Balanceakt berufsbegleitendes Studieren

Schriftenreihe der Arbeitnehmerkammer Bremen
1|2016
Balanceakt
berufsbegleitendes
Studieren
1
Zur Vereinbarkeit von Beruf,
Studium und Privatleben
Studie
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Her ausgeber
Arbeitnehmerkammer Bremen
Bürgerstraße 1
28195 Bremen
Telefon 0421·36301-0
Telefax 0421·36301-89
[email protected]
www.arbeitnehmerkammer.de
Problem
Ausbildungsabbruch
R e da k t i o n
Susanne Hermeling
Elke Heyduck
Lek tor at
Martina Kedenburg
G e s t al t u n g
Designbüro Möhlenkamp & Schuldt, Bremen
Fotos
Kay Michalak
Druck
Girzig & Gottschalk, Bremen
Abgeschlossen zum Februar 2016
V e r f ass e r INNEN / V ERF A S S ER
Dr. Petra Boxler,
Akademie für Weiterbildung
der Universität Bremen
Dr. Claudia Fenzl,
Institut für Technik und Bildung
der Universität Bremen
Dr. Walburga Freitag,
Deutsches Zentrum für Hochschulund Wissenschaftsforschung
Dr. Julia K. Gronewold,
Institut für Berufspädagogik
und Erwachsenenbildung
der Universität Hannover
Jessica Heibült,
Zentrum für Arbeit und Politik (zap)
Susanne Hermeling,
Referentin für Bildungspolitik,
Arbeitnehmerkammer Bremen
Stefanie Hiestand,
Institut für Berufspädagogik und
Erwachsenenbildung
der Universität Hannover
Paul Naujoks,
Student im Master Sozialpolitik
der Universität Bremen
Dr. Roland Tutschner,
Institut für Technik und Bildung
der Universität Bremen
1
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
Inhalt
1
2
3
4
5
6
2
3
4
Vorwort
Dank
Einleitung
6
7
Schritte zur Öffnung der Hochschulen
Debatte
12
13
Studie ›Berufsbegleitendes Studieren in Bremen‹
Zentrale Thesen, empirische Datengrundlage
und methodisches Vorgehen
20
21
Die Perspektive von Hochschulen
Qualitative Experteninterviews
32
33
48
Die Perspektive von Studierenden
Qualitative Interviews
Quantitative Befragung
64
65
Die Perspektive von Betrieben
Qualitative Experteninterviews
72
Literaturverzeichnis
76
77
Expertinneninterviews und Ergebnisse aus Forschungsprojekten
Die Herausforderung Studienangebote für Berufstätige umzusetzen
Interview mit Dr. Petra Boxler
Anrechnung beruflicher Kompetenzen auf Hochschulstudiengänge
Interview mit Dr. Walburga Freitag
Zur Durchlässigkeit zwischen beruflicher und hochschulischer
Bildung – Konzeption und Durchführung eines berufsbegleitenden
Studiengangs an der Universität Bremen
›Arbeiten, Lernen und Leben in Balance?!‹ – Instrumente
für Betriebe zur Verbesserung von Life-Learn-Work-Balance
80
84
91
7
100
101
106
Handlungsfelder und Informationen
Handlungsfelder
Informationen zur Studienfinanzierung
2
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
Vorwort
Es gibt für Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer viele gute Gründe, einen
ersten oder einen höheren Hochschulabschluss zu erwerben. Ein Studium
kann sich etwa durch verbesserte Arbeitsmarktchancen, größere Gestaltungsspielräume bei der Arbeit, persönliche
Weiterentwicklung oder ein höheres
Einkommen auszahlen. Garantien für ein
erfolgreiches Studium und anschließende
Karrierechancen gibt es jedoch nicht. Die
Unterbrechung der Berufstätigkeit für ein
Vollzeitstudium stellt daher immer ein
Risiko dar, das nur wenige auf sich nehmen wollen oder können. Hinzu kommt,
dass für weiterbildende Studienangebote
auch an staatlichen Hochschulen in der
Regel das Geld für Studiengebühren aufgebracht werden muss. Für berufstätige
Studieninteressierte ist also oft die erste
Frage, wie kann ich meinem Beruf, einem
Studium und meinem privaten Umfeld
gleichzeitig gerecht werden. Diese grundsätzliche Frage nach der ›Vereinbarkeit‹
zentraler Lebensbereiche steht daher im
Mittelpunkt der hier von der Arbeitnehmerkammer Bremen und dem Zentrum
für Arbeit und Politik der Universität
Bremen vorgelegten Studie.
Uns ist daran gelegen, in dieser Veröffentlichung die Probleme und Bewältigungsstrategien berufsbegleitend Studierender
darzustellen. Diese stehen immer in
Zusammenhang mit unterschiedlichen
Rahmenbedingungen an Hochschulen,
in Betrieben und in der privaten Sphäre.
Für die Verbesserung von Rahmenbedingungen für berufsbegleitendes Studieren
setzen wir uns ein und möchten unter
anderem mit dieser Publikation in den
Austausch mit Hochschulen, Betrieben,
Politik und Verwaltung treten.
Peter KruseIngo Schierenbeck
Prof. Dr. Andreas Klee
PräsidentHauptgeschäftsführerDirektor Zentrum
für Arbeit und Politik
3
S TU DI E
Dank
Unser großer Dank geht an die Studiengangsverantwortlichen an Hochschulen,
die sich neben ihren umfangreichen
Aufgaben in Forschung und Lehre, die
Zeit genommen haben, unsere Fragen zu
beantworten und den Kontakt zu berufsbegleitend Studierenden herzustellen.
Ohne ihre Unterstützung hätten wir
unsere Studie nicht durchführen können.
Herzlich danken wir auch den Studierenden, die trotz eines, in der Regel chronischen, Zeitmangels, offen und vertrauensvoll über ihre Erfahrungen berichteten
und unseren Fragebogen ausfüllten. Ihre
Perspektive bildet das Herzstück unserer
Studie.
Personalentwicklerinnen und Personalentwickler aus drei Betrieben haben uns
ihre Sicht geschildert und damit unsere
Analyse wesentlich bereichert. Ein herzliches Dankeschön an die Kolleginnen und
Kollegen!
Nicht zuletzt gebührt unser Dank den
Expertinnen und Experten, die Ergebnisse
ihrer Forschungsprojekte für unseren
Bericht aufbereitet und aus ihren Praxisund Forschungserfahrungen berichtet
haben. Ihre Beiträge bereichern die vorliegende Publikation in hohem Maß.
4
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
Einleitung
Im ersten Kapitel dieser Publikation
werden die politischen Ziele und die
praktischen Herausforderungen skizziert,
die mit der Öffnung von staatlichen Hochschulen für Berufstätige verbunden sind.
Deutlich wird, dass das Angebot an berufsbegleitenden Studiengängen bundesweit
und im Land Bremen noch wenig ausdifferenziert ist, obwohl das Thema der offenen Hochschule einen hohen Stellenwert
in der politischen Debatte einnimmt.
Von dieser Ausgangslage eines relativ
beschränkten Studienangebots, das die
Bedürfnisse von Berufstätigen besonders
berücksichtigt, werden im zweiten Kapitel
die zentralen Fragestellungen der explorativen Studie von Arbeitnehmerkammer
und Zentrum für Arbeit und Politik entwickelt. Dabei ist die leitende Frage die nach
der Vereinbarkeit von Studium, Beruf und
Privatleben. Die empirische Datengrundlage und das methodische Vorgehen in
der Studie werden im Detail dargestellt.
Die Auswertung von Interviews mit Hochschulangehörigen im dritten Kapitel zeigt
beispielhaft, welche Konzepte und Ressourcen für die Ansprache und Betreuung
von berufstätigen Studierenden genutzt
werden und welche praktischen Probleme
Studiengangsverantwortliche bei der Vereinbarkeit von Studium und Beruf beobachten. Die subjektiven Erfahrungen von
Studierenden aus verschiedenen Berufsgruppen und Studiengängen sind Gegenstand der Auswertung einer quantitativen
Befragung sowie qualitativer Interviews
im vierten Kapitel. Wie entscheidend für
den Studienerfolg neben den Studienbedingungen Arbeitszeitregelungen und
weitere betriebliche Rahmenbedingungen
sind, kristallisiert sich deutlich heraus.
Im Ergebnis ist es meist der private Bereich, der den anderen Lebensbereichen
Studium und Beruf untergeordnet wird.
Ergänzend zu der Studierendenperspektive geben die Interviews mit Personalverantwortlichen aus drei Bremer Betrieben
im fünften Kapitel beispielhafte Einblicke
in konkrete betriebliche Abläufe. Auch
Interessen an der Weiterqualifizierung
von Beschäftigten und konkrete Unterstützungsmöglichkeiten für Studierende
seitens der Betriebe werden thematisiert.
Im sechsten Kapitel werden in zwei
Interviews mit Dr. Petra Boxler und Dr.
Walburga Freitag die Felder der Studiengangsgestaltung und der Anrechnung
beruflicher Kompetenzen diskutiert. Beide
Felder sind zentral für die Erhöhung der
Durchlässigkeit und eröffnen insbesondere Handlungsmöglichkeiten für Politik
und Hochschulen. Im folgenden Beitrag
von Dr. Claudia Fenzl und Dr. Roland
Tutschner werden die Herausforderungen
zur Integration eines berufsbegleitenden
5
S TU DI E
Studienangebots in einen Regelstudiengang deutlich. Der vorgestellte Bachelorstudiengang des Instituts für Technik und
Bildung ist bisher der einzige berufsbegleitende Bachelorstudiengang an einer
staatlichen Hochschule in Bremen.
Die Berufspädagoginnen Dr. Julia Gronewold und Stefanie Hiestand bewegen
sich mit ihrem Forschungsprojekt der
Hans-Böckler-Stiftung auf der betrieblichen Ebene. Die Autorinnen stellen ein
neues Konzept von Vereinbarkeit dar, die
›Work-Learn-Life-Balance‹. Im Rahmen
des Forschungsprojekts wurden Instrumente zur Verbesserung von Arbeiten,
Lernen und Leben entwickelt und in
mittelgroßen Betrieben der IT-Branche
getestet.
Die im letzten Kapitel formulierten
Handlungsfelder schlagen einen Bogen
zwischen der explorativen Bremer Studie
und der Expertise aus den Gastbeiträgen.
Wo kann Politik auf Bundes- und Landesebene ansetzen, um berufsbegleitendes
Studieren zu erleichtern? In welcher Form
können Arbeitgeberverbände und Betriebe
studierende Beschäftigte unterstützen
und somit auch eigene Fachkräftebedarfe
decken? Dass hier durchaus Möglichkeiten auf betrieblicher, hochschulischer
und politischer Ebene bestehen, das berufsbegleitende Studium zu fördern, zeigt
dieses Kapitel.
6
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
Schritte zur Öffnung
der Hochschulen
1
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7
S TUDIE
TU DI E
JE SSIC A HEIBÜLT
SU SANNE HERME L ING
PAU L NAU JOKS
Debatte
Die Förderung berufsbegleitenden
Studierens und die Entwicklung von
berufsbegleitenden Studienformaten
sind zentrale Elemente einer weiteren
›Öffnung der Hochschulen‹ für Studieninteressierte, die bereits im Berufsleben
stehen. Für die Studienentscheidung ist
die Frage der Vereinbarkeit von Studium,
Beruf und Privatleben zentral. In dieser
Publikation nehmen wir daher Erwerbstätige in den Blick, die während ihrer
Berufstätigkeit erstmalig oder erneut ein
Studium aufnehmen.1
Die beruflich qualifizierten Studierenden ohne Abitur – auch Studierende
des dritten Bildungsweges genannt –, die
den Hochschulzugang über ihre berufliche Qualifikation erwerben, bilden eine
relativ kleine Gruppe2 unter den berufstätigen Studierenden. Dieser Gruppe gilt
jedoch eine hohe politische Aufmerksamkeit im Rahmen der Öffnung der
Hochschulen, obwohl grundsätzlich alle
Berufstätigen mit oder ohne Abitur von
der Entwicklung neuer Beratungs- und
Studienangebote an staatlichen Hochschulen profitieren. Die Möglichkeit des
berufsbegleitenden Studierens ist jedoch
für alle Berufstätigen relevant, und zwar
unabhängig davon, ob diese eine schulisch erworbene Hochschulzugangsberechtigung besitzen oder nicht.
Die Diskussion um die weitere Öffnung der Hochschulen erlebt laut Andrä
Wolter3 in den vergangenen Jahren aus
verschiedenen Gründen Konjunktur.
Arbeitsmarktpolitische Argumente
gründen sich auf einen von Teilen der
Wirtschaft und Politik befürchteten
Fachkräftemangel. Arbeitgeber setzen
sich für höhere Akademikerquoten als
einem volkswirtschaftlichen Wettbewerbs- und Standortvorteil ein.4 Der
ehemalige Vorsitzende des arbeitgebernahen Arbeitskreises Hochschule / Wirtschaft des BDA, BDI und der HRK Thomas
Sattelberger plädiert für die Öffnung der
Hochschulen, ›um die Akademikerquote
zu erhöhen‹ und so das volle Potenzial
der ›Facharbeiter und Fachangestellten‹
zu nutzen.5 In einer Analyse des ReferenzBetriebs-Systems (RBS) des BIBB wurde
außerdem deutlich, dass in Betrieben
ein konkreter Bedarf nach Weiterbildungs- beziehungsweise Qualifizierungsmaßnahmen auf Hochschulniveau
besteht.6 Ein Fünftel aller Betriebe sah
sich 2008 mit einem steigenden Bedarf
wissenschaftlicher Qualifikationen ihres
Personals konfrontiert. Überwiegend
Kleinbetriebe sind darauf angewiesen,
Stammpersonal weiterzubilden. Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten
können sowohl Neueinstellungen tätigen
als auch ihre Beschäftigten weiterqualifizieren. Knapp 70 Prozent der befragten
Betriebe favorisieren das berufsbegleitende Studium.7
Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels wird, so Wolter8 weiter,
zudem langfristig eine sinkende Anzahl
von Abiturientinnen und Abiturienten
und damit auch niedrigere Studierendenzahl an Hochschulen prognostiziert.
Hochschulen sollen sich deshalb in Zukunft vermehrt neue Zielgruppen – wie
beruflich Qualifizierte und Berufstätige
– erschließen.9 Wolter räumt außerdem
der Europäisierung der Bildungspolitik
besonderen Einfluss auf das Thema der
›Offenen Hochschule‹ ein. Im Rahmen
der Bologna-Reform sollen Strukturen für
lebenslanges Lernen im Hochschulkontext geschaffen werden, was wiederum
neue flexible Bildungswege erfordert:
›Das lebenslange Lernen umfasst den
Erwerb von Qualifikationen, die Erweiterung von Wissen und Verständnis, die
Aneignung neuer Fähigkeiten und Kompetenzen sowie die Unterstützung der
Persönlichkeitsbildung. Voraussetzung
für lebenslanges Lernen ist, dass Qualifikationen über flexible Bildungswege
erworben werden können, darunter auch
8
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
im Teilzeitstudium oder berufsbegleitend.‹10
Neben der Fachkräftedebatte steht
auch das Thema der Chancengerechtigkeit – durch die nachholende Möglichkeit eines Studiums nach einer Berufsausbildung – auf der bildungspolitischen
Agenda.11 Auch darum stehen vor allem
die Studierenden ohne Abitur im Fokus
der Debatte.
Hochschulzugang und Anrechnung
beruflicher Kompetenzen
Um Anpassungsprozesse der Hochschulen zu fördern, legte der Bund in den
vergangenen Jahren vermehrt Programme und Initiativen auf. Die Anzahl
berufsbegleitender Angebote soll erhöht
und ein Studium für neue Zielgruppen
attraktiver gestaltet werden. Zunächst
wurde dafür auf struktureller Ebene der
Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte ohne Abitur durch die Kultusministerkonferenz (KMK) im Jahr 2009
entscheidend erleichtert.12 Alle Bundesländer haben seither entsprechende
Regelungen in ihren Landeshochschulgesetzen getroffen.
Anreize für die Aufnahme eines Studiums werden maßgeblich auch davon
bestimmt, ob berufliche Kompetenzen
auf ein Studium angerechnet werden
können. Laut KMK-Beschluss des Jahres
2002 können außerhochschulisch erworbene Kompetenzen auf bis zu 50 Prozent
der Studienleistungen angerechnet
werden.13 Die Kann-Bestimmung der Anrechnung beziehungsweise Empfehlung
führt dazu, dass einheitliche Vorgehensweisen und individuelle Anrechnungsverfahren kaum angewandt wurden.14
Im Rahmen der BMBF-Initiative ›ANKOM
– Anrechnung beruflicher Kompetenzen
auf Hochschulstudiengänge‹ wurden von
2005 bis 2008 zwölf Entwicklungsprojekte an verschiedenen Hochschulen in
Deutschland gefördert.15 Unter der Projektleitung des Hochschul-InformationsSystems (HIS) haben unter anderem das
Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB),
aber auch der Verband der Ingenieure
(VDI) mitgearbeitet.16 In den Bereichen
Gesundheit und Soziales, Ingenieurwissenschaften, Informationstechnologien
sowie Wirtschaftswissenschaften wurden
übertragbare Anrechnungsverfahren
und -instrumente entwickelt, mit deren
Hilfe beruflich erworbene Kompetenzen
auf Bachelor- und Masterstudiengänge
angerechnet werden können.17 Die breite
Anwendung der entwickelten Verfahren
steht allerdings noch aus. Aus der Initiative ANKOM geht hervor, dass transparente
Anrechnungswege schon bei der Entwicklung von Studiengängen berücksichtigt
werden sollten.18 Mit neueren Regelungen, die die Hochschulen dazu verpflichten, im Rahmen der Akkreditierung von
Studiengängen Verfahren und Kriterien
zur Anrechnung außerhochschulisch
erworbener Kompetenzen zu entwickeln,
wird sich voraussichtlich langfristig die
vorausschauendere Praxis durchsetzen.19
Ein durchgängiges Problem bei
Anrechnungsverfahren ist es, genau zu
definieren, was beruflich erworbene
Kompetenzen sind. Eine Mehrheit der
befragten Betriebe des Referenz-BetriebsSystems befürwortet die Anrechnung
von Inhalten und Kompetenzen, die sich
allein aus dem Arbeitsalltag ergeben. In
der Regel befürworten Betriebe informelle oder nicht formale Anrechnungsverfahren.20 Diese Herangehensweise fordert
jedoch den Hochschulen eine hohe
Flexibilität ab.
Studienangebote
Berufsbegleitendes Studieren ist noch
immer eine ›Randerscheinung‹21 an deutschen Hochschulen. Vor allem berufsbegleitende Bachelorstudiengänge sind in
Deutschland vergleichsweise selten, während das Angebot an berufsbegleitenden
Masterstudiengängen weitaus größer ist.
Nach der bisher einzigen bundesweiten
Erhebung durch die HIS GmbH22, die sich
auf das Angebot im Jahr 2009 bezieht,
war zudem der weitaus größere Teil
berufsbegleitender Bachelorstudiengänge
an Fachhochschulen (86 Prozent) angesiedelt. 40 Prozent der berufsbegleitenden Bachelorstudiengänge sehen dabei
eine Studienzeit über drei Jahre vor. Die
berufsbegleitenden Masterstudiengänge
werden im Gegensatz zu den Bachelorstudiengängen geringfügig häufiger an
Fachhochschulen als an Universitäten
angeboten. Auffällig ist, dass sowohl an
den Fachhochschulen als auch an den
Universitäten die Wirtschaftswissenschaften den Schwerpunkt bilden. An den
Fachhochschulen zählt hierzu nahezu
jeder zweite und an den Universitäten
9
S TU DI E
jeder dritte Studiengang. Aufgrund des
steigenden Bedarfs im (Alten-)Pflegesektor
erwarteten die Autoren im Berichtsjahr
2011 im Bereich der Pflege- und Gesundheitswissenschaften ein starkes Wachstum.23 Die meisten Angebote wurden im
Bereich der Wirtschaftswissenschaften
(42 Prozent der Bachelor- und 46 Prozent
der Masterstudiengänge) und in den Ingenieurwissenschaften (18 Prozent der Bachelor- und 11 Prozent der Masterstudiengänge) ausgemacht.24 Insgesamt sind für
das Jahr 2009 nur 257 berufsbegleitende
Bachelor- und 697 Masterstudiengänge
an privaten oder staatlichen Hochschulen recherchiert worden. Demgegenüber
wurden über 4.000 Zertifikatskurse gezählt, die als einzelne Angebote nicht zu
einem akademischen Abschluss führen.25
Die Zahlen sagen viel über die Angebotsstruktur, doch wenig über den Bedarf
aus. Selbst wenn ein höherer Bedarf an
berufsbegleitenden Bachelorstudiengängen festgestellt würde, so ist grundsätzlich nicht vorgesehen, dass die Hochschulen die Entwicklung solcher Angebote
aus ihrem Grundhaushalt finanzieren.
Auch über Studiengebühren dürfen
berufsbegleitende Bachelorstudiengänge
in der Regel nicht finanziert werden,
da die Bundesländer Gebührenfreiheit
für ein Erststudium bis zum Masterabschluss garantieren. Ausgenommen sind
weiterbildende Masterstudiengänge. Da
Haushaltsmittel im Wesentlichen durch
grundständige Studiengänge gebunden
sind, führt das zwangsweise zu Defiziten
in der Lehre und Organisation berufsbegleitender Studiengänge. Bisher ist auch
die Nachfrage seitens Berufstätiger eher
gering. Allerdings ist nach Heibült und
Müller für den dritten Bildungsweg eher
schwach geworben worden.26 Die Notwendigkeit der Reorganisation der Studienstruktur scheitert also maßgeblich an
fehlenden Mitteln im Grundhaushalt für
neue Modelle. Zudem sind berufsbegleitende beziehungsweise weiterbildende
Studiengänge stark von dem Engagement
der Professoren und Professorinnen
abhängig.27 Und dieses Engagement wird
kaum honoriert, da zum Beispiel eine
Lehrtätigkeit in der Weiterbildung nicht
auf Lehrdeputate angerechnet wird. Eine
Veränderung der üblichen Präsenzzeiten
für Lehre und ein stärkerer Fokus auf
E-Learning gelten als weitere Herausforderungen für berufsbegleitende Studien-
modelle. Die Defizite werden laut Minks
zusätzlich durch den eher ausgrenzenden und Status schützenden Charakter
akademischer Institutionen verstärkt.28
Auch in berufsbegleitenden Studiengängen wird wenig Rücksicht auf das
unflexible Zeitbudget nicht traditioneller Studierender gegenüber traditionell
Studierenden genommen. Karl-Heinz
Minks und seine Kollegen kritisieren die
partielle Überfrachtung einiger Studiengänge. Ein realistischer Workload von 30
Stunden pro Kreditpunkt ist in der Tat
für Berufstätige in der Regelstudienzeit
kaum zu leisten. Angenommen, man
setzt beispielsweise die Dauer von acht
Semestern für ein Bachelorstudium mit
210 Kreditpunkten an, dann umfasst der
Workload für das Studium beinahe so
viel wie eine Vollzeitstelle. Studierende
mit einer Vollzeitstelle hätten also eine
Arbeitswoche von 70 oder mehr Stunden.
Außerdem müsse berücksichtigt werden,
dass viele Berufstätige keine ›akademischen Lernerfahrungen‹ haben.29 Auch
Heibült und Müller stellen fest, dass für
viele beruflich qualifizierte Studierende
der universitäre Raum, aufgrund von
beispielsweise Altersunterschieden oder
habitueller Differenzen, zunächst eine
große Herausforderung ist.30
Zur Situation im Land Bremen
Im Jahr 2011 verabschiedete die Bremische Bürgerschaft nach dem Vorbild
der KMK erweiterte Regelungen für die
Hochschulzulassung beruflich Qualifizierter ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung. Die Zulassungsvoraussetzungen für beruflich Qualifizierte
im Lande Bremen werden im Detail über
das Bremische Hochschulgesetz geregelt.
Die allgemeine Hochschulzugangsberechtigung wird unter anderem über einen
Meisterabschluss oder diverse Fortbildungsabschlüsse erworben. Studieninteressenten mit anerkannter Berufsausbildung und einschlägiger Berufserfahrung
können eine fachgebundene Hochschulzugangsberechtigung mittels Einstufungsprüfung oder Kontaktstudium oder
weiterbildendem Studium erwerben. In
Niedersachsen bekommen Absolventinnen und Absolventen mit dreijähriger Berufsausbildung und entsprechender Berufserfahrung auch ohne Prüfung einen
fachgebundenen Hochschulzugang (nach
10
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
§ 18 Hochschulzugang des NHG). Hier
sind also die Hürden für viele beruflich
qualifizierte Studieninteressierte niedriger. Über den KMK-Beschluss von 2009
hinausgehend werden in Bremen zum
Beispiel auch Facharbeitertätigkeiten,
die Führung eines Familienhaushaltes
und häusliche Pflege als Berufserfahrung
angerechnet.31 Zudem soll der Zugang
für Studierende des dritten Bildungswegs durch festgelegte Quoten in den
zulassungsbeschränkten Studiengängen
erleichtert werden. Für Absolventinnen
und Absolventen, die zum Beispiel ein
Kontaktstudium durchlaufen oder eine
Einstufungsprüfung abgelegt haben, ist
eine Quote von zwei Prozent der Studienplätze in den Auswahlverfahren vorgesehen (§ 7 Abs. 1 BremHSVVO).32
Studieren ohne Abitur
Der erste und zweite Bildungsweg bezeichnen den Prozess des Erwerbs
der schulischen Hochschulreife, im
zweiten Fall durch das Nachholen von
Schlussabschlüssen. Der dritte Bildungsweg – oft auch als Studieren ohne
Abitur bezeichnet – bezeichnet hingegen den formalen Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung über eine
berufliche Qualifikation, ohne zuvor
die schulische Hochschulreife erworben
zu haben.
Absolventinnen und Absolventen von Aufstiegsfortbildungen, wie
Meister- und Technikerkursen sowie
vergleichbaren landesrechtlich geregelten Fortbildungen, zum Beispiel im
Gesundheits- oder Sozialwesen, besitzen
bundesweit die allgemeine Hochschulzugangsberechtigung für alle Studienfächer, wie es die KMK-Regelungen
von 2009 vorsieht. Dies ist im § 33
Absatz 3a BremHG festgelegt. Wer eine
mindestens zweijährige anerkannte
Berufsausbildung und mehrjährige
Jahre Berufserfahrung in einem zum
Studiengang affinen Bereich vorweisen
kann, kann einen fachgebundenen
Hochschulzugang erwerben. Im Land
Bremen ist nach § 33 Absatz 5 BremHG
(und FachgHSchRVO) der fachgebundene Hochschulzugang an eine fachlich
einschlägige Einstufungsprüfung, ein
Kontaktstudium oder ein weiterbildendes Studium gebunden. [Vgl. Hermeling
(2011), S. 111 f.]
An die Hochschulen erging mit den
erweiterten Zulassungsregelungen
der Auftrag, sich für Studierende mit
Berufserfahrung weiter zu öffnen. Die
Umstellungen sind, insbesondere für die
Universität weitreichend, da günstige
Rahmenbedingungen erst geschaffen
werden müssen. Erst mit zielgruppengerechten Beratungsangeboten,
berufsbegleitenden Studienformaten
und Anrechnungsmöglichkeiten von
beruflich erworbenen Kompetenzen auf
Studiengänge, wird das Studium für
viele Studieninteressierte überhaupt erst
machbar und attraktiv.33 Die Möglichkeit
des berufsbegleitenden Studierens hat
dabei eine Schlüsselfunktion, denn für
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,
die bereits einige Jahre einer berufsfachlichen Tätigkeit nachgegangen sind, birgt
die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit
für ein Vollzeitstudium zumeist zu hohe
finanzielle und berufliche Risiken.
Bisher findet an der Universität
Bremen keine zielgruppenspezifische
Beratung beispielsweise für berufsbegleitend Studierende statt. Die jeweiligen
Fachbereiche und deren Studienzentren handeln in der Ausgestaltung der
Beratung autonom. Dennoch ist perspektivisch eine auf Heterogenität ausgerichtete Beratung und Betreuung in Planung.
In einigen Bereichen der Hochschule
Bremerhavens wird eine zielgruppenspezifische Beratung und Betreuung
bereits angeboten. Diese richtet sich
explizit an Studierende des zweiten und
dritten Bildungswegs, wie zum Beispiel
an Handwerkerinnen und Handwerker,
Facharbeiterinnen und Facharbeiter aus
technischen Berufen.34
An den staatlichen Hochschulen im
Land Bremen gibt es bisher nur einen
berufsbegleitenden Bachelorstudiengang.
Bisher besteht nur an der Hochschule
Bremen die Möglichkeit, alle Studiengänge in Teilzeit zu absolvieren. Berufsbegleitende Masterstudiengänge in verschiedenen Fachrichtungen werden an
mehreren Hochschulen angeboten. Für
diese werden allerdings Studiengebühren
erhoben.
Im Bund-Länder-Programm ›Aufstieg
durch Bildung: Offene Hochschulen‹
werden seit 2011 Projekte gefördert, in
denen Angebote für Studierende ohne
Abitur, berufsbegleitende und duale
Studiengänge sowie Weiterbildungsstu-
11
S TU DI E
diengänge35 entwickelt werden. In der
ersten Förderphase reichten die bremischen Hochschulen einen gemeinsamen
Antrag im Rahmen des Programms ein,
der nicht bewilligt wurde. Die bremische
Landesregierung legte daher ein kleineres Programm ›Offene Hochschule‹ auf,
das mit einer Anschubfinanzierung im
Jahr 2012 an den staatlichen Hochschulen gestartet ist. Unter dem Dach des
Landesprogramms sind zum Teil neue
berufsbegleitende Studiengänge sowie
studienbegleitende Angebote initiiert
worden.36 In der zweiten Förderrunde des
Bundeswettbewerbs konnten alle staatlichen Hochschulen in Bremen Projekte
aus Bundesmitteln einwerben, die im
Jahr 2015 gestartet sind.
1 Eine genaue Definition der von uns
untersuchten Gruppe im Kapitel 2.
2 Nach Berechnungen des CHE (Centrum
für Hochschulentwicklung) auf Basis von
Daten des Statistischen Bundesamtes
gab es 2013 im Land Bremen nur 94
Studienanfänger (1,4 Prozent) und 406
Studierende ohne Abitur (1,2 Prozent).
Daten siehe Studieren ohne Abitur (o. J.).
3 Vgl. Wolter (2012a), S. 23 f.
›Offene Hochschule‹
im Land Bremen
z Universität Bremen:
konstruktiv – Konsequente Orientierung an neuen Zielgruppen strukturell
in der Universität Bremen verankern
www.uni-bremen.de / konstruktiv.html
z Hochschule Bremen:
HSBflex – Flexible Studienstrukturen
für eine offene Hochschule
www.hs-bremen.de / internet / de / hsb /
projekte / hsbflex /
z Hochschule Bremerhaven:
AufWind – Weiterbildungsangebote
in der Windenergiebranche vom
Brückenkurs bis zum Master
www.wettbewerb-offene-hochschulen-bmbf.de /
foerderprojekte / 2-wettbewerbsrundeuebersichtsseite / verbundprojekteuebersichtsseite / 19
z Hochschule für Künste:
Entwicklung weiterbildender
Studienprogramme mit einem Fokus
auf musikalisch-ästhetischer Bildung
www.imbik.hfk-bremen.de /
z Weitere Angebote der Hochschulen
in Bremen sind online aufgeführt auf
der Webseite des Landesprogramms
›Offene Hochschulen‹
www.offene-hochschulen-bremen.de /
4 Vgl. Wolter (2012b), S. 274 ff.
5 Vgl. Handelsblatt (2007).
6 Vgl. Völk (2011), S. 146.
7 Vgl. Völk (2011), S. 152.
8 Vgl. Wolter (2012a), S. 23 f.
9 Ob diese Prognosen aktuell bleiben,
ist allerdings ungewiss. Schließlich
gibt es neben dem Trend der alternden
Gesellschaft, der möglicherweise durch
die aktuelle Zuwanderung teilweise
ausgeglichen wird, einen Trend zu
höheren Schulabschlüssen und höherer
Studierneigung.
10 Leuvener Kommuniqué (2009), S. 3.
11 Vgl. BMBF (2014), S. 3.
12 Vgl. KMK (2009).
13 Vgl. KMK (2002), S. 2.
14 Vgl. Minks et al. (2011), S. 12; Freitag
(2009), S. 222.
15 Vgl. Freitag / Loroff (2011), S. 9.
16 Siehe ANKOM (o. J.).
17 Vgl. Hartmann et al. (2008), S. 16 ff.
18 Vgl. Koch / Meerten (2010), S. 10 ff.
19 Vgl. Akkreditierungsrat (2014).
20 Vgl. Völk (2011), S. 153 ff.
21 Minks et al. (2011), S. III.
22 Inzwischen umbenannt in Deutsches
Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung.
23 Vgl. Minks et al. (2011), S. 36 f.
24 Vgl. Minks et al. (2011), S. III f.
25 Vgl. Minks et al. (2011), S. 48 f.
26 Vgl. Heibült / Müller (2014), S. 41.
27 Vgl. Faulstich / Oswald (2010), S. 11.
28 Vgl. Minks et al. (2011), S. 7 f.
29 Vgl. Minks et al. (2011), S. 28.
30 Vgl. Heibült / Müller (2014), S. 43.
31 FachgHSchRVO § 2.
32 § 7 Abs. 1 BremHSVVO und KMK
(2014), S. 27.
33 Dies belegen die Erfahrungen und
Ergebnisse der ANKOM-Initiative, vgl.
Freitag et al. (2015), S. 13.
34 Vgl. KMK (2014), S. 33.
35 Vgl. Nickel / Doung (2012), S. 20 f.
36 Nähere Informationen unter Offene
Hochschulen Bremen (o. J.).
12
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
Studie
›Berufsbegleitendes
Studieren in Bremen‹
2
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13
S TUDIE
TU DI E
JE SSIC A HEIBÜLT
SU SANNE HERME L ING
Zentrale Thesen, empirische Datengrundlage und methodisches Vorgehen
Während Barrieren auf dem Weg zur
Hochschule und notwendige Schritte für
die weitere Öffnung der Institution Hochschule bereits seit Längerem Gegenstand
der Forschung sind,1 fehlt eine systematische Untersuchung von Rahmenbedingungen für berufsbegleitendes Studieren.
Mit der vorliegenden Studie möchten wir
dieses Forschungsfeld explorativ öffnen.
Unser Schwerpunkt liegt auf der Frage
der Vereinbarkeit von Studium, Beruf
und Privatleben aus der Sicht von Studierenden. In der Wissensarbeit stehen Beschäftigte mehr denn je vor der Herausforderung, Lernen, Beruf und Privatleben
auszubalancieren. Steigende Leistungsanforderungen, kürzere Halbwertszeiten
von erworbenem Wissen sowie hohe
Ansprüche an privater Selbstverwirklichung fordern Beschäftigte zunehmend
heraus. Im Rahmen der Debatte um
Work-Life-Balance (WLB) kann bereits auf
eine Vielzahl von Untersuchungen und
Empfehlungen zurückgegriffen werden.
Syrek et al. machen allerdings deutlich,
dass durch die zunehmenden Lernanforderungen und zahlreichen Optionen des
Wissenserwerbs die Vereinbarkeit um
die Komponente des Lernens erweitert
werden muss. Permanentes Lernen muss
mit dem Arbeitsleben und dem Privatleben vereinbart werden und erfordert
deshalb neue Strategien der Work-LearnLife-Balance (WLLB).2
Die Ergebnisse unserer Studie stützen
sich auf qualitative Interviews und eine
quantitative Befragung von berufsbegleitend Studierenden. Die subjektive
Perspektive von Studierenden auf die
Vereinbarkeit von Studium, Beruf und
Privatleben wird mit Experteninterviews
in Hochschulen einerseits und in Betrieben andererseits in Beziehung gesetzt.
Die individuelle Perspektive der Studierenden wird methodisch somit um die
institutionelle Perspektive von Hochschulen und Betrieben ergänzt. Individuelle
und institutionelle Praxen sind jedoch
nicht ohne Bezug zu der jeweils übergeordneten Makro-Ebene zu denken. In der
Einleitung haben wir politische Diskurse
und Beschlüsse sowie rechtliche Grundlagen skizziert, um diese Zusammenhänge
zu verdeutlichen. Arbeitssoziologische
Analysen von Interviewdaten hinsichtlich
der Entwicklung von Arbeitsorganisation,
von geschlechtsspezifischen Berufsstrukturen und privater Sorgearbeit wären darüber hinaus im Rahmen eines größeren
Forschungsprojekts von Interesse. Wir
stellen entsprechende Bezüge aufgrund
begrenzter Kapazitäten nicht systematisch her, geben aber Hinweise auf einen
weitergehenden Forschungsbedarf bei
auffälligen Befunden. Konkretes Ziel der
vorliegenden Studie ist es, mittelfristig
zu realisierende Handlungsfelder für die
Verbesserung der Studienbedingungen
zu identifizieren. Diese richten sich in
erster Linie an die institutionelle Ebene
von Betrieben und Hochschulen sowie an
politische Entscheidungsträger.
Forschungsleitende Thesen
und Fragestellungen
Minks et al. bezeichnen berufsbegleitendes Studieren als die Möglichkeit, neben
einer beruflichen und / oder familiären
Tätigkeit ein Studium aufnehmen zu
können. Der ausgeübte Beruf und das
Studienfach müssen dabei in keinem
fachlichen Zusammenhang zueinanderstehen.3 Da die Gruppe der berufstätigen
Studierenden hinsichtlich der Studienzeiten und des Theorie-Praxis-Transfers
andere Bedürfnisse hat als traditionelle
Studierende (siehe Kasten), werden ausgewiesene berufsbegleitende Studiengänge
besonders gestaltet. Sie unterscheiden
sich von den tradierten Vollzeitstudiengängen im zeitlichen Format sowie
in Didaktik und Methodik.4 Zu den
berufsbegleitend Studierenden werden
14
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
per Definition auch solche Studierende
gezählt, die an regulären Studiengängen
teilnehmen, auch wenn dies bislang sehr
selten genutzt wird.5
Definition traditionelle/
nicht traditionelle Studierende
Die Begriffe traditionelle beziehungsweise nicht traditionelle Studierende
begleiten die Diskussionen um die
›Öffnung der Hochschulen‹. Der Begriff
der ›nicht traditionellen Studierenden‹
bezieht sich auf die Kategorie des ›nontraditional students‹ der angelsächsischen Länder. Dabei existiert international bisher keine einheitliche Definition.
Teichler / Wolter (2004, S. 70 ff.) bezeichnen nicht traditionelle als Studierende,
die nicht auf geradem Weg zur Hochschule gekommen sind; die nicht die
regulären schulischen Voraussetzungen
für den Hochschulzugang erfüllen
und die nicht in der üblichen Form
eines Vollzeit- und Präsenzstudiums
studieren (also Teilzeit-, Abend- und
Fernstudierende). In Anlehnung daran
verstehen wir traditionelle Studierende
als jene Studierende, die entsprechende
Kriterien erfüllen. In dieser Studie wird
der Begriff der ›nicht traditionellen
Studierenden‹ jedoch nicht verwendet,
da auch berufsbegleitend Studierende
in Vollzeit- und Präsenzstudium in die
Untersuchung einbezogen werden.
Wir sprechen in unserer Untersuchung
von berufsbegleitendem Studieren, wenn
Studierende während ihres Studiums
mit mindestens einer halben Vollzeitstelle weiter in ihrem erlernten Beruf
arbeiten oder eine darauf aufbauende
komplexe Tätigkeit ausüben. Anders
als die Ausübung von studentischen
›Nebenjobs‹, ist die berufsfachliche
oder komplexe Tätigkeit mit hohen
Anforderungen verbunden, da sie mit
der Übernahme von fachlicher, organisatorischer und gegebenenfalls auch
personeller Verantwortung einhergeht.
Das heißt, berufsfachlich Beschäftigte
werden in der Regel sowohl zeitlich als
auch psychologisch und organisatorisch
stark in Anspruch genommen und stehen
deshalb hinsichtlich der Vereinbarkeit
von Studium, Beruf und Privatleben vor
besonderen Herausforderungen. Ebenso
ist denkbar, dass Beschäftigte, die bei
komplexen Tätigkeiten eigenverantwortlich arbeiten können, Freiräume haben,
die die Vereinbarkeit verbessern können.
Eine daraus abgeleitete These lautet, dass
sowohl hohe berufliche Anforderungen
als auch selbstverantwortliches Arbeiten
die Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und
Studium entscheidend beeinflussen.
Weiterhin setzten wir voraus, dass
die Berufstätigkeit einen fachlichen
Bezug zum Studium hat, um Aspekte
des Theorie-Praxis-Transfers bewerten
zu können. Wir gehen dabei von der
These aus, dass eine fachliche Tätigkeit
Möglichkeiten bieten kann, Studieninhalte im Arbeitsalltag oder in Form von
Projektarbeiten zu bearbeiten. Auch eine
leichtere Erschließung von Studieninhalten aufgrund einschlägiger beruflicher
Erfahrung, also ein Praxis-Theorie-Transfer, könnte die Vereinbarkeit verbessern.
Da die Frage der Vereinbarkeit von Studium und Beruf im Mittelpunkt unserer
Studie steht, interessieren uns die Rahmenbedingungen und Bewältigungsstrategien unterschiedlicher Berufsgruppen.
Dabei war die Annahme leitend, dass
berufsgruppenspezifische betriebliche
Rahmenbedingungen vorzufinden sind,
die nach Branchen, Arbeitszeitmodellen
oder Betriebsgrößen differenziert werden
können und sich unterschiedlich auf die
Vereinbarkeit von Studium, Beruf und
Privatleben auswirken. Besonders interessant waren für uns zudem die Fragen,
15
S TU DI E
ob und in welcher Form die Studierenden
von ihren Arbeitgebern unterstützt werden und ob sich die Arbeit der Befragten
mit Beginn des Studiums verändert hat.
Durch das zentrale Auswahlkriterium
der berufsfachlichen Tätigkeit, die einen
Bezug zum Studium aufweist, werden in
die Untersuchung sowohl Studierende
mit als auch ohne Abitur eingeschlossen.
Zudem sind Studierende mit Berufsund / oder mit Hochschulabschlüssen
einbezogen. Durch den Mix an Bildungsprofilen unter den Studierenden sind
Berufstätige verschiedener betrieblicher
Hierarchieebenen in der Studie vertreten.
Wir gehen davon aus, dass Angehörige
unterschiedlicher Hierarchieebenen auch
unterschiedliche Rahmenbedingungen
vorfinden, welche die Vereinbarkeit
beeinflussen können. Wir haben beispielsweise danach gefragt, welche Rolle
Arbeitszeitmodelle, die Position der einzelnen Beschäftigten im Betrieb oder das
Verhältnis zu Vorgesetzten und Kollegen
für die Vereinbarkeit spielen.
Neben dem Beruf stellt das Privatleben beziehungsweise das familiäre und
soziale Umfeld der Studierenden eine
entscheidende Variable der Vereinbarkeit dar. In der Studie haben wir daher
Rahmendaten zu Kindern, Partnerschaft
und Wohnformen erhoben. Wir nahmen
an, dass die zweifache Belastung mit
Beruf und Studium sich vor allem auf das
Privatleben auswirken würde. Gleichzeitig vermuteten wir, dass Verständnis
und Unterstützung im sozialen Umfeld
als wichtig erachtet werden. Sowohl in
den Interviews als auch im Fragebogen
hatten die Studierenden die Möglichkeit,
Probleme ebenso wie Unterstützung
und Entlastung in ihrem Privatleben zu
thematisieren.
Eine gute Vereinbarkeit ist nicht
zuletzt von den Studienangeboten und
den hochschulischen Rahmenbedingungen abhängig. In den Interviews waren
die Studierenden deshalb aufgefordert,
die von ihnen gewählten Studienformate
sowie ihr eigenes Studienverhalten zu
bewerten. Darüber hinaus hatten sie die
Möglichkeit, Probleme im Rahmen des
Studiums zu benennen. Für die Politikberatung steht schließlich die Frage im
Raum, in welcher Form sich die staatlichen Hochschulen der neuen Aufgaben
annehmen und auf welche Ressourcen
sie dabei zurückgreifen können.
Empirische Datengrundlage
In der Untersuchung haben wir uns auf
Angebote der staatlichen Hochschulen
beschränkt. Diese sind abhängig von
öffentlicher Finanzierung und gesetzlich
definierter Aufgabenstellung und damit
auch ein wichtiger Bereich für die Politikberatung. Ein empirischer Vergleich
zwischen privaten und staatlichen Hochschulen wird aus forschungsökonomischen Gründen in dieser Untersuchung
nicht vorgenommen, aber grundsätzlich
als lohnenswert erachtet.6
Bei der Auswahl der Studiengänge,
in denen wir Befragungen durchgeführt haben, war es uns wichtig, dass
sie das Spektrum von Berufsgruppen
adressieren, für die eine Akademisierung und wissenschaftliche Weiterbildung aufgrund der Veränderungen des
jeweiligen Berufsfeldes oder aufgrund
guter Aufstiegsmöglichkeiten bereits
seit Längerem thematisiert werden. Wir
wählten deshalb Angebote für kaufmännische und technische Berufsgruppen
sowie für soziale Dienstleistungsberufe
aus. Die weiterbildenden Masterstudiengänge richten sich in der Regel vornehmlich, aber nicht ausschließlich nur an
eine dieser Berufsgruppen. So werden
beispielsweise in der Fachrichtung Wirtschaftswissenschaften technische oder
andere Berufe angesprochen, die organisatorische oder Managementaufgaben im
Betrieb übernehmen. Hier regelt also die
Berufserfahrung den Zugang zum Studium ebenso wie die formale Qualifikation.
Für kaufmännische Berufe (Kaufleute,
Fach- und Betriebswirte) ist das Angebot
an berufsbegleitenden Formaten am
weitesten entwickelt, mehr als 40 Prozent
aller Studiengänge liegen bundesweit
im Bereich der Wirtschaftswissenschaften, werden jedoch zum größeren Teil
von privaten Hochschulen angeboten.7
Angebote für technische und IT-Berufe
sowie für soziale Dienstleistungsberufe
(hier sind Pflege-, Gesundheits- und Erziehungsberufe gemeint) entwickeln sich
langsam. Doch nicht nur in der bundesweiten Diskussion, sondern auch im Land
Bremen ist für diese Berufsgruppen ein
größerer Bedarf an wissenschaftlicher
Weiterbildung formuliert worden.8
16
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
Der Kontakt zu Studierenden wurde
über sieben Studiengänge an staatlichen
Hochschulen im Land Bremen hergestellt. Für die Studie wurden Interviews
mit Studierenden und Studiengangsverantwortlichen in zwei Bachelor- und vier
Masterangeboten durchgeführt. Wir haben uns auf Bachelor- und Masterstudiengänge beschränkt, da diese Studiengänge
aufgrund der zeitlichen Länge von zwei,
drei oder mehr Jahren und der strukturierten Abschlussprüfungen in dieser Zeit
besonders große organisatorische und
psychologische Herausforderungen an
die Studierenden stellen. Bachelor und
Master bieten zudem klare Anschlussmöglichkeiten im Bildungssystem sowie
Aufstiegsmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt und sind deshalb mit anderen
Studienmotivationen und beruflichen
Perspektiven verbunden als alternative
Weiterbildungen. Zwar können auch
Zertifikatsstudiengänge Anschlüsse und
Aufstiege ermöglichen und sind mitunter so konzipiert, dass sie in Bausteinen
zu einem Hochschulabschluss führen
können. Sie haben jedoch einen weniger
etablierten Status in unserem Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt.9
Alle sieben Studiengänge sind an der
Universität und an der Hochschule Bremen angesiedelt. Nur an diesen beiden
staatlichen Hochschulen können derzeit
Gruppen von berufstätigen Studierenden
in unserem Sinne identifiziert werden.
An beiden Hochschulen gibt es bereits
einen Bachelor- und verschiedene Masterstudiengänge in berufsbegleitenden Formaten. An der Hochschule Bremerhaven
gibt es Pläne für die Entwicklung berufsbegleitender Studiengänge, bisher lässt
sich jedoch keine nennenswerte Zahl von
berufstätigen Studierenden nach unserer
Definition an der Hochschule Bremerhaven ausmachen. Experteninterviews
wurden jedoch auch hier durchgeführt.
