Arbeit & Soziales Dieser Artikel ist in der Ausgabe erschienen: Nr. 43/15 | 13.11.2015 Kleinstbetriebe – Eine Bestandsaufnahme der mehrfach abgeänderten Bestimmungen und die Pläne für das Jahr 2016 Alles wird komplizierter Für bestehende Kleinstunternehmen wird es auch in Zukunft ein einfaches und begünstigtes Steuersystem geben. Aber mit dem Stabilitätsgesetz 2016 sind nicht unwesentliche Neuerungen geplant. Eine Bestandsaufnahme mit Ausblick auf die ins Auge gefassten Regeln. Bozen/Rom – Infolge der Wirtschaftskrise und der sinkenden Zahl von Unternehmensgründungen kam die Regierung vor vier Jahren zur Einsicht, dass es in Italien viel zu kompliziert und zu schwierig für junge Menschen war, eine eigene Firma zu gründen und sie in der Startphase über Wasser zu halten. Deshalb wurden mit dem Gesetzesdekret Nr. 98/2011 besondere Begünstigungen eingeführt. Für Jungunternehmer im Alter von bis zu 35 Jahren wurde für fünf Jahre das sogenannte „Regime dei minimi“ etabliert: Kleinunternehmer und Klein‐Freiberufler mit einem Jahresumsatz von nicht über 30.000 Euro durften und dürfen unter bestimmten Voraussetzungen eine allumfassende Ersatzsteuer von nur fünf Prozent des Gewinns (= Differenz zwischen Umsatz und Betriebsspesen) entrichten. Im Folgenden sei auf die anderen seinerzeit eingeführten Bedingungen für den Zugang zum begünstigten Besteuerungs‐ und Verwaltungssystem kurz verwiesen, zumal die meisten dieser Voraussetzungen – wie es scheint – auch für die Neuregelungen ab 2016 zum Tragen kommen werden. Neben der genannten Umsatzgrenze galten bzw. gelten folgende Bedingungen: Es dürfen keine Arbeitnehmer beschäftigt, keine Exportgeschäfte getätigt werden; der/die Begünstigte durfte in den drei Jahren vor Beginn der neuen Aktivität keine Tätigkeit als Unternehmer oder Freiberufler ausgeübt haben, und bei der neu ausgeübten Tätigkeit darf es sich nicht um die bloße Fortführung einer zuvor als Arbeitnehmer oder in anderer Form ausgeübten Tätigkeit handeln; die Ausgaben für Investitionsgüter bzw. auch das Leasing von Wirtschaftsgütern dürfen nicht mehr als 15.000 Euro betragen. Hauptvereinfachungen und Vorteile des Systems sind: die Kleinunternehmer stellen Rechnungen ohne Mehrwertsteuer aus; im Gegenzug darf aber die Mehrwertsteuer auf Einkäufe nicht verrechnet werden; es gibt dementsprechend keine Verpflichtung zur Mehrwertsteuererklärung oder zu periodischen Mehrwertsteuermeldungen bzw. ‐abrechnungen; es besteht keine Pflicht zur Führung einer Buchhaltung, keine Branchenrichtlinien müssen beachtet werden, nur die ausgestellten Rechnungen und die Spesenbelege müssen aufbewahrt, nummeriert und bei Kontrollen vorgelegt werden; bei Klein‐Freiberuflern entfällt die Verpflichtung zum Einbehalt der Quellensteuer von 20 Prozent. Die Verpflichtung zur Sozialversicherung bleibt entsprechend der ausgeübten Tätigkeit aber aufrecht, ebenso wie die Pflicht zur INAIL‐Versicherung bei Tätigkeiten, für welche diese vorgeschrieben ist (z.B. hauptsächlich im Bereich des Handwerks). Genaue Regeln gibt es für den Fall, dass die erlaubte Umsatzgrenze überschritten wird. Wenn innerhalb des Jahres die Umsatzgrenze von 30.000 Euro nur um bis zu 50 Prozent überschritten wird, fällt