Prof. Dr. E. - W. Luthe, Fakultät Soziale Arbeit Stand 2016 Berechnungen mit jeweils neuen Regelleistungen, aktualisiert im Januar 2016 durch Bastian Nyhoegen, B.A. Fälle zum Fürsorgerecht (SGB II und SGB XII) Inhalt: Seitenzahl . Einführung 4 . Zuordnung des Personenkreises 8 Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) . Berthold 10 Unter 25- Jährige, gesetzlicher Übergang von Unterhaltsansprüchen, Ersatzanspruch, Eingliederungsmaßnahmen, Leistungswegfall) . Happy Family 14 (Bedarfsgemeinschaft) . Lotte 17 (Kombilohn, Nachrang, Bereinigung des Einkommens, Angemessenheit Der Wohnung, Fortzahlung der Miete, Schonvermögen) . Pit 24 (Sanktionen, Vermögensminderung, Rechtsschutzmöglichkeiten) Sozialhilfe(SGB XII) . Hilde 29 (Eingliederungshilfe, anrechenbares Einkommen, Vermögen, Härterfall, Mehrbedarf) . Otto 34 ( Hilfe in besonderen Lebenslagen, Leistungsausschluss, originäre KrankenHilfe, Zuständigkeit) . Peter 43 (Einkommenseinsatz, Schonbetrag, Zuständigkeit) . Eingliederungsleistungen nach dem SGB II 47 . Prüfungsschema Fürsorgerecht 54 Luthe, IRS 2 . Anhang I „Bedarf“ 58 . Anhang II §§ 57, 58 SGB IX 59 . Anhang III Individualisierungsgrundsatz 60 . Anhang IV Zuordnung SGB II / XII 61 . Anhang V Sonderbedarfe 62 . Anhang VI Freibetrag wg. Erwerbstätigkeit 63 . Anhang VII vom Bürger zum „Hartzer“ 64 . Anhang VII Anspruchsübergang / Grundsicherung 65 . Anhang IX Regelbedarfe 66 . Anhang X §87 Zumutbarkeit 67 . Anhang XI „Die Job – Bilanz“ 68 Luthe, IRS 3 Einführung 1. Das alte System: Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe - „Gerechtigkeitslücke“ Das SGB II wurde eingeführt, um eine Gerechtigkeitslücke zu beseitigen (näher dazu Luthe, siehe irs-bs.de, Service aktuell, „Gleichheitsprobleme mit Hartz IV“). Bis Ende 2004 bezogen Dauerarbeitslose nach Bezug des Arbeitslosengeldes I unbefristet die sog. Arbeitslosenhilfe. Sie waren gegenüber den damaligen Sozialhilfeempfängern privilegiert: Arbeitslosenhilfeleistungen orientierten sich nicht an einem einheitlichen Bedarf, sondern am früheren Einkommen des Leistungsempfängers. Vermögen wurde nicht auf die Leistung angerechnet. Angehörige wurden nicht herangezogen. Nicht zuletzt wurde bei der Erwerbsverpflichtung des Arbeitslosenhilfebeziehers noch auf den vorherigen Beruf Rücksicht genommen; dagegen musste bspw. der Sozialhilfe empfangende Ingenieur jede nur erdenkliche Arbeit oder Arbeitsgelegenheit wahrnehmen. Für diese Ungleichbehandlung von Arbeitslosenhilfebeziehern und Sozialhilfebeziehern aber gab es keinen vernünftigen Grund. Denn ebenso wie die Sozialhilfe wurde die Arbeitslosenhilfe nicht aus Sozialversicherungsbeiträgen, sondern aus Steuern finanziert. Eigentumsähnliche Ansprüche wie etwa bei Beziehern von Arbeitslosengeld I oder Altersrente konnten bei der Arbeitslosenhilfe somit nicht entstehen. Es versteht sich fast von selbst, dass Zeiten der Arbeitslosigkeit durch die Annehmlichkeiten der Arbeitslosenhilfe künstlich verlängert wurden; man hatte es sich in diesem System bequem eingerichtet. Damit ist seit 2005 endlich Schluss. „Hartz IV“ hat die Arbeitslosenhilfe abgeschafft, alle erwerbsfähigen Arbeitslosen (teilweise nach Bezug von Arbeitslosengeld I) und ihre Angehörigen ins SGB II und alle NichtErwerbsfähigen ins SGB XII überführt. 2. Verfassungsrecht auf Existenzsicherung In seiner populären Entscheidung vom 9.2.2010 zum Existenzminimum (zur Entwicklung der Rechts auf Existenzminimum siehe Luthe, in Hauck/Noftz/Luthe, Komm. zum SGB XII, Einführung – E 010, Rz 1 – 25) hat das Bundesverfassungsgericht erstmalig ein einklagbares Verfassungsrecht des Bürgers auf Sicherung seiner Existenz aus dem Menschenwürdeprinzip in Verbindung mit dem Sozialstaatsgrundsatz anerkannt (Art. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG). Damit kann der Bürger sogar Parlamentsgesetze zu Fall bringen, also insbesondere auch Regelungen im SGB II - wie geschehen. Allerdings sagt dieses Recht nichts aus zu Art und Höhe Luthe, IRS 4 der staatlicherseits zu gewährenden Leistung. Dies fällt nach wie vor in den Verantwortungsbereich des Parlaments. Das Bundesverfassungsgericht hat nur bestimmte Anforderungen an den Prozess der Gesetzgebung formuliert. So muss der Gesetzgeber vor allem genaue Ermittlungen über die Armutsproblematik und die erforderlichen Bedarfs der Bürger anstellen; zudem hat er seine Entscheidungen nachvollziehbar zu begründen. Sind diese Anforderungen gewahrt, ist er kraft des Demokratieprinzips bei der näheren gesetzlichen Ausgestaltung des Existenzminimums frei. 3. Grundsätze der öffentlichen Fürsorge Rechtliche Grundsätze dienen dem näheren Verständnis des Gesetzes und seiner korrekten Anwendung (näher zu den Grundsätzen des Fürsorgerechts Luthe/Dittmar, Fürsorgerecht, 2. Aufl. 2007, S. 45-53, 240-244). Denn häufig ist das Gesetz unbestimmt und muss ausgelegt werden. Ermessens und bei den unbestimmten Dies gilt vor allem im Bereich des Rechtsbegriffen. Insbesondere die vorleistungsunabhängig erbrachten Fürsorgeleistungen, die nicht (wie bspw. die Altersrente) der Lebensstandardsicherung durch vorsorgende Beitragsentrichtung dienen, sondern nur ein aktuell vorliegendes soziales Problem auf bescheidenem Leistungsniveau beseitigen oder abmildern wollen , kennen folgende Grundprinzipien: Bedarfsdeckungsgrundsatz: „Der vorhandene Bedarf muss lückenlos gedeckt werden.“ Dieser Satz bringt an sich Selbstverständliches zum Ausdruck, ist in der Umsetzung jedoch nicht immer einfach. Denn häufig ist der Bedarf unklar. Dies kann zum einen daran liegen, dass das Gesetz offene Formulierungen aufweist und hinsichtlich seiner Leistungen interpretiert werden muss, zum anderen daran, dass die Sachlage – das jeweilige soziale Problem – im Einzelfall schwierig zu ermitteln ist. Die Ermittlung der Sachlage erfolgt in der Verwaltungspraxis typischerweise durch den Sozialarbeiter (oder auch durch Ärzte oder Psychologen; vgl. §§ 20, 21 SGB X). Dieser aber muss das Gesetz genau kennen; denn er ermittelt stets im Hinblick auf Sozialleistungsansprüche des Bürgers, niemals also einfach ins Blaue hinein. So kommt es zu einer Wechselwirkung zwischen Gesetzesnorm und Sachlage. Der Bedarfsdeckungsgrundsatz verdeutlicht diese Verschränkung von Norm und Tatsache; er ist insofern ein heuristisches Prinzip. Luthe, IRS 5 Subsidiaritätsprinzip (bspw. § 2 SGB XII; §§ 2, 3 Abs. 3, 5, 9 SGB II): „Die staatliche Leistung ist stets nachrangig gegenüber eigenen Möglichkeiten der Selbsthilfe“ (auch Nachranggrundsatz). Selbsthilfemöglichkeiten können sein -eigenes Einkommen und Vermögen - eigene Erwerbstätigkeit - Hilfe von anderen Personen (bspw. Unterhaltsverpflichtete) - Hilfe von vorrangig verpflichteten Sozialleistungsträgern (bspw. Rentenversicherung oder Krankenversicherung). Das Subsidiaritätsprinzip wird aber auch institutionell verwendet, als Vorrang privater Hilfe gegenüber staatlicher Hilfe (vgl. ansatzweise bspw. § 17 Abs. 1 SGB II, § 5 SGB XII). Vor allem die Freie Wohlfahrtspflege beruft sich gern auf diesen Grundsatz – nach dem Motto „Ihr gebt das Geld, wir bestimmen, was damit gemacht wird.