Diese zeigen, dass an der Hochschule ein
Bedarf für die Entwicklung von berufsbegleitenden Studienformaten gesehen
wird. An der Hochschule für Künste (HfK)
wurden keine Interviews durchgeführt,
da an der HfK bisher nur ein Zertifikatsstudium im berufsbegleitenden Format
angeboten wird.
In der Stichprobe sind Studierende und
Experten aus zwei Masterstudiengängen
mit der Fachrichtung Wirtschaftswissenschaften befragt worden, die entweder
kaufmännische, technische und andere
Berufsgruppen adressieren. Ein Bachelorstudiengang im Bereich Berufspädagogik und ein Masterstudiengang im
Bereich Mathematik / Informatik richten sich ausschließlich an technische
Berufsgruppen. Ein Master- und ein Bachelorstudiengang im Bereich Pflege- und
Gesundheitswissenschaften richten sich
vornehmlich an Sozial- und Pflegeberufe.
In den genannten Studiengängen wurden
neben Studierenden auch Studiengangsverantwortliche interviewt. Ein weiterer
Masterstudiengang aus der Fachrichtung
der Erziehungswissenschaften, der ausschließlich in der Fragebogenerhebung
berücksichtigt wurde, setzt die Qualifizierung in einem pädagogischen Beruf
voraus (siehe Tabelle 1).
Bei der Wahl der Studienformate
haben wir eine Mischung aus Vollzeit-,
Teilzeit- oder berufsbegleitenden Studienformaten angestrebt, um Hinweise
darauf zu erhalten, wie sich verschiedene
Formate für Berufstätige in der Praxis bewähren. Weiterhin stellten wir im Erhebungsprozess fest, dass keine Daten über
die Grundgesamtheit von berufsbegleitend Studierenden vorliegen. Wir wissen
zum Beispiel nicht, wie viele beruflich
qualifizierte Studierende neben einem
regulären Vollzeitstudium oder einem
Teilzeitstudium an den Bremer Hochschulen ihre berufliche Tätigkeit weiterführen. Diese Gruppe ist wahrscheinlich
eher klein. Wir haben daher den Zugang
zu Studierenden vor allem über solche
Studiengänge gesucht, die entweder als
berufsbegleitend ausgeschrieben sind
oder die gezielt beruflich qualifizierte
Studierende adressieren.
17
S TU DI E
Dual Studierende, in deren Studienalltag – in Anlehnung an das duale Ausbildungssystem – Theorie- und Praxisphasen
strukturiert ineinandergreifen, wurden
nicht in unsere Stichprobe einbezogen,
da sich das Format grundlegend von
einem berufsbegleitenden Studium
unterscheidet. Bei Letzterem sind in
erster Linie die Studierenden selbst dafür
verantwortlich, Studium und Beruf
miteinander in Einklang zu bringen. Im
Fall des dualen Studiums koordinieren
Hochschulen in Kooperation mit Unternehmen eine strukturierte Studienorganisation und garantieren somit bereits
eine gute Vereinbarkeit zwischen Beruf
und Studium.
Die Rekrutierung berufsbegleitend
Studierender für Interviews und Befragungen war mit besonderen Schwierigkeiten behaftet. Das liegt besonders
daran, dass in den ausgewählten Studienformaten nur eine kleine Anzahl von
Menschen studiert, deren Alltag zusätzlich von Zeitmangel beherrscht ist. Es ist
uns nicht in jedem Studiengang gelungen, Gruppeninterviews zu organisieren.
Wir haben daher neben den drei Gruppeninterviews auch drei Einzelinterviews
geführt.
Um einen Einblick in betriebliche Perspektiven zu Möglichkeiten und Barrieren
der Vereinbarkeit von Beruf und Studium
zu bekommen, wurden vier Experteninterviews mit Personalentwicklungen von
Bremer Betrieben durchgeführt. Für diese
Gespräche konnten Personalverantwortliche aus dem Gesundheitsbereich, aus der
Logistikbranche und aus der Metallbranche gewonnen werden.
Methodisches Vorgehen
Für die Untersuchung haben wir einen
Mix aus qualitativen und quantitativen
Methoden gewählt. Die leitfadengestützten Experteninterviews10 mit Studiengangsverantwortlichen haben wir an den
Anfang der Feldphase gesetzt, um einen
Einblick in das Feld berufsbegleitendes
Studieren und in die Gestaltung von verschiedenen Studiengängen zu erhalten.
Auch Erfahrungs- und Deutungswissen
der Studiengangsverantwortlichen
hinsichtlich der beruflichen und betrieblichen Rahmenbedingungen von Studierenden sowie möglicher Probleme bei
der Vereinbarkeit wurden einbezogen.
Die Interviews wurden auf der Basis von
Mitschriften protokolliert und inhaltsanalytisch ausgewertet. Die Protokolle
wurden mit den Interviewpartnerinnen
und Interviewpartnern abgestimmt, um
Fehler in der Auswertung zu minimieren. In einem Masterstudiengang für
Erziehungsberufe wurden keine Experteninterviews durchgeführt. Wir führten
die quantitative Befragung dort später
durch, da wir den Bereich der sozialen
Dienstleistungen zu diesem Zeitpunkt in
der Erhebung unterrepräsentiert sahen.
Die Experteninterviews mit Personalentwicklern in Betrieben wurden ebenfalls protokolliert und inhaltsanalytisch
ausgewertet. Da wir in Betrieben lediglich vier Interviews führten, können wir
aus den Ergebnissen allenfalls Beispiele
bezüglich besonderer Interessenlagen
und Möglichkeiten von Unternehmen
hinsichtlich der Förderung von berufsbegleitendem Studieren ableiten.
Die qualitativen Interviews mit Studierenden setzten sich aus unterschiedlichen Teilnehmerzahlen zusammen. Für
den kaufmännischen Bereich konnten
wir ein Gruppeninterview mit vier Teilnehmenden sowie ein Einzelinterview,
für den technischen Bereich ein Gruppeninterview mit vier Teilnehmenden
und zwei Einzelinterviews und für den
Bereich der sozialen Dienstleistungen ein
Gruppeninterview mit zwei Studierenden auswerten. Im Bereich der sozialen
Dienstleistungen gibt es für zwei Studienangebote nur quantitative Ergebnisse,
18
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
da keine Interviewteilnehmenden zur
Verfügung standen und für ein Studienangebot nur qualitative Ergebnisse, da
die Anzahl der Studierenden für eine
quantitative Erhebung zu gering war. Es
bleibt damit zu berücksichtigen, dass
die Gruppe der kaufmännischen und
technischen Berufe stärker repräsentiert
ist, als die der sozialen Dienstleitungen
(vgl. Tabelle 1).
Die Gruppeninterviews sind an der
Methode der Fokusgruppeninterviews
orientiert.11 Bei dieser Methode stehen
weniger Gruppendynamik und soziales
Verhalten im Zentrum der Analyse. Vielmehr geht es darum, durch thematische
Impulse der Interviewer eine Bandbreite
an subjektiven Erfahrungen zu einer bestimmten sozialen Situation zu erfassen.
In unserem Fall teilen die Interviewpartner die Erfahrung des berufsbegleitenden Studierens. Die Interviews wurden
leitfadengestützt durchgeführt, transkribiert und sprachlich leicht bereinigt. Die
Daten wurden inhaltsanalytisch ausgewertet.
Die Einzelinterviews orientieren sich
an der Methode des problemzentrierten
Interviews,12 in dem durch einen Wechsel
von Frage und Antworten die forschungsleitende Problemstellung und deren
Rahmenbedingung thematisiert werden.
Ergänzt wird das Interview durch einen
Kurzfragebogen am Ende, in dem die
wichtigsten Sozialdaten aufgenommen
werden. Dieser Fragebogen wurde auch
am Ende der Gruppeninterviews ausgefüllt, um eine einheitliche Datengrundlage der Interviews zu gewährleisten.
Die Einzelinterviews wurden ebenfalls
leitfadengestützt durchgeführt, transkribiert, sprachlich leicht bereinigt und
inhaltsanalytisch ausgewertet.
Die qualitativen Erkenntnisse werden
mit Ergebnissen einer quantitativen
Fragebogenergebung unter berufstätigen
Studierenden aus sechs verschiedenen
Studiengängen ergänzt, es gab jedoch
keinen Rücklauf aus einem Studiengang.
Das Befragungsinstrument wurde nach
den ersten Gruppeninterviews entwickelt,
als die ersten Hinweise auf Problemlagen
bei der Vereinbarkeit vorlagen. Aus einem
Rücklauf von 59 Fragebögen konnten
nach einer Bereinigung13 53 Fragebögen
ausgewertet werden. Die quantitativen
Daten beanspruchen keine Repräsentati-
Tabelle 1:
Quantitative Befragung und qualitative Interviews
Studiengang
Berufsgruppe
Soziale Dienstleistungen
Fachrichtung
Abschluss
Format
Sozial-/Pflegeberufe u.a.
Medizin/Gesundheit
Master (WB)
berufsbegleitend
Pflegeberufe
Medizin/Gesundheit
Bachelor
Vollzeit
Erziehungswissenschaft
Master (WB)
berufsbegleitend
Mathematik/Informatik
Master (kons.)
Teilzeit/Vollzeit
Berufspädagogik
Bachelor
berufsbegleitend/Vollzeit
Wirtschaftswissenschaften
Master (WB)
berufsbegleitend
Wirtschaftswissenschaften
Master (WB)
berufsbegleitend
Erziehungsberufe
Technischer Bereich
IT-Berufe
technische Berufe
technische Berufe u.a.
Kaufmännischer Bereich
kaufmännische und andere Berufe
keine Zuordnung möglich
19
S TU DI E
vität. Repräsentative Erhebungen dürften
bei der derzeitigen Datenlage ohnehin
kaum durchführbar sein. Nur in den als
berufsbegleitend ausgewiesenen Studiengängen ist die Gruppe der berufstätigen
Studierenden überhaupt klar umrissen.
Die Grundgesamtheit der berufsbegleitend Studierenden an allen Hochschulen
ist nicht bekannt und auch die Hochschulen führen keine entsprechende Statistik. Der Aufruf zur Interviewteilnahme
erreichte jedoch immer alle Studierenden
eines Studiengangs. Die Berufstätigen
unter ihnen wurden in der Einleitung des
Fragebogens gesondert angesprochen. Die
quantitativen Ergebnisse können somit
einen explorativen Einblick in die Situation der Studierenden geben und in diesem
Rahmen die qualitativen Daten sinnvoll
ergänzen.
1 Vgl. unter anderem Hartmann et al.
(2008); Loroff et al. (2011);
Minks (2011); Hanft (2013);
Wolter (2013), Wolter et al. (2014).
2 Vgl. Syrek et al. (2014), S. 123 f.
3 Vgl. Minks et al. (2011), S. 14.
4 Vgl. Wolter (2012b), S. 277.
5 Vgl. Minks et al. (2011), S. 14.
6 Am Institut für Arbeit und Personal der
FOM Hochschule für Oekonomie und
Management Essen wurden im Rahmen
einer quantitativen Befragung die Antworten von 859 berufstätigen Studierenden
ausgewertet. Diese Studierendengruppe
studiert ausschließlich in privaten
Studiengängen, vornehmlich wirtschaftswissenschaftlicher Ausrichtung und ist
mit einem Durchschnittsalter von 27,6
Jahren relativ jung. Sie ist daher mit den
von uns befragten Studierenden nur sehr
bedingt vergleichbar. Die Befragung gibt
jedoch einige interessante Einblicke in
die Gestaltungsräume und Belastungen
im Erwerbsleben der Studierenden.
Vgl. Tegtmeier / Hellert (2015).
7 Vgl. Minks et al. (2011),
S. III f., S. 28, S. 38.
8 Vgl. Knigge (2010a, 2010b).
9 Vgl. Minks et al. (2011), S. V.
10 Vgl. Bogner et al. (2002).
11 Vgl. Przyborski (2008).
12 Vgl. Witzel (2000).
13 Wir haben unvollständige Datensätze sowie Datensätze, die
nicht unserer Definition von berufsbegleitend Studierenden entsprachen,
nicht ausgewertet.
Interviews und Befragung
Studierender
Gruppeninterviews (n=10)
Einzelinterviews (n=3)
GI3 (n=2)
/
/
GI2 (n=4)
Studiengangsverantwortliche
Quantitative Befragung (n=53)
Experteninterviews (n=11)
Personalentwicklung
in Betrieben
Experteninterviews (n=4)
/
1 (n=1)
Pflegebranche
n=9
1 (n=1)
2(n=2)
n=7
/
/
1 (n=2)
I1, I2 (n=2)
n=7
1 (n=1)
I3 (n=1)
n=7
1 (n=1)
n=22
1 (n=2)
Metallbranche
(n=1)
LogistikGI1 (n=4)
n=1
branche (n=1)
20
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
Die Perspektive von
Hochschulen
3
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21
S TUDIE
TU DI E
SU SANNE HERME L ING
Qualitative Experteninterviews
Um mehrere Facetten der hochschulischen Praxis zu berücksichtigen, wurden für die Expertengespräche sechs
Studiengänge an der Universität und
der Hochschule Bremen ausgewählt, die
Berufstätige adressieren. Darunter sind
sowohl berufsbegleitende als auch Regelstudiengänge (siehe Tabelle 1 in Kapitel
2). Die leitfadengestützten Interviews mit
Studiengangsverantwortlichen wurden
protokolliert und nach verschiedenen
Themenfeldern ausgewertet. Da es vor
allem darum ging, gezielte Informationen über die Praxis der Institutionen zu
bekommen, verzichteten wir auf Transkriptionen von Tonbandaufnahmen.
Vereinzelt fließen jedoch auch in den
Expertengesprächen subjektive Beobachtungen und Deutungswissen über die
Belastungen für Studierende ein, die für
unsere Auswertung hinsichtlich einer
ersten Einschätzung der Belastungssituation von berufsbegleitend Studierenden
relevant waren. Mit den Interviews gewannen wir ein klareres Bild der Interessen, Bedürfnisse und beruflichen Hintergründe berufsbegleitend Studierender.
Im Mittelpunkt steht jedoch die Frage
nach den Konzepten und der Didaktik,
mit denen Hochschulen Berufstätige
ansprechen, beraten und im Studium
begleiten. Die drei berufsbegleitenden
Masterstudiengänge in unserem Sample
sind ausschließlich auf berufserfahrene
und in der Regel vollzeiterwerbstätige
Studierende ausgerichtet. Für diese Weiterbildungsmaster werden Studiengebühren erhoben. Schon aus diesem Grund
haben sie einen anderen ›Servicecharakter‹ als Regelstudienangebote. Die zwei
Bachelorprogramme und der konsekutive
Masterstudiengang sind dagegen gebührenfrei und adressieren sowohl jüngere
traditionelle Studierende als auch berufstätige Studierende. Die Herausforderung
besteht in diesen Studienangeboten insbesondere darin, die Bedürfnisse beider
Gruppen zu integrieren. Im Folgenden
werden diese Studiengänge in Abgrenzung zu den Weiterbildungsmastern als
›gemischte‹ Studiengänge bezeichnet.
Konzeption, Zugang und Beratung –
Weiterbildungsmaster
In die Konzeption der drei Studiengänge
fließen langjährige Erfahrungen in der
wissenschaftlichen Weiterbildung sowie
eigene, einschlägige Berufserfahrung der
Studiengangsverantwortlichen ein. Die
von uns Interviewten haben keine typischen wissenschaftlichen Karrieren einer
/ eines Hochschullehrenden, die sich eher
durch einen durchgängigen Verbleib an
der Hochschule nach Ende des Studiums
auszeichnen. Die Interviewten haben vielmehr einen engen Bezug zu den beruflichen Praxisfeldern ihrer Studierenden
und sind außerdem im System Hochschule verankert. Sie zeigen daher eine
hohe Bereitschaft und Fähigkeit, sich in
die Situation berufstätiger Studierender
hineinzuversetzen.
Allen Studiengängen gingen einzelne
oder zusammenhängende Angebote der
wissenschaftlichen Weiterbildung voraus.
Nachfragen und Rückmeldungen von
Teilnehmenden und die Beobachtung
der entsprechenden Berufsfelder zeigten
daraufhin den Bedarf für einen vollumfänglichen Studiengang an. Von systematischen Bedarfsanalysen berichteten die
Studiengangsverantwortlichen nicht.1
Zwei der Studiengänge setzen für
den Zugang einen Hochschulabschluss
verschiedener Fachrichtungen voraus. In
dem dritten Studiengang ist dagegen die
Eingangsprüfung (in der zum Beispiel
mittels Rollenspielen Potenziale ausgelotet werden) relevanter bei der Auswahl
als der formale Abschluss. Ausschlaggebend ist hier die Berufserfahrung. Berufseinsteigern wird meist vom Studium
abgeraten, auch weil sie die zusätzliche
22
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
Belastung erfahrungsgemäß nicht tragen
können. Die Prüfung vermittelt außerdem ein Bild der Profile der Teilnehmenden. Diese sind meist in betrieblichen
Führungspositionen oder freiberuflich in
der Unternehmensberatung tätig. Über
die Hälfte der Studierenden hat einen
Hochschulabschluss, weitere haben eine
fachschulische Aufstiegsfortbildung
absolviert.
Die Studiengänge werden vornehmlich
über das Internet und soziale Medien,
aber auch durch teilweise regelmäßige
Informationsveranstaltungen beworben.
Bei den bereits etablierten Studiengängen ist die Empfehlung von Studierenden
oder Absolventinnen und Absolventen
an Kolleginnen und Kollegen im eigenen
Berufsfeld eine wichtige informelle Werbemaßnahme. Einige Studierende sind
ehemalige Teilnehmende an zertifizierter
Weiterbildung der Hochschulen, die sich
mit einzelnen Modulen der Studiengänge
decken. Die Studierenden kommen in
der Regel auf eigene Initiative und werden sehr selten von Unternehmen oder
Organisationen entsendet. Im Marketing
werden daher eher Menschen als Betriebe
angesprochen.
Alle Interviewten sind sich darin einig,
dass Berufstätige einen hohen individuellen Beratungsbedarf haben. Dieser
bezieht sich auf Fragen zur Studienorganisation, zu den inhaltlichen Anforderungen, aber auch auf persönliche Fragen zur Vereinbarkeit von Beruf, Studium
und Privatleben. Bei zwei Studiengängen
sind die inhaltlich Verantwortlichen die
Hauptansprechpersonen für Studieninteressierte. In einem Studiengang wird eine
umfassende persönliche Beratung vor
und während des Studiums durch eine
Studiengangskoordinatorin angeboten.
Hier werden Fragen der Studierbarkeit
geklärt und ein persönlicher Studienverlaufsplan erstellt, der größtmögliche
Flexibilität bei der Belegung der einzelnen Module bietet.2
Ein Brückenangebot für Studierende
zur Einführung in wissenschaftliches
Arbeiten wird nur in einem Interview
erwähnt. Es besteht nach Einschätzung
dieser Studiengangsleitung ein hoher
Bedarf, obwohl die Studierenden einen
ersten Hochschulabschluss mitbringen.
In der Einführung entwickeln die Studierenden außerdem realistische Vorstellungen über die Anforderungen im Studium
und machen die wichtige Erfahrung,
dass ihre Arbeiten kritisiert werden.
Die zeitlichen Formate der Weiterbildungsmaster unterscheiden sich deutlich
vom Regelstudium. Aufgrund der höheren Spezialisierung ist außerdem der Adressatenkreis für Weiterbildungsmaster
kleiner als bei den Regelstudienangeboten. Die Studiengänge werden daher über
die Grenzen Bremens hinaus beworben,
auch die mitunter langen Anfahrtswege
für Beschäftigte außerhalb Bremens
werden berücksichtigt. Die Präsenzveranstaltungen der Weiterbildungsmaster
werden im Block angeboten, belegen jedoch fast nie das ganze Wochenende, um
wenigstens den Sonntag als Erholungstag
zu erhalten.
Die Präsenzzeiten stehen lange im
Voraus fest, sodass ein transparenter
Studienplan entsteht. Zwei Studiengänge verzichten auf Präsenzzeiten in den
Schulferien. In dem dritten Studiengang
richten sich die Zeiten am regulären
Semester aus, da einige Veranstaltungen
aus Regelstudiengängen im Programm
sind.
Bei den Weiterbildungsmastern der
Fachrichtung Wirtschaftswissenschaft
können einzelne zertifizierte Module
als Weiterbildung belegt werden. Für
viele ist das ein Einstieg in das gesamte
Studium, zumal die dort erworbenen
Kreditpunkte auf das Studium angerechnet werden. In einem der Studiengänge
mit eher breiter fachlicher Ausrichtung,
werden alle Module kontinuierlich neu
angeboten und können so flexibel von
den Masterstudierenden belegt werden.
Urlaubssemester und zeitweise Exmatrikulation sind in diesem Studiengang
möglich, wenn Studierende beruflich
oder privat stark belastet sind. Offensichtlich ist, dass diese hohe Flexibilität in der
Studienorganisation nur dann umsetzbar
ist, wenn die angebotenen Module von
einer größeren Studierendengruppe kontinuierlich nachgefragt werden. In den
zwei Weiterbildungsmastern mit stärkerer fachlicher Spezialisierung ist jedoch
eher von kleineren Studierendengruppen
auszugehen. Das mindert die Möglichkeiten der Studienflexibilität.
23
S TU DI E
Anrechnung von beruflich
erworbenen Qualifikationen
und Kompetenzen –
Weiterbildungsmaster
In allen drei Studiengängen können
durch einschlägige Berufserfahrung oder
durch Weiterbildung erworbene Kompetenzen als Kreditpunkte individuell
angerechnet werden. Maximal kann auf
diesem Weg ein Viertel der Studienleistungen erlassen werden. Ein Studiengangsverantwortlicher berichtet, dass
eine solche Möglichkeit, die in den Informationsmaterialien genannt wird, noch
nie nachgefragt wurde. In einem weiteren Studiengang wird auf ein an einer
ausländischen Hochschule erprobtes Verfahren zurückgegriffen, in dem bereits
erworbene Kompetenzen schriftlich dokumentiert werden. Grundsätzlich wären
die Kompetenzen auch auf der Grundlage
eines Gesprächs ermittelbar, doch da die
Verfahren in Deutschland neu sind, dient
die schriftliche Form der Qualitätssicherung. Dies macht jedoch den Prozess für
Studierende relativ aufwendig. Einige
Studierende, die die Möglichkeit hatten,
sich Studienleistungen aus vorangegangener wissenschaftlicher Weiterbildung
anerkennen zu lassen, zogen es vor, die
entsprechenden Module im Masterprogramm trotzdem zu belegen.3
Didaktik und Theorie-PraxisTransfer – Weiterbildungsmaster
Die Weiterbildungsstudiengänge scheinen eine größere methodische Vielfalt
anzuwenden, als es im Regelstudium
üblich ist. Neben den üblichen Formen
von Kurzvorträgen, Gruppenarbeiten und
Hausarbeiten, werden auch Simulationsprogramme, Rollen- und Systemspiele
genannt. In einem wirtschaftswissenschaftlichen Studiengang bringen die
Lehrenden, allein aufgrund ihrer beruflichen und Auslandserfahrungen eine
Bandbreite von Methoden ein. Der explizite Bezug zur beruflichen Praxis scheint
die Methodenvielfalt zu befördern. Hier
kommen die langjährigen Erfahrungen
in der wissenschaftlichen Weiterbildung
für Berufstätige ins Spiel. Auch Kreutz
/ Meyer weisen darauf hin, dass in der
wissenschaftlichen Weiterbildung bereits
seit den 1970er-Jahren ›die Orientierung
an berufsbezogenen Fragen und Proble-
men der Weiterbildungsteilnehmer‹ etabliert ist, während ähnliche Diskurse in
der allgemeinen ›hochschuldidaktischen
Perspektive‹ noch ausstehen.4
Methoden des Blended-Learning mit
E-Learning-Anteilen werden allerdings
nur in einem Weiterbildungsmaster umgesetzt. Die von der Studiengangsleitung
und einer E-Learning-Expertin betreute
Plattform wird von den Studierenden
ausgiebig zum fachlichen und persönlichen Austausch genutzt. Das gute
›Gruppengefühl‹ in der relativ kleinen
Studierendengruppe und die intensive
Betreuung unterstützen offensichtlich
die gute Nutzung des Instrumentes. Dies
gelingt, obwohl die Studierenden keinen
technikaffinen Berufen angehören und
nicht überdurchschnittlich jung sind.
Die mittels der E-Plattform erbrachten
Leistungen werden im Umfang eines
Studienmoduls angerechnet.
In den wirtschaftswissenschaftlichen Masterprogrammen berichten die
Interviewten eher von einer ablehnenden Haltung der Studierenden gegenüber E-Learning. In einem Studiengang
werden anrechenbare E-Learning-Anteile
bereitgestellt, jedoch kaum genutzt. Der
persönliche Austausch mit Lehrenden
und Studierenden wird von beiden Studiengangsverantwortlichen als wesentlich
attraktiver für die Berufstätigen eingeschätzt.5
Die Bildung von Gruppen und Netzwerken unter den Studierenden ist bei
allen Weiterbildungsmastern ein Teil des
didaktischen Konzepts. Die Heterogenität
der Gruppen, hinsichtlich des Alters, der
Berufe und der betrieblichen Funktionen,
macht nach Einschätzung der Interviewten den Austausch besonders attraktiv.
So berichtet ein Interviewpartner, dass
jüngere Studierende von der Berufserfahrung älterer Studierender profitieren. Für
die älteren sei es dagegen interessant, ein
Feedback von jüngeren Studienkollegen
zu bekommen. Auch betriebliche Hierarchieebenen würden im Seminar aufgehoben, was zu einem besseren Verständnis
aller für betriebliche Systeme beiträgt.
Eine andere Studiengangsleitung stellt
hohe Synergie-Effekte durch den Austausch von Berufstätigen mit Studierenden aus Regelstudiengängen fest, aus
denen jeweils ein Modul in das Masterprogramm eingebettet ist. So hatten sich
Studierende aus den unterschiedlichen
24
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
Studiengängen für gemeinsame Arbeiten
angemeldet. In einem Weiterbildungsmaster der Wirtschaftswissenschaften
wird besonders aktiv die Netzwerkbildung unter den Studierenden gepflegt.
Einmal jährlich wird eine gemeinsame
Auslandsreise angeboten, die im Betrieb
als Bildungsurlaub beantragt werden
kann. Sogar Alumni-Netzwerke der
Absolventinnen und Absolventen werden
durch Veranstaltungen und Exkursionen weiter gefördert. Dass der intensive
Kontakt unter den Studierenden ein
wichtiger Faktor für den Studienerfolg
ist, bestätigen auch die Aussagen von
berufsbegleitend Studierenden in den Interviews und der Befragung im Rahmen
unserer Studie (siehe Kapitel 4).
Ein Theorie-Praxis-Transfer in den
Studiengängen wird insbesondere durch
Hausarbeiten und Abschlussarbeiten
gefördert, die mit betrieblichen Projekten verknüpft werden. Ein Interviewpartner berichtet, dass die Studierenden
gerne Beispiele aus ihrer Berufspraxis in
Veranstaltungen diskutieren. Ein weiterer
Interviewpartner dagegen erlebt die Studierenden diesbezüglich eher als zurückhaltend, weil nach seiner Einschätzung
betriebliche Interna ungern thematisiert
würden. Mit bestimmten Übungen
bekommen die Studierenden jedoch die
Gelegenheit, ihre eigenen Aufgabenbereiche im Unternehmen zu reflektieren.
Projekt- oder Masterarbeiten, in denen
Anliegen der Unternehmen behandelt
werden, tragen häufig einen Sperrvermerk. In diesen Fällen gibt es auch eine
schriftliche Vereinbarung zwischen dem
Betreuer der Arbeit und einem Vertreter
oder einer Vertreterin des beschäftigenden Unternehmens.
Der Theorie-Praxis-Transfer kann
Vereinbarkeit fördern. Oft auch in dem
Sinne, dass Vorgesetzte von Studierenden
auf den Nutzen des Studiums aufmerksam werden und in der Folge mehr Unterstützung anbieten. Studierende werden
in einem Studiengang aktiv ermutigt,
ihre neuen Kompetenzen bereits während des Studiums einzusetzen, auch um
den eigenen Aufstieg im Unternehmen
zu initiieren. Die Studiengangsverantwortlichen bieten an, im Unternehmen
die Studieninhalte vorzustellen, um
Möglichkeiten für einen Theorie-PraxisTransfer aufzuzeigen. Allerdings fehlt
nach Erfahrung der Studiengangsleitung
in den Unternehmen oft die Bereitschaft,
sich mit dem Studium von Beschäftigten
zu befassen. Diese müssen daher viel
Ausdauer und Eigeninitiative bei ihrer
Arbeit für den Theorie-Praxis-Transfer
einsetzen.6 Ergebnisse unserer Studierendenbefragung bestätigen tatsächlich
auch, dass viele Studierende bereits
während des Studiums selbsttätig einen
Theorie-Praxis-Transfer leisten, indem sie
Aufgaben anders bearbeiten oder mehr
Verantwortung übernehmen (vergleiche
Kapitel 4).
Studienmotivation und
berufliche Perspektiven –
Weiterbildungsmaster
In den Interviews werden Aufstiegspläne
und Wünsche nach beruflicher sowie
persönlicher Weiterentwicklung als
gängige Motive für die Studienentscheidung genannt. Die Verantwortlichen
der bereits seit Längerem laufenden
Weiterbildungsmaster im Fach Wirtschaftswissenschaften geben an, dass der
Abschluss für die Studierenden in der
Regel zu einem Karriereschub im eigenen
Unternehmen führt. Absolventenstudien
in einem anderen Studiengang belegen
zudem, dass Studierende mitunter schon
vor ihrem Abschluss verantwortungsvollere Aufgaben im Betrieb übernehmen.
Teilweise wechseln Absolventinnen und
Absolventen in andere Unternehmen,
um ihre Aufstiegspläne zu verwirklichen.
Anschließende Promotionen sind grundsätzlich möglich, kommen jedoch sehr
selten vor.
Mit einem Weiterbildungsmaster im
Bereich Medizin / Gesundheit, der sich
im ersten Durchlauf befindet, sind noch
keine Erfahrungen hinsichtlich des
Verbleibs nach dem Abschluss gemacht
worden. Der spezialisierte Master eröffnet ein Berufsbild, das aufgrund neuer
gesetzlicher Regelungen und inhaltlicher
Entwicklungen in den fachlichen und politischen Diskursen als zukunftsträchtig
gilt. Gleichzeitig sind die Arbeitsfelder
auf dem öffentlich finanzierten Arbeitsmarkt im Gesundheitswesen sehr weitgehend von der Entwicklung öffentlicher
Mittelverteilung abhängig, die sowohl
Einkommens- als auch Aufstiegsmöglichkeiten begrenzen können.
25
S TU DI E
Belastungssituation der
berufsbegleitend Studierenden –
Weiterbildungsmaster
In den beiden Studiengängen der
Fachrichtung Wirtschaftswissenschaften sind die meisten Studierenden in
Vollzeit erwerbstätig. Eine Reduzierung
von Arbeitsstunden ist nach Erfahrung
der Interviewten für viele Studierenden
schon deshalb nicht möglich, weil sie
neben den Studiengebühren teilweise
auch Kosten für Anfahrt und Übernachtungen unter den Blocktagen tragen
müssen. Ein Interviewpartner berichtet,
dass Studierende, in der Regel Leitungskräfte, oft eine Unterstützung durch
den Arbeitgeber bekommen. In der Regel
erstreckt sich dies auf Arbeitszeitkonten
und Teilfreistellungen, selten auf eine
vollständige Übernahme von Kosten. In
einem weiteren Studiengang ist eine
Freistellung von Beschäftigten durch
Unternehmen extrem selten. In der Regel
wird das Studium als ›privates Engagement‹ betrachtet und nur unter der
Bedingung toleriert, dass die Arbeit nicht
darunter leidet. Die Haltung von Vorgesetzten kann sich jedoch ändern, wenn
im Laufe des Studiums der Nutzen für
die Unternehmen sichtbar wird. Es gibt
auch Fälle, in denen die Studierenden
ihren Arbeitgeber nicht über ihr Studium
unterrichten, um nicht in den Verdacht
zu geraten, weniger am Arbeitsplatz leisten zu können. In diesen Fällen entfällt
der typischerweise positive, wechselseitige Nutzen, der aus Studienprojekten
innerhalb des Unternehmens für beide
Seiten erwächst. Insbesondere in kleineren Unternehmen bestehen häufiger
Bedenken, dass Absolventen nach dem
Abschluss höhere Ansprüche an Aufstieg
und Einkommen stellen würden. Dass
das berufsbegleitende Studium insgesamt
eine Belastungsprobe darstellt, sei jedoch
im Grunde Teil des Konzepts. Die späteren Führungskräfte sollen zeigen, dass
sie hohen Belastungen gewachsen sind.
Insbesondere die ersten beiden Semester
seien etwas ›härter‹ als die nachfolgenden.
Die Studiengangsleitung des Weiterbildungsmasters der Fachrichtung Medizin /
Gesundheit äußert die Vermutung, dass
die anfallenden Studiengebühren eine
Hürde für viele Studieninteressierte
darstellen. Diese gehören häufig Berufsgruppen im mittleren Einkommensbereich an. Außerdem gibt es erst nach
zwei Jahren die Möglichkeit, das Studium
kostenneutral abzubrechen. Eine Teilfreistellung durch einen Arbeitgeber ist
bisher von einer Studierenden bekannt,
die ihren Arbeitgeber offensiv mit ihrer
Situation konfrontiert hatte.
Konzeption, Zugang und Beratung –
gemischte Studiengänge
Die folgende Auswertung bezieht sich
auf zwei Bachelorstudiengänge und
einen Masterstudiengang, die sowohl an
traditionelle Vollzeitstudierende als auch
an berufstätige Studierende gerichtet
sind. Das breite Altersspektrum und
die sehr unterschiedlichen Lebenssituationen der Studierenden stellen die
Studiengangsverantwortlichen vor die
Herausforderung, alle Bedürfnisse unter
einen Hut zu bringen. Zudem muss die
Konzeptionierung und Durchführung
der Angebote aus der Grundfinanzierung
der Hochschulen gedeckt werden.7
Ein Bachelorstudiengang der Fachrichtung Berufspädagogik konnte mithilfe
von Drittmitteln als berufsbegleitendes
Angebot konzeptioniert und evaluiert
werden. Das Studium kann somit in
Vollzeit und berufsbegleitend studiert
werden. Die letzte Variante wird von
den älteren berufstätigen Studierenden
genutzt. Der Planungsphase ist eine
Bedarfsstudie vorausgegangen, in der
auch Unternehmen befragt wurden. Ein
dualer Bachelorstudiengang der Fachrichtung Medizin / Gesundheit, in dem
Theorieanteile an der Hochschule und
Praxisanteile ineinandergreifen, ist für
dual Studierende in Ausbildung sowie
für beruflich Qualifizierte konzipiert.
Diese haben bereits eine einschlägige
Berufsausbildung und absolvieren die
Theorieteile des Studiums. Ein konsekutiver Masterstudiengang der Fachrichtung
Mathematik / Informatik kann in Vollzeit
und in Teilzeit studiert werden. In der
Gruppe der Berufstätigen, in der Regel
sind das Teilzeitstudierende, gibt es zwei
Statusgruppen. Eine Gruppe studiert mit
26
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
formaler Unterstützung ihres Arbeitgebers, der einen Kooperationsvertrag mit
der Hochschule abgeschlossen hat. Die
Initiative für die Kooperationen ist von
mehreren Unternehmen ausgegangen,
die einen hohen wissenschaftlichen Weiterbildungsbedarf für ihre Beschäftigten
haben. Eine weitere kleinere Gruppe von
Berufstätigen studiert in eigener Regie
mit unterschiedlichen Vereinbarungen
im Betrieb.
Für den konsekutiven Master wird ein
einschlägiger erster Hochschulabschluss
vorausgesetzt. Den Zugang zu den beiden
Bachelorprogrammen bekommen Studieninteressierte auch ohne Hochschulreife
über die beruflichen Abschlüsse, wie
eine anerkannte Berufsausbildung oder
Fortbildungen zum Meister oder Techniker. Beruflich Qualifizierte mit und ohne
Abitur machen in den Jahrgängen etwa
ein Drittel bis die Hälfte aller Studierenden aus. Dem berufsbegleitenden Bachelorstudiengang gehen Brückenkurse in
wissenschaftlichem Arbeiten und Mathematik voraus. Die Studiengangsverantwortlichen stellen fest, dass insbesondere
Meister die Vorbereitung auf ein stärker
reflektierendes Denken brauchen, das
sich von dem in der beruflichen Bildung
vermittelten Denken unterscheidet. In
dem dualen Bachelorprogramm müssen
beruflich Qualifizierte eine Anerkennungsprüfung ablegen und anschließend
ein einjähriges Probestudium durchlaufen. Etwa 20 Prozent der Studieninteressierten bestehen die Anerkennungsprüfung nicht, während das Probestudium
bisher nicht zu Abbrüchen geführt hat.
Die Verantwortlichen der Bachelorstudiengänge berichten von einem hohen
individuellen Beratungsbedarf von
berufsbegleitend Studierenden vor dem
Studium und währenddessen. Neben
den Zugangsvoraussetzungen und den
Anforderungen im Studium sind die
beruflichen Perspektiven für Absolventinnen und Absolventen Gegenstand der
Gespräche. Die Beratung wird von den
Studiengangsverantwortlichen geleistet.
Diese haben die Erfahrung gemacht, dass
zentrale Beratungsstellen der Hochschulen unzureichend über Zugangsmodalitäten sowie über berufliche Perspektiven
informiert sind und daher keine geeignete Anlaufstelle für beruflich qualifizierte
Studieninteressierte darstellen. Einigen
Studieninteressierten wurde vermut-
lich in der zentralen Beratungsstelle
vom Studium abgeraten. Obwohl auch
Studiengangsverantwortliche mitunter
vom Studium abraten, kann diese Entscheidung aus ihrer Sicht erst nach einer
eingehenden Prüfung des Einzelfalls
getroffen werden.
Bei dem berufsbegleitenden Bachelorstudiengang werden Präsenzveranstaltungen des berufspädagogischen Teils
am Abend und an den Wochenenden
durchgeführt. Traditionelle Vollzeitstudierende desselben Studiengangs müssen
sich auf die unorthodoxen Veranstaltungszeiten einlassen. Das birgt nach
Aussage der Interviewten zu Beginn des
Studiums Konfliktpotenzial zwischen den
›traditionellen‹ und den berufstätigen
Studierenden. Fachliche Veranstaltungen
aus Regelstudiengängen, die tagsüber in
der Woche stattfinden, sind ebenfalls in
das Programm integriert. Das wiederum
stellt ein organisatorisches Problem für
die Berufstätigen dar. Der Studiengang
ist somit vom Format her nicht in Gänze
berufsbegleitend studierbar. Zentrales
Problem ist aus Sicht der Interviewten,
dass den Lehrenden im Regelstudium Anreize fehlen, um sich zeitlich oder auch
didaktisch auf berufsbegleitend Studierende einzustellen.
Im dualen Bachelorprogramm liegen
die Veranstaltungen teils verblockt und
an den Wochenrändern und teils über
die Woche verteilt. Mitunter beklagen berufstätige Studierende, dass Arbeitszeiten
mit Präsenzveranstaltungen kollidieren.
Allerdings profitieren die Pflegeberufe
nach Aussage der Interviewten von flexiblen Arbeitszeitmodellen, zum Beispiel in
Schicht- und Wochenenddiensten. Viele
sind in der Regel in Teilzeit beschäftigt.
Um jedoch extreme Prüfungsbelastungen
zu bestimmten Zeiten zu vermeiden, können die Studierenden Modulprüfungen
zeitlich flexibel ablegen.
Im konsekutiven Masterprogramm
liegen die Veranstaltungen auch in der
Teilzeitvariante innerhalb der üblichen
Arbeitszeiten. Die adressierte Berufsgruppe verfügt jedoch nach Erfahrung der
Interviewten in der Regel über flexible
Arbeitszeitmodelle, die die Teilnahme an
den Veranstaltungen ermöglicht.
Die verschiedenen Formate verdeutlichen, dass es schon rein organisatorisch
schwierig ist, Studiengänge für sehr
heterogene Gruppen zu gestalten. Unsere
27
S TU DI E
Befragung von berufsbegleitend Studierenden zeigt, dass rein berufsbegleitende
Formate organisatorisch besser zu bewältigen sind als ›gemischte‹ Studiengänge
(vergleiche Kapitel 4). Allerdings spricht
das nicht gegen eine Öffnung des Regelstudienangebots, denn auch Berufstätige
sollten eine breite Auswahl von Studienangeboten vorfinden.
Anrechnung von beruflich
erworbenen Qualifikationen
und Kompetenzen –
gemischte Studiengänge
Im berufsbegleitenden Bachelorstudiengang erhalten Absolventinnen und
Absolventen von Fortbildungen mittels
eines individuell ausgefüllten Portfolios
eine Anrechnung auf Studienleistungen. Bei Technikern wird pauschal ein
Sechstel der im Studium zu erwerbenden
Kreditpunkte angerechnet, bei Meistern
werden einzelne Bestandteile der Fortbildung berücksichtigt. Für die Studierenden reduzieren sich die verpflichtenden
Präsenzveranstaltungen und Prüfungen
entsprechend.
Im dualen Bachelorprogramm wurde
aus der für den Zugang erforderlichen
Berufsausbildung in der Vergangenheit
mehr als ein Drittel der Studienleistungen angerechnet. Das Studium verkürzte
sich damit auf vier Semester in Vollzeit.
Später wurde nur noch ein Fünftel der
Studienleistungen angerechnet, da das
Bundesland Niedersachsen Masterabsolventinnen und -absolventen der Berufspädagogik aufgrund der großzügigen
Anrechnung nicht zum Referendariat
zuließ. Die Begründung war, dass bestimmte Kenntnisse auf Hochschulniveau
fehlten. Das Beispiel zeigt, dass die relativ
neuen Anrechnungsverfahren zukünftig
einer besseren Abstimmung zwischen
Bundesländern und Hochschulen bedürfen.8
Im konsekutiven Masterstudiengang
werden Bachelorabschlüsse mit einer
bestimmten Punktzahl vorausgesetzt.
Wenn die Voraussetzungen nicht vollständig durch den vorliegenden Hochschulabschluss erfüllt werden, kann
das individuell durch Kompetenzen aus
einschlägiger Berufserfahrung kompensiert werden.
Didaktik und Theorie-PraxisTransfer – gemischte Studiengänge
Im berufsbegleitenden Bachelorstudiengang sind die Veranstaltungen zur
Berufspädagogik nicht nur zeitlich
berufsbegleitend, sie unterscheiden sich
auch methodisch-didaktisch deutlich von
den ›berufsfernen‹ Fachveranstaltungen
aus den Regelstudiengängen. Diese sind
für einen Teil der berufsbegleitend Studierenden kulturell und inhaltlich wenig
zugänglich. Lehrende der Berufspädagogik dagegen gestalten den Umgang mit
der heterogenen Studierendenschaft
sehr bewusst und bilden beispielsweise
Tandems aus jüngeren und berufserfahrenen Studierenden, von denen beide
Seiten profitieren. Von den Studierenden selbst gebildete Lerngruppen sind
meist homogen, weil Treffen dann wohl
zeitlich einfacher koordiniert werden
können. Möglichkeiten des Online-Lernens werden bisher kaum genutzt, sind
aber für eine bessere Vereinbarkeit von
Arbeits- und Studienzeiten in Planung.
Ein gezielter Theorie-Praxis-Transfer war
eigentlich konzeptionell vorgesehen, ist
aber für die Berufstätigen wohl schwer
zu realisieren. Diese scheinen Beruf und
Studium strikt voneinander zu trennen.
Im dualen Bachelorprogramm stoßen
Versuche, den Austausch zwischen ausbildungsbegleitend Studierenden und berufsbegleitend Studierenden zu fördern
auf Widerstand. Nach Wahrnehmung der
Studiengangsverantwortlichen bilden
die Studierenden separate Gruppen und
kommunizieren kaum miteinander.
Die Nähe zur beruflichen Praxis ist im
Curriculum schon aufgrund des dualen
Konzepts fest verankert. Ein Austausch
mit Betrieben findet außerdem einmal
jährlich statt.
28
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
Im Masterprogramm setzt man auf eine
hohe Selbstständigkeit der Studierenden.
Das wird darauf zurückgeführt, dass
auch die Jüngeren fast durchgängig berufspraktische Erfahrungen in Unternehmen gesammelt haben. Der Austausch
zwischen den Berufserfahrenen und
den Jüngeren ist rege. Lehrende fordern
die Studierenden auf, ihre beruflichen
Kompetenzen im Studium einzubringen,
etwa in Form von Referaten oder eigenen
Projekten. Frontalunterricht wird als
Methode selten angewandt. Ein weiterer
Bezug zur beruflichen Praxis wird über
Projekte hergestellt, die die Hochschule
zusammen mit Unternehmen durchführt. Beide Seiten profitieren davon. Studierende können sich an neuer Technik
ausprobieren und die Themenstellungen
umfassen komplexe Probleme. Außerdem
haben zwei Drittel der Abschlussarbeiten
mit Themen zu tun, die die Studierenden
aus den Unternehmen mitbringen. Ein
zusätzliches Lehrangebot zur Förderung
von beruflichen Schlüsselkompetenzen besteht für Teilzeitstudierende des
konsekutiven Masterstudiengangs, deren
Unternehmen einen Kooperationsvertrag
mit der Hochschule abgeschlossen haben.
E-Learning wird bisher nicht systematisch genutzt. Es gibt zwar eine Lehr- und
Lernplattform, wo alle Materialien und
Folien zur Verfügung gestellt werden.
Dies unterstützt jedoch lediglich die
Präsenzlehre, denn Erklärungen und Diskussionen des Stoffs kann die Plattform
nicht ersetzen. Angemessene Formen des
E-Learnings erfordern einen hohen konzeptionellen und technischen Aufwand,
der mit den vorhandenen Kapazitäten für
den Studiengang nicht zu leisten sei.9
Belastungssituation der
berufsbegleitend Studierenden,
Studienmotivation und berufliche
Perspektiven – gemischte
Studiengänge
Im berufsbegleitenden Bachelorstudiengang sind die Berufstätigen in der Regel
in Vollzeit erwerbstätig, da aufgrund
finanzieller Verpflichtungen (Haus, Familie) ein reduziertes Einkommen nicht
denkbar ist. Viele haben außerdem lange
Anfahrtzeiten, da sie an einen festen
Wohnort gebunden sind. Anscheinend
ist ein ›Nachlassen‹ in der Erwerbsarbeit
für die Studierenden nicht denkbar,
teilweise übernehmen diese sogar schon
während des Studiums mehr Verantwortung im Betrieb. Dies kann zu einer
Mehrbelastung im Betrieb führen. Unter
der gesamten Situation leidet die Familie.
Häufig wird beklagt, dass die Unterstützung des familiären Umfelds im Laufe
des Studiums nachlässt. Einige Studierende berichten sogar von Trennungen.
Auch dass man sich durch persönliche
Entwicklungen im Studium mit Partnern
›auseinanderlebt‹, ist schon thematisiert
worden. Die Belastungen in der Zeit der
Abschlussarbeit sind besonders hoch. Da
die Bearbeitungszeit der Bachelorarbeiten durch die Studienordnung festgelegt
ist, müssen die Berufstätigen entsprechend vorarbeiten, um den Abschluss in
der vorgeschriebenen Zeit zu absolvieren.
Außerdem fordern die Mathematik und
der Stil der Veranstaltungen aus den
Regelstudiengängen gerade die Meister
kognitiv und kulturell stark heraus. Teilweise werden Vorlesungen als komplett
unverständlich bezeichnet. Eine hohe
Belastung für die Studierenden ist zudem
der unmittelbare Zeitkonflikt durch diese
Veranstaltungen, die tagsüber stattfinden. Eine Unterstützung durch Arbeitgeber ist eher selten. Deshalb haben wohl
gerade die Studierenden, die versucht
hatten, ohne Wissen des Betriebes zu
studieren, abgebrochen. Insbesondere in
der ersten Kohorte brach ein Teil nach
einem Jahr ab.
29
S TU DI E
Hinsichtlich der beruflichen Perspektiven ist anzumerken, dass der Bachelorabschluss alleine nicht für eine höherwertige berufliche Tätigkeit qualifiziert,
jedoch Aufgabenbereiche in der betrieblichen Ausbildung eröffnet. Im Anschluss
besteht außerdem die Möglichkeit eines
Ingenieur-Studiums auf Masterebene.
