Das EuGH-Urteil vom 9. Dezember 2015 zur Verwaltung von

15. Dezember 2015
Umsatzsteuer: Das EuGH-Urteil vom 9. Dezember 2015
zur Verwaltung von Immobilienfonds
Das Urteil des EuGH in der Rechtssache C-595/13, Fiscale Eenheid X, wird Auswirkungen
auf die umsatzsteuerliche Behandlung von Verwaltungsleistungen an offene und geschlossene Investmentfonds haben.
Executive Summary
> Die Umsatzsteuerfreiheit für die Verwaltung von
Investmentfonds gilt nach dem EuGH-Urteil für
alle Fonds, die einer besonderen staatlichen Aufsicht unterstehen. Zu diesen gehören auch geschlossene (Immobilien-)Fonds.
> Die tatsächliche Bewirtschaftung einer Immobilie
zählt nach Ansicht des EuGH nicht zu den umsatzsteuerbefreiten Verwaltungsleistungen. Nur
Tätigkeiten, die für Investmentfonds „spezifisch“
sind, also mit der Anlage von Geldern verbunden
sind, sollen umsatzsteuerbefreit sein.
Damit dürften Leistungen des Property- oder
Facility-Management im Gegensatz zum AssetManagement in Zukunft auch umsatzsteuerpflichtig bleiben.
> Insbesondere Kapitalverwaltungsgesellschaften,
Fonds-Initiatoren und Asset-Manager sollten die
Auswirkungen der Entscheidung auf ihren Vorsteuerabzug, ihre Preiskalkulation und ihre Rechnungsstellung beachten.
Der Sachverhalt
In dem Vorlagefall bezogen niederländische Kapitalanlagegesellschaften, deren Tätigkeit in der Akquisition von Investoren, dem An- und Verkauf von
Immobilien und deren Bewirtschaftung bestand,
von einer niederländischen N.V. Dienstleistungen,
unter anderem Geschäftsführertätigkeiten, Verwaltung des Vermögens, Rechnungslegung, Datenverarbeitung, Buchprüfung, Durchführung von Erwerb
und Verkauf von Immobilien sowie die Akquisition
von Investoren. Der Dienstleistungsgesellschaft
oblag ferner die Aufsicht über die Immobilie, das
Unterhalten von Kontakten zu Mietern, die Beauftragung von Maklern, die Einschätzung von Mietern,
das Inkasso der Mieten, das Veranlassen von Instandsetzungsmaßnahmen und die mit vorgenannten Aufgaben verbundenen administrativen sowie
mietrechtlichen Tätigkeiten.
Die N.V. entrichtete für diese Dienstleistungen keine niederländische Umsatzsteuer, weil sie die Voraussetzungen einer niederländischen Vorschrift als
erfüllt ansah, nach der die Verwaltung des Vermögens eines Investmentfonds und einer Kapitalanlagegesellschaft für den Vermögensverwalter umsatzsteuerfrei ist.
Der Oberste Gerichtshof der Niederlande hatte dem
EuGH daraufhin folgende Fragen zur Entscheidung
vorgelegt:
•
Ist Art. 13 Teil B Buchst. d) Nr. 6 der Sechsten
Mehrwertsteuer-Richtlinie dahin auszulegen,
dass eine Gesellschaft, die durch mehr als einen Anleger mit dem alleinigen Ziel errichtet
wurde, das angesammelte Vermögen in Immobilien anzulegen, als „Sondervermögen“ im
Sinne dieser Bestimmung angesehen werden
kann?
•
Falls Frage 1 bejaht wird: Ist Art. 13 Teil B
Buchst. d) Nr. 6 der Sechsten MehrwertsteuerRichtlinie dahin auszulegen, dass von dem Begriff der (umsatzsteuerfreien) „Verwaltung“
auch die von der Gesellschaft einem Dritten
übertragene tatsächliche Bewirtschaftung der
Immobilien der Gesellschaft erfasst ist?