“ Dieser Auffassung wurden aber glücklicherweise bereits in den 1960er Jahren durch das Bundesverfassungsgericht Grenzen gesetzt: Das Bestimmungsrecht über das „Ob“ und „Wie“ der Aufgabenerfüllung liegt beim Staat – auch dann, wenn er die Leistungen durch beauftragte „Leistungserbringer“, also private Sozialunternehmen wie diejenigen der Freien Wohlfahrtspflege ausführen lässt. Individualisierungsgrundsatz (§ 33 SGB I, § 9 SGB XII): Bei der Anwendung des Rechts und der Ermittlung der Leistung soll man die persönlichen Verhältnissen des Betroffenen und in gewissen Grenzen auch dessen Wünsche – mithin den Einzelfall berücksichtigen. Der Individualisierungsgrundsatz macht sehr viel Sinn; man kann die Betroffenen regelmäßig nur dort erreichen wo sie jeweils stehen: Schematisches Verwaltungshandeln kommt hier nicht zum Ziel, läuft an den Problemen vorbei. Auch hier zeigt sich wieder (s.o.), dass der zumeist im Außendienst tätige Sozialarbeiter die Problemlage genau ermitteln muss, um den gesetzlichen Leistungsanspruch des Betroffenen auslösen und um sodann im Einzelfall wirksam intervenieren zu können. Die Verwaltungspraxis läuft leider häufig genau in die falsche Richtung – und wird dadurch vor Gericht angreifbar (Stichwort „Textbausteine“, schematisch angewandte Verwaltungsvorschriften, Kostenerwägungen als Grund für einen gezielt „unscharfen Blick“ auf die Bedarfslage). Luthe, IRS 6 Pauschalierte Bedarfsdeckung: Im Bereich der reinen Versorgungsleistungen (also Ernährung, Unterkunft, Bekleidung usw.) ist der Gesetzgeber seit 2005 auf eine dem Individualisierungsgrundsatz zuwider laufende Bedarfsdeckung durch Pauschalleistungen umgestiegen. Dies bedeutet: Die Leistungsempfänger müssen haushalten und für größere Anschaffungen ggf. ansparen; weitere Leistungen außerhalb der Pauschale gibt es nur ausnahmsweise und auch nur auf Darlehensbasis (§§ 24 SGB II, 37 SGB XII). Auf den Individualisierungsgrundsatz kommt es heute deshalb weniger bei den Versorgungsleistungen, dagegen vor allem bei den therapeutischen, medizinischen oder pädagogischen „Maßnahmen“ etwa für Behinderte, Pflegebedürftige, Schwererziehbare an. Fördern und Fordern: Diesen Grundsatz gibt es nur im SGB II (§§ 1 und 2). Beim Grundsatz des Förderns (in § 1) handelt es sich um einen Appell an die Leistungsträger, der Unterstützungsaufgabe des § 14 SGB II durch ein kompetentes Fallmanagement (§ 15) und die Gewährung von Arbeitsanreizen (Freibeträge bei Erwerbstätigkeit, Kinderbetreuung) gewissenhaft nachzukommen. Konzepte nach USamerikanischem Vorbild, für die allein ein größerer Abstand zwischen Arbeitseinkommen und Leistungen Ausstiege aus der staatlichen Hilfe zur Folge hat, werden damit verworfen. Der Grundsatz des Forderns (in § 2) setzt gezielt auf die Beeinflussung der Motivation des Leistungsempfängers und der sonstigen Bedarfsgemeinschaftsmitglieder durch den in § 2 statuierten Vorrang eigener Erwerbstätigkeit vor staatlicher Hilfe, die Verpflichtung zur Aufnahme jeder zumutbaren Erwerbstätigkeit (§§ 9, 10), den vorrangigen Einsatz von Einkommen und Vermögen (§§ 9, 11, 12), die Bindung des Hilfebedürftigen an die Festsetzung der Eingliederungsvereinbarung (§ 15) und die Sanktionen bei Arbeitsverweigerung (§§ 31-32). Kleiner Tipp: Schauen Sie mal bei juris `rein und lassen Sie sich in der Bibliothek einloggen – auch für Hausarbeiten außerhalb der Rechtsfächer teilweise sehr brauchbar. Luthe, IRS 7 Übersicht zur Zuordnung des Personenkreises I. Leistungen des SGB II a) Unterhaltsleistungen: - Arbeitslosengeld II: Für erwerbsfähige Personen (§§ 7 Abs. 1, 8 , 19 SGB II). - Sozialgeld: Für mit einer erwerbsfähigen Person in Bedarfsgemeinschaft lebende, nicht erwerbsfähige Hilfsbedürftige, es sei denn, sie haben einen Anspruch auf Grundsicherung für Ältere und dauerhaft Erwerbsgeminderte (§ 7 Abs. 3, 23 SGB II, 41 SGB XII). - Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld auch für Personen, die voraussichtlich weniger als 6 Monate im Krankenhaus sowie Personen, die in einer stationären Einrichtung untergebracht sind und mindestens 15 Std. Wöchentlich erwerbstätig sind (§ 7 Abs. 4 SGB II). b) Leistungen zur Eingliederung in Arbeit: - Vorgenannte Personen (§§ 3, 14 – 18 SGB II; siehe am Ende dieses Skripts). II. Leistungen des SGB XII a) Unterhaltsleistungen: Hilfe zum Lebensunterhalt: Für nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige es sei denn, sie leben in einer Bedarfsgemeinschaft mit einer erwerbsfähigen Person (§§ 27 ff. SGB XII). Grundsicherung für Ältere und dauerhaft Erwerbsunfähige: Für Personen mit dauerhafter Erwerbsminderung und ab dem 65. Lebensjahr (§ 41 SGB XII; hier kein Sozialgeld nach SGB II, s.o.) Hilfe zum Lebensunterhalt auch für Ausländer ohne Arbeitserlaubnis (§ 8 Abs. 2 SGB II). Unterhaltsleistungen des SGB XII beziehen ferner die nach § 7 SGB II vom SGB II ausgeschlossenen Personen, insbesondere: - In Einrichtungen stationär Untergebrachte (§ 7 Abs. 4; länger als 6 Monate Luthe, IRS 8 s.o.). - Bezieher von Altersrenten, Knappschaftsausgleichsleistungen und ähnlichen Leistungen (§ 7 Abs. 4; hier ergänzende SGB XII – Leistungen).1 - Nicht erreichbare Personen sowie Auszubildende (§ 7 Abs. 4 a und 5 SGB II) erhalten dagegen überhaupt keine Leistungen. Der Ausschluss von Personen aus dem Leistungsbezug bedeutet jedoch nicht, dass diese nicht mehr zur Bedarfsgemeinschaft gehören ! b) Besondere Leistungen des Fünften bis neunten Kapitels: (§§ 47 – 74 SGB XII: Hilfen zur Gesundheit, Eingliederungshilfe für Behinderte, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten, Hilfe in anderen Lebenslagen) : Allgemein für Leistungsempfänger von Hilfe zu Lebensunterhalt sowie Grundsicherung für Alte und Erwerbsgeminderte Für Personen, die zwar ihren Lebensunterhalt bestreiten können, ansonsten aber nicht die Besonderen Leistungen Für Personen, die Unterhaltsleistungen nach dem SGB II beziehen, deren Bedarf allein durch Leistungen des SGB II aber nicht ausreichend gedeckt ist.2 Merke: Nach §§ 3 Abs. 3, 5 SGB II und § 21 SGB XII können Empfänger von Unterhaltsleistungen des SGB II keine weiteren, ergänzenden Unterhaltsleistungen des SGB XII beziehen. Die Leistungen sind im SGB II grundsätzlich abschließend geregelt. Dies gilt jedoch nicht für die besonderen Leistungen des Fünften bis Neunten Kapitels, so dass der Empfänger von AlG II daneben noch bspw. Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten oder Eingliederungshilfen für Behinderte aus dem SGB XII beziehen kann. 1 2 Hier allerdings ist zu differenzieren: hat der Altersrentenbezieher das 65. Lebensjahr vollendet, erhält er Grundsicherung nach § 41 SGB XII; ist der Altersrentenbezieher jünger als 65, bezieht er ergänzend zur Rente Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 27 ff. SGB XII. Eingliederungshilfe nach SGB XII für erwerbsfähige Behinderte, die keine oder nicht ausreichende Eingliederungsleistungen nach § 16 Abs. 1 S. 2 SGB II erhalten und die auch keine vorrangigen Sozialversicherungsleistungen der Reha und Teilhabe behinderter Menschen in Anspruch nehmen können; Personen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten nach § 67 SGB XII, für die die allgemeinen Eingliederungsleistungen des SGB II nicht ausreichen. Luthe, IRS 9 Fall Berthold (SGB II) Berthold (22 J., erwerbsfähig, arbeitslos, kein Einkommen und Vermögen) hat bislang bei den nicht unvermögenden Eltern gewohnt. Er hatte gehört, dass das Jobcenter bei Auszug aus dem Elternhaus „alles bezahlt“ und sich daher, ohne Rücksprache mit dem Jobcenter eine eigene Wohnung genommen. Berthold hat noch keine Ausbildung. I. Welche Leistungen des SGB II werden Berthold gezahlt? II. Werden die Eltern von Berthold herangezogen? III. Wie ist der Fall zu beurteilen, wenn Berthold von seinem Vater misshandelt wird? IV. Wie ist der Fall zu beurteilen, wenn Berthold 26 Jahre alt ist, seine Dissertation schreiben und sich diese Zeit durch Leistungen des SGB II finanzieren will? Luthe, IRS 10 Falllösung Berthold Zu I. Berthold bildete nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II eine Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern. Diese hatten nach § 9 Abs. 1 und 2 SGB II für seinen Unterhalt aufzukommen. Voraussetzung für die Übernahme von Kosten der Unterkunft und Heizung ist nach § 22 Abs. 5 SGB II zunächst die vorherige Zusicherung des kommunalen Trägers. Generell aber werden Kosten für die Unterkunft nach § 22 Abs. 5 S. 4 SGB II nicht erbracht, wenn Personen, die das 25. Lebensjahr nicht vollendet haben, vor der Beantragung von Leistungen umziehen, um die Voraussetzungen für den Leistungsbezug herbeizuführen. Dies ist hier der Fall; durch den Auszug brauchen die Eltern innerhalb der Bedarfsgemeinschaft für Berthold nicht mehr aufzukommen. Berthold ist nunmehr bedürftig und damit nach § 7 Abs. 1 SGB II anspruchsberechtigt. Unterkunftsleistungen werden mithin nicht erbracht. Unter 25-Jährige, die ohne Zusicherung der Behörde umziehen, erhalten nach § 20 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 SGB II jedoch noch 324 € bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres. Berthold hat nach § 34 Abs. 1 SGB II Ersatz zu leisten, weil er zumindest grob fahrlässig die Voraussetzungen für die Leistung herbeigeführt hat. Dies kann geschehen, sobald er wieder über Einkommen verfügt, aber auch schon während des Leistungsbezuges. In diesem Fall wird der zu ersetzende Betrag in Höhe von 30 % mit dem für ihn maßgebenden monatlichen Regelbedarf aufgerechnet (§ 43 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 SGB II). Der Ersatzanspruch erlischt nach § 34 Abs. 3 in 3 Jahren, falls die Behörde in diesem Zeitraum keinen Leistungsbescheid erlässt oder Leistungsklage erhebt. Luthe, IRS 11 Generell muss Berthold nunmehr eine zugewiesene Arbeit oder Arbeitsgelegenheit aufnehmen oder auch an Eingliederungsmaßnahmen teilnehmen, soweit dies nach § 10 zumutbar ist. Zu II. Der gesetzliche Übergang von Unterhaltsansprüchen zwischen Verwandten (also auch Eltern und Kindern) auf den Leistungsträger ist grundsätzlich ausgeschlossen (§ 33 Abs. 2 Nr. 2 SGB II). Dies gilt jedoch nicht für Unterhaltsansprüche von unter 25-Jährigen gegen die Eltern, wenn erstere eine Erstausbildung noch nicht abgeschlossen haben (§ 33 Abs. 2 Nr. 2 b SGB II). Zu III. Dann liegt ein schwerwiegender sozialer Grund nach § 22 Abs. 5 S. 2 Nr. 3 SGB II vor. Der Leistungsträger ist nunmehr zur Zusicherung verpflichtet (Rechtsanspruch!). Unterkunftskosten werden ebenso wie die Regelleistung nach § 22 Abs. 2 SGB II (382 €) in voller Höhe übernommen. Zu IV. Mit 26 Jahren gehört Berthold nicht mehr zur Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern (§ 7 Abs. 3 SGB II). Solange er mit den Eltern zusammenwohnt, bildet er eine eigene „Bedarfsgemeinschaft“ und erhält bei Bedürftigkeit die volle Regelleistung. Die Eltern können dann allenfalls noch über die Haushaltsgemeinschaft nach § 9 Abs. 5 SGB II herangezogen werden (Berthold sollte daher besser bei den Eltern ausziehen). Zieht Berthold aus, hat dies für sich genommen keine negativen Konsequenzen, auch nicht für seine Eltern, die nach § 33 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 1 SGB II vom Anspruchsübergang freigestellt sind (s.o.). Gleiches gilt, wenn Berthold bereits seit längerem eine eigene Wohnung hat, die nunmehr durch das SGB II im Rahmen angemessener Unterkunftskosten nach § 22 SGB II finanziert wird. Sind die Kosten unangemessen, werden die Kosten dennoch in Höhe des angemessenen Anteils übernommen (§ 22 Abs. 1 SGB II). Auch findet kein Anspruchsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II statt, da die Promotion Luthe, IRS 12 weder nach BAföG noch nach dem SGB III dem Grunde nach förderungsfähig ist. Berthold muss jedoch einer zumutbaren Arbeit oder Arbeitsgelegenheit nachgehen und an Eingliederungsmaßnahmen teilnehmen. Der in der Zumutbarkeitsregelung des § 10 SGB II aufgeführte wichtige Grund liegt nicht vor. Dieser erfordert eine Abwägung zwischen dem individuellem und dem öffentlichem Interesse und ist nach den Vorstellungen des Gesetzgebers grundsätzlich restriktiv auszulegen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Grundsicherung, abgesehen von staatlich verordneten Schulbesuchen, keine Leistung ist, die den Nachweis einer besonderen wissenschaftlichen Befähigung fördert. Da Berthold in den letzten 2 Jahren weder AlG I noch AlG II bezogen hat, wird die Behörde ihm nunmehr ein Sofortangebot nach § 15 a unterbreiten. Verweigert Berthold die Aufnahme von Arbeit oder die Teilnahme an Maßnahmen werden die Leistungen nach § 31 Abs. 1 SGB II zunächst gekürzt; sie entfallen nach § 31 a Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 31 b Abs. 1 S. 3 SGB II (einschließlich der Unterkunftskosten) bei einem „weiteren wiederholten“ Pflichtverstoß für 3 Monate, wobei ein Wiederholungsfall bereits dann gegeben ist, wenn dieser seit dem Beginn des letzten Minderungszeitraums nicht mehr als ein Jahr zurückliegt (§ 31 a Abs. 1 S. 5). Allerdings gewährt das Gesetz zahlreiche Ausnahmen vom vollständigen Leistungswegfall und bietet zumeist immer noch ein „physiologisches Existenzminimum“ (etwa § 31 a Abs. 1 S. 6 und Abs. 3 S. 1). Entscheidend ist nunmehr der Zeitraum von der erstmaligen Leistung bis zum vollständigen Leistungswegfall. Hierbei ist in Rechnung zu stellen. dass vor jeder Absenkung der Leistung eine Anhörung stattzufinden hat Widerspruch und Klage nach § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung haben der Absenkungszeitraum von jeweils 3 Monaten nach § 31 b Abs. 1 S. 1 SGB II im auf den nach dem Absenkungsbescheid folgenden Monat beginnt dass es letztlich maßgeblich auf die Bearbeitungsgeschwindigkeit der Behörde ankommt. Der kürzeste hier denkbare Zeitraum beträgt in etwa 6 Monate. Im Regelfall dürfte man bei vorsichtiger Schätzung aber wohl ein Jahr Zeit haben. Luthe, IRS 13 Fälle Happy Family (SGB II) Welche, in einem gemeinsamen Haushalt lebenden Personen, bilden nach dem SGB II eine Bedarfsgemeinschaft? 