Portraet R. Nagibulla aus HANDICAP 1.1-2015

Lebensläufe
Nach einem Unglück verlässt
Rahim Nagibulla und lacht. Err wird am Ende zweiein-
Rahim Nagibulla sein afghani-
halb Stunden mit Straßenbahn, Bus und U-Bahn unter-
sches Bergdorf. Er liegt viele
wegs sein. Doch so ärgerlich derr Zwischenfall auch ist,
err erzählt viel überr die Entschlossenheit von Rahim
Jahre in den Kliniken Kabuls
Nagibulla, derr derzeit fürr sein Ziel, die Paralympics
und riskiert anschließend sein
2016, trainiert. Vielleicht ist derr Streik
k aberr auch ein-
Leben für die Bundeswehr.
fach kein ernstes Problem fürr einen, von dem sein Ver-
Nun trainiert er für die Paralympics 2016 – wieder unter schwierigen Bedingungen. Ein
Porträt von Andreas Hinz.
Von Afghanistan nach Rio:
einscheff sagt: „Derr hat in seinem Leben schlimmere
Sachen erlebt, als alle Berlinerr zusammen.“
Die Leute wussten, dass es Minen gab
Ein paarr Tage späterr steht Rahim Nagibulla auff seine
Krücken gestützt in derr Türr seiner
Der lange Weg des
Rahim Nagibulla
Wohnung
g in Hennigsdorff bei Berlin. „Guten Tag“, sagt err freundlich. Die Stimme ein Kontrast zu
den ernsten Zügen, den tiefen
Kerben in seinem Gesicht. Sie
erinnert daran, dass Rahim Nagibulla erst 27 Jahre alt ist. Der
ei den ganzen S-Bahn-Streiks kann man es keinem ver-
B
junge Mann lebt in einerr bescheiden eingerichteten
übeln, wenn err nicht zum Training
g kommt“, ärgert sich
Zweiraumwohnung. Im Wohnzimmerr stehen eine große
Bernd Scheermesser. Derr Trainerr steht an derr Laufbahn
Couch und ein Flachbildfernseher, derr alte Rennroll-
des Sportforums in Berlin-Hohenschönhausen. Err hat die Arme
stuhl lehnt am Sofa. Eine Kanne Tee dampft auff dem
verschränkt und zuckt hilflos mit den Schultern. Neben ihm
Tisch. Das afghanische Nationalgetränk
k ist derr einzige
stoppt Rahim Nagibulla seinen Rennrollstuhl. Derr gebürtige
Bezug
g zu Rahim Nagibullas Heimat. „Ich stamme aus
Afghane ist extra früherr zum Training
g gekommen, um nicht vom
einem Dorff im Norden Afghanistans“, erzählt er.
S-Bahn Streik
k erwischt zu werden. „Ja, aberr wie kommst Du denn
„Ringsherum liegen Berge. Meine Eltern sind Bauern.
heute Abend nach Hause?“, fragt ihn Scheermesser. „Die strei-
Jederr bei uns hatte seine Aufgabe. Zu mirr sagten sie:
ken doch bis morgen früh.“ „Das klappt schon irgendwie. Wenn
‚Du hütest die Schafe’.“ Derr Junge warr viel mit den Tie-
nicht, dann fahre ich wiederr zurück
k und schlafe hier“, antwortet
ren draußen, in den Bergen rund ums Dorf. Bis err eines
„
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verliere Kraft durch die Kutscherei mit derr S-Bahn und derr Straßenbahn.“ Mit einem freundlichen „Salam“ grüßt err einen Landsmann. Einhundertvierzig
g afghanische Familien leben in Hennigsdorf, sie haben alle Kontakt miteinander. Werden ihm die BekannWenn der Fahrstuhl mal wieder streikt: Oftmals schleppt Rahim
Nagibulla seinen Rolli die Treppe hoch zum Bahnsteig
ten in Berlin nicht fehlen? „Im Leben muss man sich immerr entscheiden“, erklärt er. „Mein Ziel ist Rio 2016. Freunde gehen nicht
weg, aberr Ziele schon.“ Seinen Job bei derr Nachbarschaftshilfe
Tages auff eine Mine trat, da warr err acht Jahre alt. Derr Sprengkör-
hat err fürr den Sport bereits aufgegeben – err ist zielstrebig, das
perr zerfetzte ihm den Unterschenkel. „An den Moment kann ich
sagen alle, die ihn kennen.