Dies wird eher von Technikern genutzt.
Meister dagegen entscheiden sich vor
allem für den Master, der für das Berufsschullehramt qualifiziert.
Das duale Bachelorprogramm der
Fachrichtung Medizin / Gesundheit ist
nicht als Teilzeit- oder berufsbegleitendes Studium konzipiert. Häufig melden
Berufstätige zurück, dass Seminare mit
Arbeitszeiten kollidieren. Allerdings sind
die Pflegeberufe durch die Möglichkeiten
des Schicht- und Wochenenddienstes
zeitlich relativ flexibel. Die Studiengangsverantwortlichen vermuten, dass viele
berufstätige Studierende halbtags arbeiten.10 Von Studierenden kommen nur
punktuell Anregungen für alternative
Seminarzeiten, da alle unterschiedliche
Arbeitszeiten haben. Bei den Berufstätigen sind Abbrüche sehr selten.
Der Bachelor der Fachrichtung Berufspädagogik eröffnet den Zugang zu
verschiedenen Masterstudiengängen in
oder außerhalb Bremens in Abhängigkeit
von den einzelnen Zugangsmodalitäten.
Bei der Wahl des Schwerpunkts Lehre im
Bachelorprogramm kann beispielsweise
der Master Berufspädagogik absolviert
werden. Perspektive ist dann der Schuldienst an berufsbildenden Schulen. Dort
ist ein steigender Bedarf an Lehrkräften
absehbar. Der Schwerpunkt Lehre wird
bevorzugt von Berufstätigen angewählt.
Womöglich sehen die Berufserfahrenen
mit dem Bachelorabschluss noch wenig
berufliche Entwicklungsmöglichkeiten in
der pflegerischen Praxis. Der Bachelorabschluss alleine qualifiziert nicht für eine
höherwertige berufliche Tätigkeit, zumal
in der Pflege noch keine verbindlicheren
Aufgabenfelder für Absolventinnen und
Absolventen definiert wurden und dementsprechend auch keine Einkommensgruppe vorgesehen ist. Dies ist – ebenso
wie in der Frühpädagogik – ein Problem
des öffentlich finanzierten Arbeitsmarktes. Trotzdem formulieren die Kliniken
einen Bedarf an Hochschulabsolventinnen und -absolventen.
Im Masterprogramm der Fachrichtung
Mathematik / Informatik stellt die Auseinandersetzung mit mathematischen Problemen besondere kognitive Ansprüche
an die Studierenden. Studierende aus der
beruflichen Praxis erscheinen grundsätzlich ernsthafter, belastbarer und
motivierter als traditionelle Studierende.
Das sind aus Sicht der Studiengangsleitung vorteilhafte Eigenschaften für die
Bewältigung von schwierigen Fächern
wie Mathematik. Einige Berufserfahrene
berichten jedoch davon, dass es für sie
schwierig sei, in den ›Studierendenmodus‹ zurückzufinden und ganze Tage mit
der intensiven Arbeit an spezifischen Problemen zu verbringen. Es kommt jedoch
generell vor, dass Studierende mathematikintensive Module nicht wählen und
stattdessen andere Wahlpflichtangebote
bevorzugen.
Die meisten Studierenden, auch
berufstätige, beginnen das Studium in
Vollzeit. Manche steigen dann in den
folgenden Semestern auf ein Teilzeitstudium um, wenn die Belastung sich als zu
hoch erweist. Wenn die Lehrenden Überlastungen und Konzentrationsschwierigkeiten bei den Studierenden wahrnehmen, werden diese über die Möglichkeit
eines Wechsels in ein Teilzeitstudium
aufgeklärt. Falls im Beruf zeitweise hohe
Belastungen auftreten, können Module
bewusster geplant werden. Urlaubssemester werden selten genommen.
Die in Kooperation mit einem Unternehmen Studierenden erscheinen
insgesamt besser organisiert, als Berufstätige, die gänzlich in eigener Verantwortung studieren. Vermutlich gibt es für
Vollzeitbeschäftigte einen Bedarf für ein
berufsbegleitendes Studienangebot mit
besonderen Studienzeiten. Die Konzeptionierung und Umsetzung ist jedoch mit
den personellen Kapazitäten im Fachbereich nicht zu leisten.
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BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
Teilzeitstudierende haben bisher das Masterstudium nicht abgebrochen. Die wenigen Abbrüche, die bisher zu verzeichnen
waren, ergaben sich mehrheitlich aus
der in den vergangenen Jahren sehr
guten Arbeitsmarktlage für die Berufsgruppe. In dem einschlägigen Berufsfeld
müssen sich die Fachkräfte ständig
weiterbilden, daher bieten viele Unternehmen ihren hochqualifizierten Beschäftigten entsprechende Entwicklungsmöglichkeiten. Die Studierenden können
sich im Gegenzug für eine festgelegte
Zeit an die Firma binden. Der Abschluss
ist nicht nur Grundlage für höherwertige
Tätigkeiten in Unternehmen, sondern
auch für eine Selbstständigkeit und eine
wissenschaftliche Karriere. Dies erscheint
einigen Absolventinnen und Absolventen
insbesondere nach einigen Jahren Berufstätigkeit sehr attraktiv.
Schlussfolgerungen
Die Vereinbarkeit verschiedener Lebensbereiche von berufsbegleitend Studierenden wird wesentlich auch von der Auseinandersetzung der Hochschulen mit der
beruflichen Praxis ihrer Studierenden
bestimmt. Die vorgestellten Konzeptionen von Weiterbildungsmastern und
Regelstudiengängen, die neben traditionellen auch berufstätige Studierende
adressieren, zeigen ein breites Spektrum
von Berufsorientierung bei der organisatorischen, curricularen und didaktischen
Ausgestaltung. Deutlich wird, dass sich
Akteure an staatlichen Hochschulen, je
nach Fachrichtung, Adressatenkreis und
hochschulischen Rahmenbedingungen,
hinsichtlich des Anspruchs – sowohl
akademisch bildend als auch beruflich
qualifizierend zu sein – ganz unterschiedlich positionieren. An der gesamten
Institution der staatlichen Hochschule
ist der Diskurs um eine Annäherung
von wissenschaftlicher und beruflicher
Orientierung jedoch noch randständig,
obwohl er von Akteuren innerhalb und
außerhalb des wissenschaftlichen Feldes
bereits seit Längerem geführt wird.11 Die
Berufsorientierung ist an den Fachhochschulen aufgrund ihres hohen Anteils
von Studierenden mit Berufsausbildung
weiter entwickelt als an den Universitäten.12 In den nächsten Jahren wird sich
zeigen, wie die im Jahr 2015 initiierten
BMBF-Projekte zur Öffnung von Regelstudienangeboten an der Universität und
an der Hochschule Bremen in der Praxis
wirksam werden. Die Berücksichtigung
von unterschiedlichen Bedürfnissen
einer heterogenen Studierendenschaft
macht spezifische Angebote, Brückenkurse sowie Beratung, für Berufstätige
unabdingbar. Auch eine Reorganisation
einzelner Studiengänge wird für eine
Öffnung notwendig sein.
31
S TU DI E
1 Ein BMBF-gefördertes Projekt an der
6 Zum gezielten Theorie-Praxis-Transfer
Hochschule Heilbronn zeigt beispielhaft,
vergleiche auch das sogenannte ›Heil-
wie die Konzeptionierung eines berufs-
bronner Modell‹. Für den berufsbeglei-
begleitenden Studiengangs auf der Basis
tenden Studiengang wurden dort neben
einer systematischen Bedarfsanalyse
den Studierenden weitere Vertreter
(mit Experteninterviews, Stakeholder-
der beschäftigenden Unternehmen als
analyse, Geschäftsplanentwicklung
›Betreuer‹ für ›On-the-Job-Projekte‹
etc.) gestaltet werden kann. Das setzt
einbezogen. Vgl. Köster et al. (2014),
allerdings eine ausreichende Finanzierung, in diesem Fall Drittmittelförderung,
S. 15 f.
7 In Bremen, wie in fast allen anderen
und idealerweise die Einbettung in ein
Bundesländern, dürfen staatliche Hoch-
Gesamtziel der Hochschule voraus.
schulen für grundständige Studiengänge
Vgl. Köster et al. (2014).
(Bachelor und konsekutive Master) keine
2 Ein idealtypischer Leitfaden für
Beratungsgespräche findet sich in dem
Bericht über das Heilbronner Modell.
Studiengebühren erheben.
8 Vgl. zum Thema Anrechnung das Interview mit Walburga Freitag in Kapitel 6.
Ziel des Gesprächs ist es, zum einen die
9 Ein Beispiel aus der Hochschule Nieder-
inhaltlichen und institutionellen Anforde-
rhein verdeutlicht den hohen Aufwand
rungen des Studiums zu Beginn trans-
bei der Gestaltung von E-Learning. Vgl.
parent zu machen. Zum anderen werden
Motivation, Erwartungen, Bildungs- und
Berufsbiografie der Studieninteressierten
geklärt. Dabei sollen mögliche Problem-
Bergstermann et al. (2014), S. 69 ff.
10 Darauf weisen auch die Ergebnisse
unserer Befragung hin (vergleiche
Kapitel 4).
lagen, die den Studienerfolg gefährden
11 Vgl. Elsholz (2015), S. 255.
können, antizipiert werden. Vgl. Köster
12 Vgl. Wissenschaftlicher Beraterkreis
et al. (2014), S. 27.
3 Zu den Möglichkeiten und Problemen
(2014), S. 47. Hier wird außerdem
argumentiert, dass an den Universitäten
bei Anrechnungsverfahren siehe das In-
mit ihrer expliziten Forschungsausrich-
terview mit Walburga Freitag in Kapitel 6.
tung und an den Fachhochschulen, die
4 Vgl. Kreutz / Meyer (2015), S. 239. Vgl.
im Rahmen des Bologna-Prozesses
auch das Interview mit Petra Boxler in
verstärkt mit den Universitäten konkur-
Kapitel 6.
rieren, ein ›praxisferner Wissenstyp‹
5 Das bestätigt im Grunde auch unsere
(S. 58) sogar wieder verbreiteter ist.
Befragung von Studierenden. Diese
Kreutz / Meyer (2015), S. 235, vertreten
äußern den Wunsch nach einem höheren
die Auffassung, dass die ›Berufs- und
Anteil von E-Learning eher dann, wenn
Praxisorientierung‹ mit dem Bologna-
besondere Belastungen durch Schichtar-
Prozess wieder stärker ins Blickfeld
beit oder durch Studienveranstaltungen
gerät. Allerdings kritisieren sie, dass
mitten in der Woche die Teilnahme
sich im Gegensatz zum ›Berufsmodell‹
erschweren (vgl. Kapitel 4).
das ›Etikett ›Employability‹ durchgesetzt
hat, mit der damit einhergehenden
Reduzierung auf Flexibilität, Mobilität und
Wettbewerbsfähigkeit.
32
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
Die Perspektive von
Studierenden
1
4
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33
S TUDIE
TU DI E
JE SSIC A HEIBÜLT
Qualitative Interviews
Qualitative Interviews mit insgesamt
13 berufsbegleitend Studierenden
ermöglichen einen tieferen Einblick in
die Vereinbarkeitsproblematik. Bei der
qualitativen Forschung ist dabei nicht
die Zahl der Fälle entscheidend, sondern
vielmehr die differenzierte Auseinandersetzung mit Kontext und Hintergründen
des untersuchten Gegenstandes.1 Die
ersten qualitativen Daten dienten daher
in unserer Studie als Grundlage für die
Entwicklung eines Fragebogens für die
quantitative Erhebung. Durch den Mix
von quantitativen und qualitativen Daten
können Zusammenhänge verdeutlicht
und somit eine umfassendere Analyse
verschiedener Aspekte von Vereinbarkeit
ermöglicht werden.
Beschreibung der Stichprobe
Die sechs qualitativen Interviews wurden
mit je unterschiedlicher Anzahl von
Teilnehmenden geführt. Die Teilnehmenden der Gruppeninterviews meldeten
sich freiwillig auf Initiative von Studiengangsverantwortlichen beziehungsweise zuständigen Professorinnen und
Professoren, die unsere Anfrage direkt
an ihre Studierenden in Seminaren oder
per E-Mail weitergegeben haben. In vier
Studiengängen haben wir eigenständig
über E-Mail-Verteiler oder persönlich in
Seminaren für die Teilnahme an Interviews geworben. Da wir nur wenige
Rückmeldungen erhielten, boten wir die
Möglichkeit von Einzelinterviews an,
um alle Studiengänge ins Sample aufnehmen zu können. Insgesamt wurden drei
Gruppeninterviews und drei Einzelinterviews, mit elf Masterstudierenden und
zwei Bachelorstudierenden, geführt.
Im Bereich der Sozial- und Pflegeberufe
haben sich zwei Masterstudentinnen
der Fachrichtung Medizin / Gesundheit
für ein Gruppeninterview bereit erklärt.
Unter den technischen und kaufmänni-
schen Berufsgruppen sind hingegen Männer leicht überrepräsentiert. Mit Studierenden aus technischen Berufsgruppen
wurden drei Interviews in zwei unterschiedlichen Studienformaten geführt.
Darunter waren zwei Studenten aus
einem berufspädagogischen Bachelorstudiengang in je einem Einzelinterview.
Für ein Gruppeninterview stellten sich
zwei Männer und zwei Frauen aus dem
Fachbereich Ingenieurwissenschaften /
Mathematik / Informatik zur Verfügung.
Im Bereich der vorwiegend kaufmännischen Berufsgruppen wurden Interviews
in zwei verschiedenen wirtschaftswissenschaftlichen Masterstudiengängen
geführt. Zum einen nahmen zwei Studenten und zwei Studentinnen an einem
Gruppeninterview teil. Zum anderen
stellte sich ein Student für ein Einzelinterview zur Verfügung (einen Überblick
bietet Tabelle 1 in Kapitel 2). An den
Interviews haben insgesamt sechs Frauen
und sieben Männer teilgenommen.2
Die Teilnehmer sind zum Zeitpunkt
des Interviews zwischen 24 und 52 Jahre
alt. Der Median liegt bei 31 Jahren. Drei
der 13 Teilnehmenden haben Kinder
im Kleinkind- oder im schulpflichtigen
Alter. Sieben haben das Abitur, drei die
Fachhochschulreife und ein Teilnehmer
die mittlere Reife absolviert. Mit Ausnahme der zwei Bachelorstudierenden
haben alle Befragten bereits einen ersten
Hochschulabschluss. Von diesen neun
Befragten haben drei zusätzlich eine
abgeschlossene Berufsausbildung. Die
beiden Bachelorstudierenden haben ihren Hochschulzugang über eine Techniker- beziehungsweise Meisterfortbildung
erhalten. Drei Befragte sind mit einer
halben Stelle, drei mit einer Zweidrittelstelle und vier mit einer Vollzeitstelle
angestellt. Ein Student ist zum Zeitpunkt
der Interviews von seinem Arbeitgeber
für das Studium freigestellt. Als mögliche
flexible Arbeitszeitmodelle nennen die
34
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
meisten Gleitzeit oder die Möglichkeit
der Absprache mit Kollegen. Nur ein
Student gibt an, keine flexiblen Arbeitszeiten zu haben. Die Studienfinanzierung
erfolgt bei allen über Erwerbsarbeit, fünf
Studierende geben ausschließlich diese
an. In zwei Fällen werden zusätzlich der
Partner, in drei Fällen die Familie, einmal
ein Kredit und einmal der Arbeitgeber als
finanzielle Unterstützung genannt.
Durch das Zusammenbringen von Einzel- und Gruppeninterviews wurden in
der Auswertung inhaltliche Unterschiede
zwischen beiden Interviewformen deutlich, die in der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden müssen: In
den Einzelinterviews sprachen die Interviewten sehr viel ausführlicher über ihre
Probleme, besonders hinsichtlich der
Auswirkungen von Zeitmangel auf ihr
Privatleben. In den Gruppeninterviews
wurden hingegen – durch das wiederholte Einbringen neuer Themen – besonders
die unterschiedlichen Bedingungen für
Vereinbarkeit unter den Teilnehmenden
deutlich.
In den Interviews baten wir die
Studierenden einleitend, von ihrer
Studienmotivation und weiter von ihrer
Lebenssituation seit Beginn des Studiums zu erzählen, mit dem besonderen
Fokus auf die Studiensituation, die
beruflichen Rahmenbedingungen sowie
besondere Umstände im Privatleben.
Die nachfolgenden Themen haben sich
in den Interviews insgesamt als Schwerpunkte herausgestellt. Unter ihnen
lassen sich Unterschiede zwischen den
drei Berufsgruppen, gewählter Fachrichtung, Geschlechtern und Altersgruppen
ausmachen.
Studienmotivation
Als zentrale Studienmotivation für alle
Befragten kann der berufliche Aufstieg
über einen (weiteren) akademischen
Abschluss bezeichnet werden. Dennoch
unterscheidet sich die Ausprägung dieses
Motivs besonders zwischen verschiedenen Altersgruppen und gewählten
Fachrichtungen und wird teilweise mit
anderen Motiven – wie höheren Gehaltsvorstellungen, persönlicher Weiterentwicklung oder dem Wunsch eines
Tätigkeitswechsels – verbunden. Diese
Beweggründe sind auch für die berufliche Perspektive der Studierenden zentral
und helfen unter anderem dabei, Schwierigkeiten und Herausforderungen in der
Studienzeit zu meistern. Im Folgenden
werden die unterschiedlichen Motive für
die Wahl der einzelnen Fachrichtungen
dargestellt.
Bei den Studierenden, die einen
wirtschaftswissenschaftlichen Master
gewählt haben, unterscheiden sich die
Studienmotive nach Alter. Im Gruppeninterview sowie dem Einzelinterview
wird deutlich, dass die Motive von vier
jüngeren Teilnehmerinnen und Teilnehmern und einer älteren Teilnehmerin
an die Lebensphase geknüpft sind. Ein
31-jähriger Student gibt an: ›Ich habe
auch mich ein bisschen umgeschaut,
in welchem Bereich möchte ich mich
denn überhaupt weiterbilden. Und diese
Überlegungszeit hat auch so sieben, acht
Jahre gedauert, bis ich sage, bevor ich mit
Familienplanung anfange, möchte ich
meine akademische Laufbahn abschließen‹ (GI1). Das Zitat unterstreicht den
Wunsch, die akademische Karriere mit
einem Masterabschluss abzuschließen,
das Masterstudium gilt damit als letzte
Weiterbildungsoption vor einer neuen
Lebensphase.
Auch ein 28-jähriger Student wählte
einen wirtschaftswissenschaftlichen
Master vor allem aufgrund von Aufstiegsinteressen, auch wenn diese in
einem anderen Zusammenhang stehen.
Er erlebte vor allem Frustration, da das
zuvor absolvierte duale Bachelorstudium
im Betrieb nicht den erhofften beruflichen Aufstieg in Form eines finanziellen Nutzens bedeutete. Er berichtet im
Einzelinterview: ›[Ich, Anm. d. Verf.] habe
dann aber irgendwann relativ schnell,
nachdem ich die Bachelorarbeit vom
35
S TU DI E
Tisch hatte, gemerkt, dass ich irgendwie
ein neues Ziel brauchte zum einen und
zum anderen gab es so ein bisschen
Knatsch, was die Eingliederung in den
Tarifvertrag bei der Firma [anging, Anm.
d. Verf.]. […] Die anderen Leute, die in der
Abteilung waren, waren eine Tarifgruppe
höher und ich sollte in eine niedrigere
Tarifgruppe reingehen, weil ich halt
dort das Bachelorstudium bei der Firma
gemacht hatte und die Personalabteilung
mit dem Betriebsrat das so abgesprochen
hatte […]. Da hatte ich dann auch so
eine Frustreaktion vielleicht auch so ein
bisschen, dass ich gesagt habe, ja gut,
okay, wenn ihr das so meint, dann mache
ich halt noch meinen Master und dann
kann ich danach halt mal gucken, ob ich
dann entweder da noch bleibe oder dann
habe ich mir halt auch vorgestellt, dass
ich damit bessere Chancen dann auf dem
Arbeitsmarkt habe‹ (I3). In diesem Fall
wird deutlich, dass betriebsinterne Aufstiegsmöglichkeiten eher intransparent
sind. Deutlich wird außerdem, dass ein
außerbetriebliches Studium in der individuellen Verantwortung der Beschäftigten
liegt. Einen Abschluss einer staatlichen
Hochschule verbindet dieser Studierende zudem mit breiteren Chancen am
Arbeitsmarkt.
Gleichzeitig wird deutlich, dass ein
Masterabschluss als essenziell angesehen wird, um die berufliche Position im
Unternehmen zu sichern. Ein 33-jähriger
Student berichtet: ›Es ist eher so, sich
weiterzuentwickeln, um dann nicht
irgendwann vielleicht mit Mitte 40 oder
so sagen zu müssen, jetzt könnte ich die
entsprechende Position haben, muss aber
erst mal wieder so ein Studium absolvieren, weil eine Firma das gerne haben
möchte dafür, um dann schon mal vorbereitet zu sein. Das war beim Bachelor ein
bisschen anders noch mal, wo man eher
gesagt hat, das ist jetzt gezielter‹ (GI1).
Der Wert, der hier dem Masterabschluss
für das Erreichen von Führungspositionen beigemessen wird, spiegelt, dass
die neuen Bachelorabschlüsse sowohl
bei Arbeitgebern als auch bei Absolventinnen und Absolventen noch nicht auf
vollständige Akzeptanz stoßen.
Neben beruflichen Aufstiegschancen
spielt die persönliche Weiterentwicklung
für alle Studierenden in dieser Fachrichtung eine zentrale Rolle. Eine 48-jährige
Teilnehmerin gibt neben Motiven der
persönlichen Weiterentwicklung an, sich
mit dem wirtschaftswissenschaftlichen
Masterabschluss eine alternative berufliche Tätigkeit zu erhoffen: ›Und dann war
das, was ich dann gemacht habe, nicht
so das, was ich so unbedingt wollte. Und
in dieser Übergangsphase, als ich mich
ein bisschen neu orientiert habe, habe
ich gedacht, guck mal, was es so gibt an
Möglichkeiten [und, Anm. d. Verf.] bin
auf das […] hier aufmerksam geworden‹
(GI1). Damit unterscheidet sie sich von
ihren jüngeren Kommilitoninnen und
Kommilitonen. Berufsbegleitende Angebote werden folglich auch dazu genutzt,
alternative berufliche Pfade einzuleiten.
Dies gilt besonders auch für die folgenden zwei Befragten, die in einem Bachelorformat studieren.
Zwei Studierende aus technischen
Berufen verbinden mit dem Bachelor der
Berufspädagogik neue berufliche Chancen: ›Ich bin durch Zufall darauf gekommen, dass man berufsbegleitend studieren kann, und vor allem, mir war zu dem
Zeitpunkt noch gar nicht bewusst, dass
ich die Hochschulzugangsberechtigung
hatte. […] Und wenn man das einmal
sieht, also dass auch ein anderes Arbeiten
möglich ist, dann ist das natürlich auch
sehr interessant, und da ich mich beruflich verändern wollte und das gerade sich
so ergeben hatte, bin ich dann eben hier
mit in die Forschungslandschaft reingerutscht‹ (I1). Für den zitierten Studierenden erweist sich die Möglichkeit des
Studiums als glücklicher Zufall, da er
sowieso bereits eine berufliche Veränderung in Richtung Ausbildungsbereich
eingeleitet hatte und sich nun durch das
Studium für ihn Aufstiegsmöglichkeiten
in diesem neuen Bereich bieten.
Der zweite Interviewte dieser Fachrichtung gibt bei der Frage nach seiner
Studienmotivation zunächst beruflichen
Aufstieg als Motiv an: ›[Ich, Anm. d.
Verf.] wollte dann aber noch on top was
machen und bin dann eben auf dieses berufsbegleitende Angebot gekommen‹ (I2).
Erst im weiteren Interview wird deutlich,
dass der Studienabschluss für ihn mit
der Hoffnung auf eine neue berufliche
36
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
Tätigkeit verbunden ist. Dieser Wunsch
wird noch dadurch verstärkt, dass sein
Arbeitgeber das Studium nicht unterstützt und ihn sogar gegenüber Kollegen
benachteiligt, die berufsbegleitend Fortbildungen zum Techniker oder Meister
absolvieren. Das Motiv des beruflichen
Aufstiegs scheint zudem mit dem Bedürfnis nach persönlicher Weiterentwicklung
eng verbunden zu sein: ›Ja, also erst
mal ist es etwas, was ich gerne machen
möchte. Also für mich, ich möchte jetzt
nicht sagen, Hobby, aber ich habe das
für mich irgendwie entdeckt, als ich den
Techniker angefangen habe, dass mir das
Spaß macht, das zu lernen oder Sachen
zu lernen. Und ja, und deswegen mache
ich es erst mal für mich, aber eben mit
der Aussicht, dann später was anderes zu
machen‹ (I2).
Für die Befragten aus IT-Berufen, die in
der Fachrichtung Mathematik / Informatik studieren, ist der Erwerb eines Masterabschlusses üblich und wird meist durch
Professoren oder Arbeitgeber empfohlen.
Die Studierenden sind oft bereits seit ihrem Praktikum im Bachelorstudium bei
ihrem heutigen Arbeitgeber angestellt,
sodass beide Seiten ein Interesse daran
haben, dass die Tätigkeit auch während
des Masterstudiums fortgeführt wird:
›Ich würde gerne arbeiten wollen, aber
ich würde auch gerne mich weiterbilden,
und ja, Master war sowieso, stand sowieso
im Spiel, ich wollte sowieso einen Master
machen‹ (GI2). Außerdem geben alle Studierenden dieser Fachrichtung an, dass
der Master ein notwendiges Mittel ist, um
eine höhere Gehaltsstufe zu erreichen.
Das Studienformat des Teilzeitstudiums
kommt ihnen sehr entgegen, da sie ein
Teilzeitstudium mit einer Teilzeitberufstätigkeit verbinden können.
Auffällig ist, dass die zwei Studierenden im Bereich der Medizin / Gesundheit
ihr Studienmotiv eher inhaltlich ableiten, sie wollen einen direkten Nutzen
für ihre aktuelle Tätigkeit erreichen und
beschreiben einen vorrangig inhaltlichen
Anspruch an ihre Arbeit. ›[Ich, Anm. d.
Verf.] wollte wissenschaftlich noch mehr
Wissen in der Veränderung, was kann
man für die Menschen tun, nicht nur
medizinisch draufgucken‹ (GI3). Dieser
Anspruch der persönlichen Entwicklung
ist jedoch – wenn auch nicht vordergründig – gleichzeitig auch mit dem Ziel
verbunden, diese Weiterentwicklung
nach dem Studium in einer Leitungsposition auch weiterzugeben: ›Der Vorstand
besteht bei uns aus vielen Ärzten. Also
die bestimmen, wo es langgeht, und mir
gefällt das nicht, das ist nicht [...] [der,
Anm. d. Verf.] Ansatz, wie ich ihn hier
an der Uni gelehrt kriege und erlebe.
Also multiprofessionelles Team, alle sind
gleichwertig in ihren unterschiedlichen
Aufgabenbereichen, das würde ich in der
Zukunft beruflich gerne gestärkt haben
und auch stärken‹ (GI3).
Wahrnehmung von Belastungen
Da in den Interviews die Vereinbarkeit
von Studium, Beruf und Privatleben thematisiert wurde, fragten wir die Teilnehmenden, in welchem dieser Bereiche sie
die größte Belastung empfinden. Von den
Studierenden wird in diesem Zusammenhang meist kein konkreter Bereich als besonders belastend ausgemacht, stattdessen wird vielmehr die Organisation von
allen Bereichen und der generelle Mangel
an Zeit als problematisch bezeichnet.
Unterschiede in der Belastung lassen sich
hier besonders mit Lebensphasen und
familiären Verpflichtungen in Verbindung bringen. Darüber hinaus hängt die
Belastungsempfindung entscheidend mit
der Flexibilität des jeweiligen Arbeitgebers zusammen.
Wie und in welchem Bereich Belastungen empfunden werden, hängt unter
anderem von Prioritätensetzungen ab.
So betonen viele Studierende die existenzielle Bedeutung ihrer Berufstätigkeit.
Ein berufsbegleitendes Studium wird
bewusst gewählt, um die Berufstätigkeit weiterführen zu können: ›Und das
Wichtigste ist, auch wenn es jetzt erst
mal komisch klingt, schon der Beruf,
weil der Beruf auch natürlich die Familie
und auch das Private ernährt. […] Also für
mich ist eben die Arbeit das Wichtigste
und die Arbeit darf nicht zur Belastung
werden‹ (I1). Dieses Zitat unterstreicht
eine grundsätzliche Rangfolge der drei
Lebensbereiche. Das Studium als zusätzliche neue Komponente verdrängt im
besten Fall einen Teil des Berufes, zum
Beispiel durch eine Stundenreduzierung.
Vor allem aber wird durch das Studium
die Zeit beschnitten, die vorher für das
Privatleben zur Verfügung stand. Häufig
wird das Gefühl geäußert, keine Freizeit
mehr zu haben. Alle Studierenden geben
37
S TU DI E
an, dass sie gerne mehr Zeit für ihr Privatleben hätten, da Abstriche besonders
dort gemacht werden müssen. Hobbys
und soziale Kontakte werden meist zugunsten des Studiums vernachlässigt.
Die Organisation des Alltags wird
als größte Belastung beschrieben, zum
Beispiel in der Form, ›dass man immer
diese To-do-Listen im Hinterkopf hat.
Man muss jetzt das und das und das‹
(GI1). Die drei Bereiche Beruf, Studium
und Privatleben zu vereinbaren, scheint
vielen eine durchgängige Konzentration
mit wenigen oder fehlenden Erholungsphasen abzufordern. Diese Herausforderung ist für eine Befragte, die sich neben
Studium und ihrer Selbstständigkeit zusätzlich um ihre Kinder kümmern muss,
besonders groß: ‹Für mich persönlich ist
das sozusagen, mit dem Familienpart als
dritten Part, das integriert zu kriegen,
auch wenn ich die Kinder mittlerweile
fast erwachsen habe, so ist das doch
manchmal so das Tüpfelchen, was mich
persönlich auch an die Grenzen kommen
lässt. Auch wenn ich jeden Teil doch auch
sehr genieße, ist es einfach durch diese
Taktung, die man hat, es muss dann
auch irgendwie alles so passen und nicht
immer passt alles, nicht immer ist man
vollständig gesund oder ganz fit. Und
dann wird es halt anstrengend‹ (GI1). In
dem Zitat zeigt sich die Angst vor unerwarteten Problemen, wie Krankheit, die
ein ›getaktetes‹ Zusammenspiel gefährden können.
Ein Student beschreibt anschaulich
die Beeinträchtigung aller Lebensbereiche. Er kann sich nicht mehr richtig auf
seine Arbeit konzentrieren und seine
Freundin, die in einer anderen Stadt
wohnt und zu der er eine Wochenendbeziehung pflegt, kann er aufgrund des
Studiums nicht mehr regelmäßig sehen.
Er hat das Gefühl, keinem seiner Lebensbereiche gerecht zu werden: ›Man kann
das halt nicht so komplett trennen, weil
selbst wenn ich dann Zeit mit meiner
Freundin verbringe, dann habe ich
manchmal auch ein schlechtes Gewissen,
dass ich nichts fürs Studium gemacht
habe, und andersrum halt genau umgekehrt‹ (I3). Die Folgen waren Schlafmangel, Stressrauchen und Vernachläs-
sigung von Sport. Er war kurz davor, das
Studium aufzugeben, das für ihn auch
mit hoher finanzieller Belastung einherging. Mit emotionaler und finanzieller
Unterstützung durch seinen Vater, bat er
seinen Vorgesetzten um eine Freistellung
für das letzte Studiensemester. Rückwirkend hat er erfahren, dass er auch seine
Arbeitszeit hätte reduzieren können. Das
hätte eine Krise wahrscheinlich verhindert.
In den Einzelinterviews mit Studierenden der berufspädagogischen Fachrichtung wird freier über das Privatleben gesprochen als in den Gruppeninterviews.
Das folgende Zitat eines jungen Vaters
verdeutlicht das Zusammenspiel aller
drei Bereiche bei der Gesamtbelastungsempfindung: ›Hmm, die größte zeitliche
Belastung würde ich auf das Studium
legen. Die größte Belastung in Bezug auf
Forderungen an mich, ist eher so familiär. Und Arbeit ist, na ja, ich will nicht
sagen Entspannung, aber fast‹ (I2). Die
gewohnte berufliche Tätigkeit wird nicht
als Problem betrachtet, das Studium, das
mit neuen Inhalten und vor allem Lernen
verbunden ist, nimmt hingegen viel Zeit
in Anspruch, die für die Familie fehlt.
Das führt, so scheint es, zu Konflikten in
der Familie.
Wie bereits im Abschnitt zur Studienmotivation angedeutet, sind die
Studierenden des Teilzeitstudiums der
Fachrichtung Mathematik / Informatik
relativ entspannt. Ihr Studium wird von
ihren Arbeitgebern als selbstverständlicher Qualifikationsschritt angesehen.
Gleichzeitig profitieren sie von der hohen
zeitlichen Flexibilität der Arbeitszeiten,
die sie den Zeiten für die Präsenzlehre
anpassen können. Außerdem haben alle
ihre Arbeitszeit reduziert. Sie bedauern zwar, dass der Beruf ein intensives
Studium oder Arbeiten in Lerngruppen
nicht erlaubt und konstatieren aufgrund dessen auch einen generellen
Zeitmangel. Im Vergleich fühlen sich die
Studierenden im Teilzeitstudium jedoch
am wenigsten belastet. Auch hier gilt zu
berücksichtigen, dass die Lebensphase
der Interviewpartner eine entscheidende
Rolle spielt. Die jüngeren Studierenden,
von denen einer noch bei den Eltern
wohnt, sind deutlich zufriedener mit der
Vereinbarkeit der Lebensbereiche als die
älteren Studierenden.
38
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
Bewertung der Studienbedingungen
Die Bewertung der Studienbedingungen
hängt sehr vom gewählten Studienformat
beziehungsweise der hochschulischen
Organisation ab. Zur Sprache kommen
Studienstrukturen und Beratung, die
Rolle von Kommilitoninnen und Kommilitonen, der Theorie-Praxis-Transfer sowie
Finanzierungsmöglichkeiten. Das Thema
der Anrechnung beruflicher Qualifikationen und Kompetenzen spielte in nur zwei
Fällen eine Rolle. Je nach Fachrichtungen
und Studienformaten werden unterschiedliche Bewertungen abgegeben und
verschiedene Schwerpunkte thematisiert.
Ein berufsbegleitender Masterstudiengang der Fachrichtung Wirtschaftswissenschaften zeichnet sich aus Sicht der
Studierenden durch sehr gute Betreuung
und Studienorganisation aus. Zudem gibt
es die Möglichkeit, Module flexibel zu
absolvieren und somit die Chance, individuell auf berufliche oder private Veränderungen und Anforderungen reagieren
zu können. Darüber hinaus wird es als
wertvoll erachtet, in einem Präsenzstudium und nicht in einem Fernstudium zu
studieren. Auch wenn es oft als anstrengend empfunden wird, sich abends noch
für das Studium zu motivieren, wird der
direkte Austausch mit Dozentinnen und
Dozenten sowie mit Kommilitoninnen
und Kommilitonen als Bereicherung
erachtet.
In Bezug auf die Berufstätigkeit wird
das Studium und damit der Theorie-Praxis-Transfer ebenfalls als positiv bewertet:
›Das ist schon alles ziemlich praxisorientiert, aber auch schon mit Anspruch.
Es ist nicht so, dass man einfach so ein
bisschen mithören muss und später wird
man schon durchkommen‹ (GI1). Ein
guter Theorie-Praxis-Transfer wirkt sich
positiv auf die Motivation aus, da ›ein Job
dahinter‹ steht, für den man das Studium
absolviert. Der Nutzen des Studiums für
die berufliche Weiterentwicklung wird
folglich sehr geschätzt. Diese Gruppe
von Studierenden unterscheidet wenig
zwischen beruflicher und persönlicher
Weiterentwicklung, die ihnen durch das
Studium ermöglicht wird. Womöglich
wird diese Haltung durch eine starke
Identifikation mit Führungs- und Managementaufgaben befördert. Herausgehoben wird der Wert neuer Erfahrungen
durch Veranstaltungen in englischer
Sprache oder durch Auslandsreisen, an
denen auch ihre Partnerinnen und Partner teilnehmen können. Darüber hinaus
geben zwei Studierende an, dass sie gerne
nochmals ein ›Studentenleben‹ genossen hätten. Mit Beginn ihres Studiums
mussten sie jedoch feststellen, dass durch
das Studienformat mit Abend- und Wochenendveranstaltungen kein ›normales
Studentenleben‹ möglich ist. Als Nachteil
wird – wie bereits im vorherigen Kapitel
erläutert – der psychische Stress durch
das Organisieren dreier Lebensbereiche
beschrieben.
Ein Student eines anderen wirtschaftswissenschaftlichen Masterstudiengangs
beschreibt eine starke Gesamtbelastung,
insbesondere durch die fehlende Unterstützung seitens seines Arbeitgebers. Die
Studienstruktur schreibt Präsenzblöcke
vor, die er zu Beginn ganz bewusst auswählt, weil er sich regelmäßige Abendund Wochenendveranstaltungen nicht
vorstellen kann. Später ist diese zeitliche
Struktur problematisch, da er sich für
die Präsenzphasen Urlaub nehmen oder
Überstunden aufbauen muss. Insgesamt
beschreibt er vor allem inhaltliche
Herausforderungen des Studiums, die
aus Vereinbarkeitsproblemen resultieren:
›Und dann sind zu jedem Präsenzblock
sind dann noch Hausarbeiten anzufertigen und dann ist halt sich noch auf die
Klausuren vorzubereiten. Und das wurde
dann doch alles ganz schön viel‹ (I3). Der
Zusammenhalt unter den Kommilitonen kann Belastungen jedoch teilweise
kompensieren: ›Also wir helfen uns
untereinander halt viel. Also gerade was
die Hausarbeiten angeht, wenn man da
irgendwie was zusammen machen kann,
dass wir das dann halt auch zusammen
machen. Wir teilen da sehr viel miteinander, oder auch mit den Klausuren, also
dass man sich dann für die Klausuren
zusammensetzt, […] dass man halt nicht
alleine da sitzt und da alleine durchmuss‹ (I3). Die Bezeichnung ›durchmüssen‹ unterstreicht, wie anstrengend es
für den Befragten ist, neben den Präsenzphasen zusätzliche Lernzeiten neben
Beruf und Privatleben in seinen Alltag zu
integrieren.
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S TU DI E
Die zwei Studierenden der Fachrichtung Berufspädagogik im Bachelor
thematisieren die Studienstrukturen.
Dass die Studierenden nicht berufspädagogische Veranstaltungen im Rahmen
von regulären Studiengängen besuchen
müssen und diese zu Tageszeiten in der
Woche stattfinden, führt zu erheblichen
organisatorischen Problemen. Insgesamt
jedoch schätzen die Studierenden die
Unterstützungsstrukturen, ausgewiesene
Ansprechpersonen sowie die Flexibilität
von Professoren, die in der Regel verständnisvoll reagieren, wenn Studierende
aufgrund ihrer Berufstätigkeit nicht alle
Veranstaltungen wahrnehmen können.
Darüber hinaus wird auch hier der Zusammenhalt zwischen den Studierenden
als zentral empfunden. Beispielsweise
bietet eine WhatsApp-Gruppe Hilfe und
Unterstützung bei der Einhaltung von
Fristen und Terminen beziehungsweise
Hinweise auf die kurzfristige Absage von
Veranstaltungen. Insgesamt gilt: Das ›Studium ist ein erheblicher Mehraufwand‹
(I2). Das Studium wurde am Anfang ›unterschätzt‹, wird für beide aber eher als
Hobby bezeichnet, da die Arbeit Priorität
hat.
Das Thema der Anrechnung beruflich
erworbener Kompetenzen beschäftigt in
unseren Interviews ausschließlich die
zwei Bachelorstudierenden. Ein Berufstätiger in Schichtarbeit gibt an, dass er
die Anrechnung noch nicht in Anspruch
genommen hat, diese für ihn aber relevant sei, weil er bestimmte Veranstaltungen nicht besuchen müsse. Ein anderer
Student berichtet, dass das Anrechnungsverfahren sehr kompliziert war: ›Ich habe
ungefähr 25 bis 30 Punkte angerechnet
bekommen, das ist ungefähr ein Semester. Aber nach wirklich viel Ringen und
viel Arbeit‹ (I1).
Die Studierenden des Teilzeitstudiums in der Fachrichtung Mathematik /
Informatik bewerten den Theorie-Praxissowie den Praxis-Theorie-Transfer als
sehr gut, was die Vereinbarkeit von Beruf
und Studium aus Sicht der Studierenden
sehr unterstützt. So sind Themen der
Abschlussarbeiten eng mit dem Arbeitgeber abgestimmt. Als Nachteil in der
Studienorganisation wird angegeben,
dass die Prüfungsphase als Vollzeitstudium angelegt ist. Das führt dazu, dass sich
die Studierenden in dieser Zeit Urlaub
nehmen müssen. Hier sehen sie aber eher
den Arbeitgeber als die Hochschule in
der Pflicht, ihnen mit flexiblen Arbeitszeitmodellen entgegenzukommen.
Das Masterstudium der Fachrichtung
Gesundheit / Medizin wird von beiden
interviewten Studienanfängerinnen als
bereichernd beschrieben. Sie sprechen
sehr positiv von Studienstruktur und Inhalten. Problematisiert wird die ›finanzielle Doppelbelastung‹ durch die Studiengebühren: ›Und das nimmt man ja der
Familie im Prinzip weg das Geld, wenn
man so will, wo ich denke, ich könnte
meinen Kindern jetzt auch – also ich
habe insgesamt drei Kinder, einer ist halt
noch zu Hause – dem könnte ich auch
mal was zustecken, ne? Und dann fragen
sie: […] kannst du mir das bezahlen?‘
Und dann sage ich: ‚Nee, ich kann gerade
nicht, ich studiere, ist teuer und so.‘ Da
habe ich immer ein schlechtes Gewissen‹
(GI3). Es ist naheliegend zu vermuten,
dass viele Beschäftigte in Pflegeberufen
größere Schwierigkeiten haben, anfallende Studiengebühren zu finanzieren,
als Beschäftigte aus technischen oder
kaufmännischen Berufen. Entsprechend
verschärft wirken sich die finanziellen
Belastungen offensichtlich auf Familien
mit Kindern aus.
Bewertung der betrieblichen
Rahmenbedingungen
Unter die Bewertung der betrieblichen
Rahmenbedingungen fallen thematische
Schwerpunkte wie Arbeitszeitmodelle,
die Möglichkeit der Verknüpfung von
Theorie und Praxis, Unterstützung durch
den Arbeitgeber sowie Unterstützung
durch Kolleginnen und Kollegen. Unterschiede können in diesem Zusammenhang besonders zwischen verschiedenen
Berufsgruppen ausgemacht werden. Besonders entscheidend für die Bewertung
und für die Vereinbarkeit insgesamt ist
jedoch, ob und inwieweit der Arbeitgeber
das Studium unterstützt.
40
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
Für den kaufmännischen Bereich werden
unterschiedliche Erfahrungen geschildert. Ein Befragter beschreibt anschaulich, wie der Versuch, das Studium mit
seinem Beruf zu vereinbaren, zu einer
zu großen Belastung für ihn wurde.
Er berichtet zwar von Unterstützung
durch seinen Vorgesetzten, jedoch auch
davon, seit Beginn des Studiums nur
noch Hilfstätigkeiten zu bekommen.
Womöglich macht er sich Sorgen darum,
seine im Betrieb erarbeitete Position zu
verlieren. Darüber hinaus muss er für die
Präsenzveranstaltungen Urlaub nehmen.
Auch die hohen Studiengebühren muss
der Student selbst tragen. Der Befragte
berichtet, wie die fehlende finanzielle
Unterstützung zu einer zunehmenden
Belastung wurde: ›Dadurch, dass ich […]
von meiner Firma nicht unterstützt werde, also weder finanziell noch über Zeitausgleich oder sonst irgendwas, musste
ich mir halt wirklich für die Tage, die
ich hier an der Uni war oder bin, freinehmen. […] Das waren letztes Jahr unter
der Woche 30 Tage und die habe ich
alle komplett durch Überstunden quasi
abgeleistet, sprich ich habe diese 30 Tage
irgendwann nebenbei vorgearbeitet, um
sie dann abzubauen, und während ich sie
abgebaut habe, saß ich dann halt hier in
der Uni und dann kamen noch die Tage
dazu, in denen ich am Wochenende hier
war, weil wir auch samstags und sonntags dann Vorlesungen haben. Und ja, das
wurde dann letztendlich so viel‹ (I3).
Dieser Fall verdeutlicht, dass die Unterstützung des Arbeitgebers – zum Beispiel
über flexible Arbeitszeitmodelle oder
längerfristige Bildungszeitkonten – zentral ist, um ein Studium neben dem Beruf
bewältigen zu können. Ist dies nicht
der Fall, so müssen Freizeit und Urlaub,
Zeiten, die eigentlich für die Erholung
gedacht sind, für das Studium geopfert
werden. Auch die hohen Studiengebühren werden als Belastung empfunden,
wenn der Arbeitgeber keine finanzielle
Unterstützung anbietet. Dies ist sowohl
bei dem eben genannten Studenten als
auch bei den zwei Studentinnen aus den
Sozial- und Pflegeberufen der Fall.
Zwei andere Studierende aus kaufmännischen Berufsgruppen erfahren hingegen
Unterstützung durch ihren Arbeitgeber.
Sie beschreiben eine finanzielle und
organisatorische Förderung durch ihren
direkten Vorgesetzten, die mit dem
Studiengang und seinen Inhalten aus
eigener Erfahrung vertraut sind und sich
daher mit dem Studienwunsch positiv
identifizieren können. Die Studierenden
können ihre Arbeitszeiten flexibel organisieren, bei Bedarf kurz ihren Arbeitsplatz
verlassen und selbstständig ihr Arbeitsumfeld organisieren. Außerdem bewerten sie Ratschläge von Kolleginnen und
Kollegen als hilfreich für das Studium.
Gleichzeitig erlegen sich beide auf, am
Arbeitsplatz nicht zu häufig über ihr
Studium zu sprechen, um im Kollegenkreis keinen Anlass für Neid und Konkurrenz zu geben. Insgesamt bewerten
sie die Vereinbarkeit – wenn der Alltag
auch als sehr anstrengend bezeichnet
wird – besser als die anderen Studierenden. Dies kann wohl vor allem auf die
Unterstützung und das Verständnis des
Arbeitgebers zurückzuführen sein. Möglicherweise hängt die Empfindung jedoch
auch mit eigenen Leistungsansprüchen
und starker Aufstiegsorientierung in der
Studierendengruppe zusammen.
Studierende aus technischen Berufen
erfahren in unserem Sample kaum Unterstützung durch ihren Arbeitgeber und
sind dadurch mit zahlreichen Hindernissen konfrontiert. Ein Student beschreibt,
dass er ›immer mal so ein paar Steine in
den Weg geworfen bekommt, wie zum
Beispiel dieses Entgegenkommen der
Freischichten oder Ähnliches für Unterricht. Was bei anderen Kollegen vielleicht
dann schon mal eher geht, geht dann
bei mir nicht unbedingt‹ (I2). Er selbst
führt das Verhalten seines Vorgesetzten
darauf zurück, dass dieser von seinen
alternativen beruflichen Plänen weiß. In
der Konsequenz muss der hier zitierte
Schichtarbeiter Urlaub nehmen, wenn
es für das Studium notwendig ist. In
Spätschichtwochen kann er jedoch an
Nachmittagsveranstaltungen nicht teilnehmen. Professoren reagierten bisher
aber sehr flexibel auf diese Umstände
und können dadurch das Vereinbarkeitsproblem leicht abmildern.
41
S TU DI E
Auch der zweite Student aus einem
technischen Beruf erfährt bisher keine
Unterstützung durch seinen Arbeitgeber.