1. Hans, 46 J., erwerbsfähig Lotte, Ehefrau von Hans, 40 J., erwerbsfähig Gerd, Sohn von Hans und Lotte, 14 J., Schüler Maria, Mutter von Lotte, 65 J., Rentnerin 2. Otto, 56 J., bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung Vanessa, Ludwig, Tochter von Otto, 26 J., erwerbsfähig Sohn von Otto, 17 J., erwerbsfähig Was ändert sich, wenn Vanessa erst 12 Jahre alt ist? 3. Elke und Peter, beide 44 J., erwerbsfähig gemeinsame 2-jähriges Tochter Susanne, 18 J., erwerbsfähig Enkelkind Sven (Sohn von Susanne) Wie ist die Beurteilung, wenn Susanne nicht erwerbsfähig wäre? 4. Erika S., 38 J., erwerbsfähig Eva S., Tochter von Erika, 17 J., erwerbsfähig Ralf Z., 18 J., eheähnlicher Partner von Eva Nadine S., 1 J., Tochter von Eva und Ralf Luthe, IRS 14 Falllösung „Happy Family“ Zu 1. Hans – erwerbsfähiger Hilfebedürftiger, § 7 Abs. 3 Nr. 1 Lotte – nicht dauernd getrennt lebende Ehefrau, § 7 Abs. 3 Nr. 3 a Gerd – minderjähriges unverheiratetes Kind, das nicht über eigenes Einkommen und Vermögen verfügt, § 7 Abs. 3 Nr. 4. Könnte Gerd seinen Bedarf vollständig selbst decken, wäre er der Bedarfsgemeinschaft nicht zuzurechnen. Maria – gehört nicht zur Bedarfsgemeinschaft, aber zur Haushaltsgemeinschaft nach § 9 Abs. 5 SGB II (vgl. hier auch § 7 Abs. 4: „Rente“) Zu 2. Eine Bedarfsgemeinschaft bilden Sohn Ludwig als erwerbsfähiger Hilfebedürftiger (§ 7 Abs. 3 Nr. 1) und Otto als Elternteil, das mit dem erwerbsfähigen Kind zusammenlebt (§ 7 Abs. 3 Nr. 2). Hätte Otto noch eine eheähnliche Partnerin (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 c) so würde auch diese, falls sie nicht die (vorrangige) Voraussetzung einer erwerbsfähigen Leistungsberechtigten nach Abs. 3 Nr. 1 erfüllt, durch Ludwig in die nach Abs. 3 Nr. 2 bestehende Bedarfsgemeinschaft hineingezogen. Vanessa gehört nicht zur Bedarfsgemeinschaft, weil sie älter als 25 ist, aber zur Haushaltsgemeinschaft nach § 9 Abs. 5. Vanessa 12 Jahre? Sie ist nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 als Kind des nicht erwerbsfähigen Vaters (Person nach § 7 Abs. 3 Nr. 2) zuzuordnen: Ludwig zieht dann seinen Vater in die Bedarfsgemeinschaft und dieser die Tochter Vanessa. Zu 3. Nach § 7 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3 a, Nr. 4 können die Eltern und Susanne eine Bedarfsgemeinschaft bilden. Sven hätte dann Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Luthe, IRS 15 SGB XII. Diese Lösung ist aber unpraktisch. Man sollte hier von 2 Bedarfsgemeinschaften ausgehen: Elke und Peter, Susanne und Sven (letztere nach Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 4) Susanne nicht erwerbsfähig? In diesem Fall entfällt die Bedarfsgemeinschaft von Susanne und Sven. Sie bildet mit ihren Eltern eine Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 Nr. 1, 3 und 4) und erhält Sozialgeld nach SGB II. Sven erhält Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII. Zu 4. Die erwerbsfähige minderjährige unverheiratete Eva könnte - in einer Bedarfsgemeinschaft mit der Mutter (§ 7 Abs. 3 Nr. 1 und 4) - in einer Bedarfsgemeinschaft mit Partner (§ 7 Abs. 3 Nr. 1 und 3 c) und Kind (§ 7 Abs. 3 Nr. 1 und 4) berücksichtigt werden. In dieser Konkurrenzsituation entspricht die 2. Alternative besser der Lebenswirklichkeit. Luthe, IRS 16 Fall Lotte (SGB II) Lotte, 40 Jahre alt, ist erwerbsfähig und arbeitslos. Sie hat bislang noch keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt. Sie lebt zusammen mit ihrem Ehegatten Hans. Hans, ebenfalls 40 Jahre alt, verdient 1.200,-- € brutto monatlich. Es ist November. Hans erhält am Monatsende deshalb zudem 1200,-- € brutto Weihnachtsgeld. Er hat insgesamt 100,-- € Steuern und 100,-- € Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten. Als monatliche „Werbungskosten“ hat Hans 100 € nachgewiesen. Für tägliche Fahrten hin und zurück zur bzw. von der Arbeit werden insgesamt 20 km mit dem eigenen PKW (Zeitwert 4000 €) zurückgelegt. Der nächstgelegene Bahnhof ist 20 km entfernt. Für die Bahnfahrt würden monatlich Kosten in Höhe von 100,-- € entstehen. Die Kfz-Pflichtversicherung beläuft sich auf jährlich 240,-- €. Für eine private Haftpflichtund Hausratsversicherung fallen jährlich 150,-- € an. Hans und Lotte haben Sparvermögen in Höhe von insgesamt 11.000 €, außerdem eine Kapitallebensversicherung (nicht verwertbar vor Eintritt in den Ruhestand) mit einem Rückkaufswert in Höhe von 15.000 €. Lotte und Hans leben in einer 80 qm großen Wohnung. Hierfür zahlen sie als Kaltmiete inkl. Nebenkosten (außer Heizung und Warmwasser) 6,-- €/qm. Für Heizung entstehen monatl. Kosten in Höhe von 50,-- €. Laut örtlichem Mietspiegel in Braunschweig liegt der Wert des durchschnittlichen Mietniveaus für eine Standardwohnung ab dem Baujahr 2000 für 60 qm im unteren Mietdrittel bei 6,50 €/qm. Die Stadt Braunschweig hat in einer Satzung diesen Wert für das einschlägige Stadtgebiet als Quadratmeterhöchstmiete für die Angemessenheit der Unterkunftskosten zugrunde gelegt. Die anfallenden Heizkosten sind „angemessen“. Laut Verwaltungsvorschriften zu § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung, welche die Stadt Braunschweig als angemessene Wohnfläche zugrunde gelegt hat, sind folgende Wohnflächen angemessen: - bei Alleinstehenden bis 50 qm - bei 2 Personen 60 qm - bei 3 Personen 75 qm - bei 4 Personen 85 qm - für jede weitere Person 10 qm mehr Luthe, IRS 17 Falllösung Lotte I. Nachrang (§ 9) wegen Bedarfsgemeinschaft mit Hans Lotte ist nur hilfebedürftig nach § 9 Abs. 1, insofern sie ihren Unterhalt nicht selbst oder durch Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sicherstellen kann. In Bedarfsgemeinschaften sind nach § 9 Abs. 2 auch Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Lotte und Hans sind eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 a. Fraglich ist jedoch, ob Hans nur das über seinem eigenen Unterhaltsbedarf liegende Einkommen für Lotte einsetzen muss oder ob er auch dann Einkommen für Lotte einsetzen muss, wenn er hierdurch selbst bedürftig wird (weil sein Einkommen für beide nicht reicht). Früher, unter Geltung des BSHG, wurde letzteres als verfassungswidrig angesehen. Heute berufen sich die Sozialgerichte auf § 9 Abs. 2 S. 3 SGB II, wonach es auf den ungedeckten Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis zu den Einzelbedarfen ankommt (vgl. auch § 2 Abs. 1 und 2). Dies bedeutet, dass sämtliches Einkommen und Vermögen der Bedarfsgemeinschaftsmitglieder im Verhältnis zu ihren