mich nicht erinnern“, erzählt er. „Ich habe nurr ganz wenige Erinnerungen an den Tag. Ich weiß noch, dass ich im Krankenhaus
Ärzte bekamen Wunde nicht in den Griff
in Sar-i Pul wach geworden bin. Die konnten dort nurr das Not-
Derr Fahrstuhl hoch zurr S-Bahn ist kaputt, wiederr einmal. „Des-
wendigste machen, soviel, dass ich erst einmal überlebte.“ Die
halb will ich nach Berlin“, sagt Rahim Nagibulla kurz und schleppt
Leute im Dorff hätten gewusst, dass es Minen gab, die noch aus
den Rollstuhl die Treppe hoch. Err trägt das Gefährt mit einer
dem sowjetisch-afghanischen Krieg
g stammten, sagt er. Aberr nie-
Hand, mit derr anderen hält err sich am Geländerr fest. Als err in der
mand habe gewusst, wo die Sprengkörperr lagen. Nach Angaben
S-Bahn sitzt, erzählt er, dass err nach dem Minen-Unfall in eine
der zuständigen Koordinierungsstelle für Minenräumung,
Klinik
k nach Kabul kam. „Es warr ein Kinderkrankenhaus, die Ärzte
MACCA, ist Afghanistan eines derr am meisten mit Landminen
dort waren an solche Verletzungen gewöhnt. Viele Kinderr hatten
belasteten Länderr derr Welt. Rund 60 Menschen werden dort
Hand- und Beinprothesen.“ Rahim Nagibulla wurde immerr wie-
jeden Monat durch Minen getötet oderr verletzt.
derr operiert, wie oft weiß err nicht mehr, irgendwann habe err auf-
Rahim Nagibulla schaut zurr Uhrr an derr Wand, es ist kurz nach
gehört zu zählen. Insgesamt lag
g err acht Jahre in Kabul im Kran-
zwölff Uhr: „Ich muss los zum Training“, erklärt er. Err nimmt sich
kenhaus. „Die Ärzte haben die Verletzung
g nicht in den Griff
seine Krücken, die am Sofa lehnen, und holt die Sporttasche.
bekommen“, erklärt er. „Zuerst musste die Wunde zugehen,
Wenige Minuten späterr balanciert err überr die Sandhügel vorr sei-
damit ich ohne Schmerzen laufen konnte. Dann mussten die Pro-
nem Haus. Arbeiterr wühlen die Erde fürr eine neue Grünanlage
thesen gebaut werden. Aberr das hat nie geklappt, nach ein, zwei
auf. Rahim Nagibulla zerrt seinen Rollstuhl aus einem Metallcon-
Wochen warr das Bein immerr wiederr entzündet.“ Trotzdem hielt
tainerr und fährt damit zum Bahnhof. Err nimmt diesen Weg
g drei
err durch. Wie? Bislang
g saß err fast reglos in derr Bahn, nun bewegt
Mal die Woche, viel Fahrerei, manchmal bis zu drei Stunden lang.
err seinen Oberkörper, als wenn es ihn Mühe kostet, darüberr zu
Die übrigen Tage trainiert err zu Hause. „Ich will nach Berlin zie-
sprechen. „Die Operation ist die einzige Möglichkeit, die man
hen“, erzählt err unterwegs. „Dann kann ich mehrr trainieren. Ich
hat“, erklärt er. „Niemand weiß, ob es gut oderr schlecht wird.
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Aberr wenn einem das Leben die Möglichkeit gibt, warum dann
nicht probieren?“ Das Leben bot ihm schließlich eine neue Möglichkeit, da warr err fünfzehn Jahre alt. Deutsche Ärzte wurden auf
ihn aufmerksam und brachten den Jungen nach München, wo er
erfolgreich operiert wurde. Rahim Nagibullas Glück: Die Mediziner, die ihn in Kabul entdeckten, arbeiteten fürr den „Verein für
Afghanistan“. Die Organisation konnte bislang
g rund fünfhundert
Kindern helfen. Weitere Tausende und Abertausende müssten
aberr operiert werden, erklärt derr Geschäftsführerr des Vereins
Abdul Jalil Hekmat.