Das Studium gilt in seinem Betrieb als
Freizeitbeschäftigung, wenn er nicht am
Arbeitsplatz ist, muss er sich Urlaub nehmen oder sich ausstempeln. Durch dieses
Verfahren hat er bis heute 50 Minusstunden angesammelt. Der Studierende
äußert die Hoffnung, dass sein Arbeitgeber den Nutzen der Weiterbildung für
den Betrieb erkannt hat und in Zukunft
flexiblere Verfahren anbieten wird. Eine
endgültige Einigung steht allerdings
noch aus. Der Befragte gibt an, mit der
Personalabteilung zu verhandeln, in seiner Arbeitszeit Veranstaltungen besuchen
zu dürfen. Finanzielle Herausforderungen spielen keine besondere Rolle, da für
den Bachelorstudiengang keine Gebühren erhoben werden, anders als in den
weiterbildenden Masterstudiengängen.
Studierende der IT-Berufsgruppe beschreiben, dass Weiterbildung in ihrem
Berufsfeld zentral ist und deshalb von
den Arbeitgebern gefördert wird. Vor
allem in Bezug auf Arbeitszeiten und
Stundenreduzierung haben sie eine gute
Verhandlungsposition gegenüber ihren
Arbeitgebern. In der Regel kommen
die Arbeitgeber den Studierenden mit
flexiblen Arbeitszeiten und Arbeitsorganisation entgegen. Zudem arbeiten
die Studierenden in Teilzeit. Trotz der
eigentlich guten Rahmenbedingungen
führen spezielle Anforderungen im Beruf
zu Herausforderungen für diese Berufsgruppe. Eine Studentin berichtet zum
Beispiel, dass sie an starre Arbeitszeiten
gebunden ist, weil sie ein Projekt betreuen muss. Auch eine andere Studentin
beschreibt die Herausforderung Arbeitsund Studienzeiten koordinieren zu müssen: ›Ich habe vier Tage [arbeiten, Anm.
d. Verf.] probiert [und, Anm. d. Verf.] drei
Module, das ist unmöglich. Man hat dann
überhaupt keine Freizeit, man ist müde
irgendwann. Dann habe ich zwei Module
behalten. Und auch von Arbeitgeberseite,
das ist schön, viele arbeiten in Teilzeit.
Also Entwickler, die ich sehe, [sind, Anm.
d. Verf.] da entspannt und gestalten ihr
Leben. Also vier Tage arbeiten und dann
einen Tag frei. Das wird so verteilt. Also
ich bin dann nicht die Einzige. Und im
Studium sind diese zwei Module machbar, nur man hat eben wenig Freizeit.
Also das ist quasi so ein Hobby (lacht).
Hobby, weil […] das berufstätige Leben für
mich jetzt an erster Stelle und Studium
an zweiter [steht, Anm. d. Verf.]‹ (GI3).
Diese klare hierarchische Ordnung der
Lebensbereiche verdeutlicht nochmals
die Notwendigkeit, Prioritäten zu setzen
und sich nicht in jedem Lebensbereich
gleich hohen Anforderungen auszusetzen. Im Vergleich kann diese Berufsgruppe jedoch durch die Flexibilität der
Arbeitgeber besser auf Probleme bei der
Vereinbarkeit reagieren. So hatte auch
die zuletzt zitierte Studentin die Möglichkeit, verschiedene Kombinationen aus Arbeits- und Studienzeiten auszuprobieren.
Auch in den Sozial- und Pflegeberufen hängt die zeitliche Flexibilität vom
Arbeitgeber, der Arbeitsorganisation und
der beruflichen Position ab. Eine Studentin kann sich ihre Arbeitszeiten relativ
frei einteilen, muss dies nur frühzeitig
mit einer Kollegin absprechen. Eine
andere Studentin ist in der Regel davon
abhängig, dass Kolleginnen und Kollegen
mit ihr Schichten tauschen: ›Manchmal
schwierig, [es, Anm. d. Verf.] ist ein Balanceakt und manchmal muss ich bei der
Arbeit tauschen und fragen: ‚Könnt ihr
mich unterstützen, könnt ihr mir helfen?
Und ich biete dafür an, dann und dann
für euch zu arbeiten.‘ Und manchmal
muss ich eben bei der Uni sagen: ‚Heute
kann ich nicht‘‹ (G3). In beiden Fällen
ist die zeitliche Flexibilität jedoch davon
abhängig, ob hilfsbereite Kolleginnen
und Kollegen spontan einspringen. Eine
feste, verlässliche Regelung besteht nicht.
Unterstützung vom Arbeitgeber ist nicht
gegeben: ›Mein Arbeitgeber hat gesagt,
‚ach, Sie können gerne studieren, wenn
Sie das meinen, aber die Arbeit können
Sie auch tun, ohne dass Sie studieren,
also Kosten, Zeit ist Ihres, sehen Sie zu!
Wenn Ihre Arbeitskraft nicht beeinträchtigt ist, dürfen Sie studieren.‘ Aber die
finanziellen Mittel und die zeitlichen
Möglichkeiten muss ich selber schaffen‹
(G3). Hier deutet sich ein Konflikt an.
Offensichtlich sehen die Studierenden im
Studium inhaltliche Entwicklungsmöglichkeiten für ihre Arbeit und erwarten
daher implizit Unterstützung für ihre
Entwicklungsbereitschaft vonseiten des
Betriebes. Der Arbeitgeber signalisiert
jedoch, dass er keine inhaltliche Weiterentwicklung für notwendig hält und eine
bezahlte Teilfreistellung nur als zusätzlichen Kostenfaktor betrachtet.
42
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
Privatleben
In Bezug auf das Privatleben werden
vor allem Vereinbarkeitsprobleme im
Zusammenhang mit der Partnerschaft,
der Familie und den Hobbys thematisiert.
Einig sind sich alle Befragten darin, dass
das Privatleben zugunsten von Beruf und
Studium vernachlässigt wird: ›Gestrichen wurde nur Freizeit meistens (lacht).
Irgendwie ist das dann aber trotzdem
nie einfacher geworden. […] Wenn man,
glaube ich, das von Anfang an irgendwie
richtig gut organisiert, dann ist das auch
machbar […] Man merkt schon, dass auch
irgendwie so der Freundes- und Bekanntenkreis in dieser Zeit auch ein bisschen
weniger wird und man weniger Kontakt
hat, weil man dann irgendwie, weiß
ich nicht, mir geht es immer so, gerade
zu diesen ganz stressigen Zeiten, ja, ich
würde ja gerne, aber einfach keine Kraft
und keine Zeit, und das, das merkt man
schon.‹ In den Phasen, in denen Zeit für
die Pflege sozialer Kontakte wäre, ist die
Erschöpfung so groß, dass die Zeit zur
Erholung genutzt wird. Die Studierenden haben keine andere Wahl als soziale
Kontakte zu vernachlässigen: ›Also
wenn ich nicht mehr kann oder die Zeit
drängt, dann treffe ich halt keine Freundin, nehme eine Geburtstagseinladung
nicht an, eher, als dass ich bei der Arbeit
sage: ‚Ach, heute komme ich mal nicht‘
(lacht).‹ Ein Student berichtet zudem, wie
sich die Präsenzphasen am Wochenende
negativ auf seine Beziehung auswirken,
da er weniger Zeit mit seiner Freundin
verbringen kann.
Auffällig ist, dass Auswirkungen auf
die Partnerschaft von Männern und
Frauen unterschiedlich bewertet werden.
Die Partner gelten als wichtigste Unterstützer, aber auch als besondere ›Leidtragende‹ in der Studienphase. Zwei Frauen
berichten, wie wichtig die Unterstützung
durch ihre Männer ist, da diese viel
Arbeit zu Hause übernehmen müssen.
Beide sprechen durch die Versorgung
kleiner Kinder beziehungsweise die
Pflege eines Angehörigen neben Studium
und Beruf von einer Dreifachbelastung.
Jedoch beschreiben sie vor allem auch
positive Effekte auf ihre Partnerschaft.
Sie können die Zeit für die Partnerschaft
nun bewusster planen und genießen:
›Mein Mann unterstützt das völlig. Und
was ihm aber wichtig ist: Wir planen die
Zeiten, die wir jetzt haben, bewusster.
Also wir machen einmal die Woche mindestens was Schönes, also dass wir länger
spazieren gehen oder ausgehen oder wir
rufen uns öfter an. […] Das sind so Zeiten,
die wir bewusster planen. Man hat weniger, aber dafür bewusster.‹
Daneben wird von männlichen Befragten in den Interviews beschrieben, wie
Erwartungen der Partnerin zu einer zusätzlichen Belastung werden. So berichtet
ein Student: ›Und ich bin verheiratet,
habe keine Kinder, sonst wäre es sowieso
nicht möglich, und meine Frau musste
da schon sehr viel aushalten und hat da
schon gesagt, wenn ich […] [weiter, Anm.
d. Verf.] machen wollen würde, würde
sie sich scheiden lassen, also das würde
sie nicht weiter mitmachen, dass ich
hier noch so quasi als Hobby nebenbei
studiere, ich habe ja eine Anstellung, ist
so ihr Argument. Sie sieht da nicht diese
[...] persönliche Weiterentwicklung. […] Ja,
die Freizeit beziehungsweise das familiäre soziale Umfeld ist oft eine Belastung,
aber man muss aufpassen, dass man das
nicht kommuniziert, dass das eine Belastung ist. Also ich habe gerade zu Anfang
dann, ja, doch gewisse Konflikte gehabt.‹
Im Zitat wird sowohl Verständnis für die
Situation der Partnerin geäußert als auch
die Erwartung, Verständnis für seine
Wünsche zu bekommen.
Auch ein weiterer Student beschreibt
eine zusätzliche Belastung im Privatleben, da Zeit für die Partnerschaft mit
Lernzeiten kollidiert: ›[Die, Anm. d. Verf.]
Frau wartet zu Hause auf einen und
versteht nicht, dass man auch mal Ruhe
braucht.‹ Die Beschreibung der Partnerin
als ›Fordernde‹ verdeutlicht zum einen,
wie schwer es für die berufstätigen
Studierenden ist, neben dem Beruf und
dem Studium auch ihrem Privatleben
gerecht zu werden. Zum anderen wird an
dieser Stelle der Untersuchung deutlich,
dass die Perspektive der Partner eine
Forschungslücke darstellt. Um umfassende Erkenntnisse über Wirkungen der
Dreifachbelastung auf das Privatleben
verdeutlichen zu können, müssten auch
Partnerinnen und Partner oder andere
nahestehende Menschen in die Befragung
mit einbezogen werden.
43
S TU DI E
Bewältigungsstrategien
für eine bessere Vereinbarkeit
Die von uns befragten berufsbegleitend
Studierenden versuchen, die zuvor beschriebenen Vereinbarkeitskonflikte auf
ganz unterschiedliche Art zu lösen.3 Insgesamt ist zu berücksichtigen, dass alle
Studierenden die Problematik äußern,
ihr Privatleben zu sehr zu beschneiden
– eine ideale, zufriedenstellende Handlungsstrategie für eine ausbalancierte
Vereinbarkeit hat demnach keiner der
Studierenden gefunden. Die im Folgenden näher beschrieben Bewältigungsstrategien bilden daher an dieser Stelle nur
den Status quo der einzelnen Berufsgruppen ab, in Kapitel 7 werden davon ausgehend weitergehende Handlungsempfehlungen diskutiert, die auch individuelle
Handlungsstrategien verbessern können.
1. Trennung der Lebensbereiche
und Kompensation von Belastungen
Die beschriebenen Strategien sind aktiv
auf eine Problemlösung ausgerichtet,
wie die bewusste Planung von Tätigkeiten
oder auch der Verzicht auf bestimmte
Tätigkeiten.4 Eine klare und bewusste
Trennung der unterschiedlichen Lebensbereiche fällt ebenfalls unter diese
Strategie. In unserem Sample verfolgen
Studierende der Fachrichtung Mathematik / Informatik sowie der Fachrichtung
Gesundheit / Medizin diese Strategie. In
diesem Zusammenhang ist es wichtig
zu erwähnen, dass ein Theorie-Praxissowie ein Praxis-Theorie-Transfer – als
Schnittpunkt zwischen Studium und
Beruf – trotzdem eine zentrale Rolle für
die Vereinbarkeit spielen kann und sich
motivationsfördernd auswirkt.
Wie bereits ausführlich beschrieben,
können die Studierenden aus der Berufsgruppe der IT-Branche ihre Arbeitszeit
relativ flexibel einteilen und an ein
Teilzeitstudium anpassen. Sie können
dadurch die drei Lebensbereiche gut
voneinander trennen: ›Ja, aber wobei ich
das dann schon trenne. […] Von Montag
bis Mittwoch ist bei mir Arbeitszeit und
Donnerstag, Freitag, Samstag, Sonntag
ist sozusagen die Zeit für die Thesis‹ (GI3).
Manche können sich sogar bewusst Zeit
für ihr Privatleben schaffen: ›Und das
Wochenende würde ich mir generell
gerne frei halten, weil es dann schon
in der Woche schlaucht. […] Ja, bis jetzt
funktioniert das, Gott sei Dank!‹ (G2).
Andere verzichten in dieser Phase – mehr
oder weniger bewusst – auf Teile des
Privatlebens.
Auch die Berufsgruppe der Sozial- und
Pflegeberufe trennen ihre Lebensbereiche
bewusst. Sie versuchen beispielsweise,
besonders belastende Zeiten im Beruf
oder im Studium im Privatleben zu kompensieren, indem sie sich etwas mit dem
Partner oder der Familie vornehmen.
Auch diese Gruppe nimmt die Belastungen in der Zeit des Studiums als ›notwendiges Übel‹ in Kauf. Dies gelingt ihnen
deshalb ganz gut, weil sie ihre Arbeitszeit
meist – durch hilfsbereite Kolleginnen
und Kollegen – relativ flexibel einteilen
können. Es bleibt in unserem Sample
offen, ob dies auch anderen Studierenden
dieser Berufsgruppe so gelingt.
2. Setzen von Prioritäten und die
Entwicklung von Lernstrategien
Diese Strategie beinhaltet das Setzen von
Prioritäten sowie das bewusste gedankliche Abschalten und die Konzentration
auf das Positive.5 Die Lösungsstrategien
von Studierenden der Fachrichtung
Wirtschaftswissenschaften beziehen
sich besonders darauf, Perfektionismus
abzulegen. Das heißt, sie versuchen zu
akzeptieren, dass sie nur so viel investieren können, wie möglich ist. Dabei ist es
ihnen wichtig, anlassbezogene Prioritäten zu setzen, ›damit kein Lebensbereich
wegrutscht‹ (G1). Bei wichtigen Anlässen, wie zentralen Projekten im Betrieb,
Prüfungsphasen oder einer Hochzeit
im engen Freundeskreis, steht mal die
Arbeit, mal das Studium und mal das Privatleben im Vordergrund. Sie versuchen
sich besonders darauf zu konzentrieren,
weiterhin ›an dem normalen sozialen
Leben‹ (G1) teilzunehmen. Dabei wird ein
Abwägen unter schwierigen Umständen
für die Zeit des Studiums bewusst in
Kauf genommen: ›Gut, das ist immer ein
Abwägen dann auch. Dann könnte man
auch sagen, gut, ich strecke das ein bisschen. Ich lasse jetzt ein Modul sein und
mache das ein bisschen später. Das habe
ich dann ja für mich beschlossen, das
muss jetzt hier durchgezogen werden,
Ende davon. Dann muss ich halt durch‹
(G1).
44
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
Die Bewältigungsstrategie eines Studierenden aus einem technischen Beruf
ist, von der Vorstellung abzurücken, das
Studium in der Regelstudienzeit abzuschließen. Er hat für sich anerkannt, dass
er durch die Vollzeit-Berufstätigkeit und
inhaltliche Herausforderungen (zum
Beispiel in Mathematik) länger braucht,
um sich bestimmte Dinge anzueignen.
Außerdem entwickelt er effiziente
Lernstrategien, liest zum Beispiel nicht
einen gesamten Text, sondern sucht sich
Zusammenfassungen aus dem Internet.
›Also ich sage immer, mittlerweile habe
ich die 80 / 20-Methode, das heißt, ich
lerne 20 Prozent und versuche 80 Prozent
zu erreichen, man muss das Richtige
lernen. Bei Elektrotechnik hat es nicht
gereicht, da bin ich mit Pauken und
Trompeten durchgefallen, dann werde
ich es noch mal machen und werde mich
anders organisieren. […] Weil dieses viele
Lesen und Lernen ist auch berufsbegleitend nicht möglich‹ (I1). Auch hier gilt
Zeitmanagement und das Setzen von
Prioritäten als zentrale Strategie. Auch
das bewusste Einplanen von Zeit für das
Privatleben – zumindest für einen Tag
in der Woche – ist wichtig, um diesen
Lebensbereich nicht völlig zu vernachlässigen.
Wie schwierig sich die Situation für
diejenigen gestaltet, die ihr Privatleben
aufgrund familiärer Pflichten nicht zumindest zeitweise zurückstellen können,
zeigt folgendes Zitat eines Studierenden, der nicht von seinem Arbeitgeber
unterstützt wird: ›Ich habe jetzt eine
kleine Tochter und bekomme jetzt noch
eine zweite, und dementsprechend
möchte ich die jetzt natürlich auch nicht
vernachlässigen in irgendeiner Art und
Weise, was wiederum heißt, dass die
Abende bei mir lang werden und die
Nächte kurz‹ (I2). Dieser Student war
zum Zeitpunkt des Interviews im ersten
Studiensemester. Es muss infrage gestellt
werden, ob diese Alltagsorganisation für
ihn weiter durchzuhalten ist, ohne dass
seine Gesundheit darunter leidet.
3. Zurückstellen von Lebensbereichen als Krisenintervention
Bei dieser Strategie geht es um das Akzeptieren des Vereinbarkeitskonfliktes.6� Ein
befragter Student aus einem kaufmännischen Beruf hat eine unbezahlte Freistellung bei seinem Arbeitgeber erwirkt,
als Notbremse vor möglichem Studienabbruch. Seither ist seine Strategie
darauf ausgerichtet, die Lebensbereiche
neben dem Studium zurückzustellen. Er
möchte ›nur noch durchkommen‹ (I3)
und hat den Anspruch an gute Noten
aufgegeben. Es geht lediglich um ein
›Ertragen‹ der schwierigen Studiensituation, um für die bisher investierte Zeit
und Energie zumindest einen Studienabschluss zu bekommen: ›Deshalb bin
ich echt froh, wenn das Ganze dann bald
vorbei ist‹ (I3).
Wünsche
Der meist genannte Wunsch, mehr Zeit
für Partnerschaft, Freunde und Hobbys
zu haben, weist auf das Grundproblem
der mangelnden Vereinbarkeit hin: ›Ich
bin diejenige, die sich nach mehr Zeit
sehnt […] für diese Beziehung. Dadurch,
dass wir aber beide selbstständig sind
und auch an Wochenenden arbeiten,
ist das eh knapp mit der Zeit. […] Aber
da habe ich auch das Gefühl, dass uns
einfach die Zeit fehlt‹ (GI1).
Die weiteren Wünsche der Studierenden richten sich besonders an die Arbeitgeber sowie an die Hochschulen. Die
Studentinnen aus Sozial- und Pflegeberufen wünschen sich hingegen vor allem
strukturelle Änderungen der Finanzierungsmöglichkeiten.
Wie bereits deutlich wurde, kommt
den Arbeitgebern bei der Vereinbarkeit
von Beruf, Studium und Privatleben
die zentrale Rolle zu. Besonders häufig
werden Wünsche hinsichtlich flexibler
Arbeitszeitmodelle (zum Beispiel über
ein Bildungsteilzeitkonto) genannt, gefolgt von einer Reduzierung der Arbeitszeit und Freistellungsmöglichkeiten: ›Es
müsste eben auch andere, ja, Arbeitszeitmodelle vielleicht geben für Leute, die
so etwas machen wollen. Also es gibt ja
diesen neuen Tarifvertrag, wir sind ja IGMetall-gebundener Betrieb und da gibt es
ja schon den ersten Vorstoß in Richtung
dieses Bildungskontos, was bei uns aber
leider noch nicht eingeführt wurde. Also
45
S TU DI E
vielleicht habe ich da im nächsten Semester ein bisschen Glück. Aber da müsste
man eigentlich mehr drauf hinausarbeiten, dass es da bessere Regelungen gibt‹
(I2). Ein weiterer Student beschreibt, wie
ein wertschätzendes Entgegenkommen
seines Arbeitgebers ihm die Studienzeit
erleichtert hätte: ›Wenn ich von Anfang
an auf der Arbeit weniger Stunden
gehabt hätte und die Überstunden da
leichter hätte aufbauen können oder
mein Arbeitgeber gleich gesagt hätte, die
Tage, die du in die Uni musst, wirst du
so freigestellt, ja, also nicht, du musst da
nicht deinen Urlaub für aufopfern, wir
finden das gut, dass du dich weiterbildest, sondern geh dahin und mache, wir
wissen, dass du das letztendlich auch für
uns tust, weil du dich ja selber weiterbildest und wir da hoffentlich auch was von
haben. Das hätte das Ganze, glaube ich,
deutlich vereinfacht.‹
Nur drei der Befragten geben explizit
an, sich von Seite der Hochschule mehr
Selbststudium über Online-Learning zu
wünschen. ›Da […] [meine Arbeit, Anm. d.
Verf.] wie ein zweites Zuhause für mich
ist, würde ich mir schon wünschen, dass
ich mehr Zeit auch dort zum Lernen hätte. Das hatte ich mir zum Beispiel heute
vorgenommen. Aber es klappte nicht.
Ich glaube, ich bräuchte generell mehr
Zeit. Das lässt sich aber nicht ändern.
Ich muss einfach mit der Zeit, die ich
habe, auskommen‹ (G1). Entsprechende
Forderungen resultieren, wie bei dieser
Studentin, jedoch aus einem generellen
Zeitmangel. Online-Lernen gilt in diesem
Fall als weitere Lernstrategie, um ›Phasen
des Leerlaufs‹ auf der Arbeit produktiv
für das Studium zu nutzen. Insgesamt
schätzen alle Studierenden die Präsenzzeiten und den Austausch mit Dozentinnen und Dozenten sowie Kommilitoninnen und Kommilitonen.
Eine weitere Forderung an die Hochschulen bezieht sich auf die Studienstrukturen beziehungsweise die Studienordnungen. Wie bereits erwähnt, wünscht sich
die IT-Berufsgruppe mehr Flexibilität in
der Abschlussphase des Studiums, um
auch in dieser Zeit arbeiten zu können,
ohne Urlaub nehmen zu müssen: ›Die
größte Belastung wäre dann, das mit
dem Masterprojekt zu regeln, mit dem
Treffen, weil es ist jetzt, glaube ich,
abgemacht, dass wir uns donnerstags
immer treffen. Und donnerstags arbeite ich immer, von daher ist die größte
Belastung dann wirklich die Terminfindung bei den Projekten im Master‹ (GI2).
Darüber hinaus besteht der Wunsch an
eine ›weichere‹ Studienordnung, die den
Druck für berufsbegleitend Studierende
reduzieren kann: ›Wenn man mal eine
Vorlesung nicht besuchen kann, dann ist
es halt so, dann muss ich gucken, ob ich
mir das anders erarbeiten kann oder ich
besuche die Vorlesung noch mal nächstes
Semester. Man muss natürlich aufpassen
mit den Prüfungen, teilweise ist es ja
so, wenn man eine Prüfung dann nicht
bestanden hat, kann man sie irgendwie,
glaube ich, noch zweimal wiederholen
und dann fliegt man raus. Das ist natürlich tödlich bei den berufsbegleitend Studierenden, ist vielleicht auch ein Punkt,
wo man vielleicht über weichere Regeln
nachdenken müsste‹ (I1).
Die Studentinnen aus den Sozial- und
Pflegeberufen, die – wie bereits beschrieben – als größte Belastung die Finanzierung des Studiums angeben, äußern
deshalb strukturelle Wünsche an mehr
Möglichkeiten der Studienfinanzierung,
zum Beispiel über BAföG, Stipendien
oder Studienkredite auch für ältere
Studierende: ›Also andere finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten wären schon
noch toll. Die, die es jetzt gibt, die haben
eine relativ hohe Hürde, da ranzukommen oder sind für uns gar nicht mehr
möglich, weil wir schon zu alt sind‹ (G3).
Eine Studentin versucht zum Zeitpunkt
des Interviews, bei ihrem Arbeitgeber
eine Zuzahlung zu den Studienkosten
über ihr Fortbildungsbudget zu erwirken. Sie schätzt die Chancen allerdings
gering ein, da ein Studium in der Regel
nicht als Fortbildung gezählt wird.
46
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
Zusammenfassung
Aus den empirischen Ergebnissen lassen
sich verschiedene Vermutungen, Fragen und Empfehlungen ableiten. Als
Studienmotivation geben besonders die
jüngeren Befragten im Sample an, ein
berufsbegleitendes Masterstudium zu
nutzen, um ihre beruflichen Chancen
in ihrem Berufsfeld zu festigen und zu
erhöhen, gleichzeitig verbinden sie mit
der beruflichen auch eine persönliche
Weiterentwicklung. Ältere Studierende
sowie Studierende von Bachelorformaten
nutzen ein berufsbegleitendes Studium,
um eine alternative berufliche Perspektive einzuleiten. Studierende der Sozialund Pflegeberufe verbinden neben einem
beruflichen Aufstieg beziehungsweise
Tätigkeitswechsel den inhaltlichen Anspruch, ihr Berufsfeld mit ihrem Wissen
weiterentwickeln zu können.
Als größte Belastung bezeichnen die
Studierenden die drei Bereiche Studium,
Beruf und Privatleben vereinbaren zu
müssen. In dieser Konstellation ist die Erwerbsarbeit in der Regel der unflexibelste
Bereich, an den Studium und Privatleben
angepasst werden müssen. Dabei leidet
besonders das Privatleben, da dieses
aufgrund des neuen Lebensbereiches
Studium zu kurz kommt. Das Privatleben aller Studierenden leidet darunter,
das Studium als neuen Lebensbereich
zusätzlich zu integrieren. Alle Studierenden wünschen sich mehr Zeit für ihre
Freizeit und sozialen Kontakte. Teilweise
wirken die Belastungen sich auch negativ
auf Partnerschaften aus. Die Bewertung
der privaten Rahmenbedingungen
unterscheidet sich auch geschlechtsspezifisch. Als unterstützende Maßnahme in
dieser Situation können unter anderem
Studienprogramme genannt werden, die
Partnerinnen und Partner in die Studienorganisation mit einbeziehen. Eine
besondere Herausforderung ist die Vereinbarkeit aller Bereiche für Studierende
mit Kindern.
Die Studienstrukturen werden je nach
Angebot unterschiedlich bewertet. Eine
Beratung und Begleitung während des
gesamten Studienprozesses werden als
wertvoll erachtet. Dabei sind besonders
ausreichende Transparenz über Studienstrukturen, Präsenzzeiten und inhaltliche Anforderungen zentral. Auch eine
enge Verknüpfung zwischen Theorie und
Praxis erleichtert die Studienzeit sowie
die Vereinbarkeit. Dabei ist außerdem
wichtig, dass jede Studienphase mit
dem Beruf vereinbar ist. Eine besondere
Bedeutung haben außerdem die Mitstudentinnen und Mitstudenten als Gleichgesinnte sowie als Unterstützerinnen und
Unterstützer im Lernprozess und bei der
Organisation des Studiums. Ein Austausch sollte bewusst gefördert werden.
Die Finanzierung des Studiums ist im Vergleich besonders für Befragte der Sozialund Pflegeberufe eine Herausforderung.
Hier wäre strukturell mit allen beteiligten Akteuren zu überlegen, welche
Finanzierungsmöglichkeiten gemeinsam
entwickelt werden können.
47
S TU DI E
Da die Studierenden ihren Beruf als zentralen Bereich betrachten, um sich beruflich
und persönlich weiterzuentwickeln und
den Lebensunterhalt zu sichern, ist die
Unterstützung des Arbeitgebers zentral für
die Vereinbarkeit zwischen Studium, Beruf
und Privatleben. Diejenigen Studierenden,
die von Unterstützung durch ihren Arbeitgeber berichten, bewerten die Vereinbarkeit zwischen Studium, Beruf und Privatleben besser als andere. Dabei werden
flexible Arbeitszeitmodelle als besonders
unterstützend für die Vereinbarkeit
empfunden. Neben flexiblen Arbeitszeitmodellen wie Gleitzeit, Vertrauensarbeitszeit oder Home-Office würden besonders
Arbeitszeitkonten, Stundenreduzierung
nach Bedarf oder Freistellungsoptionen die
Vereinbarkeit entscheidend erleichtern.
Für Studierende aus Sozial- und Pflegeberufen ist darüber hinaus auch die finanzielle
Unterstützung von zentraler Bedeutung.
Die hier dargestellten Bewältigungsstrategien der Studierenden können im
Zusammenhang mit der Vereinbarkeit
als nicht ausreichend bezeichnet werden,
um die drei Lebensbereiche angemessen
und für die Studierenden zufriedenstellend miteinander zu vereinbaren. Sie sind
Versuche, den Alltag besser organisieren
zu können. Alle Studierenden müssen
Abstriche machen. Dies gelingt besonders
den Studierenden besser, die auf Unterstützung des Arbeitgebers oder besonderen
Freiraum in ihrem Beruf zurückgreifen
können. Bei hohen familiären Verpflichtungen und mangelnder Unterstützung
am Arbeitsplatz kann der Versuch, alle
Bereiche miteinander zu vereinbaren, zu
Konflikten und gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen.
1 Vgl. Kruse (2014), S. 52.
2 Im Anschluss an die Interviews wurde ein
kurzer Fragebogen an die Teilnehmenden ausgeteilt, um die wichtigsten soziografischen Daten abbilden zu können.
Leider war es aufgrund von Zeitmangel
in einem Interview nicht möglich, den
Fragebogen von zwei Teilnehmenden
ausfüllen zu lassen. Mit Ausnahme der
Angabe von Kindern, beziehen sich
alle Daten deshalb nur auf 11 von 13
Befragten.
3 Syrek et al. (2014, S. 128 ff.) machen
verschiedene Handlungsstrategien
der Work-Learn-Life-Balance unter
Wissensarbeitern aus. Zum Teil lassen
sich die von uns vorgefundenen
Handlungsstrategien auf die dort
identifizierten Kategorien beziehen. So
kann die von uns vorgefundene Trennung
von Lebensbereichen und Kompensation
der Belastungen der problemorientiert,
verhaltensbezogenen Strategie zugeordnet werden. Das Setzen von Prioritäten
und die Entwicklung von Lernstrategien
fallen in die problemorientierte, kognitive Strategie. Das Zurückstellen von
Lebensbereichen als Krisenintervention
bezieht sich hingegen auf die vermeidungsorientierte, kognitive Strategie.
4 Vgl. Syrek et al. (2014), S. 128.
5 Nach Syrek et al. (2014), S. 128
ein problemorientiertes, kognitives
Verhalten.
6 Vgl. Syrek et al. (2014), S. 129.
48
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
SUSANNE HERMELING
JESSIC A HEIB ÜLT
Quantitative Befragung
In der quantitativen Befragung von Studierenden verschiedener Studiengänge
in Bremen konnten von einem Rücklauf
von 59 Fragebögen 53 Antworten ausgewertet werden. Der Fragebogen ist
am Ende dieses Kapitels abgebildet. Er
wurde an Studierende der Studiengänge
verteilt, die in Tabelle 1 im 2. Kapitel
dargestellt sind. Nicht nur aufgrund der
geringen Zahl sind die hier Befragten
nicht repräsentativ für alle in Bremen
berufsbegleitend Studierenden. Eine
repräsentative Befragung wäre mit einem
erheblichen Aufwand verbunden, da die
Grundgesamtheit der berufsbegleitend
Studierenden in allen Studiengängen
bisher statistisch nicht erfasst ist. Die
Auswertung der vorliegenden Daten gibt
daher beispielhafte Einblicke in private,
betriebliche und hochschulische Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit
von Beruf, Studium und Privatleben.
In der Auswertung konzentrieren wir
uns vornehmlich auf auffällige Befunde, aus denen sich Unterschiede nach
beruflichem Hintergrund und nach
Studienformaten sowie geschlechts- und
altersspezifische Differenzen ableiten
lassen. Wir unterscheiden drei große Berufsgruppen: technische (einschließlich
IT-Berufe), kaufmännische und soziale
Dienstleistungsberufe (Erziehungs- und
Pflegeberufe).
Vorbildungsniveau
Von den Befragten haben 35 das Abitur
und acht die Fachhochschulreife erworben. Lediglich sechs Befragte haben einen
mittleren Schulabschluss oder einen
Hauptschulabschluss. Das spiegelt die ohnehin niedrige Quote von Studierenden
ohne Abitur an den deutschen Hochschulen wider (2,6 Prozent in Deutschland,
1,42 Prozent in Bremen1). Die Quote der
Studierenden mit Abitur und beruflicher
Ausbildung liegt mit etwa 20 Prozent
wesentlich höher.2 Auffällig ist, dass alle
Frauen in unserem Sample das Abitur
oder die Fachhochschulreife aufweisen.
Das kann unter anderem damit zusammenhängen, dass allein 13 der 19 befragten Frauen in den Branchen Gesundheit
und Sozialwesen oder Erziehung und
Unterricht arbeiten, in denen viele
Ausbildungsberufe von Abiturientinnen
absolviert werden.3 Es ist naheliegend,
dass insbesondere Abiturientinnen dem
Bedarf an wissenschaftlicher Qualifizierung bei den Pflege- und Erziehungsberufen folgen, zumal gerade bei Krankenpflegekräften und Erzieherinnen eine hohe
Motivation bestehen dürfte, mit einem
Hochschulabschluss ein besseres Einkommen zu erzielen.
Die Befragten mit Abitur sind generell jünger; unter den unter 30-Jährigen
haben alle die Hochschulreife. In dieser
Gruppe von 19 Befragten hat etwa die
Hälfte einen Berufsabschluss. Ebenso
sind halbe und Dreiviertelstellen in
dieser Gruppe häufiger anzutreffen als
unter den Älteren. Das hängt wahrscheinlich mit den niedrigeren finanziellen
Belastungen der jüngeren Studierenden
zusammen, die in dieser Stichprobe
alle kinderlos sind. Wiederum entsteht
hier das Bild einer spezifischen Studierendengruppe, die bald nach ihrem
Berufsabschluss und vor einer Familiengründungsphase mit einem Studium
›durchstarten‹, ohne ihre Erwerbstätigkeit aufzugeben.
Hinsichtlich der erworbenen Berufsabschlüsse ergibt sich folgendes Bild.
Über die Hälfte der Befragten hat bereits
ein Hochschulstudium absolviert und
studiert demzufolge nun in einem Masterstudiengang. Fast alle Befragten mit einem Ausbildungsabschluss sowie die fünf
Absolventinnen und Absolventen einer
Aufstiegsfortbildung an einer Fachschule
studieren in einem Bachelorprogramm
(n = 16). Sieben haben keine Angabe zu
49
S TU DI E
Abb. 1:
Schul- und Berufsabschlüsse
n = 53
Fach-/
Hochschule
Abitur
35
28
19
duale
Ausbildung/
Berufsfachschule
Berufsabschluss
Höchster
Schulabschluss
4 keine
Angabe
8
Fachhochschulreife
2
4
Berufsbildungsreife
mittlerer
Schulabschluss
ihren Berufsabschlüssen gemacht. Aufgrund möglicher Mehrfachantworten geben fünf Befragte im Sample an, sowohl
eine Ausbildung als auch ein Hochschulstudium abgeschlossen zu haben. Auch
die Ergebnisse der qualitativen Interviews
legen nahe, dass solche langen Bildungswege unter berufsbegleitend Studierenden keine Seltenheit sind.
Von den 34 Studierenden der Masterstudiengänge geben drei einen Berufsabschluss als höchsten Abschluss an. Das
deutet darauf hin, dass die Möglichkeit
des Zugangs zu weiterbildenden Masterstudiengängen auch ohne vorliegenden
Bachelorabschluss bei gleichen Qualifikationen immerhin von einigen genutzt
wird.
Soziodemografische Merkmale
der Befragten
Die 53 berufsbegleitend Studierenden
sind zum Befragungszeitpunkt zwischen
23 und 59 Jahre alt. Der Mittelwert liegt
bei 32 Jahren. Dabei sind die Altersgruppen der 20- bis 29-Jährigen (n = 19) sowie
der 30- bis 39-Jährigen (n = 20) überrepräsentiert. Acht Studierende sind zwischen
40 und 49 Jahre alt, fünf sind über 50
Jahre alt.4 Männer sind in der Stichprobe
überrepräsentiert. Insgesamt haben 19
Frauen und 34 Männer an der Befragung
teilgenommen.
5
Fachschule
7
keine
Angabe
18 Befragte haben Kinder, davon sechs
Frauen und 12 Männer. Zwei Frauen sind
alleinerziehend. Nur eine von diesen
Frauen hat noch ein Kind im schulpflichtigen Alter. Beide Frauen arbeiten in
Vollzeit und geben an, organisatorische
Unterstützung von Freunden zu erhalten. Die Vereinbarkeit von Studium und
Beruf wird von beiden als ›sehr schlecht‹
beurteilt und die Anforderungen als sehr
hoch. Von den Befragten mit Kindern
ist niemand unter 30 Jahre alt. In der
Altersgruppe zwischen 30 und 39 Jahren
haben sieben Befragte Kinder, darunter
nur eine Frau. Von den über 40-Jährigen
geben fünf Frauen und sechs Männer
an, Kinder zu haben. Die Vermutung ist
naheliegend, dass berufsbegleitendes
Studieren in der Familienphase mit
Kindern im Vorschul- und Schulalter
schwierig zu bewältigen ist. Dies fällt für
Frauen mehr ins Gewicht als für Männer, denn es gibt in der Stichprobe nur
Männer mit Kindern im Vorschulalter.
Die geschlechtsspezifische Rollenaufteilung in der Sorgearbeit zulasten der
Frauen spiegelt sich also in der Befragung
wider. Auffällig ist außerdem, dass die
Studierenden mit Kindern nicht weniger Stunden arbeiten als Studierende
ohne Kinder. Der größere Teil hat eine
Vollzeitstelle und leistet darüber hinaus
Überstunden ab. Hier zeigen sich die mit
Kindern verbundenen höheren finanziel-
50
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
len Belastungen, die eine Arbeitszeitreduzierung erschweren.
Unterstützung im privaten Umfeld
Bezüglich der Wohnsituation geben
die meisten an, mit ihrem Partner oder
ihrer Partnerin zusammenzuleben (n =
20) beziehungsweise mit dem Partner /
der Partnerin und Kindern zusammenzuleben (n = 14). Die übrigen leben allein
mit ihren Kindern zusammen, in einer
Wohngemeinschaft oder bei Familienangehörigen. Alleinlebend sind nur 13
Studierende.
Bei der Konzeption der Untersuchung
war unter anderem die Hypothese maßgeblich, dass Unterstützung im privaten
Umfeld für eine gute Vereinbarkeit
zwischen Studium und Beruf wichtig ist.
In Abbildung 2 wird dargestellt, welche
Menschen im privaten Umfeld als unterstützend empfunden werden und in Abbildung 3, in welcher Form die Befragten
Unterstützung erfahren. Mehrfachantworten waren jeweils möglich.
Die Partnerinnen und Partner spielen insgesamt die größte Rolle bei der
Unterstützung im Studium. Diese leisten
vor allem Zuspruch und entlasten bei der
Hausarbeit. Diejenigen, die ihre Eltern
beziehungsweise einen Elternteil als Unterstützung angegeben haben, gehören
eher zu den jüngeren Teilnehmenden der
Befragung, von ihnen sind acht unter 30
Jahre beziehungsweise 13 unter 35 Jahre
alt. Insgesamt elf Befragte haben angegebenen, in ihrem privaten Umfeld keinerlei Unterstützung zu erfahren, darunter
befinden sich fünf Alleinlebende sowie
sieben Männer und zwei Frauen. Die bei
Weitem häufigste Form der Unterstützung ist Zuspruch und Vertrauen. Auch
in den Interviews berichten Studierende,
wie wichtig es ist, dass das nahe Umfeld
den mit der Studienaufnahme verbundenen Zeitmangel für Partner und Familie
grundsätzlich akzeptiert. Studierende
in festen Partnerschaften scheinen
insgesamt gegenüber alleinlebenden im
Vorteil zu sein. Zwar beschreiben einige
Studierende in den Interviews belastende Forderungen in der Partnerschaft,
ebenso betont wird jedoch von vielen die
unterstützende Seite. Da jedoch fast alle
Studierenden erzählen, dass sie Freundeskreis, Sport oder ehrenamtliche Tätigkeiten vernachlässigen müssen, scheint der
Partner oder die Partnerin im Ausgleich
für einen kontinuierlichen sozialen Rückhalt zu sorgen.
Bemerkenswert ist, dass 19 Befragte
angaben, dass sie von Kommilitoninnen
und Kommilitonen unterstützt werden.
Diese werden damit auch dem privaten
Bereich zugeordnet. Besonders oft genannt wird in diesen Fällen der fachliche
Austausch und bei einigen die organisatorische Zuarbeit als Entlastungsform. In
der Befragung geben mehr als die Hälfte
der Studierenden (n = 32) an, sich mehr
Zeit für den Austausch mit Studienkollegen zu wünschen. Neben dem fachlichen
Austausch (n = 30, Mehrfachnennungen
möglich) soll jedoch auch der persönliche Austausch (n = 24, Mehrfachnennungen möglich) eine Rolle spielen. Auch
dieses Ergebnis wird in den qualitativen
Interviews bestätigt. Dort werden Studienkolleginnen und Studienkollegen zum
Abb. 2:
Unterstützung im privaten Umfeld erhalte ich von …
n = 53, Mehrfachnennungen möglich
3
anderen Familienangehörigen
Kind/Kindern
niemandem
Freundinnen/Freund
Eltern/Elternteil
Studienkollegen
Partnerin/Partner
4
9
11
16
19
36
51
S TU DI E
Abb. 3:
Ich erhalte Unterstützung im privaten Umfeld in folgender Form …
n = 53, Mehrfachnennungen möglich
Zuspruch und Vertrauen
zeitliche Entlastung bei der Hausarbeit
13
12
fachlicher Austausch
gar nicht
7
finanziell
6
zeitliche Entlastung bei der Kinderbetreuung
organisatorische Zuarbeit
3
Seelsorge
3
zeitliche Entlastung bei der Betreuung
einer/eines Angehörigen
27
1
1
Teil als wichtige Ansprechpersonen in
Krisenzeiten beschrieben. Einige beschreiben die Gruppe von Studierenden als
soziales Netz, in dem sie gehalten werden
und das ihnen hilft, Phasen der Anstrengung durchzuhalten.
Betriebliche Rahmenbedingungen
Von 53 Befragten geben 33 an, einem
großen Unternehmen mit mehreren
betrieblichen Standorten anzugehören,
drei machten keine Angabe. Die meisten
arbeiten an einem großen betrieblichen
Standort mit über 500 Beschäftigten (n =
20). Elf Befragte arbeiten in einem Betrieb
mit unter 50 Beschäftigten. Erwartungsgemäß würde man unter den großen Unternehmen eine finanzielle Beteiligung
am Studium eher erwarten. Es finden
sich jedoch vier kleinere Unternehmen
mit unter 250 Beschäftigten, die Studierende (teilweise) bezahlt freistellen oder
sich an direkten Kosten beteiligen. Insgesamt geben 16 Studierende eine finanzielle Beteiligung ihres Arbeitgebers an.
Die berufliche Tätigkeit der meisten
Befragten ist in den personenbezogenen
Dienstleistungen (n = 21) und im technischen Bereich (n = 18) angesiedelt. Kaufmännische Tätigkeiten (n = 10) sind unter
den Berufsgruppen im Sample folglich
unterrepräsentiert. In der Fachrichtung
Wirtschaftswissenschaften wurden zwar
zwei Studiengänge befragt, diese sprechen
jedoch unterschiedliche Berufsgruppen
mit ihrem Angebot an (siehe Abbildung
1 in Kapitel 2). Gegliedert nach Branchen
arbeitet die Mehrheit der Befragten im
verarbeitenden Gewerbe (n = 15), in Erziehung und Unterricht (n = 11) sowie im
Gesundheits- und Sozialwesen (n = 10). In
der Logistik (n = 4) und in wirtschaftsbezogenen Dienstleistungen (n = 2) sind sechs
Befragte beschäftigt. Die Branchen Handel
und Reparatur sowie Gastgewerbe sind
nur mit jeweils einem Befragten vertreten.
In den qualitativen Interviews werden die
Arbeitszeiten im Handel als sehr ungünstig für ein berufsbegleitendes Studium
beschrieben, das könnte zu einer niedrigen Studienteilnahme von Beschäftigten
dieser Branche führen. Ähnliches ist für
das Gastgewerbe anzunehmen.
Unter den zehn Befragten, die im
Schichtbetrieb tätig sind, arbeiten bis auf
eine Studierende alle in Teilzeit, in der
Regel auf halben Stellen. In dieser Gruppe
sind vornehmlich Frauen, die im Gesundheits- und Sozialwesen arbeiten. Die
Interviews mit Expertinnen und Experten
in unserer Studie bestätigen, dass flexible
52
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
Abb. 4:
Folgende Personen im Betrieb sind über mein Studium informiert
n = 53, Mehrfachnennungen möglich
alle Kolleginnen/Kollegen
mein/e direkte/r Vorgesetzte/r
30
29
die Geschäftsleitung
einige vertraute Kolleginnen/Kollegen
40
12
niemand
1
Dienstpläne in dieser Branche die Vereinbarkeit mit dem Studium erleichtern. Die
starren Wechselschichten im verarbeitenden Gewerbe erschweren dagegen die
Teilnahme an Präsenzveranstaltungen
erheblich. Auch in unserer Stichprobe
sind keine in Schichtarbeit Beschäftigten
aus dem verarbeitenden Gewerbe vorhanden. Alle Befragten aus dem verarbeitenden Gewerbe arbeiten im regulären
Tagdienst, viele haben zudem Gleitzeitregelungen und Arbeitszeitkonten.
Außerdem sind in dieser Gruppe relativ
viele Führungskräfte, die möglicherweise
über Gestaltungsfreiräume verfügen, die
sie für die Vereinbarkeit von Beruf und
Studium nutzen können.
Von den befragten Studierenden
arbeiten 15, darunter zehn Frauen, auf
Teilzeitstellen. Die meisten Befragten
arbeiten damit auf Vollzeitstellen von 35
bis 42 Vertragsstunden pro Woche. Gut
die Hälfte der Befragten aller Berufsgruppen (n = 28) gibt an, regelmäßig Überstunden zu leisten. 18 Beschäftigte kommen
damit auf eine reale Wochenarbeitszeit
von über 41 bis hin zu 55 Stunden. Erstaunlicherweise ist die für das Studium
aufgewendete Zeit fast genauso hoch
veranschlagt wie bei den Beschäftigten
mit 30 bis 40 Stunden Arbeitszeit. So ergeben sich bei den Vollzeitbeschäftigten
mitunter 70 Stunden pro Woche für Beruf und Studium. Bei den Beschäftigten
mit bis zu 30 Arbeitsstunden im Betrieb
liegen die für das Studium aufgewende-
ten Stunden höher. Nach dem Mittelwert
der angegebenen Stundenzahlen für
Beruf und Studium zusammen, ergibt
sich für die Befragten am häufigsten eine
60-Stunden-Woche.
Von den Studierenden, die ihre
Arbeitszeit sehr gut (n = 7) oder eher gut
(n = 8) an ihr Studium anpassen können,
greifen nahezu alle auf flexible Arbeitszeitmodelle zurück (n = 13), einige wenige
auch auf Arbeitszeitkonten oder HomeOffice. Schichtarbeit kommt in dieser
Gruppe nur zweimal vor. In der Gruppe,
die die Vereinbarkeit als sehr schlecht (n
= 8) oder eher schlecht (n = 9) bezeichnet,
können nur zwei Befragte von flexiblen
Arbeitszeiten profitieren. Schichtarbeit
kommt in dieser Gruppe dreimal vor. Die
Stichprobe zeigt also einen sehr klaren
Zusammenhang von flexiblen Arbeitszeitmodellen und guter Vereinbarkeit. Dieser
Zusammenhang ist in unserer Stichprobe
sogar stärker als der von reduzierten Arbeitsstunden und guter Vereinbarkeit.
Unterstützung im Betrieb
Unsere Studie zeigt, dass die Berufstätigkeit für die meisten berufsbegleitend
Studierenden aus verschiedenen Gründen Priorität vor dem Studium genießt.