man erst im darauffolgenden Jahr aus dem vereinfachten System heraus. Wird die Umsatzgrenze aber um mehr als 50 Prozent überschritten (also ein Umsatz von über 45.000 Euro erzielt), erlischt das gesamte System ab diesem Zeitpunkt, und dann muss die gesamte Mehrwertsteuer nachgezahlt werden. Die Mehrwertsteuer wird rückwirkend berechnet und ist unter Abzug der Vorsteuer auf eventuellen Einkaufsrechnungen nachzuzahlen, und auch die Buchführung muss nachgeholt werden. In diesem Jahr war schon einmal geplant, das begünstigte System abzuschaffen. Dann gab es mit dem Dekret „Milleproroghe“ eine Kehrtwende, allerdings nur für jene Kleinunternehmer, welche dieses begünstigte System bereits 2014 in Anwendung hatten. Diese können es nun doch noch bis zum vorherbestimmten Auslaufen anwenden. Das Neue: Ab dem Jahr 2016 soll nun ein in manchen Punkten abgeändertes Pauschalsystem („Regime forfetario“) für die Kleinbetriebe eingeführt werden. Dabei soll die vorausgegangene Jahres‐Umsatzgrenze für den Zugang zum begünstigten System der „Minimi“ nicht mehr einheitlich 30.000 Euro betragen, sondern diese wird nach SWZ Südtiroler Wirtschaftszeitung 4315alleswirdkomplizierter 1 / 2 Tätigkeitsbereichen aufgesplittert. Diese neuen Umsatzgrenzen waren in der ersten Fassung sehr tief angesetzt (bei Freiberuflern mit nur 15.000 Euro), was nach heftigen Protesten zu einer Erhöhung geführt hat, denn ein solch niedriger Umsatz wäre der Tod des Systems. Auch die Form der Besteuerung wird neu geregelt. Zunächst war ein von vorher fünf auf 15 Prozent erhöhter Satz geplant. Laut der neuesten Version soll hingegen nicht mehr der gesamte Gewinn besteuert werden, sondern je nach Tätigkeitsbereich sind dafür unterschiedliche Korrekturkoeffizienten („coefficienti di redditivitá“) eingeführt worden, durch welche sich die Besteuerungsgrundlage verringert. Die nach den letzten Änderungen im Artikel 8 des Regierungsvorhabens zur definitiven Verabschiedung des Stabilitätsgesetzes für 2016 enthaltenen Werte sind in der beigestellten Übersicht angeführt. In die Neufassung der Zugangskriterien ist die Bestimmung eingefügt, dass jenen Personen der Zugang zum neuen begünstigten System der Geringverdiener verwehrt bleibt, welche im vorausgegangenen Jahr Einkommen aus untergeordneter Arbeit oder Rente von mehr als 30.000 Euro bezogen haben. Das Zutrittsverbot ist ausgesetzt, wenn das Arbeitsverhältnis beendet wurde. Begünstigungen bei der Sozialversicherung der Geringverdiener: Es wird festgelegt, dass die Beiträge zur Sozialversicherung auf 35% der Normalbeiträge reduziert wird. Dies sind also die wichtigsten Neuerungen für die Nutzung des Systems der Geringverdiener ab dem Jahr 2016. Die parlamentarische Diskussion über das gesamte Stabilitätsgesetz für 2016 läuft noch, so dass weitere Änderungen nicht auszuschließen sind. Die Neufassung des gesamten Systems scheint im Vergleich zum vorausgegangenen reichlich kompliziert und unübersichtlich. Ein realistisches Urteil wird erst bei Vorliegen des definitiven Textes der diesbezüglichen Neuerungen möglich sein. Helmut Weißenegger SWZ Südtiroler Wirtschaftszeitung 4315alleswirdkomplizierter 2 / 2
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