend positiv war auch die Reaktion an
der Börse. Die Emmi-Titel waren bei
Anlegern gefragt und legten einen regelrechten Kurssprung hin. Die Aktie notierte am Abend 8,6 Prozent im Plus.
Wie kommt der Gletscherschwund in die Bilanz?
ie Eisdicke der beobachteten Gletscher nimmt derzeit jedes Jahr zwischen
einem halben und einem
ganzen Meter ab. Seit 1973 haben
sich die Schweizer Gletscher um 30
Prozent zurückgezogen. Solche Aussagen des World Glacier Monitoring Service (angesiedelt an
der Universität Zürich)
kursierten
unlängst
durch die Medien.
Mit eindrücklichen
Bildern wurde aufgezeigt, wie einst mächtige Gletscher dünner
und kürzer wurden. Die
modernen Hilfsmittel der
Technik ermöglichten zudem eine Zukunftsprojektion, die uns gletscherfreie
Alpentäler zeigte – auch für
die Zentralschweizer Alpenlandschaft wahrlich keine
erbauliche Perspektive.
Zur gleichen Zeit kündigte, auch mit eindrücklichen Bildern, US-Präsident Obama eine veritable Offensive zur Rettung
des Klimas an. Die Berichterstattung darüber
hat ein breites Publikum daran erinnert, wie zentral ökologische Anliegen im Alltag
sein können, wenn wir unsere
Erde nicht übernutzen wollen und auch zukünftigen
Generationen einen schönen und bewohnbaren
Planeten hinterlassen
möchten.
Wie Unternehmen zahlenmässig mit Ökologie umgehen, ist relativ rasch
erklärt: Klassischerweise sind Umweltschutzmassnahmen Ausgaben
oder der Grund
für tiefere wie
eigentlich mögliche Einnahmen; beides
wird letztendlich den Gewinn reduzieren
und ist deshalb nicht
a priori im Interesse
der Unternehmen
und deren Eigentümer. Die Ökologie kommt in
einem solchen
System also nicht
wirklich vor. Eine
ökologische Erfolgsrechnung
würde
nämlich folgende Frage beantworten: Wie
hoch wären die Kosten
für bestimmte Dienst-
leistungen der Natur in einem bestimmten Zeitraum, wenn die Natur Rechnungen stellen würde? – Dies erscheint
zugegebenermassen reichlich utopisch,
da die Natur höchstens in einem Science-Fiction-Film Rechnungen an
Unternehmen stellen würde (wie sähen
wohl Betreibungen und Pfändungen
aus?).
AUSSICHTEN
Trotzdem haben Forschende und
Unternehmen diesen Grundgedanken
in den letzten Jahren aufgenommen
und einen Trend zur Berechnung von
Umweltkosten, welche zwar durch wirtschaftliches Handeln verursacht werden, aber von der Gesellschaft getragen
werden, etabliert. Dass solche Konzepte nicht blosse Hirngespinste von Forschern sind, beweist der bekannte
Sportartikelhersteller Puma. Zwar berichtet das Unternehmen wie eine
«normale» Firma auf knapp 200 Seiten
über seine Finanzkennzahlen, über
Gewinne, Verluste, Schulden, Vermögen usw. Daneben hat Puma als eines
der ersten Unternehmen aber auch
eine separate Ökologieberichterstattung entwickelt. Auch wenn man im
breiten Publikum bei Puma wohl pri-
mär an Turnschuhe und Trainingsjacken denkt, die nicht gerade den Ruf
als Umweltverschmutzer haben, erlaubt Puma einen Blick über die klassischen Finanzzahlen hinaus auf ökologische Konsequenzen des eigenen
Tuns.
Eine Lektüre der Puma-Berichterstattung zeigt Erstaunliches: In dieser
zusätzlichen Bilanz quantifiziert das
Unternehmen die (von ihm verantworteten) Umweltschäden durch Herstellung, Transport und Vertrieb der eigenen Produkte auf 145 Millionen Euro
(94 Millionen Euro durch Treibhausgas-Emissionen [damit wären wir beim
Gletscherschwund] und 51 Millionen
Euro für Auswirkungen von Landnutzung, Luftverschmutzung und Abfällen). Puma legt im Weiteren offen, dass
lediglich 6 Prozent der Gesamtsumme
auf das Konto des Kerngeschäfts gehen
(d. h. eigene Büros, Lager, Läden und
Logistik). Die grössten Schäden entstehen indirekt, das heisst bei den
externen Partnern, im Wesentlichen
bei der Produktion von Rohstoffen wie
Leder, Baumwolle oder Kautschuk
(trotzdem ist Puma als Besteller natürlich dafür indirekt verantwortlich). Die
Belastungen werden auch regional aufgegliedert.
Puma gibt an, dass zwei Drittel
aller Umweltbelastungen in Asien anfallen. Innerhalb der Produktgruppen
von Puma sorgen Schuhe für viel
höhere Verschmutzungen als Textilien
und Accessoires. Vorgehenstechnisch
berechnen die Darstellungen von
Puma die in den Ergebnisrechnungen
der Unternehmen bislang unberücksichtigten und daher durch die Gesellschaft aufgefangenen (also externalisierten) Umweltkosten, die durch
die Geschäftstätigkeit der Unternehmen oder Organisationen entstehen.
Dabei werden zunächst die wichtigsten Umwelteinflüsse der Organisation (wie z. B. Klima, Wasser usw.)
definiert und in der Folge über vorhandene oder noch zu erhebende
Daten aus dem Umweltmanagement
quantifiziert.
Dass dies mitunter zahlreicher Annahmen bedarf oder auch Lücken aufweist, ist klar. Insofern sind die ausgewiesenen Zahlen zuweilen auch nahe
an einem Marketinginstrument und
ohne wirkliches Öko-Bekenntnis. Es ist
aber ein wertvoller Beitrag dazu, Ökologie in Geldeinheiten umzudeuten,
denn: Sobald es um Geld geht, werden
Anliegen plötzlich ganz anders behandelt – auch wenn es jetzt niemand
zugeben will: Wir alle sind doch über
weite Strecken über unser Portemonnaie sehr gut steuerbar ...
Marco Passardi (41) ist Dozent und Projektleiter
am Institut für Finanzdienstleistungen (IFZ) der
Hochschule Luzern – Wirtschaft.