Die Erwerbstätigkeit gilt als existenzieller
und unerlässlicher Lebensbereich. Die Arbeitszeit zeitlich zu beschränken, kommt
für viele, gerade ältere, Studierende oft
schon aus finanziellen Gründen nicht
53
S TU DI E
infrage. Viele Beschäftigte wollen unter
Umständen auch nicht ihre Position im
Betrieb gefährden. Aufgrund der hohen
Doppelbelastung sind aber gerade eine
Reduzierung und Flexibilisierung von
Arbeitszeiten, Freistellungen und andere
gezielte Unterstützung durch die Arbeitgeber für den Studienerfolg ausschlaggebend. Der Betrieb muss also ›mitspielen‹.
Nicht erstaunlich ist es deshalb, dass
nur ein Befragter niemanden in seinem
Betrieb über sein Studium informiert hat
(vgl. Abbildung 4). Einige Studiengangsverantwortliche in den Interviews mit
Expertinnen und Experten berichten,
dass mitunter Beschäftigte, die einen
Stellenwechsel anstreben, ihr Studium
im Betrieb gar nicht erwähnen. Da sich
jedoch die Rahmenbedingungen dann
äußerst schwierig gestalten, ist dies wohl
selten lange durchzuhalten. Im Regelfall
scheinen tatsächlich alle Kolleginnen
und Kollegen im Bilde zu sein und bei
über der Hälfte der Befragten sind auch
die Vorgesetzten und Geschäftsleitungen
informiert.
Um ein Bild davon zu bekommen, von
wem und in welcher Form die Studierenden unterstützt werden, wurden Fragen
mit verschiedenen Auswahlmöglichkeiten gestellt. In Abbildung 5 wird deutlich, dass die Vorgesetzten bei Weitem
die wichtigsten Unterstützer im Betrieb
sind (n = 29). Auffällig ist auch, dass zwar
37 Befragte angeben, dass es in ihrem
Betrieb einen Betriebs- oder Personalrat
gibt, jedoch nur drei Befragte sich von
ihrem Betriebsrat unterstützt sehen.
In zwei von diesen drei Fällen beteiligt
sich der Betrieb allerdings finanziell am
Studium. Bemerkenswert ist weiterhin,
dass knapp die Hälfte aller Studierenden
(n = 23) gar keine Unterstützer im Betrieb
hat. Trotzdem sind auch in dieser Gruppe Studierende, die seit ihrem Studium
andere Aufgaben (n = 3) oder mehr Verantwortung (n = 2) übernehmen, weitere
(n = 4) bearbeiten ihre Aufgaben anders
als zuvor. Sie machen also ihr Studium
weitgehend selbsttätig für ihre Arbeit
nutzbar.
Die organisatorische Unterstützung
seitens der Betriebe in unserem Sample erstreckt sich im Wesentlichen auf
die zeitliche Flexibilität. Das ist für die
Studierenden eine zentrale Regelung, die
allerdings auch nur in 18 Fällen angegeben wurde. Betriebliche Einrichtungen
(wie Kitas) als eine Antwortoption werden
von keinem Studierenden als Unterstützungsform seitens des Betriebes angegeben (Abbildung 6).
Inhaltliche Fragen werden im Betrieb
selten bearbeitet und die Vergabe von
studienrelevanten Aufgaben an Studierende kommt in unserer Stichprobe nur
zweimal vor (Abbildung 6). So scheinen
also auch Vorgesetzte, die das Studium
durch mehr zeitliche Flexibilität fördern,
keinen gezielten Theorie-Praxis-Transfer
zu schaffen. Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil 22 Befragte angeben, dass
sie seit ihrem Studium Aufgaben anders
bearbeiten oder andere Aufgaben im
Betrieb übernehmen, und in fünf Fällen
sogar mehr Verantwortung tragen. Ein
Theorie-Praxis-Transfer findet also bei 22
Befragten schon während des Studiums
statt, jedoch kommt in diesen Fällen
wohl eher bereits erworbenes Wissen zur
Anwendung, als dass Lernprozesse gezielt
in die Arbeit eingebettet werden. Von den
Abb. 5:
Ich erhalte Unterstützung im Betrieb von …
n = 53, Mehrfachnennungen möglich
29
23
13
3
Vorgesetzten
niemandem
Kolleginnen/
Kollegen
Betriebs-/Personalrat
1
keine Antwort
54
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
Beschäftigten, die schon während des
Studiums andere Aufgaben übernehmen,
werden erstaunlicherweise nicht alle von
ihrem Arbeitgeber durch die Übernahme
direkter Kosten oder Teilfreistellungen
unterstützt. Hier profitiert also zunächst
nur der Betrieb von den Bildungsinvestitionen der Beschäftigten.
Insgesamt 16 Befragte werden von ihren Arbeitgebern finanziell unterstützt,
acht durch die Übernahme von direkten
Kosten, sechs durch die Freistellung für
alle Präsenzveranstaltungen und einmal
durch eine Teilfreistellung. In elf Fällen
kooperiert der Betrieb mit der Hochschule und beteiligt sich dann in der Regel
auch finanziell. Diese kooperierenden
Betriebe gehören fast ausschließlich
dem Gesundheits- und Sozialwesen oder
Erziehung und Unterricht an, die nutznießenden Studierenden sind damit vor
allem Frauen.
Wir wollten von den Studierenden
außerdem wissen, ob sie von einer tarifvertraglichen oder betrieblichen Vereinbarung zur Weiterbildung profitieren.
Jedoch wissen nur zwölf Befragte von
einer solchen Regelung in ihrem Betrieb.
Und nur ein Beschäftigter im Gesundheits- und Sozialwesen gibt an, dass ihm
die Vereinbarung die Studienentscheidung erleichtert hat. Hier wird deutlich,
dass formale Regelungen und Betriebsvereinbarungen oft fehlen oder intransparent sind. Und wenn es Regelungen gibt,
scheinen diese in der Praxis keine große
Wirksamkeit zu entfalten.
Hochschulische
Rahmenbedingungen
Wir hatten die Studierenden gebeten,
zu schätzen, wie viele Stunden sie pro
Woche für das Studium aufwenden.
Die Zeitangaben variieren sehr stark
zwischen den Studiengängen. In den
Studiengängen der Fachbereiche Medizin
/ Gesundheit und Erziehungswissenschaften wenden die Studierenden 20 bis 25
Stunden pro Woche auf, in den restlichen
Studiengängen 15 bis 19 Stunden. Die Angaben korrespondieren deutlich mit der
hohen Teilzeitquote unter den vornehmlich weiblichen Studierenden aus den
pädagogischen und Pflegeberufen in den
ersten beiden Studiengängen.
Das Votum der Studierenden zu mehr
E-Learning-Anteilen im Studium korrespondiert allerdings nicht mit dem
Umfang ihrer Arbeitsstunden. Insgesamt
nur 18 Studierende wünschen sich mehr
E-Learning, 23 geben ein negatives Votum
ab, neun Studierende sind sich unsicher,
drei geben keine Antwort. Das in Politik
und Forschung viel diskutierte E-Learning als wichtiger Ansatz, um das Studium für Berufstätige attraktiver zu gestalten, wird von unseren Befragten also eher
verhalten aufgenommen. Die Gruppe,
die sich mehr E-Learning wünscht, ist al-
Abb. 6:
Unterstützung im Betrieb erhalte ich in folgender Form …
n = 53, Mehrfachnennungen möglich
durch zeitliche Flexibilität
gar nicht
15
keine Antwort
12
durch Zuspruch und Vertrauen
11
bei inhaltlichen Fragen
6
durch Überlassung von studienrelevanten Arbeiten
Sonstiges
2
1
18
55
S TU DI E
tersdurchmischt und bringt unterschiedliche Bildungsvoraussetzungen mit. Ein
erhöhter Bedarf an Online-Angeboten ist
jedoch in zwei Studiengängen auszumachen. Zum einen in dem berufsbegleitenden Bachelorprogramm der Fachrichtung
Berufspädagogik. Hier studieren Beschäftigte aus technischen Berufsgruppen, die
Vollzeitstellen haben. Die Vollzeitarbeit
erschwert die Teilnahme an einigen Präsenzveranstaltungen, die eigentlich Teil
des Regelstudienangebots sind und damit
nicht abends, sondern tagsüber stattfinden. Dass diese Veranstaltungen nicht
berufsbegleitend konzipiert sind, geben
die Studierenden als ihr Hauptproblem
mit den Studienbedingungen an. In den
freien Antworten wird das von fast allen
Befragten dieses Studiengangs geäußert.
In dem zweiten Bachelorstudiengang
mit einem höheren Bedarf an E-Learning
studieren Pflegekräfte. Diese sind zwar
einerseits relativ oft in Teilzeit beschäftigt und können damit mehr Stunden
für ihr Studium aufwenden; andererseits
ist in dieser Gruppe Schichtarbeit an der
Tagesordnung. Zwar sind die Schichten
flexibel genug, um ein Studium berufsbegleitend zu bewältigen, dennoch wird die
Anstrengung durch die Schichtarbeit in
den freien Antworten mehrfach thematisiert. Auch Überstunden sind durch den
Personalmangel in dieser Berufsgruppe
keine Seltenheit. Eine teilweise Reduzierung von Präsenzzeiten im Studium
könnte also für die Studierenden entlastend wirken.
In den anderen berufsbegleitenden
Studiengängen wird, trotz der hohen
Quote an Vollzeitbeschäftigten, kaum
Bedarf geäußert oder E-Learning sogar explizit abgelehnt. Eine mögliche
Erklärung für die tendenzielle Ablehnung von E-Learning ist nach Aussagen
in den qualitativen Interviews, die hohe
Motivation, die Studierende durch den
direkten Austausch mit Dozentinnen und
Dozenten sowie Kommilitoninnen und
Kommilitonen erhalten. Die Anstrengung
der abendlichen Präsenzveranstaltungen
wird also durch die Motivation und das
Wohlbefinden in der Studiengruppe aufgewogen. Nach Aussagen der Studierenden kann die Motivation, sich am Ende
des Arbeitstages an einen PC zu setzen,
dagegen als eher gering eingeschätzt
werden.
In den qualitativen Interviews wurde
geäußert, dass die Studierenden generell
gerne mehr Zeit für alle Lebensbereiche,
so auch für das Studium beziehungsweise ›das Studentenleben‹ hätten.
Ebenso wünscht sich die Mehrheit der
Befragten (n = 32) mehr Zeit mit ihren
Kommilitoninnen und Kommilitonen für
fachlichen aber auch für persönlichen
Austausch. Dieser Wunsch wird von Studierenden in allen fünf Studiengängen
geäußert. Die Antwort unterstreicht noch
einmal die Schlüsselrolle, die die sozialen
Kontakte für den Studienerfolg und die
Überwindung von individuellen Krisen
haben.
Über die Hälfte der Studierenden
bestätigt, dass sie ihre berufliche Praxis
sehr gut (n = 8) oder eher gut (n = 21) in
ihr Studium einbringen können. 16
Befragte bewerten diesen Aspekt mit teils
/ teils und nur sieben als eher oder sehr
schlecht. Die Antworten deuten darauf
hin, dass es den Studiengangsverantwortlichen oft gelingt, das Studium praxisnah
zu gestalten. Viele Studierende scheinen also von ihrer Berufserfahrung zu
profitieren und sich damit einen Teil der
Inhalte leichter erschließen zu können.
Dies korrespondiert auch mit Aussagen
von Studiengangsverantwortlichen in
den Interviews. Auf die Frage, wie gut es
gelingt, Studieninhalte in die berufliche
Praxis einzubringen, antwortet die Hälfte
der Studierenden mit sehr gut (n = 4) oder
eher gut (n = 20). 21 Befragte sehen den
Theorie-Praxis-Transfer nur teils / teils
eingelöst und sieben bewerten ihn als
schlecht. Zu bedenken ist hierbei, dass
wohl viele berufsbegleitend Studierende
im Betrieb weitgehend auf sich gestellt
sind, wenn es darum geht, das erlernte
Wissen anzuwenden. Auffällig ist, dass in
dem erziehungswissenschaftlichen Masterstudiengang der Theorie-Praxis-Transfer als besonders gut bewertet wird. Das
hängt vermutlich damit zusammen, dass
bei diesem Angebot eine sehr homogene
Studierendengruppe mit einem klaren
Berufsbild angesprochen wird. Auch das
inhaltliche Feld des Studienangebots ist
klar umgrenzt.
56
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
Abb. 7:
In welchem dieser Bereiche empfinden Sie die größte Belastung?
(n = 53)
23
10
11
Studium
Größte Herausforderungen
und Wünsche für eine bessere
Vereinbarkeit
Von den drei großen Lebensbereichen
empfinden die meisten Befragten das
Studium als größte Herausforderung,
was wohl auch damit zusammenhängt,
dass es als neue Aufgabe den Lebensalltag
entscheidend verändert. Die qualitativen
Interviews mit Studierenden bestätigen, dass auf den Lebensbereich Beruf
meist eine höhere Priorität gesetzt wird,
weil dieser als existenzsichernd und
unentbehrlich ausgemacht wird. Einige
Befragte geben an, dass die mehrfachen
Belastungen insgesamt und die Koordination der drei Lebensbereiche als
größte Anstrengung wahrgenommen
werden. Das Studium wird vor allem
dann als Belastung empfunden, wenn
sich Präsenzveranstaltungen regelmäßig
mit Arbeitszeiten überschneiden, wenn
Standorte von Vorlesungen wechseln und
für einzelne Veranstaltungen Anfahrtszeiten anfallen. Auch die Präsenzlehre in
den Abendstunden, Selbstlernzeiten und
Prüfungsphasen werden von einigen als
besonders belastend gekennzeichnet.
Bei den Belastungen im Beruf stehen
unflexible Arbeitszeiten, Schichtarbeit
und hohe Anforderungen im Vordergrund. Bei Belastungen im Privatleben
steht der Zeitmangel im Vordergrund,
der dazu führt, dass Hobbys und soziale
Kontakte vernachlässigt werden müssen.
In einigen Fällen führt dieser Zeitmangel
vermutlich auch zu Konflikten in der
Partnerschaft oder der Familie.
Beruf
9
Privatleben
Privatleben
keine Antwort
Oft geäußerte Wünsche für eine bessere
Vereinbarkeit richten sich auf flexiblere
Arbeitszeiten und teilweise Freistellungen für das Präsenzstudium seitens des
Arbeitgebers. Im Studium selbst sollen
vor allem Prüfungsphasen zeitlich entzerrt werden, Präsenzlehre soll möglichst
im Block stattfinden, Stundenpläne
sollen auf lange Sicht transparent, planbar und verlässlich sein. Diese Wünsche
an die Gestaltung von Studiengängen
äußern Befragte fast aller Studiengänge.
Nur ein berufsbegleitender Masterstudiengang der Fachrichtung Wirtschaftswissenschaften erfüllt offensichtlich die
Bedürfnisse der Berufstätigen nach Flexibilität einerseits und guter Planbarkeit
andererseits schon sehr weitgehend.
Studienfinanzierung
Von den befragten Studierenden greifen
20 neben der Erwerbsarbeit auf weitere
Quellen zurück, um ihr Studium zu
finanzieren. Das ist schon deshalb notwendig, weil viele berufsbegleitend Studierende Studiengebühren tragen oder
fehlendes Einkommen durch Arbeitszeitreduzierung ausgleichen müssen. In Abbildung 8 wird gezeigt, dass in elf Fällen
eigene Rücklagen aufgebraucht, mitunter
aber auch Kredite aufgenommen oder
privat Schulden gemacht werden. Nur
drei Studierende beziehen ein Stipendium oder BAföG. Neun Befragte geben
lediglich Rücklagen oder Kredit, nicht
aber ihre Erwerbsarbeit als Quelle für die
Studienfinanzierung an, obwohl in dieser
Gruppe alle eine Vollzeitstelle haben. Da
57
S TU DI E
alle in dieser Gruppe Studierende weiterbildender Masterstudiengänge sind,
haben sie wohl allein die anfallenden
Studiengebühren und nicht die Lebenshaltungskosten in ihrer Antwort berücksichtigt. Für weiterbildende Masterstudiengänge fallen durchschnittlich 15.000
Euro Studiengebühren an.
Die Ergebnisse unterstreichen die existenzielle Bedeutung von Erwerbsarbeit
gerade für ältere Studierende, die in der
Regel nicht auf Stipendien oder andere
Formen der öffentlichen Förderung zurückgreifen können.
Zusammenfassung
Mehrere Beobachtungen können aus der
Befragung abgeleitet werden, die Hinweise auf weiteren Forschungsbedarf und
Handlungsfelder geben.
Geschlecht und Lebensphasen
Unter den befragten Studierenden sind
keine Frauen ohne Hochschulreife. Der
Großteil der befragten Frauen sind Abiturientinnen aus Pflege- und Erziehungsberufen. In künftigen Untersuchungen
müsste in den Blick genommen werden,
ob eine geschlechtsspezifische Selektion
bei Studierenden des dritten Bildungsweges besteht. Womöglich besteht ein
Zusammenhang mit mangelnden ökono-
mischen Ressourcen oder der Belastung
durch familiäre Sorgearbeit gerade bei
Frauen ohne Hochschulreife. Immerhin
sind Einflüsse von geschlechtsspezifischer
Sorgearbeit auch in unserer Stichprobe
sichtbar. Es sind zwar Männer, aber keine
Frauen mit Kindern im Vorschulalter
unter den Befragten. Insgesamt scheint es
häufiger vorzukommen, dass Beschäftigte
eher vor oder am Ende ihrer Familienphase ein Studium aufnehmen. Studierende
mit Kindern arbeiten genauso häufig in
Vollzeit, wie berufsbegleitend Studierende ohne Kinder. Sehr wahrscheinlich
können sie aufgrund der höheren finanziellen Belastungen ihre Arbeitszeit nicht
reduzieren. Die Studienentscheidung
hängt sicher in hohem Maße davon ab,
in welcher Lebensphase sich Männer und
Frauen befinden. Daraus ergeben sich
unterschiedliche Bedürfnisse hinsichtlich
der Vereinbarkeit.
Auffällig ist eine jüngere Studierendengruppe mit Hochschulreife, die offensichtlich kurz nach der Berufsausbildung
oder dem Bachelorabschluss ein (weiterführendes) Studium nachholt, ohne
ihre Berufstätigkeit aufzugeben. Diese
Gruppe arbeitet oft in Teilzeit und kann
also – anders als die ältere Studierendengruppe – ihre Erwerbstätigkeit zugunsten
eines Studiums stärker einschränken.
Wahrscheinlich hängt das mit geringen
Abb. 8:
Wie finanzieren Sie Ihr Studium?
n = 53, Mehrfachnennungen möglich
Einkommen aus Erwerbsarbeit
Rücklagen
finanzielle Unterstützung der Familie
5
Sonstiges
4
4
Kredit
Finanzierung durch Arbeitgeber
3
keine Antwort
Stipendium
2
BAföG
2
finanzielle Unterstützung des Partners/der Partnerin
1
1
11
40
58
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
finanziellen Verpflichtungen in dieser
kinderlosen Gruppe zusammen. Weitere
Studien müssten zeigen, ob die vergleichsweise günstigen Voraussetzungen
dieser Gruppe in einem höheren Studienerfolg und einer kürzeren Studiendauer
münden.
Privates Umfeld
Studierende werden sehr häufig von Partnerinnen und Partnern durch Zuspruch
und Entlastung bei der Hausarbeit
unterstützt. Hier scheinen Studierende
in festen Partnerschaften eher Vorteile
gegenüber allein lebenden zu haben. Es
entsteht der Eindruck, dass die empfundenen Belastungen in der Studienzeit
wesentlich auch von der grundsätzlichen
Akzeptanz im nahen Umfeld der Studierenden abhängen. In einem Studiengang
werden Partnerinnen und Partner zum
Beispiel in Informationsveranstaltungen
und Studienreisen einbezogen. Dies sollte
in der Konzeption zukünftiger berufsbegleitender Studienangebote berücksichtigt werden.
Als wichtige Unterstützer werden
außerdem Kommilitonen und Kommilitoninnen benannt. Das korrespondiert
damit, dass sich viele Studierende mehr
fachlichen und persönlichen Austausch
mit anderen Studierenden wünschen.
Auch in Experteninterviews mit Studiengangsverantwortlichen ist dies thematisiert worden. In einigen Studiengängen
ist daher der Aufbau eines Netzwerks
unter den Studierenden in das didaktische Konzept eingebettet. Möglichkeiten
des Austausches unter ›Gleichgesinnten‹
sollten daher in allen berufsbegleitenden
Studiengängen eine Rolle spielen.
Rahmenbedingungen und
Unterstützung im Betrieb
Die Bewertung der Vereinbarkeit von
Studium und Beruf hängt sehr stark an
der Flexibilität von Arbeitszeitmodellen.
Starre Anwesenheitspflichten und unflexible Wechselschichten erschweren die
Teilnahme an Präsenzveranstaltungen
erheblich. Hier bieten wohl die Branchen
Handel oder verarbeitendes Gewerbe im
Schichtbetrieb vergleichsweise ungünstige Voraussetzungen.
Relativ wenig Studierende arbeiten zudem auf Teilzeitstellen. Möglicherweise
wäre eine Reduzierung der Arbeitszeiten
für viele finanziell zu belastend oder beruflich nicht umsetzbar. Für die meisten Befragten ergibt sich mit Lern- und
Arbeitszeiten eine 60-Stunden-Woche, die
kaum mehr Erholungsphasen zulässt.
Vorgesetzte scheinen die wesentlichen
Rahmenbedingungen für eine bessere
Vereinbarkeit zu schaffen, in der Regel
in Form von flexibleren Arbeitszeiten. Inhaltliche Unterstützung und ein gezielter
Theorie-Praxis-Transfer sind dagegen eher
selten. Hier sind vor allem die Beschäftigten selbst tätig, in dem sie ihr erworbenes Wissen bei der Bearbeitung ihrer
Aufgaben anwenden.
Obwohl also Betriebe nicht selten
schon während eines Studiums von
erworbenem Wissen profitieren, ist das
finanzielle Engagement in Form der
Übernahme von direkten Kosten oder
bezahlten Freistellungen wenig ausgeprägt. Auch tarifliche oder betriebliche
Weiterbildungsvereinbarungen sind eher
die Ausnahme, und wenn sie vorhanden
sind, scheinen sie auf Studienentscheidungen und eine bessere Vereinbarkeit
wenig Wirkung zu zeigen. Hier besteht
auf betrieblicher Seite noch bedeutender
Handlungsspielraum.
59
S TU DI E
Rahmenbedingungen
in den Hochschulen
Weniger als die Hälfte der Befragten
wünscht sich höhere Anteile von E-Learning als Bestandteil des Studiums und
etwa die Hälfte der Studierenden lehnt
dies ausdrücklich ab. Gründe für einen
höheren Bedarf an E-Learning liegen
nach den Ergebnissen unserer Befragung wohl vor allem in der zeitlichen
Organisation eines Studiums begründet.
Wenn das Studienformat vollständig
berufsbegleitend konzipiert ist, wird die
Präsenzlehre auch von Vollzeitbeschäftigten dem E-Learning vorgezogen. Der
Austausch mit Studienkolleginnen und
Studienkollegen scheint hier ausschlaggebend zu sein, weil er die Motivation
stark erhöht. Grundsätzlich wünschen
sich die Studierenden aller Studiengänge
sogar noch mehr Zeit für fachlichen und
ebenso für persönlichen Austausch mit
anderen Studierenden. Dies sollte in der
didaktischen Konzeption von berufsbegleitenden Studiengängen berücksichtigt
werden.
Viele Studierende können nach eigenen Angaben berufliche Inhalte in das
Studium einbringen. Etwa die Hälfte der
Studierenden berichtet auch von einem
gelungenen Theorie-Praxis-Transfer. Das
korrespondiert damit, dass viele Studierende angeben, ihre Aufgaben bereits
in der Studienzeit anders zu bearbeiten
als zuvor. Diese Bemühungen können
seitens der Hochschulen noch stärker
unterstützt werden, zum Beispiel indem
Möglichkeiten für die Studierenden
bestehen, sich darüber auszutauschen, in
welcher Form sie Studieninhalte für die
Arbeit nutzbar machen.
Da die meisten berufsbegleitend Studierenden der existenziellen Erwerbstätigkeit Priorität vor dem Studium einräumen, werden Belastungen im Studium
vermutlich stärker empfunden. Daher
richten sich Änderungswünsche der
Studierenden auch noch häufiger an die
Hochschulen als an die Betriebe. Wichtig
sind organisatorische Rahmenbedingungen bei der Gestaltung von Prüfungsphasen und von Präsenzveranstaltungen,
diese sollten beispielsweise im Block
liegen und lange Zeit im Voraus verlässlich planbar sein.
1 Im Land Bremen wurden 2013
406 Studierende ohne Abitur gezählt.
Vgl. Studieren ohne Abitur (o. J.):
Daten-Monitoring
[Zugriff am 15.01.2016].
2 Vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2014), S. 126.
3 Vgl. BIBB (2014), S. 228.
4 Ein Studierender hat keine
Altersangabe gemacht.
60
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
Fragebogen für die Studie:
›Berufsbegleitendes Studieren im Land Bremen‹
Zunächst bitten wir Sie um
allgemeine Angaben zu Ihrer
Person.
8. Welche /n beruflichen
Abschluss / Abschlüsse
haben Sie?
Mehrere Antworten möglich
1. Ich bin …
weiblich
männlich
2. Ich bin geboren im Jahr …
Lehre / Berufsfachschule
Meister / Techniker / Fachschule
Fachhochschule / Hochschule
anderer Abschluss,
und zwar:
Nennen Sie bitte Ihr Geburtsjahr im Format jjjj
3. Ich besitze die
Staatsangehörigkeit von …
Mehrere Antworten möglich
Deutschland
EU-Mitgliedsstaat
Nicht-EU-Staat
4. Sind Sie in Deutschland
geboren?
ja (weiter mit Frage 6)
nein
5. Wann sind Sie in die
Bundesrepublik Deutschland
gezogen?
9. Bitte machen Sie eine
Angabe zu Ihrer derzeitigen
Wohnsituation:
Bitte wählen Sie eine der folgenden
Antworten
Ich lebe alleine
Ich lebe mit meiner /
meinem Partner / in
zusammen
Ich lebe mit meiner /
meinem Partner / in
und meinen Kindern
zusammen
Ich lebe in einer
Wohngemeinschaft
Ich lebe bei meinen Eltern
keines davon, sondern:
Nennen Sie bitte das Jahr im Format jjjj
10. Haben Sie Kinder?
6. Sind Ihre Eltern oder ein
Elternteil nach Deutschland
zugewandert?
ja
nein
7. Welcher ist Ihr höchster
Schulabschluss?
Bitte wählen Sie eine der folgenden
Antworten
Hauptschulabschluss
bzw. Berufsbildungsreife
Realschulabschluss
bzw. mittlerer Schulabschluss
Fachhochschulreife
Abitur
anderer Schulabschluss,
und zwar:
ja
nein (weiter mit Frage 13)
11. Wie alt sind Ihre Kinder?
12. Sind Sie alleinerziehend?
ja
nein
13. Wie viele Kinder leben
in Ihrem Haushalt?
14. Unterstützung bei der
Realisierung meines
Studiums erhalte ich in
meinem privaten Umfeld
von:
Mehrere Antworten möglich
mein / e Partner / in
Freundin / nen / Freund / en
meinen Eltern /
einem Elternteil
meinem Kind /
meinen Kindern
einem / r oder mehreren
Studienkolleg / inn / en
niemandem
anderen, und zwar:
15. Ich erhalte in meinem
privaten Umfeld
Unterstützung in folgender
Form:
Mehrere Antworten möglich
finanziell
durch fachlichen Austausch
durch organisatorische
Zuarbeit bei
Studienangelegenheiten
durch zeitliche Entlastung
bei der Hausarbeit
durch zeitliche Entlastung
bei der Kinderbetreuung
durch zeitliche Entlastung
bei der Betreuung einer/
eines Angehörigen
durch Zuspruch und
Vertrauen
gar nicht
Sonstiges, und zwar:
61
TU DI E
S TUDIE
Im folgenden Abschnitt
bitten wir Sie um Angaben zu
Ihrer Erwerbsarbeit und
Ihrem betrieblichen Umfeld.
16. Gehört Ihr Betrieb
einem größeren Unternehmen mit mehreren betrieblichen Standorten an?
19. Meine berufliche
Tätigkeit liegt in
folgendem Bereich
26. In welchem Arbeitszeitsystem arbeiten Sie
überwiegend?
Bitte wählen Sie eine der folgenden Antworten
Mehrere Antworten möglich
technischer Bereich
kaufmännischer Bereich
personenbezogene
Dienstleistungen
anderer Bereich, und zwar:
ja
nein
17. Wie viele Beschäftigte
arbeiten an Ihrem
betrieblichen Standort?
1– 9
10 – 49
50 – 249
250 – 499
500 – 1.000
über 1.000
18. In welcher Branche sind
Sie tätig?
Bitte wählen Sie eine der folgenden Antworten
verarbeitendes Gewerbe
(Industrie und verarbeitendes
Handwerk)
Baugewerbe
Handel/Reparatur
Logistik
wirtschaftsbezogene
Dienstleistungen
Gesundheits- und
Sozialwesen
Erziehung und Unterricht
Gastgewerbe
sonstige personenbezogene
Dienstleistungen
öffentliche Verwaltung/
Organisationen ohne
Erwerbszweck
andere, und zwar:
20. Ich bin formal …
Bitte wählen Sie eine der folgenden Antworten
angestellt
verbeamtet
selbstständig (weiter mit Frage 24)
21. Gibt es in Ihrem Betrieb
einen Betriebsrat
beziehungsweise einen
Personalrat?
ja
nein
22. Gilt in Ihrem Betrieb eine
Vereinbarung zur
Weiterbildung?
Bitte wählen Sie eine der folgenden Antworten
nein (weiter mit Frage 24)
ja, und zwar
(z. B. Betriebsvereinbarung,
tarifvertragliche Vereinbarung …)
23. Hat die Vereinbarung
zur Weiterbildung Ihre
Entscheidung für ein
Studium erleichtert?
ja
nein
24. Wie viele Stunden
umfasst Ihre vertragliche
Wochenarbeitszeit?
regulärer Tagdienst
Schicht-Betrieb
Bereitschaftsdienst
Sonstiges, und zwar:
27. Haben Sie flexible
Arbeitszeiten?
ja
nein
28. Ich kann meine Arbeitszeiten flexibel an die
Studienzeiten anpassen.
sehr schlecht
teils / teils
sehr gut
mit Hilfe von
eher schlecht
eher gut
(z. B. Gleitzeit, angespartem Arbeitszeitkonto ...)
29. Tragen Sie
Führungsverantwortung?
Falls ja, geben Sie bitte an, für wie viele
Beschäftigte Sie Verantwortung tragen
ja, und zwar für Beschäftigte
nein
30. Können Ihre Aufgaben
vertretungsweise von einem
Kollegen/einer Kollegin
oder mehreren Kolleg/innen
übernommen werden?
ja
nein
31. Folgende Personen im
Betrieb sind über mein
Studium informiert:
Mehrere Antworten möglich
25. Wie viele Stunden
umfasst Ihre tatsächlich
geleistete Wochenarbeitszeit?
alle Kolleginnen und Kollegen
einige vertraute Kolleginnen
und Kollegen
mein/e direkte/r Vorgesetzte/r
die Geschäftsleitung
niemand
Sonstige, und zwar
62
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
32. Mein Betrieb kooperiert
mit meiner Hochschule.
ja
nein
33. Unterstützung bei der
Realisierung meines
Studiums erhalte ich in
meinem Betrieb von:
Mehrere Antworten möglich
von Kolleg / innen
von Vorgesetzten
vom Betriebsrat/
Personalrat
niemandem
von anderen, und zwar:
36. Mein Betrieb unterstützt
mein Studium finanziell
durch …
40. In welcher Fächergruppe
ist Ihr Studiengang
angesiedelt?
Mehrere Antworten möglich
Bitte wählen Sie eine der folgenden
Antworten
bezahlte Freistellung für
alle Studienveranstaltungen
bezahlte Freistellung
für einige Veranstaltungen
Übernahme von direkten
Kosten (z. B. Studiengebühren)
Sonstiges, und zwar:
37. Hat sich Ihre Arbeit im
Betrieb seit dem Studium
verändert?
ja
nein (weiter mit Frage 39)
34. Im Betrieb werde ich bei
meinem Studium in
folgender Form unterstützt:
Mehrere Antworten möglich
bei inhaltlichen Fragen
durch zeitliche Flexibilität
durch betriebliche
Einrichtungen
(z. B. Kita, Weiterbildungszentrum …)
wenn ja, welche?
38. Wie hat sich Ihre Arbeit
seit dem Studium
verändert?
Mehrere Antworten möglich
ich übernehme jetzt
andere Aufgaben
ich übernehme
mehr Verantwortung
ich bearbeite
meine Aufgaben anders
Sonstiges, und zwar:
durch Überlassung von
studienrelevanten Aufgaben
durch Zuspruch und
Vertrauen
gar nicht
Sonstiges, und zwar:
ja
nein (weiter mit Frage 37)
41. Welchen Studienabschluss
streben Sie aktuell an?
Bitte wählen Sie eine der folgenden
Antworten
Bachelor
Master
Zertifikatsabschluss
42. An welcher Hochschule
studieren Sie?
Bitte wählen Sie eine der folgenden
Antworten
Bitte machen Sie zum
Schluss noch einige Angaben zu
Ihrer Studiensituation.
39. In welchem Fachsemester
befinden Sie sich?
35. Mein Betrieb unterstützt
mein Studium finanziell.
Ingenieurwissenschaften
Rechts-, Wirtschaftsund Sozialwissenschaften
Erziehungswissenschaften /
Berufspädagogik
Humanmedizin /
Gesundheitswissenschaften
Mathematik, Informatik,
Naturwissenschaften
Sprach- und
Kulturwissenschaft
Kunst, Kunstwissenschaft
Sport
Agrar-, Forst- und
Ernährungswissenschaften
bitte tragen Sie eine Zahl ein
Universität Bremen
Hochschule Bremen
Hochschule Bremerhaven
43. Welches zeitliche Format
hat Ihr Studium?
Bitte wählen Sie eine der
folgenden Antworten
regulärer Vollzeitstudiengang
Studium in Teilzeit
berufsbegleitender
Studiengang
44. Wie viele Stunden
wenden Sie durchschnittlich
pro Woche für Ihr Studium
auf?
inkl. Lernzeiten und Zeit für die Teilnahme
an Lehrveranstaltungen
63
TU DI E
S TUDIE
45. Würden Sie gerne mehr
Studienarbeiten über
Online-Learning erledigen?
Bitte wählen Sie eine der folgenden Antworten
ja
nein
weiß nicht
46. Würden Sie gerne mehr
Zeit mit Studienkolleg / inn /
en verbringen?
ja
nein (weiter mit Frage 48)
47. Wenn Sie mehr Zeit mit
Ihren Studienkolleg / inn / en
hätten, wofür würden Sie
diese Zeit nutzen?
mehrere Antworten möglich
für fachlichen Austausch
für persönlichen Austausch
Sonstiges, und zwar:
48. Ich kann meine berufliche Praxis in das Studium
einbringen:
sehr schlecht
eher schlecht
teils / teils
eher gut
sehr gut
49. Ich kann das Gelernte
aus dem Studium in
meiner beruflichen Praxis
anwenden:
sehr schlecht
eher schlecht
teils / teils
eher gut
sehr gut
���
50. Wie finanzieren Sie Ihr
Studium?
51. In welchem der folgenden
Bereiche empfinden
Sie persönlich die größte
Belastung?
Bitte wählen Sie eine der folgenden Antworten
Studium
Beruf
Privatleben
Und zwar aus folgendem
Grund:
bitte verwenden Sie bei Bedarf
auch die Rückseite
(gemeint sind Lebensunterhalt und direkte
Kosten) mehrere Antworten möglich
Rücklagen
Einkommen aus
Erwerbsarbeit
finanzielle Unterstützung
des Partners / der Partnerin
finanzielle Unterstützung
der Familie
Kredit
BAföG
Stipendium
Sonstiges, und zwar:
52. Welche Wünsche haben
Sie persönlich für eine
bessere Vereinbarkeit
zwischen Studium, Beruf und
Familie?
bitte verwenden Sie bei Bedarf
auch die Rückseite
Herzlichen Dank für Ihre
Teilnahme!
64
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
Die Perspektive von
Betrieben
5
⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇
⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇
⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇⑇
65
S TUDIE
TU DI E
SU SANNE HERME L ING
Qualitative Experteninterviews
Um schlaglichtartige Einblicke in die Perspektive von Arbeitgebern zu bekommen,
wurden vier Interviews mit Personalverantwortlichen aus den Branchen Pflege,
Logistik und verarbeitendes Gewerbe
(Metall) geführt. Für die Gespräche
wurden Unternehmen ausgewählt, die
aus verschiedenen Gründen eine langfristig ausgerichtete Personalentwicklung
mit Aus- und Weiterbildung betreiben.
Alle befragten Betriebe gehören Unternehmen mit verschiedenen Standorten
und jeweils über 5.000 Beschäftigten
im gesamten Unternehmen an, sodass
entsprechende Ressourcen für eine unternehmensweite Personalentwicklung
aufgewendet werden können. In allen
befragten Unternehmen ist außerdem
Schichtarbeit neben anderen Arbeitszeitmodellen für einen (Groß-)Teil der
Beschäftigten die Regel. Im Mittelpunkt
der protokollierten Interviews standen
Fragen nach dem Bedarf der Unternehmen an hochqualifizierten Fachkräften
und nach den verschiedenen Formen von
Unterstützung, die berufsbegleitend Studierende von ihrem Arbeitgeber erhalten
können.
Logistikdienstleister
Der befragte Logistikdienstleister gehört
in der Branche zu den eher größeren
Unternehmen mit internationalen
Standorten, hat sich jedoch sein Selbstverständnis als Mittelständler bewahrt.
Aufgrund der Kundenstruktur mit
teilweise besonderen Gütern sind hohe
Qualitätsstandards einzuhalten, die gut
qualifiziertes Personal erfordern. Da
die Logistikbranche bei vielen Fachkräften keinen guten Ruf genieße, sei das
Unternehmen bemüht, die Arbeitsplätze
attraktiv zu gestalten. Die vom Unternehmen angebotenen Weiterbildungs- und
Entwicklungsmöglichkeiten sollen unter
anderem auch Nachteile in der Vergütung und bei den Arbeitszeiten kompensieren. Das Unternehmen ermittelt
individuelle Qualifizierungsbedarfe in
regelmäßigen Mitarbeitergesprächen
und mittels (Selbst-)Beurteilungen der
Beschäftigten. Es gibt ein differenziertes
betriebsinternes Weiterbildungsangebot
und für einige Kurse werden externe
Bildungsanbieter beauftragt.
Im Lagerbereich, arbeiten zumeist
Beschäftigte ohne (Fach-)Hochschulreife,
zumindest Logistikmeister haben jedoch
einen Abschluss, der dem Abitur als
Hochschulzugang gleichgestellt ist. Im
kaufmännischen Bereich gibt es mehr
Abiturientinnen und Abiturienten. Das
Unternehmen entsendet regelmäßig
kaufmännische Auszubildende in ein
duales Studienprogramm an einer kooperierenden Hochschule. Ein Studium von
Beschäftigten im Lagerbereich ist der Personalentwicklung bisher nicht bekannt.
Im Gespräch sind die Gründe dafür nicht
erörtert worden, doch wahrscheinlich
sind mehrere Faktoren ursächlich für die
›Studierabstinenz‹ im Lager. Festzustellen
ist in jedem Fall, dass die Schichtarbeit
und schlecht planbare Dienstpläne
im Lager ungünstige organisatorische
Rahmenbedingungen für ein berufsbegleitendes Studium darstellen. Außerdem
ist die Vergütung kaum hoch genug, um
neben den üblichen Lebenshaltungskosten beispielsweise noch Studiengebühren
zu tragen. Berufsbegleitend Studierende
in dem befragten Unternehmen rekrutieren sich also aus dem kaufmännischen
Bereich.
66
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
Eine Förderung durch das Unternehmen
ist an festgelegte Prozesse gebunden.
Beschäftigte wählen in der Regel berufsbezogene Studiengänge an verschiedenen
Hochschulen und bewerben sich um eine
Unterstützung. Im ersten Schritt durchlaufen die Studieninteressierten ein
Assessment, das dazu dient, einzuschätzen, ob die fachlichen und persönlichen
Fähigkeiten sowie Rahmenbedingungen
für einen Studienerfolg vorliegen. Das
Unternehmen beteiligt sich bei einem
positiven Ergebnis je nach individueller
Vereinbarung mit (Teil-)Freistellungen
für das Präsenzstudium, mit flexibleren
Arbeitszeitregelungen und mit einer
teilweisen Übernahme von Studiengebühren. Einige Studiengänge werden komplett finanziert. Im Gegenzug verpflichten sich geförderte Beschäftigte, eine
bestimmte Zeit nach dem Abschluss im
Unternehmen zu bleiben. Ansonsten greifen Rückzahlungsklauseln. Im Gespräch
mit dem Personalmanagement am
jeweiligen betrieblichen Standort klären
die Studierenden, wie die Vereinbarkeit
von Studium und Beruf verbessert werden kann, zum Beispiel auch durch die
Nutzung von Bildungsurlaub oder durch
zeitliche Entlastung in Prüfungsphasen.
Im letzten Fall werden oft Vertretungen,
etwa durch Auszubildende, organisiert.
Deutlich wird, dass die Förderung
von berufsbegleitend Studierenden
individuell unterschiedlich ausfällt und
auf Vereinbarungen mit den einzelnen
Beschäftigten beruht. Auf zentraler
Ebene und mithilfe einer Prognose über
den erwartbaren Studienerfolg wird über
eine finanzielle Beteiligung des Unternehmens entschieden. Arbeitsorganisatorische Fragen werden dagegen mit dem
Personalmanagement am betrieblichen
Standort geklärt. Die Kommunikation
mit Personalverantwortlichen und direkten Vorgesetzten gestaltet sich jedoch
vermutlich unkompliziert, wenn die oder
der Studierende auch offiziell vom Unternehmen unterstützt wird.
Führungskräfte im Unternehmen
bekommen außerdem den Auftrag,
berufsbegleitend Studierende durch
einen gezielten Theorie-Praxis-Transfer zu
unterstützen, indem sie zum Beispiel geeignete Aufgaben übertragen, die sich an
Studieninhalten orientieren. Nicht selten
wird den Studierenden damit schon während des Studiums mehr Verantwortung
anvertraut. Dies kann, wie die Interviews
mit Studierenden im Rahmen unserer
Studie bestätigen, einen besonderen Anreiz für die Studierenden bieten und dem
Studium unmittelbaren Sinn verteilen.
Die Ergebnisse unserer quantitativen Befragung deuten darauf hin, dass es durch
die Übernahme größerer Verantwortung
während des Studiums mitunter auch zu
Überlastungen kommen kann (vergleiche
Kapitel 4).
Aus Sicht der Beschäftigten kann es
problematisch sein, dass sie von ihren
Abteilungsleitungen für eine Förderung
empfohlen werden müssen, da die Kosten
für Weiterbildung von den Abteilungen
getragen werden. Damit sinkt potenziell
die Bereitschaft von Führungskräften,
solche Weiterbildungen zu fördern, die
Beschäftigte für andere Abteilungen im
Unternehmen qualifiziert und damit
letztlich zu Abwanderungen führen.
Damit eine abteilungsübergreifende Personalentwicklung dennoch in der Praxis
umgesetzt werden kann, vermittelt man
den Abteilungsleitungen in Gesprächen,
dass auch sie die Chance haben hochqualifizierte Kräfte aus anderen Abteilungen für ihren Bereich zu gewinnen.
Einmal pro Jahr gibt es einen Tag, an
dem Abteilungsleitungen hochqualifizierte Nachwuchskräfte aus dem gesamten Unternehmen kennenlernen können.
Solche Veranstaltungen fördern den Blick
über die Grenzen des eigenen Bereichs
hinaus. Davon profitiert nach Erfahrung
der Interviewten die unternehmensweite
Personalentwicklung.
67
S TU DI E
Verarbeitendes Gewerbe (Metall)
Das Unternehmen der Metallbranche hat
mehrere, auch internationale Standorte.
Aufgrund des stabilen gewerkschaftlichen Organisationsgrads ist der Betriebsrat in die Ausgestaltung von betrieblicher
Weiterbildung und Personalentwicklung stark eingebunden. Individuelle
Qualifikationsbedarfe werden in Mitarbeitergesprächen ermittelt. Aufgrund
kontinuierlich steigender Arbeitsproduktivität bei gleichbleibender oder
zeitweise sinkender Auftragslage werden
kaum Neueinstellungen vorgenommen.
Stattdessen werden Beschäftigte der
Stammbelegschaft durch langfristige
und systematische Personalentwicklung
weiterqualifiziert. Viele Beschäftigte wollen im Unternehmen bleiben, sich aber
weiterentwickeln. Das kann als Potenzial
genutzt werden. Allerdings kommen
auch wenig neue Erfahrungen und
Perspektiven durch neue Beschäftigte in
den Betrieb. Ein (Vollzeit-)Studium oder
eine Aufstiegsfortbildung wird daher
auch deshalb positiv gesehen, weil es den
Beschäftigten ermöglicht, außerhalb des
Betriebes Erfahrungen zu sammeln.
Höhere Anforderungen an die Qualifikation gibt es häufig bei den einfachen
Tätigkeiten. Die leistungsstärksten unter
den dort arbeitenden Facharbeitern streben jedoch häufig in andere Tätigkeitsfelder, sodass für die einfachen Tätigkeiten unter Umständen nicht genügend
Beschäftigte mit Entwicklungspotenzial
verbleiben. Insgesamt ist ein Trend zur
Höherqualifizierung zu beobachten. Es
werden inzwischen mehr Techniker- als
Meisterfortbildungen absolviert und immer mehr Beschäftigte streben ein Hochschulstudium an. Wenn Stellen reduziert werden, dann sind es oft nicht die
strategisch wichtigen Stellen mit hohen
Qualifikationsanforderungen, stattdessen
sind viele einfache Tätigkeiten ausgelagert worden, zum Beispiel im kaufmännischen Bereich. Die Umstrukturierung der
Arbeit durch Automatisierung und Digitalisierung mündet in deutlich höheren
Anforderungen. So reagiert man inzwischen auf Störungen in der maschinellen
Produktion eher mit Ursachenforschung
als mit ›Manpower‹. Je höher entwickelt
die Technik ist, desto anfälliger werden
die Systeme, die qualifiziert und professionell überwacht werden müssen.
Der Betrieb engagiert sich nicht in dualen Studienprogrammen, da diese weder
die hohen praktischen Anteile einer
Ausbildung noch die anspruchsvollen
theoretischen Anteile eines Studiums
bieten können. Eine duale Ausbildung
mit einer anschließenden fachlichen
Vertiefung durch eine Fortbildung oder
ein Studium wird vom Betrieb eindeutig bevorzugt. Es bestehen Kontakte zu
staatlichen Hochschulen außerhalb
Bremens, die für das Unternehmen
relevante Studiengänge anbieten. Seit
einigen Jahren werden ausgewählte junge
Absolventinnen und Absolventen technischer Ausbildungsberufe (Mechatronik,
Industriemechanik, Elektronik) gefördert,
die einen Hochschulabschluss anstreben.
Durch eine betriebliche Vereinbarung ist
geregelt, dass sich Auszubildende gegen
Ende ihrer Ausbildungszeit für eine
Förderung bewerben können. Ausbilder
sprechen Empfehlungen aus. Das Interesse ist relativ hoch, weil bis zu 50 Prozent
der Auszubildenden die schulische
Hochschulzugangsberechtigung mitbringen. Gefördert wird der Lebensunterhalt
während eines Vollzeitstudiums. Alle
Geförderten haben ein Rückkehrrecht
und verpflichten sich vertraglich, einige
Jahre nach Abschluss des Studiums im
Unternehmen zu bleiben. In den Semesterferien arbeiten viele der Geförderten
vergütet im Betrieb und führen dort für
das Studium relevante Projektarbeiten
durch. Direkt nach Studienabschluss
bekommen die Absolventinnen und
Absolventen fachadäquate Stellen, da die
Förderung sehr zielgerichtet und nur mit
der Perspektive auf eine zukünftig zu
besetzende Stelle erfolgt. Die Bewerberinnen und Bewerber wissen in der Regel,
wohin sie gehen wollen. Über die Vergabe
einer bestimmten Stelle wird jedoch erst
gegen Ende des Studiums entschieden.
