„Kein Rausch- sondern ein Genussmittel“
Edelobstbrände Die Herstellung von Obstlern und Williams hat in der Heimenkircher Familie Spieler Tradition
Alten Kuhstall zu einem modernen Präsentations- und Verkaufsraum umgebaut
VON STEFAN BINZER
Heimenkirch „Spielerisch genießen“: Dieser Schriftzug steht über
der Verkaufstheke einer Edelobstbrennerei in Oberried bei Heimenkirch (Westallgäu). Das Wortspiel
ist Information und Philosophie zugleich: Die Brennerei gehört der Familie Spieler, und den dort gebrannten Schnaps soll man nicht saufen,
sondern genussvoll in Maßen trinken. Damit wäre eigentlich alles gesagt und dieser Artikel könnte an
dieser Stelle enden. Das funktioniert
aber nicht. Denn wer die Brennerei
besucht, geht da nicht nur einfach so
zum Einkaufen von Hochprozentigem hin, sondern bekommt in der
Regel gleich eine Einführung in die
Kunst des Schnapsbrennens durch
Jürgen Spieler (43) oder seinen Vater Konrad (67).
Zuallererst: „Ein Obstler oder ein
Williams ist kein Rausch-, sondern
ein Genussmittel“, sagt Jürgen Spieler. Und die Qualität ist das entscheidende Kriterium. Das beginnt
bei der Auswahl der Rohstoffe. Die
Spielers verwenden „nur gepflücktes, sauberes, reifes Obst“, betont
der Senior, kein Fallobst, das matschig im Dreck liegt. Die Elstar-Äpfel und die Williams-Birnen stammen aus Wasserburg, wo die Spielers Flächen für den Obstanbau gepachtet haben. Die Kirschen und
Mirabellen jedoch holen sie aus dem
Schwarzwald. Aus ihnen sei einfach
mehr Alkohol und Aroma herauszuholen als aus den Bodensee-Kirschen.
Reinheitsgebot wie beim Bier
Dann läuft das Obst über ein Förderband, wird aussortiert und gehäckselt. Der dadurch entstandene
Brei kommt in Edelstahltanks.
Reinzuchthefe dazu und dann langsam gären lassen. Die eigentliche
Brenndauer pro Brand liegt bei zirka zweieinhalb Stunden. Dabei entsteht der sogenannte Vorlauf, der
stechend riecht und abgeschieden
wird, ebenso der Nachlauf, der Fuselöle enthält. Verwendet wird nur
der Mittellauf. Somit entstehen aus
einem Hektoliter Maische gerade
mal fünf bis 5,5 Liter Reinalkohol
für den Obstler oder vier Liter Alkohol für den Williams. Die Brenner in Deutschland unterliegen ähnlich den Bierbrauern einem Reinheitsgebot. In Südtirol oder in Österreich sind die Auflagen nicht so
streng. Dort dürfen Aromen und
Zucker beigemischt werden. Deshalb sind die Schnapsprodukte aus
den Nachbarländern etwas süßer
Foto: Matthias Becker
Jürgen Spieler in der Edelobstbrennerei in Oberried bei Heimenkirch.
oder duften stärker, was viele Kunden schätzen.
Apropos Kunden: „Wir haben
noch nie Werbung gemacht“, freut
sich Jürgen Spieler. Vielmehr würden die Produkte für sich sprechen.
2008 hatte er vom Vater den ganzen
Hof samt zweier Brennrechte übernommen. „Qualität ist die beste
Werbung“, sagt auch Konrad Spieler. Und so sind die 600 Liter Edelbrand, die die Spielers pro Jahr herstellen dürfen, immer schnell verkauft. Auch wenn sie zum Teil das
Doppelte kosten wie die Massenware bei den Discountern. Neben vielen treuen Privatpersonen nehmen
auch etliche Gastwirte und Hoteliers
die Spieler-Produkte ab, zu denen
neuerdings auch Liköre zählen.