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Umsatzsteuer: Das EuGH-Urteil zur Verwaltung von Immobilienfonds
Urteil des EuGH
Der EuGH ist in seinem Urteil den Schlussanträgen
der Generalanwältin Juliane Kokott vom 20. Mai
2015 (siehe dazu GSK-Update vom 15.10.2015,
abrufbar unter www.gsk.de) nur teilweise gefolgt:
Die erste Vorlagefrage nach der Qualifikation als
(umsatzsteuerbefreites) „Sondervermögen“ hat der
EuGH ähnlich zur Stellungnahme der Generalanwältin dahingehend beantwortet, dass Kapitalanlagegesellschaften, in denen Kapital für den Ankauf,
den Besitz, die Verwaltung und den Verkauf von
Immobilien gesammelt wird, als „Sondervermögen“
angesehen werden können, wenn der Mitgliedsstaat
diese Gesellschaften einer besonderen staatlichen
Aufsicht unterworfen hat. Dies wäre in Deutschland
nach Einführung des KAGB nun grundsätzlich auch
für geschlossene Immobilienfonds der Fall.
GSK Update / 15.10.2015
ten Mehrwertsteuer-Richtlinie nur von „Sondervermögen“ spricht.
Damit können nach dem Urteil des EuGH wohl sowohl offene als auch geschlossene Immobilienfonds
unter die Steuerbefreiungsvorschrift der Sechsten
Mehrwertsteuer-Richtlinie fallen.
Die zweite Vorlagefrage nach der Qualifikation der
tatsächlichen Bewirtschaftung der Immobilien als
(umsatzsteuerfreie) „Verwaltung“ hat der EuGH
verneint und ist insoweit der Stellungnahme der
Generalanwältin nicht gefolgt. Unter „Verwaltung“
fällt nach Ansicht des EuGH nur die sog. „spezifische“ Fondsverwaltung, die im Zusammenhang mit
der Anlage von Geldern steht. Rein technische
Dienstleistungen, wie z.B. die Zurverfügungstellung
eines Datenverarbeitungssystems, seien nicht unter
den Begriff der „Verwaltung“ zu fassen.
Mögliche Auswirkungen
Die Entscheidung des EuGH könnte dazu führen,
dass auch nach deutschem Umsatzsteuerrecht nicht
nur Verwaltungsleistungen an offene Immobilienfonds, sondern auch solche an geschlossene Immobilienfonds umsatzsteuerfrei sind:
Der Zweck der Umsatzsteuerbefreiung besteht nach
Ansicht des EuGH darin, Anleger nicht mit Mehrwertsteuer auf empfangene Verwaltungsleistungen
zu belasten, unabhängig davon, ob die Anlage unmittelbar in Wertpapiere oder über Organismen für
gemeinsame Anlagen (OGAW) erfolge. Außer Wertpapieren gebe es auch andere regulierte Anlageformen, wie beispielsweise Immobilien, und Kapitalanlagegesellschaften, die Gelder in Immobilien
anlegen. Diese Anlageformen können hinreichend
vergleichbar mit OGAWs i.S.d. OGAW-Richtlinie
sein, da bestimmte Personen Anteilsrechte an einem Fonds gekauft haben, der Ertrag von den Ergebnissen der Anlage abhängt, die Anteilsinhaber
Anrecht auf die Gewinne haben, das Risiko im Zusammenhang mit der Verwaltung des Fonds tragen
und das Vermögen nach dem Grundsatz der Risikostreuung angelegt wird. Die Anlageform (z.B.
Wertpapiere oder Immobilien) könne daher die
Einordnung als „Sondervermögen“ nicht bestimmen, weil Art. 13 Teil B Buchst. d) Nr. 6 der Sechs-
Die Vorschrift des § 4 Nr. 8 Buchst. h) UStG befreit
die Verwaltung von „Investmentfonds im Sinne des
Investmentsteuergesetzes“ von der Umsatzsteuer.
„Investmentfonds“ in diesem Sinne sind nur solche
Anlagevehikel, die die Voraussetzungen des
§ 1 Abs. 1b InvStG und bei inländischen Vehikeln
zusätzlich auch die Voraussetzungen des § 1
Abs. 1f InvStG erfüllen. Von der Steuerbefreiung ist
danach insbesondere die Verwaltung von geschlossenen Fonds, bei denen kein jährliches Rückgaberecht besteht (§ 1 Abs. 1b S. 2 Nr. 2 InvStG), und
die Verwaltung von Private-Equity-Fonds, die vorwiegend in Beteiligungen an nicht börsennotierten
Kapitalgesellschaften investieren (§ 1 Abs. 1b S. 2
Nr. 6 InvStG), ausgenommen. Der in § 4 Nr. 8
Buchst. h) UStG verwendete Begriff „Investmentfonds“ ist, gemessen an dem neuen Urteil des
EuGH, zu eng formuliert, weil auch geschlossene
Immobilienfonds aufgrund des Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) der staatlichen Aufsicht unterliegen.