Einzelbedarfen auf diese verteilt und letztlich von den Leistungen abgezogen werden muss – auch unter vollem Einsatz des Einkommens der an sich gar nicht bedürftigen Person. Hans muss sein Einkommen also auch dann für Lotte einsetzen, wenn er dadurch unter das gesetzliche Leistungsniveau gedrückt und mithin selbst zum Fürsorgeempfänger wird, auch wenn er seinen eigenen Unterhalt an sich selbst sicherstellen könnte. (Theoretisch könnte der Leistungsträger dem Hans nunmehr eine besser bezahlte Erwerbstätigkeit anbieten, insofern der Gesamtbedarf hierdurch sichergestellt werden kann). II.Anspruchsberechtigung von Hans 1. Einsetzbares Einkommen von Hans nach § 11 SGB II Hans verfügt über ein Brutto-Einkommen nach § 11 Abs. 1, denn hiermit bestreitet er seinen laufenden Unterhaltsbedarf (insofern im Unterschied zum Vermögen). Einkommen: 1.200,-- € brutto. Das Weihnachtsgeld in Höhe von 1200,-- € ist nach § 11 Abs. 3 SGB II ab November als Zuflussmonat zu berücksichtigen und auf einen Zeitraum von 6 Monaten aufzuteilen, monatlich also 200,-- €. Luthe, IRS 18 Bereinigung des Einkommens nach § 11 b (Absetzbeträge) Von den 1.400,-- € Einkommen sind abzusetzen: Steuern 100,-- € (§ 11 b Abs. 1 Nr. 1) Pflichtbeiträge 100,-- € (§ 11 b Abs. 1 Nr. 2) Kfz-Pflichtversicherung 20,-- € monatlich (§ 11 b Abs. 1 Nr. 3; „gesetzlich vorgeschrieben“, daher extra: so jedenfalls LSG Thüringen 8.3.2005 - L 7 AS 112/05 ER) Hausrat- und Haftpflichtversicherung, monatl. 30,-- € als Pauschbetrag für die „angemessene“ private Versicherung (§ 11 b Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO) notwendige - hier „nachgewiesene“ - Ausgaben für Erwerbstätigkeit 100,-- € (§ 11 b Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 3 a, letzter Halbsatz Alg II-VO) Fahrtkosten für Pkw als Ausgaben für Erwerbstätigkeit (einfache Fahrt): 0,20 €, 20 km, 20 Arbeits-tage = 80,-- € monatlich ( § 11 b Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 3 b Alg II-VO). Die Fahrtkosten sind im Vergleich mit einem zumutbaren öffentlichen Verkehrsmittel nicht unangemessen hoch; zudem wäre die Inanspruchnahme von Bus und Bahn unzumutbar (§ 6 Abs. 2 Alg II-VO) Ein pauschaler Absetzungsbetrag von 100,-- € tritt nach § 11 b Abs. 2 S. 1 aus Vereinfachungsgründen an die Stelle der tatsächlichen Absetzungsbeträge des §11 b Abs. 1 Nr. 3 bis 5. Beträgt das Bruttoeinkommen jedoch mehr als 400,-- € und wird nachgewiesen, dass die Summe der Beträge nach § 11 b Abs. 1 Nr. 3 bis 5 den Betrag von 100,-- € übersteigt, so wird jedoch nicht der pauschale Absetzungsbetrag von 100,-- €, sondern werden die tatsächlich anfallenden Beträge nach § 11 b Abs. 1 Nr. 3 bis 5 als Absetzbeträge gewährt (vgl. § 11 b Abs. 2 S. 2). Letzteres ist hier der Fall - endgültige Berechnung siehe unten. (Bei den üblichen 400 €-Jobs sind daher in der Regel pauschal nur die 100 € abzusetzen; ob es eine Anpassung im Gesetz geben wird an die ab 2013 geltenden 450-Euro-Jobs ist zum Bearbeitungszeitpunkt offen). > Betrag nach § 11 b Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. Absatz 3 (Freibetrag bei Erwerbstätigkeit): die ersten 100,-- € werden bei der Berechnung nach § 11 b Abs. 3 nicht berücksichtigt. Sie wurden bereits durch § 11 b Abs. 2 Satz 1 und 2 erfasst, also entweder pauschal mit 100,-- € oder im Wege der tatsächlich anfallenden Absetzbeträge nach § 11 b Abs. Luthe, IRS 19 1 Nr. 3 – 5. Die „ersten“ 100 € beziehen sich also auf die Absetzbeträge des Absatzes 1 Nr. 3 bis 5. Der eigentliche Freibetrag nach Abs. 3 beginnt erst ab 101 €. 20 % von 900,-- € = 180,-- € ( § 11 b Abs. 3 Nr. 1) 10 % von 200,-- € = 20,-- € (§ 11 b Abs. 3 Nr. 2) (Die letzten 200 € des Einkommens von Hans werden nicht mehr berücksichtigt, weil der Freibetrag nur Beträge bis 1200 brutto erfasst). Freibetrag : 200,-- € Anmerkung zum Thema Freibetrag bzw. Kombilohn: Politisch wurden mit dem Ziel höherer Anreizwirkungen in Richtung Erwerbstätigkeit bereits häufiger höhere Freibeträge diskutiert. Je höher aber der Freibetrag, desto mehr Erwerbstätigenhaushalte wachsen als Aufstocker in den Leistungsbezug des SGB II hinein. Denn sie werden durch vor allem hohe Freibeträge quasi künstlich arm gerechnet. Die diskutierte Begrenzung Gegenmaßnahme wäre eine hoher Freibeträge verfassungswidrige auf vormals Arbeitslose Ungleichbehandlung als gegenüber Erwerbstätigen mit gleichem Einkommen. Sie wäre auch unter dem Aspekt der Anreizwirkung nicht zu rechtfertigen, da sie Erwerbstätige ohne vormalige Arbeitslosigkeit bei rationaler Wirtschaftskalkulation in umgekehrter Richtung zunächst in die Arbeitslosigkeit treibt, weil nach Wiederaufnahme einer Arbeit fortan ein höheres Kombieinkommen bezogen werden könnte. Eine ähnliche Wirkung – Anwachsen der Zahl der Aufstocker - hat übrigens jedwede Erhöhung von Regelleistungen. In Vergessenheit gerät bei allem, dass als typische Maßnahme zur Durchsetzung der Arbeitsaufnahme die Sanktion zur Verfügung steht. Immerhin gilt das Subsidiaritätsprinzip (§ 9). Wozu dann Anreize? Vornahme der Bereinigung des Einkommens (Realisierung des Nachrangs): 1.400,-- € brutto abzüglich 430,-- € Absetzbetrag nach § 11 b Abs. 1 Nr.1-5 abzüglich 200,-- € Freibetrag nach § 11 b Abs. 1 Nr. 6 = 770,-- € einzusetzendes bereinigtes Einkommen Luthe, IRS 20 2. Vermögen: Das Kfz ist zwar verwertbar nach § 12 Abs. 1, aber nach Abs. 3 Nr. 2 Schonvermögen: Der Verkehrswert von 4000 € ist „angemessen“. Das Sparvermögen in Höhe von 11.000,-- € ist nicht verwertbar: Grundfreibetrag von insgesamt 12.000,-- € (6.000,-- € pro Person nach § 12 Abs. 2 Nr.1). Der Maximalwert nach Abs. 2 S. 2 wird mit 6000 € nicht überschritten. Zudem könnte der Freibetrag für notwendige Anschaffungen von insgesamt 1.500,-- € (750,-- € pro Person nach § 12 Abs. 2 Nr. 4) noch berücksichtigt werden, wenn entsprechende Anschaffungen glaubhaft gemacht werden. Die Kapitallebensversicherung in Höhe von 15.000,-- € (max. 50.250 € nach S. 2) ist als geschütztes Altersvorsorgevermögen ebenfalls nicht verwertbar (§ 12 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3). 3. Unterhaltsbedarf für Hans a) Regelleistung nach § 20 Abs. 4 = 364,-- € b) Unterkunft und Heizung nach § 22 Übernommen werden die tatsächlichen angemessenen Aufwendungen (§ 22 Abs. 1 S. 1). Zunächst zu den „tatsächlichen“ Aufwendungen: Lebt die Person mit anderen zusammen, sind die Kosten aufzuteilen. Die Wohnung darf lt. Mietspiegel nicht mehr als 6,50 €/qm bei einer angemessenen Wohnfläche von 60 qm (da 2-Personen-Haushalt) kosten. Der Preis quo Quadratmeter ist mit 6 € angemessen; lediglich die Wohnungsgröße ist mit 80 qm unangemessen. Unterkunftsbedarf für Hans (außer Heizung) somit zurzeit 240.