Applaus für Fidel

Keine Wahl
LEONHARD FOEGER/REUTERS
In Österreich wird am kommenden
Wochenende über einen neuen
­Bundespräsidenten abgestimmt.
Die politische »Elite« des Landes hat
sechs nur in Nuancen unterscheid­
bare Kandidaten nominiert.
Von Hellmuth Fellner
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Immer wieder Freital
Polen will an Ostgrenze
­mehr NATO-Truppen
Moskau. Einen Tag vor der heutigen
Sitzung des NATO-Russland-Rates
hat der Sprecher des russischen
Präsidenten in Moskau dem westlichen Militärbündnis vorgeworfen,
seine Truppen an der russischen
Grenze aufzustocken. Dmitri
Peskow sagte, die Aktivitäten der
Allianz stellten »eine Bedrohung
der nationalen Interessen und der
nationalen Sicherheit Russlands«
dar.
Unterdessen hat der polnische
Außenminister Witold Waszczykowski die Nato aufgefordert, ihre
militärische Präsenz an der Ostgrenze des Bündnisses erheblich
zu verstärken. Die 2014 beschlossene Unterstützung reichte nicht
mehr aus, erklärte Waszczykowski
am Dienstag in Warschau. Der
NATO-Russland-Rat soll erstmals
nach zwei Jahren Unterbrechung
am heutigen Mittwoch wieder in
Brüssel tagen.
(dpa/Reuters/jW)
Nach Sprengstoffanschlägen auf Flüchtlinge und Linke: Generalbundesanwalt geht
gegen mutmaßliche rechte Terrorzelle vor. Von Michael Merz
M
ARD-Journalist in
Türkei festgesetzt
BJÖRN KIETZMANN
Nährboden des Terrors: Einer von zahlreichen rechten Aufmärschen im sächsischen Freital 2015
der örtlichen CDU lediglich bescheinigt, »dem Ruf von Freital damit nachhaltig geschadet« zu haben.
Nur drei der vielen Attacken – zwei
auf Asylbewerberunterkünfte und eine
auf ein linkes Wohnprojekt in Dresden –
werden den jetzt Festgenommenen im
Alter von 18 bis 39 Jahren zur Last gelegt. In einem der Fälle wird auch dem
Verdacht auf versuchten Mord nachgegangen. »In welchem Umfang der
rechtsterroristischen Vereinigung noch
weitere Anschläge zuzurechnen sind,
bleibt den weiteren Ermittlungen vorbehalten«, sagte die Bundesanwaltschafts
sprecherin, Frauke Köhler, gegenüber
Reuters. Karlsruhe ermittelt offiziell
erst seit einer Woche. Vorher war die
Generalstaatsanwaltschaft Sachsen zuständig. Diese habe den Fall nicht – wie
üblich – von sich aus dem Generalbundesanwalt als Terrorverdachtsfall vorgelegt, so ARD-Terrorismusexperte Holger Schmidt. Die Bundesanwaltschaft
habe die Akten erst anfordern müssen
und das Verfahren schließlich an sich
gezogen, dies sei »politisch brisant«.
Die Landtagsabgeordnete Kerstin
Köditz (Linke) wies bereits in mehreren parlamentarischen Anfragen auf
die Gefahr der Bürgerwehr hin. Trotz
belegbarer Vorwürfe sei nie über ein
Verbot nachgedacht worden, sagte sie
am Dienstag. »Hier hätte viel eher eingeschritten werden müssen, noch bevor es zu Anschlägen kommt.« Für die
Linke-Bundestagsabgeordnete Martina
Renner ist klar, dass nun mögliche Unterstützernetzwerke ins Visier rücken
müssen: »Rechter Terror entsteht vor
dem Hintergrund einer breiten gesellschaftlichen Zustimmung zu Rassismus
und kann nur erfolgreich gestoppt werden, wenn auch die Strukturen im Hintergrund bekämpft werden.«
Dass nun endgültig Ruhe einkehrt in
der Kleinstadt, möchte der Linke-Ortsvorsitzende Jörg Kühnast gern glauben,
wie er im Gespräch mit jW am Dienstag sagte. Das sei zumindest kurz nach
den ersten Festnahmen im November
durchaus der Fall gewesen. »Doch nach
14 Tagen ging es wieder los mit den
Attacken auf unser Büro.«
Applaus für Fidel
Kommunistische Partei Kubas beendet VII. Parteitag. Führungsgremien sollen verjüngt werden
A
m gestrigen Dienstag mittag (Ortszeit) endete in Havanna der VII. Parteitag
der Kommunistischen Partei Kubas
(PCC) – wie Prensa Latina meldete
in Anwesenheit Fidel Castros. Der
Nachrichtenagentur zufolge begrüßten die rund 1.000 Delegierten und
knapp 300 Gäste den Revolutionsführer im Kongresszentrum »Palacio
de Convenciones« stehend und mit
lang anhaltendem Beifall. Vor dem
Abschlussbericht informierte das Präsidium über das Ergebnis der am Vorabend erfolgten Wahl der Mitglieder
des Zentralkomitees. Dieses höchste
Organ der PCC zwischen den Parteitagen hatte in seiner ersten Sitzung
am Dienstag vormittag aus seinen
Reihen das Politbüro sowie den Ersten und Zweiten Sekretär gewählt.