Der zweite Leitsatz der Entscheidung zur „Verwaltung“ könnte zur Folge haben, dass bestimmte Arten von Dienstleistungen an offene und geschlossene Immobilienfonds, die bisher umsatzsteuerpflichtig waren, nunmehr als umsatzsteuerbefreite Verwaltungsleistungen einzuordnen sind. Umsatzsteu-
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Umsatzsteuer: Das EuGH-Urteil zur Verwaltung von Immobilienfonds
GSK Update / 15.10.2015
erfrei sollen der Urteilsbegründung zufolge aber nur
die Verwaltungsdienstleistungen sein, welche für
die Tätigkeit des Immobilienfonds „spezifisch“ sind.
Nach der Urteilsbegründung sind „spezifische“ Tätigkeiten eines Immobilienfonds unter anderem der
An- und Verkauf von Immobilien, die Verwaltung,
das Rechnungswesen, insbesondere die Ermittlung
des Betrags der Einkünfte und des Preises der Anteile, die Bewertung des Vermögens, die Erklärungen über die Verteilung der Einkünfte und die Erstellung von Mehrwertsteuererklärungen. Eine
Dienstleistung, welche eine „tatsächliche Bewirtschaftung“ darstellt, soll nach Ansicht des EuGH
hingegen umsatzsteuerpflichtig bleiben, auch wenn
sie die Erhaltung und Vermehrung des angelegten
Vermögens bezweckt. Sie ist nicht „spezifisch“ für
einen Immobilienfonds, weil sie nicht zur „Geldanlage“ gehöre.
kompensiert wird. Property-Manager sollten prüfen,
ob ihre an Immobilienfonds erbrachten Leistungen
zukünftig umsatzsteuerfrei sein könnten. Soweit die
Verwaltungsleistungen in Folge des Urteils als umsatzsteuerfrei zu qualifizieren sind, ist der Leistende
nicht mehr zum Vorsteuerabzug berechtigt, da er
die Leistung für einen Ausschlussumsatz (§ 4 Nr. 8
Buchst. h) UStG) verwendet, für den keine Optionsmöglichkeit zur Umsatzsteuerpflicht existiert.
Auch sollte der Leistende einer umsatzsteuerfreien
Verwaltungstätigkeit bei der Rechnungsstellung
einen unrichtigen Steuerausweis vermeiden, weil er
andernfalls den ausgewiesenen Steuerbetrag schuldet.
Die Einordnung einer Dienstleistung in eine der
beiden Gruppen, „spezifische Immobilienfondsverwaltung“ oder „tatsächliche Bewirtschaftung“, wird
einzelfallabhängig sein. Unsicherheiten werden vorerst bestehen bleiben.
Dr. Petra Eckl
Es bleibt abzuwarten, ob und inwieweit der deutsche Gesetzgeber und die Finanzverwaltung tätig
werden. Die Finanzverwaltung wird prüfen müssen,
ob Abschn. 4.8.13 UStAE, der zuletzt durch BMFSchreiben vom 12.11.2015 neu gefasst wurde, erneut anzupassen ist.
Fazit
Das Urteil wird zu einer Erweiterung des Anwendungsbereichs der Umsatzsteuerbefreiung für die
Verwaltung von Investmentfonds führen. Entgegen
dem bisherigen deutschen Verständnis ist zu erwarten, dass zukünftig auch die Verwaltung von geschlossenen Fonds von der Steuerbefreiung umfasst
sein wird.
Insbesondere
Kapitalverwaltungsgesellschaften,
Fonds-Initiatoren und Asset-Manager sollten prüfen, ob sich hieraus negative Auswirkungen auf ihre
Kalkulation ergeben, da der dann nicht mehr bestehende Vorsteuerabzug nicht durch erhöhte Entgelte
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