Milchviehhaltung aufgegeben
Dort wo jetzt Vater und Sohn über
die Kunst des Obstbrennens reden,
standen vor zweieinhalb Jahren
noch Kühe. Aber Jürgen Spieler hat
die Milchviehhaltung aufgegeben.
Der alte Stall wurde 2011 aufwendig
umgebaut, eine moderne Brennanlage angeschafft und ein Präsentierund Verkaufsraum gestaltet. Das
heißt aber nicht, dass der Betrieb
nur noch vom Schnaps lebt. Er steht
vielmehr auf mehreren Beinen. Neben der Brennerei, die ein reines
Saisongeschäft ist, hat der Hof noch
40 Stück Jungvieh, die für das Programm „Prima Rind“ des Kemptener Lebensmittelhändlers Feneberg
gezüchtet werden. An Urlauber
werden Ferienwohnungen vermietet. Außerdem bewirtschaftet die
Familie einen eigenen Wald. Und
Jürgen Spieler ist auch aktiv im Maschinenring.
Der Spieler-Hof besteht seit
1830. Aus dem Jahr 1920 sind die
ersten Zollrechnungen vorhanden.
„Damals muss also mein Großvater
Deutsches Branntweinmonopol
● Ursprung Um die unkontrollierte
Herstellung und den Vertrieb von
Branntwein zu Beginn des 20. Jahrhunderts in geordnete Bahnen zu
lenken, gründete das Deutsche Reich
1922 die Reichsmonopolverwaltung
in Berlin. Sie hatte das staatliche Monopol zur Branntweinherstellung
durchzusetzen, vor allem, um gesundheitliche Gefahren der Bevölkerung
abzuwenden. Außerdem erhob sie die
Branntweinsteuer.
● Neugründung Nach dem Zweiten
Weltkrieg wurde die Einrichtung
1951 als Bundesmonopolverwaltung
für Branntwein mit Sitz in Offenbach
(Hessen) neu gegründet.
● Gesetz Das Branntweinmonopolgesetz aus dem Jahr 1922 wurde 1963
neu gefasst und 1991 erweitert. Es regelt die Herstellung und Reinigung
des Branntweins, die Einteilung der
Brennereien, die Brennrechte, die
Überwachung der Herstellung, Verwendung und Lieferung, die Preisgestaltung und die Erhebung von Steuern. Die Branntweinsteuer wird von
den Hauptzollämtern erhoben.
● Entwicklung Wegen des Europäischen Binnenmarktes ist das deutsche Branntweinmonopol umstritten.
Deshalb läuft das Monopol für Obstgemeinschaftsbrennereien zum 30.
September 2017 aus.
(wik)
mit dem Schnapsbrennen angefangen haben“, sagt Konrad Spieler.
Denn die Lizenz fürs Schnapsbrennen erteilte der Zoll. 1971 hat Konrad Spieler den Hof übernommen
und ein paar Jahre später mit der
Schnapsbrennerei erst mal aufgehört.
600 Brenner im Verband
Weil das Brennrecht, wenn es nicht
ausgeübt wird, nach zehn Jahren
verfällt, hat Spieler mit diesem
„Hobby“ in den 80er Jahren wieder
angefangen. Er engagierte sich sogar
als Schriftführer im Kleinbrennereiverband Lindau, der vom Bayerischen Bodensee bis zum oberbayerischen Schongau reicht und in dem
rund 600 Brenner organisiert sind.
Sohn Jürgen ist heute Vorsitzender dieses Verbandes und organisiert unter anderem Fortbildungsseminare. „Die sind ganz wichtig,
denn nur so können wir die Qualität
sicherstellen“, sagt der 43-Jährige.
Er lässt sich übrigens derzeit auch
als Edelbrand-Sommelier ausbilden,
also zu einem geprüften Fachmann
rund ums Schnapsherstellen – und
spielerisch genießen.