In seiner Eröffnungsrede am Sonnabend hatte Parteivorsitzender Raúl
Castro sich für eine Verjüngung der
wichtigen Gremien ausgesprochen.
Sein Vorschlag einer künftigen Altersobergrenze von 60 Jahren für die
Wählbarkeit in das Zentralkomitee
und eine Begrenzung des Mandats auf
maximal zwei Wahlperioden wurde
von den Delegierten positiv aufgenommen und zur weiteren Prüfung
empfohlen. Raúl Castro selbst bestätigte zudem erneut, dass er mit Ablauf
seiner zweiten Amtszeit als Präsident
im Jahr 2018 nicht erneut für die Position des Staats- und Regierungschefs
kandidieren werde.
Bis zum Abschluss des Parteitages
hatten die Delegierten in mehreren
Plenarsitzungen und vier Arbeitskommissionen den zentralen Rechenschaftsbericht und vier Dokumente
verabschiedet, die jetzt den 670.000
Mitgliedern der 54.500 Parteizellen
sowie den Gewerkschaften, dem Jugend- und dem Frauenverband und
weiteren sozialen Organisationen
des Landes zur Diskussion vorgelegt
werden. Inhaltlich geht es dabei um
konkrete Vorschläge für die Weiterentwicklung des sozialistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells,
einen Entwicklungsplan der Nation
bis zum Jahr 2030, die weitere Umsetzung der vor fünf Jahren beschlossenen 313 Leitlinien zur Modernisierung
aller Bereiche sowie den Herausforderungen und Aufgaben der politischen
Organisationen.
Volker Hermsdorf
BILDQUELLE
ehr als 200 Polizeibeamte,
darunter
Spezialeinheiten der GSG 9, haben am
Dienstag morgen in einer konzertierten
Aktion vier Männer und eine Frau in
Freital (Sachsen) festgenommen. Zeitgleich wurden mehrere Wohnungen
und Räume in Sachsen durchsucht, wie
die Bundesanwaltschaft Karlsruhe mitteilte. Dabei sei eine große Anzahl pyrotechnischer Sprengkörper gefunden
worden. Gegen die fünf Personen wird
wegen des Verdachts der Mitgliedschaft
in einer rechtsterroristischen Vereinigung ermittelt. Drei weitere Verdächtige sitzen bereits seit November in
U-Haft. Unter ihnen Timo S. und Patrick F. – sie sollen die Rädelsführer
der Gruppe gewesen sein, deren Ziel
Sprengstoffanschläge auf Asylbewerberunterkünfte und Wohnprojekte von
politisch Andersdenkenden gewesen
sein soll. Anzunehmen ist, dass die
Festgenommenen im Zusammenhang
mit der »Bürgerwehr FTL/360« stehen,
die es seit April 2015 gibt. Die Bundesanwaltschaft bezeichnet die mutmaßlichen Täter lediglich als »Gruppe
Freital«.
Immer wieder Freital. Die Liste
rassistischer Ausschreitungen, von Angriffen und Bedrohungen durch Neonazis und ihre Mitläufer ist seit dem
Frühsommer 2015 lang: Sprengstoffanschläge auf Wohnungen von Flüchtlingen, das Auto eines Linke-Stadtrats
oder das Bürgerbüro der Linkspartei,
daneben Brandstiftungen und Steinwürfe auf Fensterscheiben zuhauf. Verbale
Bedrohungen und Hasspostings im Internet nahezu täglich. Die Polizei offenbarte über Monate ein Bild der Hilfund Tatenlosigkeit. Menschen, die auf
den rechten Terror hinwiesen, bekamen
noch im November letzten Jahres von
Berlin. Die Türkei hat dem ARDKorrespondenten Volker Schwenck
(Foto) am Dienstag die Einreise
verweigert. Der Fernsehreporter sei
am Flughafen Istanbul festgesetzt
worden, teilte sein Sender, der Südwestrundfunk (SWR), in Stuttgart
mit. Der Deutsche JournalistenVerband (DJV) reagierte empört
auf das Vorgehen der türkischen
Behörden und verlangte die sofortige Freilassung Schwencks. Auch
das Auswärtige Amt schaltete sich
ein. Gründe für die Festsetzung
seien Schwenck zunächst nicht
genannt worden, erklärte der SWR.
Erst im vergangenen Monat musste
Spiegel online seinen IstanbulKorrespondenten Hasnain Kazim
aus dem Land abziehen, weil die
dortigen Behörden seine Presseakkreditierung nicht verlängern
wollten.
(AFP/jW)
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