Von Kabul in die Dörfer: Rahim Nagibulla hat in Afghanistan für die Bundeswehr Kontakt zu den Einheimischen hergestellt
Die Angst kommt wieder
Err erinnert sich, dass es wenig
g Ver-
Die S-Bahn hält am Bahnhoff Bornholmerr Straße.
trauen zwischen den Ausländern
Rahim Nagibulla rollt zurr Tram-Station. Dort ste-
und den Afghanen gegeben habe.
hen Kontrolleure um eine Frau herum. „Sie müs-
„Es gibt heute viele Hilfsorganisa-
sen mich nicht anmachen“, schimpft sie. Ein
tionen in Afghanistan, deren Mitar-
Kontrolleurr erwidert: „Sie müssen mich auch
beiterr leben ganz normal. Wenn
nicht beschimpfen.“ Die Tram fährt ein. Rahim
Militärr vorr Ort ist, dann ist die Situa-
Nagibulla schiebt seinen Rollstuhl in eine Ecke
tion anders. Wirr waren immerr in
Gefahr.“ Den Soldaten musste er
derr Straßenbahn und setzt sich auff einen Fensterplatz. Draußen scheint die Sonne – wie
damals, als err nach München kam. „Es warr Frie-
Auf dem Weg: Sein großes Ziel ist die Teilnahme
an den Paralympics in Rio 2016
erklären, dass Kennzeichen wie
Bart und Turban nicht gleich „Terro-
den, alles warr in Ordnung“, erinnert err sich. „Es gab keinen Krieg,
rist“ bedeuteten, dass die Menschen seit Jahrhunderten so leb-
keine Panzer, keine Flugzeuge. In Afghanistan habe ich Angst,
ten. Und dass Panzerr keine Zeichen fürr Freundschaft seien. Man
dass ich auff eine Mine trete, wenn ich auff die Straße gehe. Aber
stattdessen die Waffen weglegen und freundlich sein müsse.
in Deutschland gibt es keine Minen auff derr Straße. Doch es
„Fahren Sie mal mit dem Panzerr auff den Alexanderplatz, da wer-
braucht lange Zeit, bis man die Angst verliert. Die kommt immer
den die Leute auch gucken“, sagt er. „Das ist dort nicht anders,
wieder.“ Derr Disput draußen an derr Haltestelle geht weiter, die
als hier“. Den Afghanen musste err im Gegenzug
g klarr machen,
Tram wartet. Rahim Nagibulla wird ungeduldig: „Das ist alles
dass sie sich von den gepanzerten Fahrzeugen fernhalten soll-
Zeit, die ich verliere“, sagt er. Dafürr erzählt err weiter, davon, wie
ten. Denn meist kamen viele Leute, wenn seine Kompanie
err in München Deutsch lernte. Schließlich warr err so gut, dass ihn
irgendwo anhielt. Die Gefahrr warr groß, dass dann etwas pas-
ein Bundeswehr-Offizierr als Sprachmittlerr fürr Afghanistan warb,
sierte.
unterr anderem fürr Missionen, bei denen err sein Leben riskieren
würde. Doch davon ahnte err zu dem Zeitpunkt noch nichts.
Die Taliban finden einen immer
So lange Rahim Nagibulla im Lagerr warr oderr in den gepanzerten
Auf Krücken durch die Berge
Fahrzeugen saß, warr err mehrr oderr wenigerr sicher, also täglich
Die Tram ruckt an, Aufatmen bei den Passagieren. „Eine meiner
von acht bis sechzehn Uhrr – seine Arbeitszeit. Doch anders als
Aufgaben in Afghanistan war, den Kontakt zu den Einheimischen
seine deutschen Kollegen musste err nach Feierabend das Lager
herzustellen“, erzählt er. „Ich fuhrr mit einerr Aufklärungskompa-
in Kabul verlassen und warr so ein potenzielles Taliban-Opfer.
nie von Kabul aus in die Dörfer. Jedes Mal betete man zu Gott
„Ich wusste, verstecken kann ich mich nicht, die finden mich
oderr zu Allah, dass man heil wiederr ins Lagerr zurückkehrte.“ Er
immer“, erzählt er. „Die registrierten, wohin man früh zurr Arbeit
wanderte auff Krücken mit den Soldaten durch die Berge, oft kilo-
fuhr. Aberr die Nachbarn sollten nicht wissen, dass ich fürr die
meterweit. „Wirr sind zu Fuß in die Dörfer, ohne die gepanzerten
Bundeswehrr oderr die NATO arbeitete.“ Nurr so würde err auch
Fahrzeuge. Wirr wollten ja mit den Menschen reden“, erzählt er.