-- €. Von diesen an sich zu hohen Unterkunftskosten ist zunächst auszugehen, da die Leistungsberechtigten noch eine zeitlang in der Wohnung verbleiben können (s.u.). Allgemein kann zudem bspw. eine zu hohe Miete durch eine geringere Wohnfläche ausgeglichen werden, ebenfalls ein niedriger Quadratmeterpreis durch eine größere Wohnfläche, wenn hierdurch keine erhöhten Heizkosten entstehen. Luthe, IRS 21 Bedarf von Hans Regelleistung 364,-- € + ½ Miete 240,-- € + ½ Heizung 25,-- € __________________________________ Bedarf 629,-- € III. Anspruchsberechtigung von Lotte 1. Nachrang § 9 Abs.1 Lotte verfügt weder über Einkommen und Vermögen noch hat sie Ansprüche gegenüber anderen Sozialleistungsträgern oder sonstigen Personen. Ggf. bestehendes gemeinsames Vermögen wurde bereits bei Hans berücksichtigt. 2. Unterhaltsbedarf von Lotte a) Regelleistung wie bei Hans, also 364,-- € b) Unterkunft wie bei Hans, also 240,-- € und Heizung wie bei Hans, also 25,-- € _______ Bedarf 629,-- € IV.Realisierung des Nachrangs im Rahmen der Bedarfsgemeinschaft (§ 9 Abs. 1 sowie § 9 Abs. 2 S. 3) Gesamtbedarf von Lotte und Hans als Bedarfsgemeinschaft: Nach § 9 Abs. 2 S. 3 (s.o.) muss das gesamte der Bedarfsgemeinschaft zur Verfügung stehende Einkommen im Verhältnis zu den Einzelbedarfen eingesetzt werden: 1258,-- € Gesamtbedarf (2 mal 629,-- €) abzüglich 770,-- € bereinigtes Einkommen = 488,-- € Gesamtbedarf. Luthe, IRS 22 Verhältnis 50 des Einzelbedarfs von Lotte bzw. Hans zum Gesamtbedarf: 50 % % von 488,-- € = 244,-- € Einzelbedarf Lotte und Hans haben Anspruch (§ 7 Abs.1 und 2 „Berechtigte“) auf laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Gestalt von Arbeitslosengeld II (§ 19 Abs. 1 i.V.m. § 20 Abs. 3) in Höhe von jeweils 233,-- € monatlich. V. Wohnungswechsel bzw. Fortzahlung der Miete Die tatsächlichen Unterkunftskosten liegen bei 480,-- € plus 50,- € Heizung. Angemessen sind mit 60 qm nur 360,-- €. Für längstens 6 Monate ist der „unangemessene“ Mietanteil für Hans und Lotte (also 2 x 60,-- €) jedoch zu zahlen, es sei denn, ein früherer Wohnungswechsel ist möglich (§ 22 Abs. 1 S. 3). Spätestens nach 6 Monaten werden nur noch die angemessenen Mietkosten übernommen. Beachte: Zieht der Leistungsempfänger von einer angemessenen Wohnung um in eine ebenfalls angemessene, aber gleichwohl teurere Wohnung, werden nur noch die bisherigen Kosten übernommen, es sei denn der Umzug ist „erforderlich“ (§ 22 Abs. 1 S. 2, s.u.). Der kommunale Träger (vgl. auch § 6 SGB II) muss jede neue Unterkunft zusichern (§ 22 Abs. 4). Er ist zur verbindlichen Zusicherung der Übernahme angemessener Kosten einer anderen Wohnung verpflichtet, wenn der Umzug „erforderlich“ ist und die neue Unterkunft angemessen ist (§ 22 Abs. 4 S. 2). Erforderlich ist der Umzug u.a. immer dann, wenn etwa die bisherige Wohnung nicht aus den laufenden Leistungen bestritten werden kann, ferner bei Vorliegen von sozialen, gesundheitlichen Gründen oder bei Arbeitsaufnahme an einem anderen Ort. Wohnungsbeschaffungskosten/Mietkautionen/Umzugskosten „können“ nach vorheriger Zusicherung übernommen werden (§ 22 Abs. 6 S. 1). Die Zusicherung hierfür „soll“ nach § 22 Abs. 6 S. 2 erteilt werden, wenn der Umzug durch Behörde veranlasst oder dieser notwendig ist (etwa ungesunde Wohnverhältnisse) oder wenn eine Unterkunft sonst nicht gefunden werden kann (Vermieter besteht auf Kaution). Die Mietkaution soll als Darlehen erbracht werden (§ 22 Abs. 6 S. 3). Die Stadt hat eine Satzung erlassen nach §§ 22 a i.V.m. 22 b SGB II. Luthe, IRS 23 Fall Pit (SGB II) Pit – Bezieher von AlG II – weigert sich, im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit auf der städtischen Toilette als Kassierer zu arbeiten. Außerdem weigert er sich zeitgleich, an einer ärztlichen Untersuchung teilzunehmen, bei der ermittelt werden soll, ob sein Gesundheitszustand derartige Arbeiten zulässt. Schließlich hat Pit sein kürzlich geerbtes Vermögen in Höhe von 50.000 € während der Zeit des Leistungsbezuges für eine Weltreise und Freundinnen ausgegeben. 1)Welche Sanktionen kommen nach SGB II in Betracht? 2)Wie ist der Fall zu beurteilen, wenn Pit zwischen Juni 2010 und Januar 2011 insgesamt 2 Mal die Aufnahme bzw. Ausführung der Arbeitsgelegenheit verweigert hat, deshalb letztmalig eine Leistungskürzung bis Ende April 2011 erhalten hat und er im Dezember 2011 erneut eine Arbeitsgelegenheit verweigert? 3)Welche Rechtsschutzmöglichkeiten hat Pit? 4)Welche Sanktionen kommen in der ersten Stufe im obigen Grundfall in Betracht, wenn Pit 24 Jahre alt wäre? Luthe, IRS 24 Falllösung Pit 1. Grundfall a) Verweigerung der Arbeitsaufnahme: 30 % der maßgebenden Regelleistung nach 31 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 31 a Abs. 1 S. 1 (fällt ggf. zusammen mit § 31 Abs. 1 Nr. 1; dies wäre jedoch als einheitliche Handlung zu werten, daher nur 1 x Absenkung); auch kein „wichtiger Grund“ nach § 31 Abs. 1 S. 2. b) Verweigerung der ärztlichen Untersuchung: 10 % des maßgebenden Regelbedarfs (§ 32 Abs. 1). Die Minderung tritt einer Minderung nach § 31 hinzu (§ 32 Abs. 2). c) Pit hat sein gesamtes Vermögen in der Absicht vermindert, die Voraussetzungen für den Bezug von AlG II herbeizuführen (§ 31 Abs. 2 Nr. 1). Hinsichtlich der „Absicht“ genügt bedingter Vorsatz. Folge: 30% Minderung des maßgeblichen Regelbedarfs (§ 31 a Abs. 1). d) Ergebnis: Regelleistung nach § 20 404,-- € - 2 x 30 % von 404,-- € - 242,40 € - 1 x 10 % von 404,-- € - 40,40 € ________ Absenkungsbetrag 282,80 € in der ersten Stufe für 3 Monate (§ 31 b Abs. 1 S. 3) ab Folgemonat nach Absenkungsbescheid (Abs. 1 S. 1). Pit erhält nur noch eine Regelbedarfsleistung in Höhe von gerundet 121,20 € e) Voraussetzung ist in den Fällen des § 31 und 32 jedoch die vorherige „Belehrung über die Rechtsfolgen“ (§ 31 Abs. 1 S. 1, § 32 Abs. 1 S. 1). Dies hat grundsätzlich am Anfang des Leistungsbezuges zu erfolgen. Außerdem muss der Betroffene vor jedem Absenkungsbescheid angehört werden (§ 24 SGB X). Schließlich darf der Hilfebedürftige keinen „wichtigen Grund“ haben; dies sind in jedem Fall alle Gründe, die zur Unzumutbarkeit der Arbeit nach § 10 führen. Luthe, IRS 25 Der Hilfebedürftige trägt hierfür die Beweislast. Grundsätzlich können sich mehrere Sanktionszeiträume auf erster Stufe überschneiden, wenn die Pflichtverletzungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten angefallen sind und die Sanktionen deshalb zu unterschiedlichen Zeiten verhängt wurden (Bsp.: Verweigerung der Arbeit im Juli, Absenkungsbescheid im August, Sanktionszeitraum von September bis November; Verweigerung des Arztbesuchs im August, Absenkungsbescheid im September, Sanktionszeitraum von Oktober bis Dezember; somit Überschneidung mit Leistungskürzung von insgesamt 40 % im Oktober und November). f) Minderung der Regelleistung um mehr als 30 % nach § 31 a Abs. 3 Satz 1: Die Regelleistung nach § 20 ist hier um 70 % gemindert. Nunmehr „können“ in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen (etwa Gebrauchtkleidung) oder geldwerte Leistungen (Wertgutscheine) erbracht werden. Dies „muss“ geschehen, wenn Leistungsberechtigte mit minderjährigen Kindern