68
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
Deutlich wird in dem Gespräch, dass für
technische Berufsgruppen in der Stammbelegschaft ein hoher Bedarf an wissenschaftlicher Qualifizierung besteht.
Der Betrieb hat dazu ein regelrechtes
Programm zur finanziellen und arbeitsorganisatorischen Unterstützung und für
einen gezielten Theorie-Praxis-Transfer
aufgelegt. Die Form eines berufsbegleitenden Studiums wird jedoch bisher
nicht genutzt. Das liegt zum einen an
fehlenden passenden Studienangeboten.
Berufsbegleitende Ingenieurstudiengänge
sind dem Unternehmen nicht bekannt.
Mit einer privaten Hochschule wurden
lediglich einmal Gespräche geführt über
die Möglichkeit, dort berufsbegleitende
Ingenieurstudiengänge durchzuführen.
Zum anderen ist durch die Schichtarbeit
ein berufsbegleitendes Studium wohl ohnehin erschwert. Auch die Teilnahme an
Regelstudiengängen in Teilzeit, wie es an
der Hochschule Bremen angeboten wird,
wurde aus diesem Grund bisher nicht
genutzt. Womöglich hat sich jedoch
für das Unternehmen die Variante des
durch den Betrieb geförderten Vollzeitstudiums bewährt, auch weil ein ganzes
Studium neben der Berufstätigkeit als
zu belastend angesehen wird. Denn
Aufstiegsfortbildungen zum Techniker
oder Meister werden sehr wohl schon seit
Jahren durch den Betrieb unterstützt und
berufsbegleitend durchgeführt. Als nachteilig erweist sich die Situation damit für
ältere berufserfahrene Studieninteressierte, die nicht von den Fördermöglichkeiten profitieren, die Ausgebildeten nach
dem Abschluss zur Verfügung stehen. Für
ältere Beschäftigte würde sich die Reduzierung des Einkommens auf die Höhe eines monatlichen Stipendiums aufgrund
höherer finanzieller Verpflichtungen
wohl ohnehin schwierig gestalten. Das legen unsere Interviews mit Studierenden
und mit Studiengangsverantwortlichen
nahe (vergleiche Kapitel 3 und 4).
Im Verwaltungsbereich des Betriebes
ist die Situation anders. Dort gibt es jedes
Jahr einige Beschäftigte, die auf eigene
Verantwortung ein berufsbegleitendes
Studium an privaten Hochschulen
absolvieren. Durch die Gleitzeitregelung besteht für die Studierenden nicht
die Notwendigkeit, ihre Arbeitszeit zu
reduzieren. Einige Beschäftigte absolvieren das Studium, ohne ihre Vorgesetzten
zu informieren. Das hängt nicht selten
von der Haltung der unterschiedlichen
Vorgesetzten ab, das heißt davon, ob
eine Abteilungsleitung nur die Bedarfe
an Hochschulabsolventen im eigenen
Bereich im Blick hat oder die Bedarfe im
gesamten Unternehmen im Blick hat.
Früher haben einige Auszubildende während der Berufsausbildung ein Studium
begonnen. Diese Form hat sich nicht
bewährt und stellte selbst für Jahrgangsbesten eine Überforderung dar.
Gesundheits- und Pflegebranche
Durch das rasche Wachstum des Gesundheits- und Pflegesektors muss die
Personalentwicklung mit einem regelrechten Fachkräftemangel umgehen.
Darüber hinaus besteht ein Trend zur
Akademisierung. Aus diesem Grund
findet momentan eine Neuordnung der
Berufsbilder statt. Dabei steht die Frage
im Mittelpunkt, wie die Aufgaben unter
Ärztinnen und Ärzten und dem Pflegepersonal anders verteilt werden können.
Insgesamt wird eine höhere Durchlässigkeit mit entsprechenden Aufstiegschancen zwischen verschiedenen Stufen der
beruflichen Aus- und Weiterbildung bis
hin zu wissenschaftlicher Qualifizierung
angestrebt. Kooperationen im Bereich der
Aus- und Weiterbildung sollen systematisiert werden. Bildungseinrichtungen
mit Angeboten für alle Berufsgruppen
im Unternehmen sind in Planung. Durch
Umstrukturierungen und Krankenhausreorganisation gibt es neben Pflegeweiterbildungen einen großen Bedarf für
gesamtorganisatorische Führungsaufgaben. Es werden Beschäftigte benötigt, ›die
wissen, wie ein Krankenhaus funktioniert‹.
Die Personalentwicklung beobachtet
die Entwicklung einzelner Beschäftigter, auch durch regelmäßige Gespräche
mit Stationspflegeleitungen. Fachliche
Weiterbildungen werden empfohlen
und wenn die oder der Beschäftigte als
geeignet wahrgenommen wird, werden
die Kosten für eine Weiterbildung vollständig übernommen. Die Beschäftigten
verpflichten sich im Fall einer Förderung,
für eine bestimmte Zeit im Unternehmen
zu bleiben. Auch für ein Studium wird
69
S TU DI E
unter Umständen eine bezahlte (Teil-)
Freistellung gewährt und weitere Kosten
übernommen. Das hängt jedoch immer
von individuellen Vereinbarungen ab.
Aufgrund des hohen Fachkräftebedarfs
in der Pflege ist der Arbeitgeber jedoch
bemüht, individuelle Lösungen zu unterstützen. Ohnehin arbeiten viele Beschäftigte in Teilzeit und aufgrund des hohen
Frauenanteils gehört eine arbeitsorganisatorische Flexibilität für eine bessere
Vereinbarkeit von Beruf und Familie zur
etablierten Praxis im Unternehmen. Individuelle Lösungen für die Vereinbarkeit
von Beruf und Studium müssen vor Ort
mit direkten Vorgesetzten ausgehandelt
werden. Außerdem bestehen unter Umständen Abhängigkeiten vom Team, mit
dem individuelle Arbeitszeiten abgesprochen werden. Schätzungsweise studieren
etwa zehn Prozent der Beschäftigten in
berufsbegleitenden oder in Vollzeitstudiengängen in oder außerhalb von Bremen. Die Interviewten führen mehrere
Beispiele an von Beschäftigten, die mit
Teilfreistellungen oder gänzlich ohne
Unterstützung ein Präsenz- oder auch
ein Fernstudium absolvieren. Es wird die
Vermutung geäußert, dass sich beruflich
Qualifizierte ohne Abitur häufiger nicht
für ein Studium entscheiden, selbst wenn
die formalen Voraussetzungen vorliegen,
da in den Pflegewissenschaften für die
Literaturarbeit gute Englisch-Kenntnisse
erforderlich sind.1
Die größten Probleme im Gesundheitsund Pflegebereich bestehen für Beschäftigte bei der tariflichen Absicherung und
der beruflichen Perspektive nach einem
Studium. Es gibt keine Garantie auf eine
höhere Eingruppierung nach einem Studium. Die Eingruppierung erfolgt nach
hierarchischer Position und nicht nach
dem Grad der Qualifizierung. Das Unternehmen steht deshalb immer wieder
vor der Frage, wie Beschäftigte auf der
gleichen Position, aber mit unterschiedlicher Qualifizierung eingruppiert werden
sollen. Es hat sich mittlerweile durchgesetzt, dass Leitungspositionen nur
von Personal mit Hochschulabschlüssen
besetzt werden. Insgesamt jedoch gibt es
bisher keine klar definierten Einsatzbereiche für wissenschaftlich qualifiziertes
Pflegepersonal im Unternehmen.2 Auch
im Bereich der pflegepädagogischen
Lehrkräfte gibt es Probleme, Personal
zu finden. Hier ist die tarifvertragliche
Eingruppierung von akademischen und
nicht akademischen Lehrkräften erst
spät geregelt worden, weshalb viele zur
Konkurrenz gingen.
Bemerkenswert ist die hohe Studierneigung bei dem Pflegepersonal, trotz
teilweise unklarer Bildungsrenditen in
Form von höherer Vergütung und Aufstieg. Insofern scheint die inhaltliche und
organisatorische Weiterentwicklung des
Pflegebereichs mit allen sich potenziell
bietenden Entwicklungsmöglichkeiten
einen starken Einfluss auf Bildungsentscheidungen zu haben. Gleichzeitig steht
eine Bandbreite an Studienmöglichkeiten für Pflegekräfte zur Verfügung.
Möglicherweise verbindet ein Teil der
Studierenden mit einem akademischen
Abschluss außerdem eine ›Exit-Option […]
als Möglichkeit, aus der Pflegetätigkeit
‚am Bett‘ in andere Tätigkeitsbereiche in
und auch außerhalb der Pflege zu wechseln‹3. Rein organisatorisch begünstigen
außerdem die flexiblen Arbeitszeitmodelle ein berufsbegleitendes Studieren.
Obwohl, wie aus unserer Befragung von
Studierenden hervorgeht (vergleiche Kapitel 4), die Schichtarbeit eine besondere
Belastung darstellt, die selbst Teilzeitbeschäftigten das Studium erschwert.
Schlussfolgerungen
Die ausgewerteten Experteninterviews
wurden in Betrieben geführt, die in der
Personalentwicklung sehr engagiert sind.
Es ist davon auszugehen, dass berufsbegleitend Studierende in diesen Unternehmen vergleichsweise gute Chancen auf
eine Unterstützung durch ihren Arbeitgeber haben. Gleichzeitig wird deutlich,
dass verschiedene betriebliche Prozesse
die Vereinbarkeit von Studium und Beruf
beeinflussen. Nicht nur das Interesse des
Arbeitgebers an bestimmten Qualifikationen ist dabei entscheidend, außerdem können die Haltung von direkten
Vorgesetzten sowie Arbeitsorganisation
und Arbeitszeitmodelle die Förderung
eines berufsbegleitenden Studiums ermöglichen oder erschweren. Die tatsächlich geleistete Unterstützung ist in der
Regel das Ergebnis eines individuellen
Aushandlungsprozesses und beruht auf
70
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
Einzelfällen. Dabei dürfte es sich für viele
Arbeitgeber rentieren, einheitliche und
transparente Regelungen für die Förderung berufsbegleitenden Studierens zu
schaffen. Denn ein Bedarf an berufserfahrenem und gleichzeitig wissenschaftlich
qualifiziertem Personal wird arbeitgeberseitig formuliert.
So ergibt eine Befragung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages von 2.000 Unternehmen, was diese
sich von Hochschulabsolventinnen und
-absolventen wünschen: nämlich berufspraktische Erfahrungen und Schlüsselkompetenzen, die vor allem in der
beruflichen Praxis erworben werden.4
Noch nicht einmal die Hälfte äußert sich
zufrieden mit der Praxistauglichkeit oder
den fachlichen Kompetenzen neu eingestellter traditioneller Hochschulabsolventinnen und -absolventen. Es werden sogar
Bedenken hinsichtlich einer allgemein
zunehmenden Studierneigung auf Kosten
der dualen Ausbildung geäußert. Die
duale Ausbildung wird nach wie vor als
grundlegende Säule für die Deckung des
eigenen Fachkräftebedarfs definiert.5 Die
Beschäftigungsfähigkeit von Hochschulabsolventinnen und -absolventen steht
also für viele Unternehmen auf dem Prüfstand. Problematisch erscheint in diesem
Zusammenhang, dass vor allem die
Hochschulen als verantwortlich für eine
stärkere berufspraktische Qualifizierung
von Studierenden angesehen werden.
Sechzig Prozent der Unternehmen sehen
die Hochschulen in der Verantwortung,
Studierende ›auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten‹ und nur 28 Prozent sehen sich
selbst in der Pflicht ›Absolventen nachzuqualifizieren‹.6
Bei der Umsetzung von berufsbegleitenden Studierens scheinen die meisten
Unternehmen eine ähnliche Erwartungshaltung an die Hochschulen zu haben.
An den Hochschulen sollen berufsbegleitende Studiengänge, spezifische
Beratungsangebote und Brückenkurse
für berufstätige Studierende entstehen.
In einer gemeinsamen Erklärung des
Deutschen Industrie- und Handelskammertages und der Hochschulrektorenkonferenz zur Durchlässigkeit zwischen
beruflicher und hochschulischer Bildung
werden nur für die Hochschulen Handlungsempfehlungen ausgesprochen, während die Gestaltung von betrieblichen
Rahmenbedingungen unberührt bleibt.7
Betriebliche Rahmenbedingungen, das
zeigt unsere Studie, sind jedoch ebenso
grundlegend für die Vereinbarkeit von
Beruf und Studium wie das Angebot der
Hochschulen. Und es steht eine Reihe
von Instrumenten zur Verfügung, um
Beschäftigten ein Studium zu ermöglichen.8 An ihrer Gestaltung sind Gewerkschaften, Betriebs- und Personalräte mit
beteiligt.
So haben sich die DGB-Gewerkschaften
in den vergangenen Jahren verstärkt dem
Thema der lebensphasenorientierten
Arbeitszeitgestaltung angenommen.
Unter frauenpolitischen Aspekten ist eine
bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie in den Diskursen bereits etabliert9
und von Arbeitgebern längst aufgegriffen
worden10. Die Vereinbarkeit von Beruf
und individueller Weiterbildung spielte
dagegen in der Debatte der Tarifpartner
bisher eine untergeordnete Rolle. Nach
der Beschäftigtenbefragung der IG Metall
im Jahr 201311, an der sich mehr als eine
halbe Million Beschäftigte beteiligten,
hat das Instrument der Bildungsteilzeit
als Forderung für eine lebensphasenorientierte Arbeitszeitpolitik an Bedeutung
gewonnen.12 Der Qualifizierungstarifvertrag der IG Metall13 berücksichtigt
einerseits individuelle Bedürfnisse
der Beschäftigten, zum Beispiel nach
temporären Arbeitszeitreduzierungen.
Andererseits sollen meist individuelle
Vereinbarungen einzelner Beschäftigter
71
S TU DI E
mit ihren Arbeitgebern durch mitbestimmte und transparente Regelungen
ersetzt werden, damit ›Erwerbsverläufe
mit schwankenden Arbeitszeiten ohne
große Einkommens- und Sicherheitsverluste und frei von Existenzangst gelebt
werden können‹14. Aufgaben der betrieblichen Interessenvertretung liegen darin,
im Betrieb Vereinbarungen zu treffen
und alle Beschäftigtengruppen aktiv zu
begleiten.15
1 Auch in unserer quantitativen Befragung
6 Vgl. DIHK (2015), S. 19.
hatten alle Studierenden der Fachrich-
7 Vgl. DIHK / HRK (2008).
tung Medizin / Gesundheit Abitur.
8 Neben den vornehmlich von uns in den
2 Studiengangsleitungen der Fachrichtung
Blick genommenen Arbeitszeitregelun-
Medizin / Gesundheit schilderten eben-
gen oder Theorie-Praxis-Transfer stellen
falls die Problematik im Rahmen unserer
Gronewold und Hiestand in diesem
Expertinneninterviews (vgl. Kapitel 3).
Band weitere betriebliche Instrumente
3 Benedix/Medjedovic (2014), S. 39.
4 Vgl. DIHK (2015), S. 10.
5 Interessant ist in diesem Zusammenhang,
dass die Unternehmen auch die
›Praxistauglichkeit‹ von dual Studie-
zur Verbesserung der ›Work-Learn-LifeBalance‹ vor.
9 Vgl. zum Beispiel ver.di (2015).
10 Ein Beispiel ist das Audit Beruf und
Familie, Informationen sind online verfüg-
renden zwar etwas besser, aber nicht
bar unter www.berufundfamilie.de /
signifikant positiver beurteilen
index.html [Zugriff am 03.02.2016].
(vgl. DIHK 2015, S. 12) als die von
11 Ergebnisse der Beschäftigtenbefragung
Bachelorabsolventen aus Vollzeitstudi-
online verfügbar unter
engängen. Obwohl Interesse am Ausbau
www.igmetall.de / docs_13_6_18_
dieser Studienform, insbesondere auf
Ergebnis_Befragung_final_51c49e
Masterebene, bekundet wird
134f92b4922b442d7ee4a00465d
(vgl. DIHK 2015, S. 21), unterstreichen
8c15626.pdf
viele Unternehmen die Bedeutung der
traditionellen dualen Berufsausbildung
– unter anderem auch als eine dem
Studium vorausgehende Qualifikation
[Zugriff am 03.02.2016].
12 Vgl. Hofmann / Smolenski (2015),
S. 470.
13 Zum Qualifizierungstarifvertrag
(vgl. DIHK 2015, S. 10, 16, 19). In einer
der IG Metall und dem Instrument
qualitativen Studie des Instituts für Arbeit
der Bildungsteilzeit, siehe auch das
und Wirtschaft der Universität Bremen
Kapitel 7 Handlungsfelder in diesem
über Aufstiegswege in Logistikberufen,
Band.
äußern sich einige Unternehmensver-
14 Hofmann / Smolenski (2015), S. 471.
treter hinsichtlich des Akademisie-
15 Vgl. Hofmann / Smolenski (2015),
rungstrends ebenfalls besorgt und
beschreiben die steigende Anzahl von
Bachelorabschlüssen als unübersichtlich und hinsichtlich ihrer Qualität oft
schwer einschätzbar (unveröffentlichtes
Papier von Ulf Benedix, IAW Universität
Bremen).
S. 471.
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76
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
Expertinneninterviews
und Ergebnisse aus
Forschungsprojekten
6
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77
S TUDIE
TU DI E
Die Herausforderung Studienangebote
für Berufstätige umzusetzen
Interview mit Dr. Petra Boxler
Frau Dr. Boxler leitet seit zehn Jahren die
Akademie für Weiterbildung der Universität Bremen beziehungsweise eine ihrer
beiden Vorgängereinrichtungen, das Zentrum für Weiterbildung der Universität.
Sie war Koordinatorin des bremischen
Landesprogramms ›Offene Hochschulen‹
und leitet nun das Projekt ›konstruktiv‹
(›Konsequente Orientierung an neuen
Zielgruppen strukturell in der Universität Bremen verankern‹). ›konstruktiv‹
wird im Rahmen des Bundesprogramms
›Aufstieg durch Bildung: offene Hochschulen‹ vom Bundesministerium für
Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.
Berufsbegleitende Bachelorstudiengänge findet man an staatlichen
Hochschulen kaum. Im Land Bremen
gibt es nur einen einzigen an der
Universität. Woran liegt das?
An den Hochschulen fehlen ganz einfach
die Ressourcen. Die bestehenden Bachelorstudiengänge platzen angesichts der
hohen Studierendenzahlen oft aus allen
Nähten, das heißt, das Lehrpersonal ist
vollständig mit der Durchführung dieser
Studiengänge ausgelastet. Aus der knappen Grundfinanzierung können daher
keine zusätzlichen berufsbegleitenden
Bachelor-Studiengänge aufgelegt werden. Solche Angebote können aber auch
nicht aus Teilnahmeentgelten finanziert
werden, weil aufgrund der Gebührenfreiheit des Erststudiums auch für berufsbegleitende Bachelorstudiengänge keine
Entgelte erhoben werden dürfen. Also
besteht hier eine Finanzierungslücke.
Vermuten Sie, dass die Nachfrage
nach berufsbegleitenden Bachelorstudiengängen vonseiten Berufstätiger steigen würde, wenn es ein
entsprechendes Angebot gäbe?
Der Bedarf ist da, nicht flächendeckend,
aber in bestimmten Bereichen. So haben
in den letzten Jahren private Hochschulen ihr Angebot an berufsbegleitenden
Bachelorstudiengängen stark ausgebaut.
Eine Nachfrage sehe ich vor allem in
Bereichen, in denen sich durch einen
Bachelorabschluss echte Aufstiegsmöglichkeiten oder bessere berufliche Perspektiven ergeben. Dies ist zum Beispiel
im kaufmännischen Bereich oder im
IT-Bereich der Fall. Hier würden auch
berufsbegleitende Angebote staatlicher
Hochschulen sicher auf Interesse stoßen.
Schwieriger ist es in Berufsfeldern, in
denen die Akademisierung noch nicht so
weit fortgeschritten ist, zum Beispiel in
der frühkindlichen Bildung. Auch hier
gibt es einen hohen Bedarf an wissenschaftlicher Weiterbildung. Allerdings
eröffnen sich für eine Erzieherin oder
einen Erzieher auch durch ein weiterbildendes Zertifikatsstudium oder einen
Bachelorabschluss nicht ohne Weiteres
neue berufliche Möglichkeiten. Dies
wirkt sich natürlich auf die Teilnahme
an entsprechenden Angeboten aus.
An der bestehenden Nachfrage nach
berufsbegleitenden Bachelorstudiengängen bei privaten Hochschulen zeigt
sich übrigens noch etwas anderes: Diese
Studienangebote sind kostenpflichtig.
Menschen, die einen Bachelorabschluss
erwerben wollen, ohne dafür ihre Berufstätigkeit aufzugeben, sind also bereit, für
ihr Studium zu bezahlen. Allerdings werden so alle diejenigen ausgeschlossen, die
hierzu finanziell nicht in der Lage sind.
78
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
Bei der Finanzierung von Studienangeboten für Berufstätige scheint
also ein ungeklärtes Problem zu sein,
was Aufgabe des Staates und was
Aufgabe der Privatpersonen ist.
Richtig. Noch deutlicher wird das bei
den Masterstudiengängen. Wo endet die
Erstausbildung? Diejenigen, die direkt
nach dem Bachelor ein Masterstudium
beginnen, bekommen das vom Staat
finanziert. Diejenigen, die erst in den
Beruf einsteigen und nach einigen Jahren
einen Master machen wollen, müssen
sich entscheiden: Entweder sie wählen
einen konsekutiven Vollzeitstudiengang
ohne Studiengebühren, der aber vom
zeitlichen Format her mit der Berufstätigkeit nicht zu vereinbaren ist. Oder sie
zahlen hohe Teilnahmeentgelte für einen
weiterbildenden Masterstudiengang
und erhalten dafür ein berufsbegleitend
studierbares Angebot.
Das heißt, diejenigen, die nach
dem Bachelorabschluss erst einmal
berufstätig sein wollen, werden
bestraft.
Ja. Die Weiterbildung an den Hochschulen kostet, und zwar auch für diejenigen,
die nie einen staatlich finanzierten Masterstudienplatz in Anspruch genommen
haben. Das ganze System orientiert sich
in seiner Finanzierungslogik noch sehr
an klassischen Bildungsbiografien: Zuerst
wird studiert, dann folgt die Berufstätigkeit. Denjenigen, die zwischen Bachelor
und Master und dann eben auch begleitend zum Masterstudium berufstätig
sind, wird dieses System nicht gerecht.
Ebenso wenig denjenigen, die ihre Hochschulzugangsberechtigung über den Weg
einer Berufsausbildung plus Berufstätigkeit plus Fortbildung und nicht über die
Schule erwerben.
In Ihrem Projekt ›konstruktiv‹
arbeiten Sie an einer Öffnung der
Hochschulen für diese sogenannten
neuen Zielgruppen.
Ja. Wir konzentrieren uns im Projekt
›konstruktiv‹ auf Personen, die berufstätig sind oder Familienpflichten nachkommen und einen Master- oder Zertifikatsabschluss erwerben wollen. Diese Gruppe
wächst, denn Studium, Berufstätigkeit,
Weiterbildung und Familienphasen
werden heutzutage auf vielfältige Weise
kombiniert. Auch viele Studierende, die
heute in den bestehenden konsekutiven
Vollzeitstudiengängen eingeschrieben
sind, gehören eigentlich zur Zielgruppe
von ›konstruktiv‹. Sie haben nur einen
individuellen Weg gefunden, um sich mit
den Rahmenbedingungen des Vollzeitstudiums zu arrangieren. Im Projekt befassen wir uns zum Beispiel mit der Frage,
wie man Module aus regulären konsekutiven Masterstudiengängen nutzen
kann, um Angebote für Berufstätige zu
schaffen. Dadurch wollen wir ein breites,
flexibles Qualifizierungsangebot schaffen, was sonst nicht möglich wäre. Wir
versuchen zum Beispiel, Hochschullehrende dazu zu bewegen, einzelne Module
raumzeitlich flexibler zu gestalten. Dies
heißt nicht automatisch, dass die Module
nun alle abends, am Wochenende oder in
Blockform stattfinden müssen. Es kann
auch bedeuten, verstärkt auf digitale Medien zurückzugreifen, um einen höheren
Anteil an selbst gesteuertem Lernen zu
erreichen und die Zahl der Präsenztermine zu verringern.
Und welchen Schwierigkeiten
begegnen Sie dabei?
Wir müssen sehr viel Überzeugungsarbeit leisten, um Hochschullehrende
zu bewegen, ihre Veranstaltungen zu
flexibilisieren und auch Studierende in
den Blick zu nehmen, die parallel zum
Studium arbeiten oder familiäre Pflichten haben. Selbst gesteuert zu lernen,
ist allerdings auch für die Studierenden
häufig ungewohnt. Hier sind besondere
Selbstlernstrategien gefragt, über die
gerade Berufstätige oft schon verfügen.
Dann müssen weiterbildende Masterund Zertifikatsstudienangebote kostendeckend gestaltet sein. Zwar ist die Weiterbildung neben Forschung und Lehre die
79
S TU DI E
dritte Aufgabe der Hochschulen, doch
sind keine Lehrkapazitäten für diese
Aufgabe vorgesehen. Die grundständige
Lehre geht vor und verbraucht angesichts
der hohen Auslastung der Universität alle
vorhandenen Kapazitäten. Die Lehre in
der Weiterbildung muss also de facto zusätzlich erbracht werden. Zwar bieten wir
den Lehrenden eine Vergütung an, doch
ist das für diese nicht besonders attraktiv.
Die Lehrenden haben sehr wenig Zeit
und die Honorare sind nicht so hoch, um
finanziell wirklich lukrativ zu sein.
Führt das nicht häufig dazu,
dass man auf hochschulexterne
Lehrkräfte zurückgreifen muss?
Wir setzen externe Lehrende ein. Aber
dem sind enge Grenzen gesetzt. Denn:
Wir machen Studien- und Weiterbildungsangebote, in denen die Studierenden ECTS-Punkte und Abschlüsse auf
Basis von Prüfungsordnungen erwerben
können. Das heißt zum Beispiel, es
können in der Regel nur Professoren
oder Professorinnen unserer Universität
Modulverantwortliche sein, weil uns die
interne Qualitätssicherung sehr wichtig
ist.
Wir haben im Rahmen unserer
Studie von einigen berufstätigen
Studierenden gehört, dass sie sich
weichere Prüfungsordnungen
wünschen, die die besonderen Umstände ihrer Studienbedingungen
berücksichtigen.
Es ist denkbar, zum Beispiel längere
Bearbeitungszeiten für Abschlussarbeiten
vorzusehen. Wir werden jedoch bei den
weiterbildenden Master- und Zertifikatsstudienangeboten keine Abstriche bei der
Qualität machen. Unsere Weiterbildungsangebote sollen den hohen Qualitätsanspruch der Universität Bremen widerspiegeln. Es muss zum Beispiel auch die
Möglichkeit geben, eine Prüfung bei unzureichenden Leistungen endgültig nicht
zu bestehen. Dies gilt auch, wenn die
Studierenden zahlende Kunden sind. Es
ist wichtig, dass ein Abschluss in einem
weiterbildenden Masterstudium genauso viel wert ist wie der Abschluss eines
konsekutiven Masters. Beide berechtigen
schließlich hinterher zur Promotion.
An welcher Stelle sollten Probleme
zuerst behandelt werden?
Die Landesausschüsse für Weiterbildung
und für Berufsbildung haben schon vor
einigen Jahren in ihren Empfehlungen
festgestellt, dass der erleichterte Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte
wenig weiterhilft, wenn ein berufsbegleitendes Bachelorstudienangebot
fehlt. Nur wenige Berufstätige können es
sich leisten, für ein Vollzeitstudium aus
dem Beruf auszusteigen. Hier stellt sich
das bereits angesprochene Problem der
Finanzierung.
Darüber hinaus ist wichtig, dass die
Hochschulen die sogenannten nicht
traditionellen Studierenden stärker in
den Blick nehmen. Wie schon erwähnt,
gibt es viele Studierende, die nicht in das
übliche Bild passen, weil sie nebenbei in
größerem Umfang arbeiten, weil sie Kinder haben oder ihren ersten Abschluss
im Ausland erworben haben. Mit dieser
Heterogenität gilt es umzugehen. Von unterschiedlichen Formaten, differenzierter
Didaktik, mehr Wahlmöglichkeiten im
Curriculum und dazu passenden Beratungsangeboten könnten alle Studierenden profitieren.
Also müsste ein Diversitätskonzept entwickelt und umgesetzt
werden?
Genau. Und der andere Strang ist ein
Konzept für lebenslanges Lernen. Ein Studienabschluss reicht längst nicht mehr
als Basis für ein ganzes Berufsleben. Die
wissenschaftliche und technologische
Entwicklung verläuft heute so rasant,
dass auch die Hochschulen gefragt sind.
In der Weiterbildung sind heterogene
Zielgruppen und die Anforderungen
des lebenslangen Lernens längst Alltag.
Deshalb kann die Weiterbildung eine Art
Testgelände sein, von dem die Universität
als Ganzes profitieren kann.
Das Interview wurde geführt von
Susanne Hermeling
80
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
Anrechnung beruflicher Kompetenzen
auf Hochschulstudiengänge
Interview mit Dr. Walburga Freitag
Frau Dr. Freitag leitete die wissenschaftliche Begleitung der BMBF-Initiative
›ANKOM – Übergänge von der beruflichen in die hochschulische Bildung‹ am
Deutschen Zentrum für Hochschul- und
Wissenschaftsforschung; sie ist dort die
Leiterin des Arbeitsbereichs ›Lebenslanges Lernen‹.
Kompetenzen, die in staatlich
anerkannter Aus- und Fortbildung
erworben wurden, können unter
bestimmten Bedingungen als gleichwertige Studienleistungen anerkannt
werden. Für Studierende kann sich
unter Umständen die Studienzeit um
ein bis drei Semester verkürzen oder
das Studienvolumen verringert sich.
Für die Anrechnung können sich
die Hochschulen für unterschiedliche Verfahren entscheiden. Es gibt
pauschale und individuelle Anrechnungsverfahren. Was sind die wesentlichen Vor- und Nachteile beider
Verfahren?
Bei der Anwendung eines sogenannten
›pauschalen Anrechnungsverfahrens‹
wird bei Vorliegen eines bestimmten Ausoder Fortbildungsabschlusses eine zuvor
ermittelte Zahl an Credits ohne individuelle Prüfung, also ›pauschal‹ angerechnet.
Wer zum Beispiel an der Hochschule
Bremen ›Angewandte Therapiewissenschaften‹ studieren möchte, kann als
ausgebildete Logopädin eine Anrechnung
von drei Semestern des Bachelorstudiengangs beantragen. Das hat für Studierende ganz offensichtliche Vorteile. Sie
stellen einen Antrag, und sofern es für
die Aus- oder Weiterbildung eine Gleichwertigkeitsbestimmung gibt, können die
Credits angerechnet werden.
Pauschale Verfahren sind allerdings
sehr aufwendig in der Entwicklung. Im
Vorfeld muss ein Äquivalenzvergleich
stattfinden – also die Bestimmung von
Gleichwertigkeit oder Gleichartigkeit
zwischen den Lernergebnissen des
beruflichen und des hochschulischen
Bildungsgangs. Aufseiten der beruflichen
Bildung hat man es mit Aus-, Fort- oder
Weiterbildungsordnungen zu tun. Diese
sind zwar zunehmend auch kompetenzorientiert formuliert und es werden
immer häufiger die Lernziele ausgewiesen, allerdings müssen die Dokumente
›übersetzt‹ und Lernergebnisse denen der
Hochschulmodule zugeordnet werden;
nur so kann eine Grundlage für den Vergleich geschaffen werden.
Wenn die Verantwortlichen des
Studiengangs in Kooperation mit den
beruflichen Bildungsträgern einen Äquivalenzvergleich vorgenommen und dies
dokumentiert haben, muss die Möglichkeit der pauschalen Anerkennung noch
von den Hochschulgremien abgesegnet
werden; das heißt, sie muss Eingang
in die Ordnungen der Hochschule finden. Dies ist in der Regel kein Problem,
schwieriger ist es, die Ressourcen für
den Kompetenzäquivalenzvergleich zu
erhalten und die Ergebnisse transparent
und valide darzustellen.
Bei der individuellen Anrechnung,
dem zweiten entwickelten Verfahren,
muss keine Festlegung auf ein oder zwei
Abschlüsse erfolgen, sondern es kommt
potenziell eine größere Zahl von fachverwandten Abschlüssen in Betracht und
– dies ein großer Vorteil – neben formal
erworbenen Lernergebnissen können
auch sogenannte non-formal und informell erworbene Lernergebnisse angerechnet werden, also kleinere Zertifikate
und Berufserfahrung. Das ist im Sinne
der Durchlässigkeit ein klarer Vorteil.
Die Verantwortlichen des Studiengangs verwenden für das individuelle
Verfahren ein Portfolio, eine Art Mappe.
Hierin wird festgelegt, wie die Person, die
um Anrechnung nachfragt, die Kompetenzen dokumentieren muss, die sie an-
81
S TU DI E
gerechnet bekommen möchte. Dies kann
in Form von Zeugnissen, Arbeitsproben
oder schriftlichen Ausarbeitungen
erfolgen. Auch das individuelle Verfahren muss in den Ordnungen festgelegt
werden; nur so werden alle Studierenden
über die Möglichkeit informiert und können es gegebenenfalls nutzen. Die Hochschulen können mit dem Verfahren bis
zu einem gewissen Grad experimentieren, da es wenig festgelegte Verfahrensabläufe gibt. Das kann sowohl Vor- als auch
Nachteile für alle Beteiligten bergen und
ist anspruchsvoll.
In jedem Fall steckt der größte Arbeitsaufwand in der Durchführung des
Verfahrens selbst, denn der Äquivalenzvergleich muss für jede Person individuell erfolgen. Damit sind die Studierenden
gefordert, sich mit dem Modulhandbuch
des Studiengangs auseinanderzusetzen
und in Form des Portfolios niederzulegen, welche Lernergebnisse sie bereits
erworben haben und nach Möglichkeit
auch noch performieren können. In der
Praxis liegt schon ein Problem darin, dass
nicht alle Modulhandbücher gleichermaßen verständlich für Außenstehende
geschrieben sind. Und möglicherweise
ergeben sich als Ergebnis des Verfahrens
Anrechnungsmöglichkeiten für mehrere
und verschiedene Module und Seminare.
Das heißt, die Studiengangsverantwortlichen müssen die Unterlagen an die
Lehrenden in den Modulen weitergeben
und deren Urteil einholen. Es sind in der
Regel mehrstufige Verfahren, in deren
Verlauf möglicherweise zusätzlich mündliche oder schriftliche Tests verlangt
werden. Der Aufwand, der insgesamt entstehen kann, wird von Studierenden als
hoch beurteilt und führt – so Ergebnisse
unserer wissenschaftlichen Begleitung –
auch zu Frustration oder Ablehnung des
Verfahrens.
Was die Methodik angeht, ist problematisch, dass die Ansprüche der Reliabilität und Validität immer noch in den
Kinderschuhen stecken. Die Methoden
entwickeln die Studiengänge in Eigenregie und es gibt leider derzeit keine Ressourcen, um die angewandten Verfahren
systematisch zu untersuchen. Unterschiede betreffen womöglich die Arten der
Anweisung für die einzelnen Schritte
oder die Dokumentation der Verfahren.
Einige haben vielleicht standardmäßig
ein Gespräch eingebaut, andere verzichten darauf.
In solchen Experimentierphasen werden
kreative Lösungen entwickelt, die als
Modelle guter Praxis nachahmenswert
sind. An der Alice Salomon Hochschule Berlin beispielsweise sind sowohl
pauschale als auch individuelle Anrechnungsmöglichkeiten entwickelt worden.
Um den Arbeitsaufwand für die Beratung
und Durchführung möglichst gering
zu halten, wird über das Verfahren im
Rahmen eines eigenen Studienmoduls
informiert. Dieses wird zudem dafür genutzt, Reflexionsphasen anzuregen. Die
Studierenden setzen sich damit auseinander, aus welcher beruflichen Position
sie kommen, welche Kompetenzen sie
mitbringen, welche Studienschwerpunkte sie im Studium wählen wollen und
welche berufliche Position sie mit dem
Studienabschluss anstreben. Auf Grundlage einer solchen Vorbereitung können
Studierende dann auch das individuelle
Verfahren bewältigen. Die Zuständigen
der Studiengänge erhalten ihrerseits
durch diese Seminare einen Eindruck
von den Erfahrungen und individuellen
Zielen der Studierenden und können
sich gleichzeitig mit dem Lernstand der
Studierenden vertraut machen.
Im Vergleich mit den individuellen
Verfahren scheint eine pauschale
Anrechnung für Studieninteressierte
zunächst einmal eine höhere Transparenz und Sicherheit zu bieten.
Zeichnen sich für die kaufmännischen, die technischen und die sozialen Dienstleistungsberufe eigene
Trends hinsichtlich der Möglichkeiten pauschaler Anrechnung ab?
In der Betriebswirtschaftslehre (BWL) ist
die Entwicklung schon weiter gediehen,
da das Studienfach traditionell für
viele beruflich Qualifizierte attraktiv ist.
In der BWL haben etwa 30 Prozent der
Studierenden eine Berufsausbildung.
So werden an mehreren Hochschulen
die Fortbildungsabschlüsse Fachwirt
mit 20 bis 30 Kreditpunkten und der
zur Betriebswirtin mit 60 Kreditpunkten
auf ein Bachelorstudium angerechnet.
Bei ersten Abschlüssen der beruflichen
Bildung, wie zum Beispiel Industriekaufleuten, werden in der Regel nicht über
10 Kreditpunkte angerechnet.
82
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
Das Interesse an der Anwendung von
Anrechnungsverfahren ist auch bei den
Sozial- und Gesundheitsberufen groß. In
den Sozialberufen hat es in den vergangenen 10 bis 15 Jahren starke Akademisierungs- und Professionalisierungsprozesse
gegeben. Viele neue Studiengänge im
Bereich der Kindheitspädagogik und
im Bereich Pflege und Gesundheit sind
entstanden. Obschon es Schnittmengen
zwischen verschiedenen Studienangeboten, zum Beispiel der Kindheitspädagogik
gibt, werden Ergebnisse, die in einer
Hochschule entwickelt wurden, nicht
auf vergleichbare Studiengänge anderer
Hochschulen übertragen. Der Spill-overEffekt ist gering.
Nicht unerheblich ist bei der Anrechnung, auf welches Niveau des Deutschen
Qualifikationsrahmens die Aus- oder
Weiterbildung eingeordnet wurde. Da die
Erzieherinnenausbildung an Fachschulen stattfindet, hat man den Abschluss
im Deutschen Qualifikationsrahmen auf
Stufe 6 angesiedelt; der Abschluss in der
Gesundheits- und Krankenpflege gilt als
Ausbildung und wurde entsprechend auf
Niveau 4 eingeordnet. Die Einordnungen,
die in Teilen auf politischen Entscheidungen und weniger auf wissenschaftlichen
Untersuchungen gründen, haben somit
großen Einfluss auf das Anrechnungsgeschehen.
Bei den technischen Studiengängen ist die Anrechnungspraxis meiner
Wahrnehmung nach sehr stark abhängig
von dem Engagement einzelner Hochschullehrender. So werden zum Beispiel
in den Fächern Maschinenbau und
Mechatronik an der Hochschule Aalen
in Baden-Württemberg pauschale Anrechnungsmöglichkeiten für fachaffine
Fortbildungsabschlüsse mit einschlägiger
Berufserfahrung angewendet. Ein hohes
Engagement hängt mitunter auch damit
zusammen, dass es für manche staatlichen Hochschulen einen Anreiz gibt,
Bachelorstudiengänge für beruflich Qualifizierte als Weiterbildung anzubieten
und eine Zielgruppe für weiterbildende
und somit kostenpflichtige Studiengänge
zu erschließen.
An einer Hochschule in Bremen
haben Studiengangsverantwortliche
die Erfahrung gemacht, dass bei den
Studierenden mit den klassischen
Fortbildungsabschlüssen Meister
und Techniker in der Regel größere
Unterschiede bei den Mathematikkenntnissen vorliegen. Wurden im
Rahmen der ANKOM-Projekte ähnliche Erfahrungen gemacht, die sich
dann auf die Anrechnungsverfahren
auswirkten?
Zunächst einmal ist festzuhalten, dass
Mathematik kein Studienbereich ist, bei
dem es um Anrechnung geht. Es studieren überhaupt nur sehr, sehr wenige
Studierende mit beruflicher Ausbildung
Mathematik oder Physik. Mathematikkenntnisse sind aber in vielen anderen
Studiengängen ein großes Thema, was
damit zu tun hat, dass das Fach in vielen
Studiengängen, zum Beispiel auch im
Ingenieurstudium oder der Sozialen
Arbeit wichtig ist, der letzte Mathematikunterricht bei den Studierenden mit beruflicher Aus- und Fortbildung aber sehr
oft schon länger zurückliegt. Auch eine
Abiturientin, deren Schulabschluss fünf
Jahre zurückliegt, steht vor ähnlichen
Problemen wie ein Meister, der vor fünf
Jahren seine Fortbildung absolviert hat.
In der Meisterfortbildung, so die Erfahrung aus den ANKOM-Projekten, scheint
es eine stärkere Spreizung der Inhalte
und Lernergebnisse zu geben als in der
Technikerfortbildung der Fachschulen.
Die Meisterfortbildung von heute ist
zudem nicht vergleichbar mit der von vor
15 Jahren. In einem ANKOM-Projekt hat
die Prüfung für den Abschluss der Optometriemeisterin eine so große Varianz
der Kompetenzen ergeben, sodass keine
pauschale Anrechnung möglich gemacht
werden konnte.
Neben der möglicherweise unterschiedlichen Ausrichtung von Fortund Weiterbildungen spielt es ja
auch eine Rolle, wie Institutionen
mit den Ergebnissen der Anrechnung umgehen. Wie weit sind unsere
Bundesländer darin, die bestehenden
Anrechnungsmodelle mit gegenseitiger Anerkennung zu honorieren? Im
konkreten Fall eines Bremer berufspädagogischen Studiengangs wurden
Absolventinnen in Niedersachsen
83
S TU DI E
nicht für Referendariate zugelassen,
weil man in Niedersachsen der Ansicht war, dass ihr Abschluss unvollständig war, und zwar aufgrund der
vorher erhaltenen Anrechnung von
beruflich erworbenen Kompetenzen
auf die Studienleistungen. Die Konsequenz war, dass die Absolventinnen
die nach Ansicht der niedersächsischen Behörde fehlenden Kompetenzen ›nachstudieren‹ mussten und der
Studiengang in Bremen die Anrechnungsmöglichkeiten für weitere
Jahrgänge deutlich eingeschränkt
hat. Wie ist das zu bewerten?
Einen solchen Fall habe ich noch nie
gehört. Möglicherweise gibt es bei der
Einstellung in den Schuldienst in Niedersachsen besondere Anforderungen. Mir
sind andere Fälle bekannt, in denen verschiedene rechtliche Ebenen in Konflikt
miteinander geraten. Im Rahmen eines
Programms der Robert Bosch Stiftung
zum Beispiel haben deutsche Krankenpflegekräfte im europäischen Ausland
einen Masterabschluss erworben. Ihre
Ausbildung wurde dort jeweils als Äquivalent zum Bachelorabschluss anerkannt.
In Deutschland wurden diese Absolventinnen dann nicht zur Promotion zugelassen, weil ihnen der Bachelorabschluss
nach deutschem Recht fehlte. Auch eine
Beschäftigung als wissenschaftlicher
Mitarbeiter ist nicht möglich ohne Bachelorabschluss.
Möglicherweise stellt ein Wechsel
der Hochschule Studierende vor
ähnliche Probleme?
Oder kann man darauf bauen, dass
die aufnehmenden Hochschulen vorher angerechnete berufliche Kompetenzen ebenfalls anerkennen?
Leider liegen uns über solche Fälle gar
keine Daten oder Informationen vor.
Meine Hypothese ist, dass es auch nicht
so häufig zu Hochschulwechseln bei
Studierenden mit beruflicher Ausbildung
kommt. Im Prinzip wäre es aber nicht
verwunderlich, wenn es Probleme gäbe.
Denn die Anrechnung bezieht sich ja in
der Regel nicht nur auf die ersten Semester, sondern auf den gesamten Zeitraum
des Studiengangs.
Noch eine Frage dazu, die vielleicht
für uns noch Zukunftsmusik ist.
Wenn Studierende aufwendige
individuelle Anrechnungsverfahren
in Kauf nehmen, welche Möglichkeiten werden sie in Zukunft haben,
darin auch non-formal und informell
erworbene Kompetenzen geltend zu
machen?
Das ist eine berechtigte Frage. Die
Anrechnung informell und non-formal
erworbener Kompetenzen steckt an deutschen Hochschulen immer noch in den
Kinderschuhen. Sie erfordert aufseiten
der Hochschule viel Know-how. Solange
die Durchführung der Verfahren in der
Hand der Hochschule bleibt und nicht
zentralisiert wird, werden auch nur wenige Hochschulen dazu in der Lage sein.
Mit zunehmender Lebens- und Berufserfahrung, immer heterogener werdenden Lebensverläufen und kulturellen
Herkünften steigt hingegen der Bedarf
an Anrechnung informell und informal
erworbenen Kompetenzen.
Das Interview wurde geführt von
Susanne Hermeling
Literatur
z Freitag, Walburga K. et al. (Hrsg.):
Übergänge gestalten – Durchlässigkeit zwischen
beruflicher und hochschulischer Bildung erhöhen,
2015. Online verfügbar www.ankom.dzhw.eu /
publikationen / pdf / uebergaenge_gestalten.pdf
(Zugriff 16.10.2015).
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ein Beitrag zur Schaffung durchlässiger Bildungswege. In: Handbuch Qualität in Studium und
Lehre 47 (G 3.2): S. 105–128.
z Arbeitsmaterialien zur Entwicklung, Umsetzung
und Qualitätssicherung von Anrechnungsverfahren
unter www.ankom.dzhw.eu / archiv
84
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
DR. CL AUDIA FENZL
DR. ROL AND TUT SCHNER
Zur Durchlässigkeit zwischen beruflicher
und hochschulischer Bildung – Konzeption und
Durchführung eines berufsbegleitenden Studiengangs
an der Universität Bremen
Einleitung
Die Durchlässigkeit zwischen beruflicher
und hochschulischer Bildung ist ein
wichtiges Thema im Bildungsdiskurs des
letzten Jahrzehnts. Dies dokumentieren
nicht nur die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz (KMK) zum Zugang
beruflich Qualifizierter ohne schulische
Hochschulzugangsberechtigung1 und zur
Anrechnung beruflicher Qualifikationen,
die außerhalb des Hochschulwesens
erworben wurden2, sondern auch eine
Reihe hochschulpolitischer Initiativen
des Bundesministeriums für Bildung
und Forschung (BMBF), die sich auf die
Durchlässigkeit zwischen beruflicher
und hochschulischer Bildung richten.
Parallel zu diesen Entwicklungen
und Initiativen hat sich im zurückliegenden Jahrzehnt eine beinahe unübersichtliche Anzahl von Studienformaten
etabliert, die sich an Studieninteressenten mit beruflichem Hintergrund
richten. Im Einzelnen wären hier
berufsintegrierte oder praxisintegrierte
duale Studiengänge,3 Fernstudiengänge,
berufsbegleitende Studiengänge, die
vornehmlich an Wochenenden und / oder
Abenden stattfinden, oder Studienformate, die blockmäßig organisiert sind, zu
nennen. Deren Adressaten sind vornehmlich Absolventinnen und Absolventen
beruflicher Ausbildungen und beruflicher Weiterbildungsabschlüsse, wie zum
Beispiel Meisterinnen und Meister und
Technikerinnen und Techniker. Im
wissenschaftlichen Diskurs werden diese
Studierendengruppen, die nicht über
die traditionelle Hochschulzugangsberechtigung, also das Abitur verfügen, als
nicht traditionell Studierende bezeichnet. Trotz der durch die KMK-Beschlüsse
deutlich erweiterten Zugangsmöglichkeiten zu Hochschulen und Universitäten ist
die Quote der nicht traditionell Studierenden in Deutschland im internationalen Vergleich immer noch sehr niedrig
und liegt lediglich zwischen zwei und
drei Prozent.4 Auffällig ist auch, dass
nicht traditionell Studierende bei ihrer
Studienwahl wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Studienfächer gegenüber
MINT-Fächern (das heißt Mathematik,
Informatik, Naturwissenschaft und
Technik) favorisieren.5 Eine Erklärung für
die geringe Zahl von nicht traditionell
Studierenden in naturwissenschaftlichtechnischen Studiengängen könnte die
meist signifikante inhaltliche und theoretische Diskrepanz zur beruflichen
Aus- und Weiterbildung sein, denn in
Bezug auf Inhalt und Niveau unterscheiden sich die MINT-Studiengänge deutlicher von beruflichen Ausbildungsgängen
als im wirtschaftswissenschaftlichen,
sozialpädagogischen und pflegerischen
Bereich.