künftig
g unbehelligt in Afghanistan leben können, das warr ihm
Err ging
g in die Orte und fragte, wie man helfen könne. Erklärte,
klar. Err wechselte unzählige Male seine Unterkunft. „Man kann
dass die deutschen Soldaten Brunnen und Schulen bauen könn-
sich ein, zwei Wochen verstecken, aberr danach kriegen die Leute
ten. „Man wusste nie, was auff einen zukam. Wirr waren ja immer
raus, fürr wen man arbeitet“, erklärt er. „Das Problem ist, dass
die Ersten, die in die Dörferr gegangen sind. Wenn da etwas pas-
wirr überall im Land gearbeitet haben. Deshalb ist es auch falsch,
siert wäre, wären meine Begleiterr und ich zuerst dran gewesen.“
wenn die Politikerr in Deutschland sagen, die afghanischen
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Junge Männerr in Trainingsanzügen und mit breiten
Schultern schlendern überr das Gelände. Vorr einem
zehnstöckigen Gebäude wehen weiße Fahnen mit
derr Aufschrift „Olympia-Stützpunkt“. Rahim Nagibulla erzählt vom Feldlazarett in Masar-i-Scharif, wo
err zum Schluss arbeitete. Dort drohte sich derr Albtraum seinerr Jugendtage zu wiederholen: Das Bein
entzündete sich erneut. Err fragte bei derr Bundeswehrr wegen einerr Operation nach, aberr seine Bitte
Lebenseinstellung: „Freunde gehen nicht weg, aber Ziele schon“, sagt der 27-jährige
Rahim Nagibulla
wurde abgelehnt. Rahim Nagibulla wusste, was das
bedeutet: Err musste wiederr in eines derr afghani-
Helferr sollen einfach in einen anderen Teil des Landes gehen. Die
schen Krankenhäuser, in eine derr Kliniken, die ihm schon einmal
Leute dort kriegen immerr raus, wo wirr waren. Das wird schnell
nicht helfen konnten. „Die Absage, die warr schon hart“, erzählt
bekannt.“ Viele derr ehemaligen sogenannten „Ortskräfte“ fürch-
er. „Ich warr froh, dass ich fürr die Bundeswehrr arbeiten durfte.
ten nun Racheakte derr Aufständischen. Während Amerikaner
Aberr das warr sehrr hart. Von 2005 bis 2008 waren wirr zusammen.
und Kanadierr großzügige Ausreiseprogramme fürr ihre Helferr ein-
Zwei bis drei Mal die Woche flog
g ein Flugzeug. Es wäre egal gewe-
richteten, verhält sich Deutschland bislang
g eherr zurückhaltend.
sen, ob ich da mitfliege oderr nicht.“ Man merkt ihm noch heute
Mehrr als 1.100 Asylanträge wegen Gefährdung
g im Heimatland
die Enttäuschung
g an. Im Lazarett hatte err Glück
k im Unglück: Er
wurden bislang
g von Ortskräften gestellt, überr die Hälfte der
freundete sich mit einem deutschen Arzt an. „Das warr die einzige
Anträge wurde abgelehnt. Zahlreiche Helferr wendeten sich nun
Person, die mich aus Afghanistan gerettet hat“, sagt Rahim Nagi-
in einem Brieff an die deutschen Behörden. Sie beschrieben
bulla. „Ohne seine Hilfe hätte ich keine Chance gehabt, wieder
darin, wie sich ihre Lage von Tag
g zu Tag
g verschlimmere und erin-
nach Deutschland zu kommen.“
nerten unterr anderem an die Ermordung
g eines Übersetzers, der
fürr die Bundeswehrr gearbeitet hatte, sowie an den Angrifff auf
Der Krieg ist näher, als man denkt
eine Dolmetscherin.
Derr Medizinerr arbeitet im Bundeswehr-Krankenhaus in Berlin
und warr bislang
g fürr vierr Einsätze in Masar-i-Scharif. Sein Name
Die Person, die mich rettete
darff aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden. Ein mit ihm
Die Straßenbahn hält am Sportforum Hohenschönhausen, der
vereinbartes Interview fällt beinahe aus, zum verabredeten Ter-
zweitwichtigsten Trainingsstätte Berlins. Rahim Nagibulla fährt
min steht eine Schwesterr vorr dem Ärztezimmer, schüttelt den
überr holprige Gehwegplatten zurr Laufbahn. Derr Weg
g zieht sich.