in einem Haushalt leben (§ 31 a Abs. 3 S. 2). Da die Sanktionsvorschriften nach dem Willen des Gesetzgebers Sanktionscharakter und nicht therapeutischen Charakter haben, verläuft die äußerste Grenze der Leistungsversagung im Rahmen des „KannErmessens“ dort, wo der Hilfebedürftige in seiner Gesundheit Schaden nehmen würde. Die Behörde hat zur Vermeidung gesundheitlicher Beeinträchtigungen den Fall vermehrt unter Kontrolle zu halten (etwa durch psychosoziale Betreuung nach § 16 a). Dies alles folgt aus der staatlichen Pflicht zum Schutz der Gesundheit nach Art. 2 Abs. 2 GG, die bei der Ausübung des eingeräumten Ermessens und der Bestimmung des angemessenen Umfangs zu berücksichtigen ist. 2. Mehrfache gleichartige Pflichtverletzungen a) Bei jeder „weiteren wiederholten“ Pflichtverletzung nach § 31 entfällt das AlG II vollständig (§ 31 a Abs. 1 S. 3). Mehrere Meldeversäumnisse nach § 32 addieren sich jedoch nur und treten den Minderungen nach § 31 a hinzu (§ 32 Abs. 2). Das AlG II umfasst die Regelleistung und die Unterkunftskosten (§ 19 Abs. 1). Die wiederholte Pflichtverletzung setzt eine Gleichartigkeit bei den Pflichtverletzungen voraus (nicht etwa bei Arbeitsverweigerung und Verstoß gegen Meldepflichten). Das ist hier der Fall. Überdies darf ein Wiederholungsfall seit Beginn des jeweils vorangegangenen Luthe, IRS 26 Sanktionszeitraums nicht länger als ein Jahr zurückliegen (§ 31 a Abs. 1 S. 5). Der Beginn des letzten Sanktionszeitraums war der 1. Februar 2011. Begeht Pit also bis zum 1. Februar 2012 eine weitere gleichartige Pflichtverletzung, so wird diese noch berücksichtigt. Die Pflichtverletzung im Dezember 2011 führt mithin zu einer „weiteren wiederholten Pflichtverletzung“ und damit zum vollständigen Leistungsentzug (§ 31 a Abs. 1 S. 3). Unerheblich ist, dass die ersten beiden Pflichtverletzungen nicht innerhalb des 1-Jahres-Zeitraumes liegen. Allerdings „kann“ sich die Sanktion anstatt des Leistungswegfalls auf eine Kürzung (lediglich) der Regelleistung um 60 % beschränken, wenn der Hilfebedürftige sich nachträglich bereit erklärt, seinen Pflichten nachzukommen (§ 31 a Abs. 1 S. 6). Im Rahmen des Ermessens ist eine Erfolgsprognose hinsichtlich der Pflichtenerfüllung anzustellen und die staatliche Pflicht zur Vermeidung sanktionsbedingter Gesundheitsschädigungen in Rechnung zu stellen (s.o.). Zudem kann der Träger nach § 31 a Abs. 3 bei einer Minderung um mehr als 30 % - also auch im Falle einer gänzlichen Leistungsversagung - in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbringen (§ 31 a Abs. 3 S. 1). Im Übrigen aber soll die um mehr als 60 % abgesenkte Regelleistung hinsichtlich der Unterkunftskosten an den Vermieter gezahlt werden (§ 31 a Abs. 3). b) Dauer und Zeitpunkt der Absenkung: Der Leistungswegfall erfolgt nach § 31 b Abs. 1 S. 1 und S. 3 ab Folgemonat des feststellenden Sanktionsbescheides für 3 Monate. c) Eine Übernahme ggf. anfallender Mietschulden nach § 22 Abs. 8 kommt nicht in Betracht, da dies voraussetzt, dass Leistungen für Unterkunft und Heizung „erbracht“ werden, was als Folge des Leistungswegfalls nicht der Fall ist. Zudem wird bei einer Minderung um mehr als 60 % die Leistung ohnehin direkt an den Vermieter gezahlt, so dass normalerweise keine Mietschulden entstehen dürften (§ 31 a Abs. 3 S. 3). 3. Rechtsschutz Widerspruch und Anfechtungsklage haben keine aufschiebende Wirkung (§ 39 Nr. 1). Das Gericht kann die aufschiebende Wirkung im Eilverfahren aber nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG ganz oder teilweise anordnen, wenn das Hauptsachverfahren für Luthe, IRS 27 den Kläger überwiegende Erfolgsaussichten bietet. Im Übrigen ist durch Einlegung von Widerspruch und (nach erfolgtem Widerspruchsverfahren) Klage auch das Hauptsacheverfahren zu eröffnen. 4. Pit 24 Jahre a) Begrenzung auf Unterkunftsleistungen auf erster Stufe Es gilt § 31 a Abs. 2: Bei Verstößen nach § 31 werden bereits auf „ersten Stufe“ nur noch Leistungen für Unterkunft und Heizung gewährt, die jedoch direkt an den Vermieter gezahlt werden, wenn Minderung des Regelbedarfs um mindestens 60 % vorliegt; Ziel ist, Mietschulden möglichst zu vermeiden (§ 31 a Abs. 3 S. 3). Es „können“ in angemessenem Umfang Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbracht werden (§ 31 a Abs. 3 S. 1). Außerdem „können“ bei den unter 25-Järigen bei vollständigem Leistungswegfall wieder Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, wenn der Hilfebedürftige sich zur Übernahme seiner Pflichten nachträglich Interventionsgrenze ist bereit erklärt (§ 31 Unterernährung a bzw. Abs. 2 S. 4). Unterste gesundheitliche Schäden („angemessener Umfang“). Schließlich „kann“ die Behörde bei Jüngeren den Wegfall oder die Kürzung in Höhe der Bedarfe nach §§ 20 und 21 auf 6 Wochen begrenzen (§ 31 b Abs. 1 S. 4); diese Verschonungsmöglichkeit vermeidet also nur Kürzungen in Höhe der Bedarfe für die Regelleistung und für Mehrbedarfe. b) Vollständiger Wegfall auf zweiter Stufe Ein vollständiger Leistungswegfall erfolgt hier bereits bei „wiederholter Pflichtverletzung“ (§ 31 a Abs. 2 S. 2). Allerdings „kann“ die Behörde – siehe zuvor bei Jüngeren den Wegfall oder die Kürzung in Höhe der Bedarfe nach §§ 20 und 21 auf 6 Wochen begrenzen (§ 31 b Abs. 1 S. 4). Wiederum „können“ bei den unter 25-Järigen bei vollständigem Leistungswegfall wieder Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, wenn der Hilfebedürftige sich zur Übernahme seiner Pflichten nachträglich bereit erklärt (§ 31 a Abs. 2 S. 4). Schließlich „können“ wiederum in angemessenem Umfang Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbracht werden (§ 31 a Abs. 3 S. 1). Anhörung und Belehrung über die in § 31 oder § 32 vorgesehenen Rechtsfolgen nicht vergessen! Luthe, IRS 28 Fall Hilde (Hilfe zum Lebensunterhalt) Hilde, 26 Jahre alt, ist behindert und erhält Eingliederungshilfe nach SGB XII in Form einer beruflichen Ausbildung, ist Diabetikerin und wurde nach §§ 8, 44a SGB II als erwerbsunfähig eingestuft. Eine dauerhafte Erwerbsunfähigkeit ohne Besserungsaussicht liegt nach amtsärztlichem Gutachten jedoch nicht vor; mangels erforderlicher Vorversicherungszeiten erhält sie auch keine Rente wegen Erwerbsminderung. Sie lebt zusammen mit ihrer 10-jährigen Tochter Lisa. Gewährt wird Kindergeld in Höhe von 180,-- € und 250,-- € Unterhalt für Lisa. Die 60 qm-Wohnung kostet warm 500,-- €; die Kosten sind angemessen. Hilde besitzt ein Grundstück mit einem Verkehrswert von Höhe von derzeit 50.000,-- €; dieses ist Bauerwartungsland. Außerdem hat Hilde Einnahmen aus der Untervermietung eines möblierten Zimmers in Höhe von 100 € monatlich. Bestehen Ansprüche auf Hilfe zum Lebensunterhalt? Anm.: Laut Verwaltungsvorschrift beträgt der Ernährungsmehrbedarf für Diabetiker 100 €. Es gelten die bundesdurchschnittlichen Regelbedarfsstufen, da das betroffene Land in unserem Fall keine eigenen Regelsätze unter