Es ist deshalb von großem empirischen Interesse, herauszufinden, welche
Erfahrungen diese Studierenden in technisch ausgerichteten und berufsbegleitend organisierten universitären Studiengängen machen. Welche Konsequenzen
dies für die Konzeption und Durchführung solcher Studiengänge hat, wird am
Beispiel des berufsbegleitenden Bachelorstudiengangs ›Berufliche Bildung‹ mit
den beruflichen Fachrichtungen Elektrotechnik-Informationstechnik sowie
Metalltechnik-Fahrzeugtechnik‹ gezeigt,
der seit dem Wintersemester 2012 / 2013
an der Universität Bremen studiert werden kann und der sich insbesondere an
nicht traditionelle Studierende richtet.6
Im ersten Teil dieses Aufsatzes wird
zunächst der berufsbegleitend organisierte Studiengang ›Berufliche Bildung‹
vorgestellt. Im zweiten Teil werden ausgewählte Ergebnisse der studiengangbe-
85
S TU DI E
gleitenden Evaluation präsentiert. Dabei
wird aus den Erfahrungen mit den nicht
traditionell Studierenden abgeleitet, vor
welchen Herausforderungen die Organisatoren und Lehrenden in einem solchen
Studiengang stehen.
Der berufsbegleitende Studiengang
›Berufliche Bildung‹
Mit dem eingangs erwähnten Erlass der
KMK von 2009 erhielten Absolventinnen
und Absolventen beruflicher Aufstiegsfortbildungen ohne Abitur eine allgemeine Hochschulzugangsberechtigung.7
Damit haben sich die Hochschulen
formal für Meisterinnen und Meister,
Technikerinnen und Techniker, Personen mit gleichgestellten Abschlüssen
sowie für beruflich Qualifizierte mit
Berufserfahrung geöffnet. Zulassungsvoraussetzungen für das Studium sind
demnach das Abitur, die Meisterprüfung,
der Technikerabschluss sowie andere
berufliche Weiterbildungsabschlüsse wie
›Technischer Fachwirt‹ und ›Technischer
Betriebswirt‹. Auf diese Studierendengruppen mit beruflichem Hintergrund
ist der seit dem Wintersemester 2012 / 13
akkreditierte berufsbegleitende Bachelorstudiengang ›Berufliche Bildung‹ vorwiegend ausgerichtet.
Berufsbegleitendes
Veranstaltungsangebot
Um für Berufstätige attraktiv zu sein,
muss der neue Studiengang neben einer
beruflichen Vollzeittätigkeit berufsbegleitend studierbar sein. Deshalb wurde
das Veranstaltungsangebot zeitlich so
umstrukturiert, dass die Mehrzahl der
Veranstaltungen am späten Nachmittag
und in den frühen Abendstunden (16-20
Uhr) sowie in Blockveranstaltungen an
Wochenenden studiert werden kann.
In die berufsbegleitende Zeitstruktur
konnten einzelne fachwissenschaftliche
Module, das heißt sogenannte Importveranstaltungen, welche in den ingenieurwissenschaftlichen Fachbereichen
stattfinden, eingebettet werden. Diese
klassischen ingenieurwissenschaftlichen
Pflichtveranstaltungen wie Mathematik
und Technische Mechanik finden normalerweise zu den Kernstudierzeiten, also
zwischen 8:00 und 16:00 Uhr statt und
sind deshalb für berufsbegleitend Studierende kaum belegbar. Es wurde deshalb
versucht, den Studienverlaufsplan so
zu konzipieren, dass nur an einem oder
eineinhalb Tagen pro Woche fachwissenschaftliche Studienanteile, das heißt die
Importveranstaltungen, auf dem Studienplan stehen.
Das berufsbegleitende Studium führt
nach sechs Semestern zum Bachelorabschluss (Bachelor of Science, B. Sc.) als
ersten Abschluss und bietet den Absolventen anschließend die Möglichkeit, ein
Masterstudium aufzunehmen (Lehramt
an berufsbildenden Schulen / Master of
Education oder Ingenieurwissenschaften /
Master of Science).
Der berufsqualifizierende Abschluss
des Bachelorstudiums zielt auf berufliche
Tätigkeiten, die in den Feldern der Berufsausbildung und Personalentwicklung
liegen. Als mögliche berufliche Beschäftigungsfelder können genannt werden:
z Koordination der betrieblichen Ausbildung in Unternehmen oder in überbetrieblichen Bildungseinrichtungen der
Wirtschaft und der Kammern,
z Konzeption und Durchführung von
Schulungsmaßnahmen, Maßnahmen
der Anpassungsqualifizierung in Unternehmen sowie in Bildungseinrichtungen der Wirtschaft und der Kammern,
z Aus- und Fortbildungstätigkeiten an Bildungseinrichtungen der Wirtschaft und
der Kammern (z. B. in überbetrieblichen
Ausbildungsgängen, in der Meisterausbildung, in der beruflichen Anpassungsfortbildung) sowie im Rahmen der
internationalen Zusammenarbeit,
z Beratungs- und Entwicklungstätigkeit
in der Lehrmittelbranche (für Lehrbücher und Lehrmedien etc.).
Wird als Berufsziel das Lehramt an berufsbildenden Schulen gewählt, muss im
Masterstudium das zweite Unterrichtsfach studiert werden.
Anrechnung beruflicher
Lernergebnisse
Ein wichtiges Element des berufsbegleitenden Studiums im Studiengang
›Berufliche Bildung‹ ist die Anrechnung
beruflicher Lernergebnisse. Wie die
veränderte Zeitstruktur soll die Anrechnung von beruflichen Lernergebnissen
dazu beitragen, die doppelte Erbringung
von Lernergebnissen zu vermeiden sowie
das Studium für Akteure aus der beruflichen Praxis attraktiver zu machen, den
86
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
Workload zu verringern und den Zugang
zum Studium zu erleichtern.
Um die Anrechnungspotenziale zu ermitteln, wurden nach dem Oldenburger
Modell8 mithilfe des ›Module Level Indicator‹ (MLI) Äquivalenzvergleiche zwischen
den Modulen des Studiengangs und den
Veranstaltungen der beruflichen Fortbildungsabschlüsse Meister (Kfz-Technik),
staatlich geprüfter Techniker (Maschinentechnik) und des Berufspädagogen (IHK)
durchgeführt. Als Ergebnis der Äquivalenzvergleiche wurden folgende pauschale Anrechnungspotenziale ermittelt:
z Kfz-Meistern mit dem Studienschwerpunkt Metall- und Kfz-Technik werden
pauschal 15 CP (Kreditpunkte) angerechnet.
z Technikern, die den Schwerpunkt
Maschinentechnik absolviert haben,
werden im Studienschwerpunkt Metall- / Fahrzeugtechnik 22 CP pauschal
angerechnet.
z Der Abschluss Geprüfte / r Berufspädagoge / in (IHK) wird mit 30 CP auf das
Bachelorstudium angerechnet.
Neben der pauschalen Anrechnung von
beruflichen Lernergebnissen auf ausgewählte Studienmodule, wird auch die
sogenannte individuelle Anrechnung, die
über Portfolien und Fachgespräche zur
Anrechnung von beruflichen Lernergebnissen führt, praktiziert. Durch die
Kombination aus pauschaler und individueller Anrechnung kommen einzelne
Meister aus dem Feld der Kfz-Technik auf
eine Anrechnungssumme von über 30
CP, Techniker des Schwerpunkts Maschinentechnik haben ein Anrechnungsvolumen von über 50 CP erreicht.
Besonderheiten des Studienmodells: zwei Abschlüsse und
›Triales Modell‹
Im Studiengang ›Berufliche Bildung‹
können zwei Abschlüsse erreicht
werden, der Bachelor of Science sowie
der Abschluss der Aufstiegsfortbildung
Berufspädagoge (IHK). Der Fortbildungsabschluss Berufspädagoge (IHK) kann
erreicht werden, wenn Studierende
des Studiengangs zwei der sechs Fortbildungsmodule beim bfw Oldenburg9
absolvieren, am Modul zur Prüfungsvorbereitung teilnehmen und die Abschlussprüfung bei der IHK Oldenburg absolvieren. Aus der ersten Studienkohorte
haben fünf Studierende die Fortbildung
zu Berufspädagogen (IHK) erfolgreich
abgeschlossen.
Auf eine weitere Besonderheit des
berufsbegleitenden Studiengangs, die
den Studierenden mit beruflichem Hintergrund entgegenkommt, soll an dieser
Stelle eingegangen werden. Der Studiengang wurde als ›Triales Modell‹ konzipiert, welches in der ersten Projektphase
des vom BMBF geförderten Projektes BP@
KOM entwickelt und dessen universitäre
Realisierung weiterhin durch das BMBF
unterstützt wird. Das Studienmodell wird
als ›Triales Modell‹ bezeichnet, da das
Studium an drei Lernorten (Universität,
Weiterbildungseinrichtung und Betrieb)
stattfindet. Das bedeutet, dass Studienleistungen sowohl an der Universität, bei
kooperierenden Weiterbildungsträgern,
wie dem HandWERK Bremen10 und dem
bfw Oldenburg sowie in Betrieben (zum
Beispiel über betriebliche Praxisprojekte) erbracht werden können. Durch die
Verknüpfung der drei Lernorte soll ein
möglichst enger Bezug zur beruflichen
Praxis hergestellt und aufrechterhalten
werden. An der Universität und bei den
Bildungsträgern werden jeweils Module
angeboten, die Teil des regulären Studiums sind. An den sogenannten Projektseminaren sind Betriebe sowie die Universität beteiligt; die Verantwortung für die
Leistungserbringung liegt aus sachlichwissenschaftlichen und aus rechtlichen
Gründen aufseiten der Universität.
Ergebnisse der Evaluation –
Herausforderungen in Hinblick
auf die Konzeption und
Organisation des Studiengangs
Der Studiengang ›Berufliche Bildung‹
wird seit seiner Einführung im Jahr 2012
fortlaufend evaluiert. Hierbei werden
neben den Studierenden selbst auch die
Dozentinnen und Dozenten der Universität sowie der kooperierenden Weiterbildungsträger befragt. Es kommen neben
Einzel- und Gruppeninterviews auch
Evaluationsworkshops und insbesondere
studienbegleitend angelegte Fragebogenerhebungen (Panelerhebungen) zum
Einsatz, bei denen die Studierenden über
die Dauer ihres Studiums wiederholt
befragt werden. Im Folgenden werden
aus den Evaluationsergebnissen die
Anforderungen, die an Konzeption und
87
S TU DI E
Organisation des berufsbegleitenden Studiengangs ›Berufliche Bildung‹ zu stellen
sind, abgeleitet.
Umgang mit einer heterogenen
Zielgruppe
Von den 81 Studierenden, die zwischen
den Wintersemestern 2012 / 2013 und
2014 / 2015 das Studium ›Berufliche
Bildung‹ aufgenommen haben, besitzen etwa zwei Drittel eine schulische
Hochschulzugangsberechtigung, etwa
die Hälfte dieser Abiturientinnen und
Abiturienten hat darüber hinaus eine
Berufsausbildung. Ein Drittel aller Studierenden (24 Personen) sind beruflich
Qualifizierte ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung. Diese nicht traditionell Studierenden sind vorwiegend mit
einem Meisterabschluss an die Universität gekommen (18 Personen), fünf sind
staatlich geprüfte Techniker und eine
weitere Person befindet sich nach einer
Berufsausbildung im Probestudium.
Die Evaluationsergebnisse zeigen, dass
sich nahezu alle Studierenden einem
der folgenden drei Studierendentypen
zuordnen lassen:
z Studierende mit traditionellem
Hochschulzugang ohne Berufserfahrung sind in der Regel etwa 20 Jahre
alt, studieren in Vollzeit und erfahren
überwiegend finanzielle Unterstützung
entweder durch Eltern oder BAföG.
Viele haben einen Nebenjob.
z Beruflich qualifizierte Studierende
mit traditionellem Hochschulzugang
haben in der Regel nach dem Abitur
eine Berufsausbildung gemacht. Sie
sind in den mittleren Zwanzigern und
studieren ebenfalls in Vollzeit. Sie
sind ausschließlich für ihren eigenen
Lebensunterhalt zuständig und finanzieren diesen über BAföG, Rücklagen
oder Nebenjobs.
z Die nicht traditionell Studierenden
sind in der Regel männlich. Sie sind
etwa 40 Jahre alt und haben überwiegend Familie, häufig mit mehreren
Kindern. In vielen Fällen kommen
finanzielle Verpflichtungen wie abzuzahlendes Wohneigentum hinzu. Sie
sind voll berufstätig, eine Reduzierung
der Erwerbstätigkeit kommt aufgrund
der finanziellen Verantwortung für die
Familien nicht infrage.
Die hier typisiert dargestellten Gruppen
von Studierenden sind demnach nicht
nur in Hinblick auf ihre Hochschulzugangsberechtigung und ihre bisherigen
Lern- und Berufserfahrungen heterogen.
Sie sind in unterschiedlichen Lebensphasen, tragen in verschiedenem Maße
Verantwortung für andere, verbinden
unterschiedliche Ziele und Lebensentwürfe mit ihrem Studium und organisieren ihr Leben in unterschiedlichen
Zeitstrukturen. Eine solch heterogene
Zielgruppe erfordert in Bezug auf die
Studienorganisation und -konzeption
eine hohe Flexibilität sowie ein hohes
Maß an Information und Beratung und
viel individuelle Betreuung.
Anpassung der Lehre an die
neuen Veranstaltungszeiten
Vorlesungen und Seminare für berufsbegleitend Studierende durchzuführen,
bedeutet nicht nur die organisatorische
Verschiebung der Lehrveranstaltungen
auf den Nachmittag. Zunächst gibt es
eine Reihe von Widerständen gegen eine
solche Verschiebung, da sie ungewohnt
für die Lehrenden ist und weil ihr die
Vollzeitstudierenden, als Mehrheit der
Studierenden, ablehnend gegenüberstehen. Dass die sogenannten Importveranstaltungen aus den Ingenieurwissenschaften nicht berufsbegleitend
angeboten werden können, verschärft
diese Situation noch, da zum Teil zweigeteilte Studientage mit Vorlesungen
am Vormittag und am Abend absolviert
werden müssen. Den berufsbegleitend
Studierenden wiederum bereitet die
Teilnahme an Importveranstaltungen
große Schwierigkeiten, da diese in der
Regel vormittags, also zu ihren üblichen
Arbeitszeiten stattfinden.
Eine besondere Herausforderung
innerhalb der berufsbegleitend angebotenen Lehrveranstaltungen ist die Anwendung geeigneter Lern- und Lehrmethoden. Die berufsbegleitend Studierenden
haben zu Beginn der Nachmittags- oder
Abendveranstaltungen einen vollständigen Arbeitstag hinter sich und sind oft
entsprechend erschöpft. Die Dozentinnen und Dozenten beschreiben in den
Interviews, dass sie daher stets versuchen,
eine gute Balance aus aktivierenden und
eher regenerativen Phasen herzustellen
und dabei gleichzeitig die Heterogenität
der Teilnehmenden zu berücksichtigen.
88
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
Ähnliches gilt für Blockveranstaltungen
am Wochenende, die anders zu konzipieren sind als wöchentlich stattfindende
Seminare.
Umgang mit unterschiedlichen
Vorkenntnissen zu Studienbeginn
Die Vorläufer des Studiengangs ›Berufliche Bildung‹ waren konzeptionell auf
den Kenntnisstand von Abiturientinnen
und Abiturienten ausgerichtet – dies
gilt letztlich trotz der zusätzlichen
Zielgruppe auch für das Curriculum
und den Standard-Studienverlauf des
aktuellen Studiengangs. Einerseits verfügen die beruflich Qualifizierten über
viele Erfahrungen in Hinblick auf ihr
Berufsbild und die Fachrichtung ihres
Studiengangs, andererseits bringen sie
weit weniger Wissen und Kompetenzen
aus ihrer Schulzeit mit, die zudem oft
noch viele Jahre zurückliegt. Diesen
Voraussetzungen wird durch die bereits
beschriebenen Angebote der pauschalen
und individuellen Anrechnung beruflicher Lernergebnisse Rechnung getragen. Dort, wo den nicht traditionell Studierenden Vorkenntnisse fehlen, müssen
im Studium Unterstützungsmaßnahmen
angeboten werden. Zur Identifikation
der signifikantesten Schwierigkeiten
wurden daher die Studierenden nach
ihrer Selbsteinschätzung sowie nach
›Hürdenfächern‹ befragt. Ergänzt wurde
dies durch die Einschätzung der Lehrenden. Die nicht traditionell Studierenden
selbst benannten einerseits die ingenieurwissenschaftlichen Veranstaltungen als
Hürdenfächer, allen voran das Fach Mathematik, andererseits sahen sie Schwierigkeiten im Umgang mit Texten, sowohl
beim Lesen wissenschaftlicher Texte als
auch beim Schreiben eigener Arbeiten.
Die Dozentinnen und Dozenten ergänzten diese Selbsteinschätzung noch durch
den Aspekt, dass es den nicht traditionell
Studierenden schwerfiele, Sachverhalte
aus mehreren Perspektiven zu betrachten
und infrage zu stellen sowie nicht eindeutige Ergebnisse zu akzeptieren.
Um diese Schwierigkeiten zu meistern,
wurden zwei Brückenkurse etabliert: ein
Vorbereitungskurs zu mathematischen
Grundlagen sowie ein Kurs zur ›Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten‹.
Das Curriculum des Brückenkurses
›Einführung in das wissenschaftliche
Arbeiten‹ ist seit seiner Implementierung
immer wieder angepasst und stärker
auf die Zielgruppe der nicht traditionell
Studierenden zugeschnitten worden.
In Hinblick auf das Fach Mathematik
zeigte sich jedoch, dass der Brückenkurs
trotz vieler Teilnehmender und guter
Bewertung nicht ausreichte, um die Studierenden auf die Importveranstaltung
›Mathematik I‹ in den ingenieurwissenschaftlichen Fachbereichen vorzubereiten, die Durchfallquote insbesondere
der nicht traditionell Studierenden blieb
hoch. Hierbei spielte unter anderem eine
Rolle, dass der Dozent einer Mathematikveranstaltung für Produktionstechnik
und Wirtschaftsingenieurwesen kaum
die Möglichkeit hat, auf die Besonderheiten einer kleinen Teilgruppe von
Studierenden der ›Beruflichen Bildung‹
einzugehen. Mittlerweile werden
Erfahrungen mit einem eigenen Mathematikangebot, bestehend aus den
Veranstaltungen ›Grundlagen der Mathematik‹ und ›Mathematik I‹ innerhalb des
Studiengangs gesammelt. Es stellt sich
der Herausforderung, einerseits Teilnehmende mit unterschiedlichen Vorkenntnissen zu berücksichtigen, andererseits
ein maßgeschneidertes Curriculum für
angehende Berufsschullehrer in technischen Fächern umzusetzen.
Umgang mit beruflich geprägten
Denk- und Arbeitsweisen
Insbesondere für die nicht traditionell
Studierenden sind die wissenschaftlichen
Denk- und Arbeitsweisen an der Universität in der Regel eine neue Herausforderung. Bereits die Selbstorganisation
des Studiums, zum Beispiel die Zusammenstellung des eigenen Studienplans
oder die Anmeldung zur Prüfung fällt
ihnen zu Studienbeginn relativ schwer.
Sich den eigenen Lernprozess selbst zu
strukturieren, wissenschaftliche Texte
auf Grundlage einer eigenen Fragestellung auszuwählen oder mit unterschiedlichen Zugängen zu einem Thema
zurechtzukommen, bleibt während des
gesamten Bachelorstudiums eine große
Herausforderung. Auch beim Erstellen
eigener wissenschaftlicher Arbeiten fällt
es den nicht traditionell Studierenden
schwer, geeignete Fragestellungen zu entwickeln, mit unterschiedlichen Quellen
umzugehen oder den Text entsprechend
wissenschaftlicher Konventionen zu
strukturieren. Erste Bachelorarbeiten
89
S TU DI E
nicht traditionell Studierender der ersten
Kohorte lassen vermuten, dass sechs
Semester des Bachelorstudiums nicht
ausreichen, um den Umgang mit wissenschaftlichen Denk- und Arbeitsweisen
ausreichend zu üben.
Für die Dozentinnen und Dozenten als
Lehrende und Prüfende resultiert hieraus
eine besondere Anforderung. Während
sie einerseits berichten, dass die Lehrveranstaltungen selbst durch die berufliche
Erfahrung der nicht traditionell Studierenden bereichert werden, sind universitäre Prüfungen, Abschlussarbeiten und
Bewertungen auf akademische Maßstäbe
ausgerichtet. Es ist demnach Aufgabe der
Dozentinnen und Dozenten, den beruflich Qualifizierten einen Übergang zu
wissenschaftlichen Denk- und Arbeitsweisen zu ermöglichen und gegebenenfalls
zu erleichtern.
Angebot einer individuellen
Studienberatung
Trotz der bisher benannten Belastungen
und Herausforderungen, mit denen nicht
traditionell Studierende im Studiengang
›Berufliche Bildung‹ konfrontiert sind,
studiert der größte Teil dieser Gruppe
erfolgreich. So ist zum einen die Abbrecherquote dieser Studierendengruppe geringer als die der traditionell Studierenden und es ist trotz der hohen Belastung
durch Erwerbsarbeit, Familie und Studium zwei beruflich Qualifizierten der
ersten Kohorte gelungen, ihr Bachelorstudium innerhalb der Regelstudienzeit
abzuschließen. Mit günstigen Rahmenbedingungen und geeigneten Studienstrategien ist ein erfolgreiches Studium also
auch für nicht traditionell Studierende
möglich. Im Rahmen der Evaluation
des Studiengangs wird versucht, diese
Rahmenbedingungen und Strategien zu
identifizieren. Es zeichnet sich bereits
ab, dass eine unterstützende Haltung des
Arbeitgebers und der Familie, geeignete
Arbeitszeitmodelle sowie eine gegenseitige Unterstützung der Studierenden von
Bedeutung sind.
Solche Erfahrungen sollen Studieninteressierten und Studienanfängerinnen
und Studienanfängern frühzeitig verfügbar gemacht werden. Hierzu werden
geeignete Konzepte für eine Studienberatung entwickelt, die die interindividuell
unterschiedlichen Rahmenbedingungen
und (Berufs-)Biografien insbesondere der
nicht traditionell Studierenden berücksichtigt.
Fazit
Am Beispiel des berufsbegleitend organisierten Studiengangs ›Berufliche Bildung‹
der Universität Bremen wurde gezeigt,
mit welchen besonderen Herausforderungen nicht traditionell Studierende im
Universitätsstudium konfrontiert sind
und welche Konsequenzen dies für die
Konzeption und Durchführung eines
berufsbegleitenden technischen Studiengangs haben muss. Neben organisatorischen Elementen wie der berufsbegleitenden Zeitstruktur des Studiums oder der
Anrechnung beruflicher Lernergebnisse
auf das Studium wurden weitere Bedingungen identifiziert, die für den Studienerfolg nicht traditionell Studierender
von Bedeutung sind. Im Einzelnen sind
dies auf den spezifischen Wissensstand
von Studierenden mit beruflichem
Hintergrund zugeschnittene Brückenkurse in Hürdenfächern wie zum Beispiel
Mathematik, die intensive Beschäftigung
mit universitären Arbeits- und Denkweisen zu Beginn des Studiums und auf
die heterogene Zusammensetzung der
Studierendengruppen ausgerichtete
didaktische und curriculare Konzepte.
Darüber hinaus benötigen nicht traditionell Studierende Angebote individuell
zugeschnittener Studienberatung sowie
eine intensive beratende Unterstützung
in den ersten Studiensemestern, um sich
schneller im neuen universitären Umfeld
zurechtzufinden.
1 Vgl. KMK (2009).
2 Vgl. KMK (2002).
3 Vgl. Wissenschaftsrat (2013).
4 Vgl. Dahm / Kerst (2013).
5 Vgl. Baethge u. a. ( 2014).
6 Die Umstellung des Studiengangs auf
die berufsbegleitende Struktur sowie
prozessbegleitende Evaluation wird
über das Projekt BP@KOM durch das
BMBF gefördert. Unterstützt wird die
Implementierung der berufsbegleitenden
Studienstruktur auch von der Bremer
Initiative ›Offene Hochschulen‹.
7 Vgl. KMK (2009).
8 Vgl. Müskens / Tutschner / Wittig (2009).
9 Berufsfortbildungswerk Gemeinnützige
Bildungseinrichtung des DGB GmbH
(bfw).
10 Das HandWERK ist das Kompetenzzentrum der Handwerkskammer Bremen.
90
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
Literatur
z Baethge, Martin u. a. (2014):
Zur neuen Konstellation zwischen Hochschulbildung
und Berufsausbildung. Forum Hochschule 3 / 2014.
DZHW.
z Dahm, Günther / Kerst, Christian (2013):
Immer noch eine Ausnahme – nicht-traditionelle
Studierende an deutschen Hochschulen.
In: ZBS 2 / 2013, S. 34–39.
z KMK – Kultusministerkonferenz (2002):
Anrechnung von außerhalb des Hochschulwesens
erworbenen Kenntnissen und Fertigkeiten auf
ein Hochschulstudium. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 28.6.2002. Online-Zugriff:
www.kmk.org / fileadmin / pdf / ZAB /
Hochschulzugang_Beschluesse_der_KMK /
AnrechaussHochschule.pdf (22.8.2015).
z KMK – Kultusministerkonferenz (2009):
Hochschulzugang für beruflich qualifizierte
Bewerber ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung. Beschluss der Kultusministerkonferenz
vom 06.03.2009. Online-Zugriff: www.kmk.org /
fileadmin / veroeffentlichungen_beschluesse /
2009 / 2009_03_06-Hochschulzugang-erfulqualifizierte-Bewerber.pdf (22.8.2015).
z Müskens, Wolfgang / Tutschner, Roland /
Wittig, Wolfgang (2009):
Improving Permeability through Equivalence
Checks: an Example from Mechanical Engineering in
Germany. In: Tutschner, Roland / Wittig, Wolfgang /
Rami, Justin (eds.) (2009): Impuls Band 38. Herausgeber: Nationale Agentur Bildung für Europa beim
Bundesinstitut für Berufsbildung,
S. 10–33.
z Wissenschaftsrat (2013):
Empfehlungen zur Entwicklung des Dualen
Studiums, S. 9. Online-Zugriff:
www.wissenschaftsrat.de / download / archiv /
3479-13.pdf (22.8.2015).
91
S TUDIE
TU DI E
DR . JU L I A K . GRONE WO L D
S TEFANIE HIES TA ND
Arbeiten, Lernen und Leben in Balance?!
Instrumente für Betriebe zur Verbesserung
der Life-Learn-Work-Balance
In aller Kürze:
Die Vereinbarkeit der drei Bereiche
Arbeit, Lernen und Leben spielt mit
Blick auf die gesamtgesellschaftlichen
Entwicklungsprozesse (zum Beispiel
Demografie, Fachkräftesicherung,
Veränderungen im Bildungssystem etc.)
in vielen verschiedenen Feldern eine
zentrale Rolle, so beispielsweise auch im
Rahmen des berufsbegleitenden Studierens. Im folgenden Beitrag wird auf Basis
der Ergebnisse eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
geförderten Forschungs- und Praxisprojekts (ALLWiss) die Vereinbarkeit der Trias
Arbeiten – Lernen – Leben aus betrieblicher Perspektive fokussiert. Es wird die
Entwicklung von der Work-Life- zu der
Work-Learn-Life-Balance (WLLB) skizziert
und daraus abgeleitete Balance fördernde
Instrumente vorgestellt. Ziel des Beitrags
ist es, deutlich zu machen, dass WLLB
ein Thema ist, welches nicht ausschließlich aus individueller, sondern auch aus
betrieblicher Perspektive zu gestalten
ist. Dies gilt im Besonderen dann, wenn
Beschäftigte einer langfristig angelegten
Weiterbildung (zum Beispiel einem berufsbegleitenden Studium) nachgehen.
Arbeiten – Lernen – Leben
in der Wissensarbeit – das Projekt
ALLWiss
Durch Veränderungen in der Arbeitswelt, demografische Entwicklungen und
gewandelte Lebensmodelle haben sich
tief greifende Veränderungsprozesse in
den Sphären Arbeiten, Lernen und Leben
ergeben. Als Folge dessen werden Beschäftigte mit sehr unterschiedlichen Vereinbarkeitsproblematiken konfrontiert: Mit
den modernen Arbeitsstrukturen gehen
verstärkte Anforderungen an Selbststeuerung, Selbstkontrolle und Selbstvermarktung der eigenen Arbeitskraft einher.1
Eine klare Grenzziehung zwischen
Arbeits- und Freizeit sowie zwischen
Arbeitsmitteln und privaten Ressourcen
wird für die Beschäftigten nicht zuletzt
durch betriebliche Rahmenbedingungen,
wie Vertrauensarbeitszeit oder mobiles
Arbeiten, immer schwieriger.2 Die zunehmende Komplexität von Arbeitsprozessen
erfordert zudem, dass sich Beschäftigte
kontinuierlich – und ein Leben lang –
weiterbilden, um so beschäftigungsfähig
zu bleiben. Ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen diesen drei Bereichen
– im Sinne einer Work-Learn-Life-Balance
– herzustellen und zu erhalten, ist eine
der zentralen gesellschaftlichen, betrieblichen und individuellen Herausforderungen moderner Arbeitsgestaltung und
-politik.
Vor diesem Hintergrund untersuchte
das interdisziplinäre Forschungs- und
Praxisprojekt ›Arbeiten – Lernen – Leben
in der Wissensarbeit‹ (ALLWiss) im Zeitraum von August 2009 bis April 2013 die
Vereinbarkeit von Arbeiten, Lernen und
Leben in der Wissensarbeit und prägte
den Begriff der Work-Learn-Life-Balance
(WLLB). Das ALLWiss-Projekt wurde vom
Bundesministerium für Bildung und
Forschung (BMBF) sowie aus Mitteln des
Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert.
Ein interdisziplinäres Team der Berufsund Betriebspädagogik, der Betriebswirtschaftslehre und der Arbeits- und
Organisationspsychologie untersuchte in
Zusammenarbeit mit Unternehmen aus
der IT-Branche die vielfältigen Herausforderungen bezüglich des Themenkomplexes Work-Learn-Life-Balance und
entwickelte praxisorientierte Lösungen
für die Erhaltung des Gleichgewichts
der Bereiche Arbeit – Lernen – Leben. Im
Fokus standen
z die Suche nach Faktoren, die eine Balance der drei Bereiche fördern beziehungsweise deren Imbalance verhindern;
z die Ermittlung von individuellen, sozialen und organisationalen Handlungs-
92
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
strategien zur Aufrechterhaltung dieser
Balance
z sowie die Entwicklung von Instrumenten und Gestaltungshilfen für die unternehmerische Praxis, die eine verbesserte
Vereinbarkeit der Trias ermöglichen
sollen.
Im Rahmen des Projekts wurde die
WLLB-Thematik vor allem in Hinsicht auf
kleine und mittelständische Unternehmen diskutiert. Diese Fokussierung war
Voraussetzung und Ziel des Projekts, das
angesichts der oben genannten Veränderungen in der Arbeitswelt einen Beitrag
zur Stärkung und Weiterentwicklung
personalentwicklungsrelevanter Themen
leisten wollte. Im Kontext der Vereinbarkeitsthematik rücken auch andere Felder
in den Fokus: Beispielsweise können
Personalentwicklungsabteilungen und
Betriebe im Rahmen des berufsbegleitenden Studierens zu Kooperationspartnern
von Hochschulen werden; dann gilt
es, das berufsbegleitende Studium, im
Sinne einer betrieblichen Personalentwicklungsmaßnahme, in die Weiterentwicklung des jeweiligen Beschäftigten
sinnvoll, das heißt WLLB-orientiert, zu
integrieren.
Von der Work-Life- zu einer
Work-Learn-Life-Balance
Die gegenwärtig stattfindenden Veränderungen von Arbeit, wie zum Beispiel
Subjektivierung und Digitalisierung
von Arbeit, bedingen eine zunehmende
Auflösung beziehungsweise Entgrenzung
von Strukturen betrieblich organisierter
Arbeit. Neue Kooperationsformen, wie
enthierarchisiertes und projektorientiertes Arbeiten in abteilungsübergreifenden
Gruppen und eine selbstverantwortliche
Arbeits- und Lerngestaltung sind die
Folge. Dies hat wiederum Auswirkungen
auf die Arbeitsbedingungen, die oftmals
durch Ad-hoc-Aufgaben und geringe
Standardisierung gekennzeichnet sind.
Statistiken des Gesundheitswesens zeigen
zudem, dass in den letzten Jahren vor
allem psychische Belastungen, die auf
arbeitsbezogenen Stress zurückzuführen
sind, stetig zugenommen haben.3 Als
eine zentrale Stressquelle erweist sich die
ständige Erreichbarkeit und die damit
einhergehende Auflösung der Grenzen
zwischen den Sphären Privatleben und
Arbeit. So werden beispielsweise auch in
der Freizeit arbeitsbezogene Ideen gesammelt sowie berufliche E-Mails gelesen und
bearbeitet. Grenzziehungen zwischen
Arbeits- und Freizeit sowie zwischen
Arbeits- und Wohnort erodieren.4
In Bezug auf das Lernen kann für
moderne Arbeit, die wissensintensiv und
komplex ist, festgestellt werden, dass
Beschäftigte das Lernen als integralen
Bestandteil ihrer Arbeit betrachten. Für
sie ist es Voraussetzung und Herausforderung zugleich: Einerseits wird Lernen
mit Arbeiten gleichgesetzt, andererseits
besteht die Notwendigkeit, zwischen
Lern- und Arbeitsprozess zu differenzieren.5 Dies ist vor allem dann der Fall,
wenn Beschäftigte berufsbegleitend
studieren, denn das Studium findet in
der Regel außerhalb des Arbeitsortes
statt. Dennoch sind berufsbegleitende
Studiengänge häufig durch eine starke
Praxisorientierung gekennzeichnet,
sodass wiederum eine Nähe zur Arbeitstätigkeit entstehen kann. Die aktive und
bewusste Gestaltung der Lernprozesse
in und außerhalb des Betriebes ist somit
ohne eine persönliche Systematisierung
des Prozesses schwierig.6
Moderne Arbeit bringt in ihrer Struktur (zum Beispiel durch große Handlungsspielräume) zwar grundsätzlich
förderliche Voraussetzungen für das Lernen mit, jedoch resultieren daraus auch
Lernhindernisse. Beispielsweise besteht
häufig keine ausreichende Verknüpfung
von formellem und informellem Lernen
sowie eine mangelnde Eindeutigkeit zwischen Arbeits- und Lernorganisationsformen.7 Diese drückt sich einerseits in dem
Verhältnis von Arbeiten und Lernen aus,
wie dies eine befragte Person im ALLWissProjekt formuliert:
›In der Zeit, wenn sie neue Dinge lernen,
können sie nicht arbeiten! Weil da lernen sie ja! Das ist schon immer ein Problem, seinem Vorgesetzten klarzumachen, okay, es ist hier jetzt einfach mal
Zeit, in was Neues zu investieren, sei es,
dass man sich 14 Tage mal was Neues
anschaut. Das ist schon ein Punkt, der
schwierig ist. Weil 14 Tage kriegen sie
nicht so ohne Weiteres. Das sind 14
Tage, die sie nicht produktiv sind, sondern nur kosten‹ (05TMK, S. 23).
Andererseits wird eine stärkere Organisation und Strukturierung von Arbeiten
und Lernen gefordert:
93
S TU DI E
›Ich würde mir eine Person wünschen
oder eine ganze Abteilung wünschen,
die dann nichts anderes macht, wie
das ganze Jahr über alle Funktionen
im Haus, angefangen vom Chef, der
muss genauso lernen, bis zum kleinsten
Mitarbeiter in der Logistik alles im Blick
hält.‹ (02SGJ, S. 14).
Hinsichtlich Beschäftigter, die parallel
zu ihrer Berufstätigkeit einem Studium
nachgehen, trifft diese Schwierigkeit in
besonderem Maße zu. Sie benötigen organisationale Strukturen und Prozesse, die
Zeit für ein reflektiertes Lernen und Arbeiten bieten und ermöglichen.8 Zeit für
bewusstes Lernen, was ein ausdrückliches
Zurückziehen aus der Arbeitstätigkeit bedingt, ist jedoch häufig nicht vorhanden.
Darüber hinaus spielt die ökonomische
Nutzbarmachung eine zentrale Rolle: Der
Erfolg eines Lernprozesses stellt sich für
die Organisation erst dann ein, wenn ein
Nutzen in Bezug auf die ökonomischen
Interessen generiert wird. Ein berufsbegleitendes Studium ist jedoch auf einen
längeren Zeitraum ausgelegt, sodass sich
der Nutzen daraus für den Betrieb erst
zu einem späteren Zeitpunkt ergibt. Die
Zeit als beeinträchtigender Faktor sowie
das Paradigma der betrieblichen Verwertbarkeit des Lernens kristallisieren sich
somit als zentrale Herausforderungen im
Zusammenhang mit Lernen und Arbeiten
in der modernen Arbeit heraus.9
Die beschriebenen Entgrenzungstendenzen machen deutlich, dass das Lernen
in der Arbeit einen zentralen Stellenwert
einnimmt und es neben der Vereinbar-
keit von Arbeiten und Leben auch um die
Vereinbarkeit von Arbeiten und Lernen
geht. Betriebe sind in dieser Hinsicht
gefordert Strukturen bereitzustellen, die
die Vereinbarkeit von Arbeiten, Lernen
und Leben ermöglichen. Vor diesem
Hintergrund kann es in der modernen
Arbeit nicht mehr nur um eine WorkLife-, sondern um eine Work-LearnLife-Balance gehen.
Das WLLB-Rahmenmodell
Das WLLB-Rahmenmodell basiert auf
dem Job-Demands-Resources-Modell.10
Das Modell bietet in seiner ursprünglichen Version zum einen die Möglichkeit,
das vorhandene Potenzial sinnerfüllter,
persönlichkeitsförderlicher und innovationsförderlicher Wissensarbeit zu
nutzen. Zum anderen können damit die
aus Überforderung und Belastung hervorgehenden destabilisierenden Risiken
für Beschäftigte und Unternehmen in
wissensintensiven Branchen deutlich
gemacht werden, um dadurch eine
Vermeidung eben jener Risiken zu erreichen. Im Rahmen des ALLWiss-Projekts
wurde das Job-Demands-Resource-Modell
um Aspekte des beruflichen Lernens
und Privatlebens erweitert sowie um die
Work-Learn-Life-Handlungsstrategien
und -Maßnahmen ergänzt.11 Das WLLBRahmenmodell bietet damit einen
Erklärungsansatz, wie eine ausgewogene
Work-Learn-Life-Balance gelingen kann.
Folgende Abbildung veranschaulicht
das WLLB-Rahmenmodell:
Abb. 1:
WLLB-Rahmenmodell
Anforderungen / Belastungen
Arbeit
Lernen
(Privat-)Leben
Ressourcen
Arbeit
Lernen
(Privat-)Leben
Quelle: Vgl. Antoni et al. (2014), S. 108
Auswirkungen (Individuum)
Befinden
Einstellung
Verhalten
WLLB-Handlungsstrategien /
Maßnahmen
94
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
Im Modell wird ersichtlich, dass die
WLLB-Handlungsstrategien und -Maßnahmen die Anforderungen und Ressourcen
der einzelnen Beschäftigten beeinflussen
und letztlich Auswirkungen auf das
Befinden, die Einstellungen und das
Verhalten des Individuums haben. Da
der Einzelne innerhalb der Organisation
in Arbeitsgruppen, Teams oder Abteilungen agiert, beeinflussen die WLLBHandlungsstrategien und -Maßnahmen
indirekt auch die Arbeitsgruppen und
haben letztlich auch Auswirkungen auf
die Organisation als Ganzes. Dies gilt
sowohl für individuelle WLLB-Handlungsstrategien als auch für organisationale
WLLB-Instrumente und -Maßnahmen.12 Es
wird deutlich, dass es um das komplexe
Zusammenspiel verschiedener Dimensionen geht: Arbeits-, Lern- und Lebenszeit,
Leistung und Anerkennung, Anforderungen und Kompetenzen, Belastungen
und Ressourcen. Daraus folgt: WLLB ist
kein Zustand, sondern ein dynamisches
Verhältnis, in das Veränderungen und
Flexibilitätserfordernisse der Arbeitswelt,
aber auch der privaten Lebenswelt und
des individuellen Lernens eingehen. Dieses Verhältnis muss immer wieder neu
justiert werden.
Work-Learn-Life-Balance in der
betrieblichen Praxis – Instrumente
und Gestaltungshilfen
Die Vereinbarkeit der drei Bereiche ist
nicht eindimensional zu betrachten, da
es durch die vielgestaltigen Formen von
Arbeit, Lebensentwürfen und Lernbiografien zu den unterschiedlichsten Konstellationen der Bereiche Arbeiten, Lernen
und Leben kommen kann. Ein Beschäftigter, der beispielsweise ein berufsbegleitendes Studium aufgenommen hat,
wird andere Strategien der Vereinbarkeit
favorisieren, als ein Beschäftigter, welcher gerade eine Familie gegründet hat
oder einer Pflegetätigkeit im Privatleben
nachkommen muss. Balance wird also
subjektiv sehr unterschiedlich bewertet
und ist abhängig von der jeweiligen
Lebensphase oder -situation.13 Vor diesem
Hintergrund konnten im Rahmen des
ALLWiss-Projekts folgende vier unterschiedliche Work-Learn-Life-BalanceTypen analysiert werden:
z WLLB-Typ I – strikte Trennung
z WLLB-Typ II – kleine Überschneidungen
z WLLB-Typ III – große Überschneidungen
z WLLB-Typ IV – völlige Überschneidung
Die verschiedenen Typen zeigen, dass
WLLB kein starrer Zustand ist, sondern
als dynamischer Prozess zu verstehen
und zu gestalten ist. In Abhängigkeit
bestimmter Faktoren, wie zum Beispiel
Dauer der Betriebszugehörigkeit, Karriere- und Lebensplanungen, Identifikation
mit Unternehmen, haben die Personen
des jeweiligen Typus unterschiedlichste
Strategien zur Erhaltung ihrer WLLB
entwickelt – von einer strikten Trennung
bis hin zu einer völligen Entgrenzung
der drei Bereiche.14 Die Typisierung
liefert für die betriebliche Praxis erste
Handlungsansätze, da diese Strategien
sowohl individuell als auch sozial oder
organisational angelegt sind15 und damit
in der betrieblichen Ablauf- und Organisationsstruktur Berücksichtigung finden
können. Zudem dient die Typisierung
als Reflexionsbasis für Personalentwicklungsinstrumente, wie Trainings,
Workshops und Mitarbeiter- und Zielvereinbarungsgespräche.
Darüber hinaus wurden in dem Projekt ALLWiss zur konkreten Gestaltung
gemeinsam mit den Akteuren in den
Unternehmen verschiedene Instrumente
zur Verbesserung der Vereinbarkeit von
Arbeit, Lernen und Leben entwickelt, die
auf unterschiedlichen Ebenen und mit
unterschiedlichen Intentionen ansetzen.16
Der WLLB-UnternehmensCheck
Der WLLB-UnternehmensCheck kann
als strukturiertes beziehungsweise
standardisiertes Befragungsinstrument
eingesetzt werden, um herauszufinden,
wie die Vereinbarkeit von Arbeit, Lernen
und Privatleben im Unternehmen aktuell
eingeschätzt wird. Der WLLB-UnternehmensCheck macht deutlich, was sich in
Bezug auf die WLLB der Beschäftigten als
förderlich und was sich als hinderlich
erweist. Das Instrument kann sowohl zur
Einzelbefragung (Führungskräfte, Mitarbeiter, Betriebs- oder Personalrat) als auch
zur Befragung von Gruppen oder für das
gesamte Unternehmen eingesetzt werden. Zudem bietet es sich als ›Einstiegs-
95
S TU DI E
instrument‹ an, um sich dem Thema
WLLB systematisch zu nähern. Auf Basis
der Ergebnisse des UnternehmensChecks
kann dann entschieden werden, ob im
nächsten Schritt beispielsweise eine
WLLB-Teamanalyse durchgeführt wird.
Die Fragen des UnternehmensChecks
orientieren sich
z am WLLB-Status (also an den aktuellen
Konstellationen und Herausforderungen). Hier wird zum Beispiel gefragt:
Welche besonderen WLLB-Konstellationen gibt es Ihrer Meinung nach in
Ihrem Unternehmen? Wie erleben die
Beschäftigten Ihrer Meinung nach die
Auswirkungen der Vereinbarkeitsanforderungen von Arbeit, Lernen (berufliche
Weiterbildung / Entwicklung) und
(Privat-)Leben in Ihrem Unternehmen?
z an den WLLB-Ursachen (das heißt an
den wahrgenommenen Belastungen
und Ressourcen). Beispielsweise wird
gefragt: Welche Anforderungen stellen
Arbeit, Lernen / berufliche Entwicklung
und (Privat-)Leben und deren Vereinbarkeit Ihrer Meinung nach an die Beschäftigten? Über welche Mittel (individuell,
Team, Unternehmen) verfügen die
Beschäftigten Ihrer Meinung nach, um
Vereinbarkeit herzustellen?
z und an der WLLB-Ausstattung (das heißt
an vorhandenen und genutzten Maßnahmen, Lösungen und Veränderungsprozessen). Beispielfragen für diesen
Bereich lauten: Welche Maßnahmen
gibt es Ihrer Kenntnis nach in Ihrem
Unternehmen, die zur besseren Verein-
barkeit von Arbeit, Lernen und (Privat-)
Leben der Beschäftigten beitragen?
Welche Prozesse, Hilfsmittel etc. gibt es
Ihrer Kenntnis nach in Ihrem Unternehmen hinsichtlich der besseren Vereinbarkeit von Arbeit, Lernen und (Privat-)
Leben der Beschäftigten?
Die Auswertung der Ist-Situation erfolgt
elektronisch, wobei das Ergebnis in Form
eines Ampelsystems dargestellt wird.17
Die WLLB-Teamanalyse
Die WLLB-Teamanalyse ist ein beteiligungsorientiertes Verfahren, bei dem
die Beschäftigten Ursachen und Lösungsstrategien für WLLB-Probleme erörtern.
Durch die Teamanalyse werden zum
Beispiel Stressfaktoren in der Arbeit, Probleme mit ›Werkzeugen‹ in der täglichen
Arbeit, Faktoren der Arbeitsplatz(un)
zufriedenheit oder Faktoren, die zu einer
Imbalance von Arbeit, Lernen und Privatleben führen, beschrieben und analysiert.
Ziel ist es, dass Unternehmen dieses Instrument auch zur betrieblichen Organisationsentwicklung nutzen können.
Daher wurden im Rahmen des ALLWissProjektes Beschäftigte zu Moderatoren
ausgebildet, die die einzelnen Workshops
über die Projektlaufzeit hinaus anleiten
und begleiten. Die WLLB-Teamanalyse
kann sowohl ›prophylaktisch‹ als auch
›kurativ‹ in Teams eingesetzt werden. Sie
gliedert sich in fünf moderierte Workshops:
Abb. 2:
Teamanalyseworkshops
1. WS
Matrix Scoring
Quelle: Eigene Darstellung
2. WS
Folgen/
Ursachenanalyse
3. WS
Lösungsfindung
4. WS
Lösungsumsetzung
5. WS
Evaluation
96
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
Ziel des ersten Workshops ist es, aktuelle
WLLB-Probleme innerhalb des Teams
zu identifizieren, wie beispielsweise
ständige Arbeitsunterbrechungen durch
E-Mails, Anrufe und Anfragen von
Kollegen. Im zweiten Workshop stehen
die Folgen und die Ursachen der zuvor
identifizierten Probleme im Vordergrund: So folgen zum Beispiel aus den
stetigen Arbeitsunterbrechungen Zeitdruck, Konzentrationsschwierigkeiten
und Einschränkung der konzeptionellen
und kreativen Arbeitsanteile. Dies kann
wiederum zu Frust und zu Belastungen
in der Kommunikation zwischen den
Teammitgliedern führen. Als Ursache
lassen sich zum Beispiel eine fehlende
Priorisierung und ein nicht abgestimmtes kollektives Zeitmanagement identifizieren. Im Fokus des dritten Workshops
steht die Findung von teamspezifischen
Lösungsmöglichkeiten. Hierbei werden
gemeinsam Indikatoren erarbeitet, an
denen das Team zusammen und jedes
Mitglied individuell die jeweiligen
Lösungsmöglichkeiten beurteilen kann.