Kopff und erklärt: „Derr Doktorr ist in einerr Not-OP. Trinken Sie mal
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drei Kaffee, das kann dauern.“ In derr Cafeteria zeigt
sich dann, dass Kriege, wie etwa in Afghanistan, nicht
so weit weg
g sind, wie es scheint. An den Tischen sitzen
junge Soldaten, aberr auch Familien, die Arabisch sprechen, sogarr Ukrainisch ist zu hören. „Wirr haben Ukrainerr hier, Syrerr und Libyer“, erklärt derr Arzt, als err aus
derr OP kommt. „Immerr wenn die Bundesrepublik
k im
Rahmen humanitärerr Hilfe Verletzten hilft, wird die
Arbeit auff die Bundeswehrkrankenhäuserr aufgeteilt.“
Err setzt sich in ein leeres Patientenzimmer, helle
Wände, Behandlungsbetten. Derr Raum könnte so auch
in Masar-i-Schariff stehen. „Ich warr dort im Container
Ein gutes Team: Trainer Bernd Scheermesser und Rahim Nagibulla
eingesetzt und fürr den operativen Teil zuständig, habe
die Unfälle versorgt“, erzählt er. „Das Lagerr habe ich nicht ver-
setzungen, um da mitzufahren“, erklärt er. „Entscheidend ist,
lassen, das warr hermetisch abgeriegelt. Es gab einen zweihun-
wie sich Kraft und Ausdauerr entwickeln. Und bei derr Technik
k hat
dert Meterr breiten Schutzwall, derr gegen alles ausgelegt war.
err noch Reserven.“ International liegt sein Schützling
g derzeit
Gegen gefährliche Tiere und Sprengstoffanschläge.“ Rahim
etwa auff Platz acht bis zehn. Bei den Paralympics streben die
Nagibulla habe im Lazarett zwischen derr einheimischen Bevöl-
Beiden Platz drei bis fünff an. „Und die Arme hoch! Hoch! Hoch!“,
kerung
g und den Ärzten und Schwestern vermittelt, erinnert er
ruft Bernd Scheermesserr überr den Platz. „Ja, sehrr gut, komm!
sich. Schließlich habe ihn derr Dolmetscherr immerr wiederr wegen
Komm!“ Rahim Nagibullas Traum wäre die Goldmedaille bei den
seinerr Prothese angesprochen. „Ich habe dann zwei Firmen
Paralympics. „Wenn wirr die letzten Zehntel rausholen wollen,
gefragt: ‚Sagt mal, könnt ihrr dem nicht helfen?’“, erzählt er. „Und
dann muss das Material stimmen“, erklärt derr Trainer. Das Mate-
die haben dann die OP organisiert.“ Err selbst schickte die Einla-
rial stimmt derzeit offenbarr nurr bei „den Schweizern“, wie die
dung
g und kümmerte sich um die Krankenversicherung. Ein Vier-
starken Gegnerr von Rahim Nagibulla hierr nurr respektvoll genannt
teljahrr späterr habe Rahim Nagibulla auff dem Flughafen Tegel
werden. „Ich habe unsere Ersatzteile mit dem Vereinscheff Ralf
gestanden. „Dann ging
g es mit derr Prothesenversorgung
g los.
Otto durchgesehen“, erzählt Bernd Scheermesser. „Wirr haben
Eigentlich hätte err danach zurück
k nach Afghanistan gemusst,
noch Einiges, aberr das ist alles alt. Die Schweizerr haben ein
aberr da hatte err schon einen Asylantrag
g gestellt.“ Rahim Nagi-
Material, dagegen ist unserr Zeug
g nischt.“
k hatte, err kennt die Berichte der
bulla weiß, was err fürr ein Glück
afghanischen Bekannten. „Jederr versucht zurzeit aus dem Land
Materialengpässe individuell umschiffen
zu kommen“, erzählt er. „Immerr noch ist dort niemand sicher.
Dr. Ralff Otto, Präsident des Paralympischen Sport Clubs (PSC)
Viele kommen mit Schleusern und verlieren unterwegs ihrr Leben.
Berlin, sitzt genau am anderen Ende derr Stadt, am Olympiage-
Es ist schwierig, hierherr zu kommen.“
lände, dem wichtigsten Berlinerr Trainingszentrum. Derr Mittfünfzigerr ist ein jugendlicherr Typ mit strubbeligen Locken und Bart.
Kampf gegen „die Schweizer“
Err steht in derr Nähe des Olympiastadions unterr dem Dach eines
Rahim Nagibulla rollt zu derr Bank, auff derr sein Trainerr Bernd
Imbisswagens, es regnet. Ein paarr tiefe Falten haben sich in sein
Scheermesserr sitzt. „Wo haben Sie denn das neue Rad gefun-
Gesicht gegraben, die ihn zwarr nicht alt wirken lassen, die aber
den?“, fragt err ihn, während err sich umzieht. Vorr dem letzten
eine Ahnung
g davon vermitteln, was es heißt, einen Verein für
Training
g hatte Rahim Nagibulla einige Tage pausieren müssen,
Spitzensportlerr mit Handicap zu leiten. Und seine Falten werden
nachdem derr Vorderreifen seines Rennrollstuhls geplatzt warr –
noch ein bisschen tiefer, als err übers Geld redet. „Wirr haben
beim Berlin-Marathon, drei Kilometerr vorr dem Ziel. „Ich hab’ im
keine Sponsoren und keine Mitgliedsbeiträge“, erklärt er. „Wir
Schuppen einen alten Rollstuhl gefunden, ohne Räder“, antwor-
leben von Anträgen und Veranstaltungen. Und es gibt Firmen,
tet derr Trainer. „Nurr das vorne warr noch dran. Das habe ich erst
die sich immerr mal um einzelne Sportlerr kümmern.“ Wie löst er
mal genommen.“ Rahim Nagibulla rollt auff die Tartanbahn. Bernd
da die Materialengpässe? „Das ist schwierig“, sagt er. „Nehmen
Scheermesserr stützt sich mit den Händen auff derr Sitzfläche der
wirr Rahims Reifen, derr neulich geplatzt ist. Ein Reifen kostet 110
Bank
k ab, den Oberkörperr leicht nach vorn gebeugt und beobach-
Euro und es gibt sie nicht in Deutschland zu kaufen. Wegen der
tet seinen Schützling. „Wirr haben uns fürr Rio auff die 400 und die
hohen Zollkosten muss ich dann gleich zehn Stück
k bestellen und
800 Meterr festgelegt und wollen die auch durchziehen. Die Spit-
eintausend Euro in die Hand nehmen. Die Schweizer, die haben
zenathleten sind ganz schön stark, aberr Rahim hat alle Voraus-
Hallen, da hängen einhundertfünfzig
g Schläuche.“ Nun hat er
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Buhlen um konkurrenzfähiges Material
und Sponsoren: Dr.
Ralf Otto, Präsident
des PSC Berlin, setzt
auch auf die gezielte
Hilfe einzelner Unternehmen
Feilen an der Technik: Rahim Nagibulla und sein Trainer Bernd
Scheermesser haben sich auf die schwierigen Herausforderungen
des 400- und 800-Meter-Laufs im Rennrollstuhl festgelegt
einen Reifenherstellerr angeschrieben, ob err das Material nicht
das Training
g bei richtig
g schlechtem Wetterr unterbrechen. Rahim
sponsern könne. Einem Läuferr hat err so schon Prothesen für
Nagibulla zieht unterdessen einsam seine Runden. Sein Weg
g war
sechzigtausend Euro organisiert. Ralff Otto setzt auff diese
bislang
g nie leicht, Wind und Wetterr werden ihn nicht aufhalten.
gezielte Hilfe, statt auff große Geldbeträge zu warten. Vielleicht
Text und Fotos: Andreas Hinz
bekommen sie so auch das neue Material fürr Rahim Nagibulla.
Auskünfte im Internet: www.pscberlin.de,
Err nimmt einen Schluck
k Kaffee aus einem Plastikbecherr und ver-
www.idm-leichtathletik.de, www.dbs-npc.de
gräbt seine Fäuste in den Hosentaschen, es ist kalt geworden.
„Rahim Nagibulla muss nicht Paralympics-Siegerr werden“,
erklärt er. „Err hat die Chance, teilzunehmen und die nutzt er. Ich
habe viele Talente gesehen, die es nicht geschafft haben oder
die abgestürzt sind. Die sitzen jetzt mit Übergewicht im Rollstuhl. Die haben einfach die Chance nicht gesehen.“
Der Trainer Bernd Scheermesser steht an derr Laufbahn in BerlinHohenschönhausen. Es regnet leicht. „Wirr müssen zurzeit draußen trainieren, die bauen die Halle um“, erklärt er. „Fürr die Rollstuhlfahrerr ist das eine Katastrophe.“ Bis sie wiederr in die Halle
können, wird es noch eine Weile dauern. Bis dahin müssen sie
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Nutzt seine Chancen: Rahim Nagibulla trainiert jede Runde für Rio