Der vierte Workshop dient der konkreten
Lösungsumsetzung, das heißt, es werden
gemeinsam Maßnahmen erarbeitet und
ein Aktionsplan aufgestellt: Beispielsweise könnten die Folgen und Ursachen
von Arbeitsunterbrechungen durch konkrete Maßnahmen, wie die Festlegung
bestimmter Zeitlots für die Bearbeitung
von E-Mails und konzeptioneller Arbeit,
Teil eines solchen Aktionsplanes sein.
Aber auch die Klärung von Verantwortlichkeiten und der Ausbau von Handlungs- und Entscheidungsspielräumen
können weitere Maßnahmen darstellen.
Durch eine teamspezifische Bearbeitung
lassen sich teamspezifische Maßnahmen
partizipativ entwickeln, welche auf
hohe Akzeptanz und Engagement bei
der Umsetzung stoßen. Diese Phase der
WLLB-Teamanalyse bietet insofern ein
hohes Potenzial für betriebliche (Prozess-)
Innovationen und die Organisationsentwicklung. Im letzten Workshop wird
der Prozess der Maßnahmenumsetzung
evaluiert, das heißt, die Teammitglieder
bewerten den Umsetzungsstand sowie die
Qualität der Umsetzung (hier erweisen
sich die zuvor festgelegten Indikatoren
als hilfreich). Darüber hinaus wird der
gesamte WLLB-Teamanalyseprozess reflektiert. Diese kollektive Reflexion18 fördert
sowohl individuelle als auch kollektive
Lernprozesse, da auf diese Weise
implizite Erfahrungen bewusst werden
und für zukünftige Arbeitshandlungen
nutzbar werden. Zudem stößt diese
kollektive Reflexion eine verbesserte und
effektive Kommunikation innerhalb des
Teams an.
Das WLLB-Mitarbeitergespräch
Für das WLLB-Mitarbeitergespräch wurde
ein WLLB-basierter Fragenkatalog entwickelt, der als Grundlage für Mitarbeitergespräche in der Personalentwicklung
eingesetzt wird. Der Fragenkatalog kann
für unterschiedlichste Gespräche (Beurteilungs-, Entwicklungs- und Zielvereinbarungsgespräche) eingesetzt werden.
Ziel ist jedoch immer, dass die Fragen aus
dem WLLB-Fragenkatalog auf eine individuelle und angemessene Vereinbarkeit
der Bereiche Arbeiten, Lernen und Leben
gerichtet sind, um dadurch die Reflexion
über die persönliche Work-Learn-LifeBalance anzustoßen.19 Der Fragenkatalog
leistet damit einerseits Unterstützung
bei der Abklärung und Optimierung der
betrieblichen Rahmenbedingungen für
das Lernen und Arbeiten, andererseits
werden mögliche Hindernisse im beruflichen und im privaten Kontext benannt
und Ressourcen der Beschäftigten identifiziert und mobilisiert.
Um für die Vereinbarkeitsthematik im
Allgemeinen und hinsichtlich der Fragen, die sich auf den privaten Bereich der
Beschäftigten beziehen, im Besonderen
zu sensibilisieren, wurde im Rahmen des
Projekts ein Workshop mit den Führungskräften durchgeführt. In diesem Workshop wurde zum einen dargelegt, dass es
bei dem WLLB-Mitarbeitergespräch nicht
in erster Linie um die Leistungskontrolle der Beschäftigten geht, sondern um
deren Weiterentwicklung. Zum anderen
erfolgte eine Sensibilisierung und Erarbeitung von Umgangsstrategien hinsichtlich privater Themen der Beschäftigten,
die bei der Durchführung des WLLBMitarbeitergesprächs einfließen können
und durchaus auch sollen: Beispielsweise
können angespannte familiäre Verhältnisse, wie die Pflege eines Angehörigen,
Probleme in Partnerschaft oder Kindererziehung, Ursachen für die Belastungssituationen und Lernhindernisse sein und
sich auf die Arbeitstätigkeit auswirken.
Im Workshop wurden solche Situationen
97
S TU DI E
und mögliche Abgrenzungsstrategien
und Gesprächskompetenzen besprochen, um im WLLB-Mitarbeitergespräch
adäquat reagieren zu können. Deutlich
wurde dabei, dass eine Führungskraft
nicht verantwortlich für die Klärung
privater Schwierigkeiten ist, dennoch
über diesbezügliche Probleme informiert
werden muss, damit effektive Maßnahmen zur Unterstützung des jeweiligen
Beschäftigten ausgewählt und gemeinsam vereinbart werden können.20
Das WLLB-Mitarbeitergespräch umfasst
zwei Teile: Im ersten Teil erfolgt ein Rückblick auf die vergangene Arbeitsperiode.
Hier wird beispielsweise gefragt: Welche
Vereinbarungen wurden für den zurückliegenden Zeitraum getroffen? Bei dieser
Frage kann auch das Protokoll des letzten
Mitarbeitergesprächs als Grundlage
dienen. Es wird darüber gesprochen, was
erreicht wurde und was nicht und worin
die Gründe für die Nicht-Erreichung
liegen. Weiter wird zum Beispiel gefragt:
Was ist seit dem letzten Gespräch gut
gelungen und was nicht?
Im zweiten Teil des Gesprächs wird
entlang folgender vier Themenbereiche
auf die derzeitige und zukünftige Arbeitssituation eingegangen:
z Arbeitsaufgaben: Es werden Fragen zur
Planung, Organisation und Erfüllung
der Arbeitsaufgaben und zu Überforderung oder Unterforderung bei den
Aufgaben sowie zu benötigten Qualifikationen und Kompetenzen gestellt.
z Arbeits- und Lernkultur: Es werden
Fragen zur Gestaltung des Arbeitsplatzes, zu technischen Hilfsmitteln und
Arbeitsmaterialien, Arbeitszeitregelungen und -modellen sowie Fragen zu
körperlichen Belastungen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen gestellt.
z Zusammenarbeit und Führung: In
diesem Themenkomplex richten sich
die Fragen auf die Zusammenarbeit mit
Kollegen und anderen Abteilungen,
den Informationsaustausch und die
Kommunikation sowie auf die Rolle als
Führungskraft.
z Veränderungs- und Entwicklungsperspektiven: Mit Blick auf die Zukunft
werden durch die Fragen mögliche
betriebliche Veränderungen besprochen
und über die weitere Kompetenzentwicklung und die Karriereperspektiven
beraten.
Zwar sollten alle vier Themenbereiche im
WLLB-Mitarbeitergespräch berücksichtigt
werden, jedoch haben die jeweiligen
Gesprächspartner (Führungskraft und
Mitarbeiter) die Möglichkeit, Schwerpunkte im Gespräch zu setzen, sodass
eine individuelle Förderung der WorkLearn-Life-Balance des Mitarbeiters fokussiert werden kann.
Fazit und Ausblick
Ziel des ALLWiss-Projekts war die Entwicklung, Erprobung und Verbreitung
von wirksamen Work-Learn-Life-Interventionen in Form von Instrumenten für
verschiedene Handlungsfelder, damit Unternehmen und Beschäftigte den wachsenden Anforderungen an eine Balance
von Flexibilität und Stabilität in der
Arbeits- und Lebenswelt begegnen können. Es zeigte sich, dass der Rückgriff auf
Strategien und Angebote zur Ausbalancierung der Trias Arbeiten, Lernen und
Leben von der individuellen Lebensphase, in der sich ein Beschäftigter aktuell
befindet, abhängig ist. Beschäftigte, die
beispielsweise einer längerfristigen Weiterbildung wie einem berufsbegleitenden
Studium nachgehen, werden andere
Strategien der Vereinbarkeit favorisieren
als Beschäftigte, die gerade ein Haus
bauen, eine Familie gegründet haben
oder einer Pflegetätigkeit im Privatleben
nachkommen. So kann zum Beispiel die
Möglichkeit, Gleitzeit oder Home Office
in Anspruch zu nehmen für Beschäftigte mit Kindern dazu dienen, Arbeiten,
Lernen und Leben besser miteinander zu
verbinden. Beschäftigte ohne Kinder und
mit einem Partner in Vollzeitbeschäftigung werden hingegen eine solche Maßnahme eher nicht in Anspruch nehmen
wollen, da diese nicht zu der aktuellen
Lebenssituation passt.21
Bezogen auf die Thematik des berufsbegleitenden Studierens sind Unternehmen, deren Beschäftigte eine solche Form
der Weiterqualifizierung gewählt haben,
gefordert, das Studium als wissenschaftliche Weiterbildung und damit als langfristige Personalentwicklungsmaßnahme zu
begreifen und entsprechend zu fördern.
Hier deutet sich ein Paradigmenwechsel
in Bezug auf die Haltung zu dem Verhältnis von Weiterbildung und betrieblichem
Nutzen dieser Weiterbildung an: Die
Sichtweise, dass mit einer Weiterbildung
98
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
ein direkter unmittelbarer Nutzen im
ökonomischen Sinn verbunden sein
muss, kann vor dem Hintergrund einer
langfristigen Ausrichtung der Personalund Organisationsentwicklung sowie der
gesellschaftspolitischen Veränderungen
(Globalisierung und Digitalisierung, demografischer Wandel, Fachkräfteengpässe etc.) nicht aufrechterhalten werden.
Im Kontext des berufsbegleitenden
Studierens und der Thematik der Vereinbarkeit von Arbeiten, Lernen und Leben
kann Folgendes konstatiert werden:
Damit die WLLB von beruflich qualifizierten Studierenden erhalten werden kann,
wäre beispielsweise darauf zu achten,
dass betriebliche Freistellungsregelungen
eingehalten werden oder die Arbeit lernförderlich gestaltet wird, indem Arbeit
und Lernen gezielt verbunden werden.
Dies kann zum Beispiel durch Projektarbeiten aus dem Studium, welche gleichzeitig einen direkten Bezug zur beruflichen Tätigkeit aufweisen, gelingen.
1 Vgl. exemplarisch Voß / Pongratz (1998).
2 Vgl. exemplarisch Moldaschl/Voß (2002).
3 Vgl. exemplarisch Lohmann-Haislach
(2012).
4 Vgl. Hiestand / Haunschild (2014), S. 43.
5 Vgl. Müller (2015).
6 Vgl. Müller / Meyer (2014), S. 82 f.
7 Vgl. Hartz (2004); Rohs (2007).
8 Vgl. Müller / Meyer (2014), S. 83.
9 Vgl. Salman (2009).
10 Vgl. Bakker / Demerouti (2007).
11 Vgl. Antoni et al. (2014).
12 Vgl. Antoni et al. (2014), S. 107.
13 Vgl. Syrek et al. (2011).
14 Vgl. dazu ausführlich Antoni et al.
(2014), S. 149 ff.
15 Vgl. Syrek et al. (2014).
16 Die Instrumente und die entsprechenden Handreichungen können auch unter
www.allwiss.de eingesehen werden.
17 Vgl. ausführlich Antoni et al. (2014),
S. 241 ff.
18 Vgl. Müller (2015).
19 Vgl. Berger et al. (2014).
20 Vgl. Berger et al. (2014), S. 263.
21 Vgl. exemplarisch Müller (2015).
Auch Hochschulen beziehungsweise
Anbieter von berufsbegleitenden Studiengängen sind gefordert, sich mit der
beschriebenen Vereinbarkeitsthematik
auseinanderzusetzen. Berufsbegleitend
Studierende nehmen zum Beispiel andere Betreuungszeiten in Anspruch als Vollzeitstudierende. E-Mails und Anfragen
gilt es auch am Wochenende beziehungsweise außerhalb üblicher Arbeitszeiten
zu beantworten und auch Semester- und
Prüfungszeiten sind mit den Arbeitszeiten berufsbegleitend Studierender
abzustimmen. Dies bedeutet zum einen,
dass sich auch die WLLB von Lehrenden
und Koordinatoren in berufsbegleitenden
Studiengängen verändert, da sich Betreuungszeiten und Unterstützungsleistungen (zum Beispiel die Organisation der
Prüfungsvorbereitung) entgrenzen. Zum
anderen berührt die WLLB-Thematik die
Programmentwicklung der berufsbegleitenden Studiengänge: Um eine gelungene
Vereinbarkeit der Trias Arbeit, Lernen
und Leben für beruflich Qualifizierte zu
ermöglichen, sind in den Curricula und
Prüfungsordnungen Strukturen und
Maßnahmen zu etablieren, die ein zeitlich flexibles Studieren erlauben.
99
S TU DI E
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100
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
Handlungsfelder
und Informationen
7
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101
S TUDIE
TU DI E
Handlungsfelder
Die Öffnung der Hochschulen für
Berufstätige berührt viele Politikfelder.
Verschiedene Maßnahmen in diesen Politikfeldern müssten ineinandergreifen,
um mehr Berufstätigen ein Studium zu
ermöglichen. Bildungspolitisch richtet
sich der Blick darauf, wie Hochschulen
ihre Angebote didaktisch, zeiträumlich
und adressatengerecht für berufstätige
Studieninteressierte gestalten. Oder wie
eine größere Durchlässigkeit zwischen
beruflicher und hochschulischer Bildung
geschaffen werden kann, zum Beispiel
durch die Anrechnung beruflicher Kompetenzen auf Studienleistungen. Damit
sich die Hochschulen in diesen Bereichen
stärker engagieren, müssen hochschulpolitische Entscheidungen für eine bessere
Ausstattung getroffen werden. Erst wenn
es sich die staatlichen Hochschulen
leisten können, mehr finanzielle und personelle Ressourcen zu investieren, kann
die offene Hochschule für Berufstätige
realisiert werden. Eine sozialpolitische
Fragestellung ist es, diejenigen Studieninteressierten zu fördern, die trotz einer
Erwerbstätigkeit die Kosten eines Studiums nicht selbst tragen können. Beschäftigungspolitisch steht zur Debatte, wie
große sowie mittlere und kleinere Unternehmen mit Bedarf an hochqualifizierten Fachkräften, studierende Beschäftigte
unterstützen und ihnen mehr Freiräume
für langfristige Qualifizierungen schaffen
können.
Handlungsfeld Betriebe
Beschäftigte, die sich neben ihrem Beruf
für ein Studium entscheiden, sind hoch
motiviert und interessiert an beruflicher
Weiterentwicklung. Sie können neben ihrer Berufserfahrung und firmeninternem
Wissen auch wissenschaftliche Kenntnisse in die Arbeit einbringen. Größere
Offenheit für die individuellen Studienentscheidungen von Beschäftigten kann
sich daher für Unternehmen auszahlen.
Große Unternehmen setzen in ihren
Personalentwicklungsprogrammen oft
vor allem auf unternehmensinterne
Weiterbildung. Für sie kann es sich
lohnen, ihren Blick weiter zu öffnen für
das Angebot an staatlichen Hochschulen, das neue inhaltliche Impulse geben
kann, zum Beispiel in den Bereichen der
Forschung und Entwicklung und der
Unternehmensorganisation. Umfangreiche Förderprogramme, wie das Daimler
Academic Programs können sich in der
Regel nur Großunternehmen leisten.
Doch auch in mittleren und kleineren
Unternehmen sollte die Studienförderung Bestandteil der Personalentwicklung sein. Unsere Studie zeigt, dass
mitunter Studierende schon vor ihrem
Abschluss mit anspruchsvolleren Aufgaben im Betrieb betraut werden. Ist das
Studium eines oder einer Beschäftigten
von so hoher Relevanz für den Betrieb,
sollte eine finanzielle Beteiligung seitens
des Arbeitgebers selbstverständlich sein.
Dieser kann direkte Kosten übernehmen
oder Beschäftigte für Veranstaltungen
bezahlt freistellen.
Arbeitszeitregelungen
und Bildungsteilzeit
Eine Förderung durch flexible Arbeitszeitregelungen ist entscheidend für
studierende Beschäftigte. In welcher
Form sich Unternehmen in verschiedenen Branchen engagieren, hängt natürlich davon ab, wie stark das betriebliche
Interesse an der wissenschaftlichen
Qualifizierung ist. Vorbildhaft ist daher
der Qualifizierungstarifvertrag der
Metall- und Elektroindustrie. Hier ist
vorgesehen, dass sich die Arbeitgeber bei
betrieblich zweckmäßiger Entwicklungsqualifizierung mit bezahlter Freistellung
im Umfang von 50 Prozent der Weiterbildungszeit beteiligen. Bei persönlicher beruflicher Weiterbildung, die als betrieblich geeignet eingestuft wird, ohne dass
ein aktueller Bedarf im Betrieb besteht,
102
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
absolvieren die Beschäftigten die Weiterbildung gänzlich außerhalb ihrer Arbeitszeit. Regelungen für Bildungsteilzeit
über einen Zeitraum von bis zu sieben
Jahren sind in beiden Fällen vorgesehen.
In einer Variante bekommen Beschäftigte über sieben Jahre einen reduzierten
Lohn und können so für die Dauer der
Qualifizierung auf Teilzeit umsteigen.
Entscheidend ist dabei, dass sie das Rückkehrrecht auf eine Vollzeitstelle haben.
Der Qualifizierungstarifvertrag wird
jedoch erst in Form von betrieblichen
Vereinbarungen gelebte Praxis. Dabei ist
das Engagement von Arbeitgebern und
Betriebsräten gefragt, damit Bildungsteilzeit in den Betrieben umgesetzt werden
kann. Das beginnt mit der regelmäßigen
Ermittlung von betrieblichen und individuellen Qualifizierungsbedarfen. Außerdem sollten Verfahren zur Führung von
Bildungskonten (Zeit), Ansparguthaben
(zum Beispiel Weihnachtsgeld), Wechsel
in Teilzeit und Rückkehr in Vollzeit vereinbart werden. Die genauen Inhalte und
die Form einer Bildungsvereinbarung
müssen von Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern im Betrieb festgelegt
werden. Die Tarifvereinbarungen sehen
vor, dass der Betriebsrat in Betrieben mit
über 200 Beschäftigten bei individuellen Konflikten intervenieren und eine
Konfliktlösung herbeiführen kann. Das
Modell der Bildungsteilzeit bietet den
Beschäftigten sowohl finanzielle als auch
Beschäftigungssicherheit. Für Unternehmen sind die tariflichen Regelungen
ein Anlass, ihre Personalentwicklung zu
optimieren.1
Betriebs- und Personalräte sollten Beschäftigte mit Qualifizierungsinteressen
in den Unternehmen gezielt ansprechen,
informieren und unterstützen. Häufig
werden im Falle von längerfristiger
Weiterbildung individuelle Vereinbarungen getroffen, bei denen Beschäftigte die
Unterstützung ihrer Interessenvertretung
gut gebrauchen können. Wenn Betriebe eine längerfristige Qualifizierung
finanziell unterstützen, müssen sich die
Beschäftigten häufig verpflichten, für
eine bestimmte Zeit im Unternehmen zu
bleiben. Verlassen die Beschäftigten das
Unternehmen früher als vereinbart, greifen in der Regel Rückzahlungsklauseln.
Diese sind grundsätzlich rechtswirksam,
solange die Regelung verhältnismäßig ist.
Die Höhe des Rückzahlungsbetrags muss
sich ebenfalls mit der Zeit vermindern.
Auch in diesen Fragen sind Interessenvertretungen in der Beratung von Beschäftigten gefragt.
Mitunter sind neben einer temporären
Reduzierung von Arbeitszeit weitere Vereinbarungen nötig. Der Schichtbetrieb
etwa macht es Studierenden oft unmöglich, Präsenzzeiten im Studium regelmäßig einzuhalten. Hier sollte ein Wechsel ermöglicht werden, zum Beispiel in
die Frühschicht, wenn hauptsächlich
Abendveranstaltungen an der Hochschule stattfinden.
Vereinbarkeit von Studium
und Beruf fördern
Der Beitrag von Gronewold und Hiestand
in diesem Band zeigt, dass Betriebe mit
einer Reihe von Maßnahmen Belastungsfaktoren abbauen können, damit
Beschäftigte Freiräume und Konzentrationsfähigkeit für eigene Lernprozesse
entwickeln. Belastungen und ineffiziente
Arbeitsprozesse im Unternehmen sollten
analysiert und in Teams sowie individuell
bearbeitet werden. Auch mehr Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich der Bearbeitung von Aufgaben und der Zeiteinteilung können studierende Beschäftigte
wesentlich unterstützen.
Ein Motivationsfaktor für die Beschäftigten ist es, wenn frühzeitig geklärt
wird, welche Entwicklungsmöglichkeiten
im Unternehmen für sie mit dem Studienabschluss verbunden sein können. Auch
hier können sich Vorgesetzte engagieren
und möglicherweise Kontakte zu anderen
Unternehmensbereichen herstellen. Das
setzt natürlich voraus, dass im gesamten Unternehmen eine Kultur gefördert
wird, die die Entwicklungsfähigkeit von
Beschäftigten positiv wertet.
Ist das betriebliche Interesse an Studieninhalten hoch, kann auch ein gezielter
Theorie-Praxis-Transfer gelingen. So kann
zum Beispiel die Abschlussarbeit einer
Studierenden mit einem betrieblichen
Thema oder Projekt verknüpft werden.
Vorgesetzte sollten sich hier aufgeschlossen zeigen, da die Beschäftigten und der
Betrieb gleichermaßen profitieren.
103
S TU DI E
Handlungsfeld Hochschulpolitik
Die erweiterten Hochschulzulassungsregelungen für Studierende ohne Abitur
führen bisher nicht zu einer deutlich
höheren Teilnahme von beruflich
Qualifizierten. Insgesamt sind studieninteressierte Berufstätige, ob mit oder
ohne Abitur, angewiesen auf adressatengerechte Studienangebote. Diese können aber nur geschaffen werden, wenn
die staatlichen Hochschulen mit den
notwendigen Ressourcen ausgestattet
werden. Die Gestaltung und Umsetzung
berufsbegleitender Bachelorstudiengänge
ist an den staatlichen Hochschulen eine
Seltenheit, weil die Finanzierung für den
zusätzlichen Aufwand extra aufgebracht
werden muss. So konnte auch der einzige
berufsbegleitende Bachelorstudiengang
an der Universität Bremen nur mithilfe
von Drittmitteln des BMBF konzipiert
und umgesetzt werden. In der Politik
ist dieses Dilemma bekannt. Auch der
Bremer Senat räumt ein, dass die Schaffung berufsbegleitender Angebote für die
Hochschulen mit einem ›Mehraufwand‹
verbunden ist. Der Senat erkennt auch
an: ›Die Hochschulen sind derzeit noch
durch den zu bewältigenden Ansturm
der geburtenstarken Jahrgänge und der
doppelten Abiturientenjahrgänge auf die
Studienplätze hoch belastet.‹2 Diese hohe
Auslastung der Hochschulen wird sich
aufgrund der allgemein stark erhöhten
Studierneigung auf absehbare Zeit nicht
verändern. Dennoch wird keine nachhaltige Lösung für den Mangel an Ressourcen angeboten und weiterhin setzt das
Land Bremen lediglich auf die Einwerbung von Drittmitteln, vornehmlich im
Bundeswettbewerb ›Offene Hochschule‹.
In der aktuellen Förderrunde 2014 ist
es allen vier staatlichen Hochschulen in
Bremen gelungen, eine Projektförderung
für die Öffnung von Teilen des Regelstudienangebots oder für einzelne Studienprogramme zu bekommen. Wie die
Verstetigung der in den nächsten Jahren
entstehenden Strukturen gewährleistet
werden kann, muss nun ernsthaft diskutiert werden.
Die Finanzierung von berufsbegleitenden Masterstudiengängen soll nach
§ 109 (2) BremHG über Studiengebühren erfolgen, weil die Formate nach
dem Bremischen Hochschulgesetz der
Weiterbildung zugeordnet werden. Hin-
sichtlich der Standards gibt es bei den
berufsbegleitenden Studiengängen keine
Unterschiede zu den gebührenfreien
konsekutiven Masterstudiengängen. Die
sich hieraus ergebenden Widersprüche
sind ungelöst. Warum sollen Bachelorabsolventen, die in ihrer Phase der Berufstätigkeit einen Masterabschluss erwerben,
Studiengebühren zahlen, während Bachelorabsolventen, die einen Masterstudiengang in Vollzeit absolvieren, nichts
bezahlen? Eine politische Diskussion
muss nochmals darüber geführt werden,
welcher sachlichen Logik die Finanzierungsregelungen folgen sollen.
Die Realisierung von hochwertigen
Weiterbildungsangeboten ist auch von
der Verfügbarkeit von wissenschaftlichem Lehrpersonal abhängig (vgl. das
Interview mit Petra Boxler in Kapitel 6).
Ein Engagement von Lehrenden in der
Weiterbildung wird allerdings nicht auf
das Lehrdeputat angerechnet. Das macht
es schwierig für Hochschullehrende, die
in der Regel ausgelastet sind, Lehre in
weiterbildenden Studienangeboten zu
leisten. Nur in Schleswig-Holstein können
Hochschulen bis zu zehn Prozent ihrer
Lehrkapazitäten für wissenschaftliche
Weiterbildung aufwenden (vgl. § 59 (1)
SchlesHG). Eine ähnliche Regelung sollte
im Land Bremen bei der nächsten Hochschulgesetzesnovellierung beschlossen
werden. Schließlich gehört die Weiterbildung nach § 4 und § 16 BremHG zu den
grundständigen Aufgaben von Hochschulen und Hochschullehrenden. Konsequenterweise müssen daher die praktischen Voraussetzungen für die Erfüllung
dieser Aufgaben geschaffen werden.3
Handlungsfeld Hochschulen
Adressatengerechte Beratung,
Anrechnung, Studienformate und
Didaktik
Berufsbegleitende Studienformate für
Berufsgruppen mit einem hohen Bedarf
an wissenschaftlicher Weiterbildung
sollten sowohl auf Bachelor- als auch auf
Masterebene an den staatlichen Hochschulen etabliert werden. Diese zeichnen
sich dadurch aus, dass die Präsenzveranstaltungen auf die gängigen Arbeitszeiten
der Berufsgruppen abgestimmt sind. Bei
Bedarf werden auch Blended-Learning-Angebote und selbst gesteuerte Lerneinheiten integriert. Einzelne Studienmodule
104
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
sollten entsprechend flexibel anwählbar
sein, damit intensive und weniger intensive Studienphasen den wechselnden
Anforderungen im Beruf und im Privatleben angepasst werden können.
Eine Auseinandersetzung des Hochschulpersonals mit berufspädagogischer
Didaktik kann es zudem unterstützen, in
einem wissenschaftsbasierten Studium
berufspraktische Bezüge herzustellen.
Das gilt zum Beispiel auch für Fächer wie
Mathematik. Die Lehre ist in der Regel
auf Studierende ausgerichtet, die ihr
Abitur gerade hinter sich haben. So bietet
beispielsweise die Hochschule Bremerhaven erfolgreich spezielle Module von
Mathematik und technischer Mechanik
für Studierende ohne Abitur an. Solche
Angebote und Brückenkurse gerade für
Grundlagenfächer bieten sich an allen
Hochschulen an, um den Studienerfolg
von Berufstätigen zu erhöhen.
Eine strukturelle Öffnung des Regelstudienangebots wird in Bremen seit
Jahren diskutiert und ist in jedem Fall
sinnvoll, damit auch Berufstätige in Zukunft größere Wahlmöglichkeiten haben.
Mit der Modularisierung von Studiengängen im Rahmen des Bologna-Prozesses
sind jedoch noch keine genügenden Voraussetzungen für die geplante Öffnung
geschaffen. An der Universität Bremen
und an der Hochschule Bremen sind
im Jahr 2015 zwei vom BMBF geförderte
Projekte (konstruktiv und HSBflex) gestartet. Beide Projekte setzen sich mit der
zunehmenden Heterogenität der Studierendenschaft auseinander und beziehen
nicht nur die Bedürfnisse von Berufstätigen, sondern auch von Studierenden mit
Familienpflichten in ihre Konzeptionen
ein.
An der Hochschule Bremen soll die Beratung und die Anerkennung beruflicher
Kompetenzen adressatengerecht gestaltet
werden. Beides ist für einen Einstieg in
das Studium wichtig. Eine umfassende
Beratung im Vorfeld und während des
Studiums sollte nicht nur in den zentralen Studienberatungen der Hochschulen,
sondern auch in den einzelnen Studiengängen geleistet werden. Für diese
Aufgabe muss das Hochschulpersonal
entsprechend geschult werden, denn
Studienfinanzierung, Hochschulzulassung und Studienrahmenbedingungen
sind für Berufstätige oft anders als für
traditionelle Studierende.
Die Etablierung von Anrechnungsverfahren ist in jedem Fall aufwendig, aber
die einzige Möglichkeit für Berufstätige,
Redundanzen zu vermeiden und ihre
Studiendauer zu verkürzen. Die pauschale Anrechnung auf Studienleistungen
aufgrund definierter Berufsabschlüsse
ist für die Studierenden am wenigsten
aufwendig und transparent. Damit aber
auch Berufserfahrungen und andere
informell erworbene Kompetenzen angerechnet werden können, empfiehlt sich
eine Kombination aus pauschalen und
individuellen Anrechnungsverfahren
(vgl. das Interview mit Walburga Freitag
in Kapitel 6).
Außerdem ist an der Hochschule und
der Universität Bremen geplant, Studienmodule aus ausgewählten Regelstudiengängen als berufsbegleitend studierbar zu gestalten. Teilweise müssen die
Module neu entwickelt und E-LearningAnteile integriert werden. Der Erfolg der
Projekte HSBflex und konstruktiv hängt
wesentlich auch davon ab, wie die kooperierenden Einrichtungen und Fakultäten
die neuen Maßnahmen unterstützen. Der
Verlauf sollte unterstützend evaluiert
werden, damit neue Strukturen verstetigt
werden und in die Konzeption anderer
Studiengänge einfließen können.
Außerdem sollten die Prüfungsordnungen der einzelnen Studiengänge
zeitlich entzerrt werden, damit für
berufsbegleitend Studierende eine übermäßige Leistungsverdichtung in der Zeit
der Abschlussarbeit vermieden wird. So
sollten beispielsweise für Teilzeitstudierende an der Hochschule Bremen andere
zeitliche Rahmenbedingungen zugrunde
gelegt werden als für Vollzeitstudierende.
Grundsätzlich sollten alle Hochschulen
es berufstätigen Studierenden ermöglichen, das Regelstudium in Teilzeit zu
absolvieren. Berufstätige können so ihr
Studium strukturierter planen. Außerdem fallen für Studierende, die Regelstudienzeiten wegen ihrer Erwerbstätigkeit
überschreiten, keine Langzeitstudiengebühren an. Das Bremische Hochschulgesetz sieht diese Möglichkeit nach § 55 (4)
BremHG vor. Sie wird jedoch bisher nur
von der Hochschule Bremen angewendet.
Als ›Weiterbildungsstudierende‹
können sich Berufstätige an der Universität Bremen für ein Modulstudium
einschreiben und so einen Einblick
in einen Studiengang bekommen. Die
105
S TU DI E
allgemeinen Prüfungsordnungen für die
wissenschaftliche Weiterbildung der Universität lassen es zu, dass auf diese Weise
pro Studienjahr bis zu zehn Kreditpunkte
als Studienleistung erworben werden.
Weiterbildungsstudierende zahlen eine
Gebühr, müssen jedoch keinen Semesterbeitrag entrichten. Auch für andere
Hochschulen in Bremen wäre dies ein
gangbarer Weg, um ein ›Schnupperstudium‹ zu ermöglichen.
Daneben bietet das Gasthörerstudium
potenziell Möglichkeiten für Berufstätige, erste Erfahrungen mit dem für sie
interessanten Regelstudienangebot zu
machen. Allerdings können Dozentinnen
und Dozenten an der Universität Bremen
die Teilnahme von Gasthörenden für
ihre Veranstaltungen ablehnen, wenn
diese stark ausgelastet sind. Außerdem
ist es nicht vorgesehen, dass Gasthörende
Studienleistungen erbringen. In Niedersachsen dagegen können auch Gasthörende Kreditpunkte erwerben, die später
auf Studiengänge anrechenbar sind. Die
Einzelheiten regeln die Hochschulen
selbst. Sie erheben, je nach Aufwand,
Gebühren für die Erbringung von Studienleistungen (vgl. § 13 (5) NHG). Die
Fakultäten entscheiden in der Regel über
die Anrechnung.
Mit ähnlichen Regelungen an den
Bremer Hochschulen könnten Berufstätige ausloten, ob die Anforderungen im
Regelstudium neben der Berufstätigkeit
für sie zu bewältigen sind.
Handlungsfeld Studienfinanzierung
Insbesondere ältere berufstätige Studierende können es sich aufgrund familiärer oder anderer finanzieller Verpflichtungen (Kinder, Immobilienerwerb etc.)
nicht leisten, Arbeitszeit während des
Studiums zu reduzieren. Dies betrifft
ganz besonders Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer in besonders gering entlohnten Berufen. Diese Gruppen wären
in besonderem Maße auf eine finanzielle
Entlastung in Form einer Studienförderung angewiesen, auch um bei Bedarf in
zeitlich besonders belastenden Phasen
ihre Arbeitszeit ohne finanzielles Risiko
reduzieren zu können. Sowohl beim
BAföG als auch bei Stipendien besteht
jedoch ein Anspruch auf Förderung nur
innerhalb bestimmter Altersgrenzen.
Darüber hinaus gibt es kaum finanzielle
Förderungen für berufsbegleitende Studienangebote. Da es unter anderem eine
bildungspolitische Forderung ist, neue
Zielgruppen für ein Hochschulstudium
zu gewinnen, ist eine politische Diskussion darüber wünschenswert, welche Fördermöglichkeiten für berufstätige und
berufsbegleitende Studierende geschaffen werden können, die sich ein Studium
neben dem Beruf finanziell nicht leisten
können.
Der Staat ist auf Ebene des Bundes und
der Länder beim Thema Studienfinanzierung gefordert, nochmals genau zu
prüfen, welche Gruppen bisher überhaupt nicht auf öffentliche Förderung
zurückgreifen können. Lücken in der
Förderstruktur müssten insbesondere für
die Berufsgruppen geschlossen werden,
die in der Regel über kein hohes Einkommen verfügen.
1 Vgl. IG Metall (o. J.): Zugriff am
07.01.2016.
2 Bremische Bürgerschaft (2010), S. 4.
3 Die Fraktion der CDU hat im Jahr 2009
einen entsprechenden Antrag gestellt,
der von der Bürgerschaft abgelehnt
wurde. Vgl. Bremische Bürgerschaft
(2009).
106
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
Informationen zur Studienfinanzierung
BAföG
Durch die Altersgrenze sind viele ältere
Studierende bereits von einer Förderung
ausgeschlossen. Anspruch auf BAföG
hat demnach nicht, wer bei Beginn des
Bachelorstudiums das 30. Lebensjahr
sowie bei Beginn des Masterstudiums
das 35. Lebensjahr bereits vollendet hat.
Studierende des zweiten Bildungsweges
sind von dieser Regelung ausgenommen,
wenn sie unverzüglich nach Erhalt ihrer
Zugangsvoraussetzung mit dem Studium beginnen. Studierende des dritten
Bildungsweges sind von der Altersgrenze ausgenommen1 und können damit
grundsätzlich eine BAföG-Förderung
erhalten.
Allerdings werden gerade berufstätige
Studierende häufiger als traditionelle
Studierende von einer Anrechnung des
eher geringen Vermögensfreibetrags
betroffen sein. Bei einem Bruttoverdienst
von 5.500 Euro in zwölf Monaten werden
monatlich 40,13 Euro auf den Bedarf
angerechnet beziehungsweise vom Förderungsbetrag abgezogen. Dieser Betrag gilt
für Alleinstehende. Auch Vermögen (zum
Beispiel Sparbücher, Wertpapierdepots,
Bausparverträge, Eigentumsanteile an
Grundstücken / Häusern) ist bis auf eine
Rücklage von 5.200 Euro zur Finanzierung des Studiums einzusetzen. Der
Freibetrag erhöht sich für jedes Kind und
/ oder den Ehegatten oder eingetragenen
Lebenspartner um jeweils 1.800 Euro.2
Das bedeutet, dass bereits ab einem
niedrigen mittleren Einkommen kein
Anspruch mehr auf BAföG besteht.
Von Nachteil für die in diesem Projekt
untersuchte Zielgruppe ist außerdem,
dass BAföG nach § 2, Absatz (5) nicht
für berufsbegleitende Studiengänge
oder Teilzeitstudiengänge gewährt
wird. Eine Förderung wird nur gewährt,
wenn ›die Ausbildung die Arbeitskraft
des Auszubildenden im Allgemeinen
voll in Anspruch nimmt‹.3 Darüber
hinaus sind ausschließlich konsekutive
Masterstudiengänge förderfähig, wenn
diese auf einem Bachelorstudiengang
aufbauen und der Auszubildende außer
dem Bachelorstudiengang noch keinen
Studiengang abgeschlossen hat.4 Wer vor
einem Masterstudiengang also bereits ein
Diplom absolviert hat, kann keine Förderung mehr erhalten. Weiterbildungsmaster sind aus diesem Grund ebenfalls
von einer Förderung ausgeschlossen,
da sie nicht zwangsweise einen Bachelorabschluss, sondern oft eine berufliche
Qualifikation voraussetzen.
Stipendien
Auch die Förderung über Stipendien ist
für berufsbegleitend Studierende – besonders für ältere – kompliziert. Begabtenförderwerke haben in der Regel eine
Altersgrenze für die Förderung. Darüber
hinaus richten sich die meisten Stipendien an Vollzeitstudierende. Im Folgenden
werden Stipendien vorgestellt, die berufsbegleitend Studierende in Anspruch
nehmen können.
Aufstiegsstipendium
Nur ein Förderprogramm des Bundes
richtet sich – neben Vollzeitstudierenden
– auch speziell an Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer, die berufsbegleitend
studieren wollen. Es gilt ausschließlich
für das Erststudium und setzt keine
Altersgrenze voraus, allerdings muss der
Antrag bis zum zweiten Studiensemester
gestellt worden sein. Voraussetzung dafür
ist eine mindestens zweijährige Berufserfahrung sowie ein Berufsabschluss mit
der Note 1,9 oder besser. Die Förderung
erfolgt einkommensunabhängig für die
gesamte Dauer des Studiums und beträgt
monatlich 750 Euro für Vollzeitstudierende. Zusätzlich wird eine Betreuungspauschale für Kinder gewährt. Studierende in einem berufsbegleitenden Studiengang erhalten jährlich 2.000 Euro.5
107
S TU DI E
Deutschlandstipendium
Die Stipendien in Höhe von monatlich 300 Euro, die auch an den Bremer
Hochschulen beantragt werden können,6
werden je zur Hälfte vom Bund und
von privaten Förderern, Stiftungen und
Unternehmen getragen. Das heißt, die
Bundesregierung unterstützt eine private
Spende von 150 Euro monatlich mit
zusätzlichen 150 Euro. Das Stipendium
ist unabhängig vom Bezug von BAföG
oder der Einkommenssituation. Zu den
Förderkriterien zählen neben besonderen
Erfolgen an Schule und / oder Universität
auch das gesellschaftliche Engagement,
zum Beispiel in Vereinen oder in der
Hochschulpolitik, in kirchlichen oder politischen Organisationen, in der Familie
oder in einer sozialen Einrichtung. Berücksichtigt wird auch die Überwindung
besonderer biografischer Hürden, die
sich aus der familiären oder kulturellen
Herkunft ergeben. Die konkrete Ausgestaltung der Auswahlverfahren liegt in
der Verantwortung der Hochschulen.7
Studienstipendium der
Hans-Böckler-Stiftung
In den Fördergrundsätzen wird betont,
dass das Studium engagierter und begabter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch die Vergabe von Studienbeihilfen gefördert werden soll. Studierende
des zweiten und dritten Bildungsweges
sollen dabei besonders gefördert werden.
Eine wichtige Voraussetzung für ein
Stipendium ist gewerkschaftliches oder
gesellschaftspolitisches Engagement.
Die Stiftung setzt keine Altersgrenze
voraus. Ein Studium neben dem Beruf ist
nicht ausgeschlossen, allerdings muss
das Studium in Vollzeit erfolgen und im
Schnitt 30 ECTS-Punkte pro Semester
der Regelstudienzeit erbracht werden.8
Berufsbegleitende Formate werden damit
nicht explizit unterstützt. Die Zahlungen
richten sich nach den BAföG-Richtlinien,
das bedeutet, es handelt sich um einen
Höchstsatz von 597 Euro und einer
Studienkostenpauschale von 300 Euro
monatlich.9
Kredite
Bildungskredit
Die Bundesregierung bietet zusammen
mit dem Bundesverwaltungsamt und
der KfW-Bankengruppe den Bildungskredit an. Das zinsgünstige Darlehen
können auch Studierende unabhängig
vom eigenen Einkommen sowie dem
von Eltern und Ehepartner erhalten.
Allerdings ebenso wie beim BAföG nur
bis zur Vollendung des 35. Lebensjahres.
Darüber hinaus gilt der Bildungskredit
ausschließlich für die Schlussphase einer
Ausbildung oder eines Studiums etwa für
ein Zusatz-, Ergänzungs-, Aufbau- oder
Fernstudium. Voraussetzung ist allerdings ein Studium in Vollzeit. Teilzeitund berufsbegleitende Studiengänge sind
nicht förderfähig. Der Kredit weist aufgrund einer vom Bund übernommenen
Garantie einen günstigen Zinssatz auf.10
Studienkredit der KfW-Bank
Der Studienkredit der KfW-Bank hingegen ist zwischen dem 18. und dem 44.
Lebensjahr möglich, ebenfalls unabhängig vom Einkommen der Eltern oder des
Partners / der Partnerin. Antragstellende
können anders als beim Bildungskredit
in Teilzeit, Vollzeit oder berufsbegleitend studieren. Dieser Kredit bietet sich
– aufgrund seiner Förderbedingungen
– folglich besonders für die Gruppe der
berufsbegleitenden Studierenden an.
Allerdings bleibt zu berücksichtigen, dass
es sich im Vergleich zum Bildungskredit
durch eine fehlende Garantie, um keinen
günstigen Kredit handelt.11
Kosten steuerlich absetzen
Wenn Studierende die Kosten für das
Studium selbst tragen müssen, greifen
zumindest Steuererleichterungen. Ein
berufsbegleitendes Studium kann als
Fortbildungsaufwand in unbegrenzter
Höhe abgesetzt werden, wenn es einen
Berufsbezug hat und eine abgeschlossene
Berufsausbildung oder ein Erststudium
vorausgegangen ist. Was in einem Jahr
erstattet wird, richtet sich nach dem
Zahlungsprinzip. Das heißt, wurden auf
einmal 14.000 Euro für Studiengebühren
vom Konto abgebucht, ist das der abzieh-
108
BA L A NCE AKT BERUFSBEGLEITENDE S S TUDIEREN
bare Betrag. Es ist allerdings abhängig
vom Steuersatz, wie viel zurückerstattet
wird. Ist der Steuersatz niedrig, etwa
15 Prozent, werden auch nur 15 Prozent
erstattet. Ist der Steuersatz hoch, etwa
42 Prozent, so werden auch 42 Prozent
der Kosten erstattet. Auch hier haben also
Studierende mit niedrigeren Einkommen Nachteile gegenüber besser verdienenden. Kosten werden außerdem nur
erstattet, wenn auch Steuern entrichtet
wurden.
1 Rechtsgrundlage online verfügbar
6 Beispielhaft ist hier auf das
unter: www.bafög.de / de / -10-alter-
Antragsverfahren der Universität
226.php [Zugriff am 06.01.2016].
Bremen verwiesen:
2 Rechtsgrundlage online verfügbar unter:
www.stw-bremen.de / de /
studienfinanzierung /
einkommensberechnungfreibetr%C3%A4ge
[Zugriff am 06.01.2016].
3 Rechtsgrundlage online verfügbar unter:
www.bafög.de / de / -2ausbildungsstaetten--216.php
[Zugriff am 06.01.2016].
4 Rechtsgrundlage online verfügbar unter:
www.bafög.de / de / -7-erstausbildungweitere-ausbildung-222.php
[Zugriff am 06.01.2016].
5 Weitere Informationen online unter:
www.bmbf.de / de / dasaufstiegsstipendium-882.html
[Zugriff am 11.01.2016].
www.uni-bremen.de /
deutschlandstipendiat.html
[Zugriff am 11.01.2016].
7 Informationen online abrufbar unter:
www.deutschlandstipendium.de / de /
1684.php [Zugriff am 11.01.2016].
8 Nähere Informationen unter:
www.boeckler.de/4373.htm
[Zugriff am 11.01.2016].
9 Nähere Informationen unter:
www.boeckler.de / 4374.htm
[Zugriff am 11.01.2016].
10 Nähere Informationen unter:
www.bva.bund.de / DE / Organisation /
Abteilungen / Abteilung_BT /
Bildungskredit / bildungskredit_node.
html [Zugriff am 11.01.2016].
11 Nähere Informationen online unter:
www.kfw.de / inlandsfoerderung /
Privatpersonen / Studieren-Qualifizieren /
Direkt-zum-KfW-Studienkredit /
[Zugriff am 11.01.2016].
Die Beratungszeiten
weichen teilweise von
den Öffnungszeiten ab –
bitte erfragen Sie diese
telefonisch oder bei
Ihrem nächsten Besuch
oder informieren Sie
Orte und Zeiten für Beratung
sich im Internet
Geschäftsstelle Bremen
Bürgerstraße 1
28195 Bremen
Telefon: 0421·36301-0
Telefax: 0421·36301-89
[email protected]
www.arbeitnehmerkammer.de
❚ Allgemeine Öffnungszeiten
Montag bis Donnerstag 8.00–18.30 Uhr
Freitag 8.00–13.00 Uhr
Geschäftsstelle Bremerhaven
Martin-Donandt-Platz
H Straßenbahn
2, 3, 4, 6, 8
Bus 24, 25
P Parkhaus
Violenstraße
Barkhausenstraße 16
27568 Bremerhaven
Telefon: 0471·92235-0
Telefax: 0471·92235-49
[email protected]
Lloydstraße/VHS
❚ Allgemeine Öffnungszeiten
Montag bis Donnerstag 8.00–18.30 Uhr
Freitag 8.00–13.00 Uhr
Zoo am
Meer
Deutsches
Auswandererhaus
Bürgermeister-Smidt-Straße
H Bus 505, 506
MartinDonandt-Platz
502, 508, 509
Lloydstraße/
VHS
Geschäftsstelle Bremen-Nord
Lindenstraße 8
28755 Bremen
Telefon: 0421·66950-0
Telefax: 0421·66950-41
[email protected]
❚ Allgemeine Öffnungszeiten
Montag und Donnerstag 8.00–18.30 Uhr
Dienstag und Mittwoch 8.00–16.30 Uhr
Freitag 8.00–13.00 Uhr
H Bus 91/92, 94
(Fährgrund)
Schriftenreihe der Arbeitnehmerkammer bremen
Balanceakt
berufsbegleitendes Studieren
Beruflich aufsteigen, sich weiterentwickeln, inhaltlich etwas anderes
machen – all das sind Motive von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, sich im Verlauf ihres Berufslebens noch mal für ein
Studium zu entscheiden. In vielen Berufsbereichen steigt der Bedarf
an wissenschaftlicher Qualifizierung. Die staatlichen Hochschulen
sind daher aufgefordert, ihre Angebote für Berufstätige auszubauen.
Die vorliegende Studie rückt die Frage in den Mittelpunkt, wie
Rahmenbedingungen an Hochschulen und in Betrieben gestaltet
werden sollten, damit Beschäftigte ein Studium künftig besser
mit dem Beruf und dem Privatleben vereinbaren können.
w w w. a r b e i t n e h m e r k a m m e r. d e
Studie