Berücksichtigung regionaler Besonderheiten erlassen hat. Luthe, IRS 29 Falllösung Hilde Vorbemerkungen: Hilde ist nicht erwerbsfähig im Sinne des SGB II und kann deshalb Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht beziehen. Gleiches gilt für die Tochter, da diese erst 10 Jahre alt ist (vgl. § 7 Abs. 1 und 2 SGB II). Grundsicherung für dauerhaft Erwerbsunfähige nach § 41 Abs. 3 SGB XII kommt im Fallbeispiel für Hilde ebenfalls nicht in Betracht. Im Regelfall ist diese Leistung erst erhältlich, wenn die Rentenversicherung die Erwerbsminderungsrente nach § 102 Abs. 2 SGB VI unbefristet gewährt, also nach neun Jahren. Dies ist der im SGB XII zu beachtende Vergleichsmaßstab auch dann, wenn eine Rentenversicherung für den Betroffenen nicht besteht. Im besonderen Einzelfall, wenn von Anfang an eindeutig ist, dass eine volle Erwerbsminderung mit einer insofern bestehenden Resterwerbsfähigkeit von nicht mehr als drei Stunden täglich (vgl. § 43 Abs. 2 SGB VI) im Sinne des § 41 Abs. 3 SGB XII vorliegt, sind Leistungen der Grundsicherung für dauerhaft Erwerbsunfähige jedoch möglich. I. Nachrang nach § 2 SGB XII 1. Bedarfsgemeinschaft: Hilde wird voraussichtlich Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen. Sie bildet mit Lisa deshalb eine Bedarfsgemeinschaft nach § 27 Abs. 2 S. 3 SGB XII und muss mit ihren Eigenmitteln grundsätzlich für Lisa einstehen. Leistungen nach dem SGB II kann Lisa nicht erhalten, da sie noch nicht 15 Jahre alt ist (§ 7 Abs. 1 SGB II). Wäre Lisa 15 Jahre alt, würde sie mit ihrer Mutter eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 4 SGB II bilden und erhielte Arbeitslosengeld II, die Mutter Sozialgeld nach § 19 Abs. 1 S. 2 SGB II. (Eventuell vorhandenes Einkommen und Vermögen von Kindern kann für die Sozialhilfe ihrer Eltern nur im Rahmen der Haushaltsgemeinschaft nach § 39 SGB XII berücksichtigt werden). 2. Einkommen, § 82 SGB XII a) - Kindergeld als Einkommen von Lisa nach § 82 Abs. 1? Kindergeld gilt nach § 82 Abs. 1 S. 3 SGB XII als Einkommen des Luthe, IRS 30 (minderjährigen) Kindes. An sich ist Kindergeld nach BKGG eine Leistung für die Eltern, wird aber aus rechnerischen Gründen im SGB II den Kindern zugerechnet. Die Frage, ob Kindergeld als Leistung des Familienlastenausgleichs nach § 83 SGB XII als Einkommen angerechnet wird, hat sich damit erledigt. Exkurs: Elterngeld, so könnte man meinen, wird nach § 83 SGB XII nicht als Einkommen angerechnet, weil es einem anderen Zweck dient als der Versorgung der Familie, nämlich der Sicherstellung der Erziehung der Kinder. Allerdings gibt es Bundeselterngeldgesetz, keine so ausdrückliche dass mangels Zweckbestimmung Erfüllung der im gesetzlichen Voraussetzungen automatisch § 82 gilt und das Elterngeld damit angerechnet werden muss. Zudem gibt es mit § 10 Abs. 5 BEEG (Bundeselterngeldgesetz) eine spezielle Bestimmung, die die Anrechnung auf die Sozialhilfe ermöglicht. Nur wenn bei der Geburt des Kindes Einkommen erzielt wurde, bleibt das Elterngeld bis 300 € anrechnungsfrei (§ 10 Abs. 4 S. 2 BEEG). („Einkommen“ ist etwa auch Verletztenrente aus SGB VII, Übergangsgeld nach SGB IX oder das Krankengeld nach SGB V, das ebenso wie die Sozialhilfe, also „zweckgleich“, der Unterhaltssicherung dient; Nicht zweckgleich: Pflegeleistungen, Landesblindengeld, Arbeitsförderungsgeld). Behinderte nach § 86 b SGB IX (Werkstatt für behinderte Menschen). - Außerdem erhält Lisa Unterhalt in Höhe von 250 €. Auch dies ist „Einkommen“ im Sinne des § 82 Abs. 1. Gesamteinkommen Lisa: 430 € b) Hilde hat Einkünfte aus Vermietung in Höhe von 100 €. Nach § 7 Abs. 4 der DVO zu § 82 SGB XII sind bei möblierten Zimmern 70 % der Roheinnahmen anzusetzen, es sei denn, es werden geringere Einkünfte nachgewiesen, mithin 70 € Einkommen. Lisa verfügt somit über Einkommen in Höhe von 430,-- €, Hilde in Höhe von 70,-- €. 3. Vermögen, § 90 SGB XII Das Grundstück von Hilde könnte nach § 90 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII auch Luthe, IRS 31 Schonvermögen sein. Allerdings wurde dies von Hilde nicht nachgewiesen (etwa Baupläne). Das insofern nicht geschonte Vermögen aber ist zurzeit nicht verwertbar (§ 91 SGB XII), da eine Wertsteigerung ansteht und der sofortige Verkauf eine Härte bedeuten würde. Sozialhilfe wird deshalb als Darlehen gewährt. Das Sozialamt kann die Rückzahlung des Darlehens durch eine Grundschuld absichern. II. Leistungen 1. Anspruch von Hilde , §§ 19 Abs. 1 S. 1, 27 a, 29 SGB XII Der notwendige Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen (vgl. 27 b) ist in § 27 dem Grunde nach geregelt. § 27 a erfasst die Bedarfspositionen (Abs. 1), die Regelbedarfsstufen als grundsätzliche Vorgabe (Abs. 2), die Regelsätze (Abs. 3) und den abweichenden Sonderbedarf für laufende Leistungen (Abs. 4). Die Regelbedarfsstufen sind in § 8 des Regelbedarfsermittlungsgesetzes geregelt (vgl. hierzu § 28 SGB XII). Sie sind im Bundesdurchschnitt maßgebend (§ 28 Abs. 2 SGB XII). Aus den Regelbedarfsstufen werden die Regelsätze gebildet (§ 29 Abs. 1 i.V.m. § 27 a Abs. 3 SGB XII), es sei denn, die Länder nehmen eine abweichende Festsetzung der Regelsätze unter Berücksichtigung regionaler Besonderheiten vor (§ 29 Abs. 2 SGB XII). Die jährliche Fortschreibung der Regelbedarfe erfolgt durch Verordnung (§§ 28 a, 40 SGB XII). Die Anpassung erfolgt jedoch durch Gesetz, wenn eine neue Einkommens- und Verbrauchsstichprobe vorliegt (§ 28 SGB XII). a) notwendiger Lebensunterhalt § 27 a Abs. 1 - 3, SGB XII i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 1 Regelbedarfsermittlungsgesetz sowie VO: 404 € b) - Mehrbedarf nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 = 36 % von 404 = - Mehrbedarf, § 30 Abs. 3 Nr. 2 = 12 % von 404 € - Mehrbedarf nach § 30 Abs. 5: 145,44 € = = 48,48 € 100,-- € laut Verwaltungsvorschrift für Diabetiker. Insgesamt an Mehrbedarf: 293,92 € Luthe, IRS 32 c)Unterkunft und Heizung nach § 35 Abs. 1 und 2 SGB XII (500 €): Kosten angemessen, also pro Person 250,-- € = 250,-- € d)Einmalige Bedarfe § 31 SGB XII: nein Gesamtbedarf Abzüglich Hilde: 947,92 € Einkommen von: Laufende Leistungen somit in Höhe von 70,-- € 877,92 € als Darlehen 2. Anspruch von Lisa a)Notwendiger Lebensunterhalt: 19 Abs. 1 S. 1, 27 a, 29 SGB XII nach §§ 27 a i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 5 Regelbedarfsermittlungsgesetz sowie VO (s.o. bei Hilde), also 270,-- € b)Unterkunft und Heizung: (wie bei Hilde) Gesamtbedarf Lisa: 250,-- € 520,-- € Abzüglich Einkommen von: 430,-- € Laufende Leistungen somit in Höhe von 90,-- € ebenfalls als Darlehen, da Hilde ihr Grundstück in der Bedarfsgemeinschaft des § 27 Abs. 2 S. 3 SGB XII auch für Lisa einsetzen muss. c) Bildung und Teilhabe für Lisa , §§ 34 – 34 a. Lisa erhält Leistungen für Bildung und Teilhabe, nämlich für Schulausflüge und Klassenfahrten (§ 34 Abs. 2 SGB XII), für Schulbedarf (§ 34 Abs. 3), ggf. für die Schülerbeförderung (§ 34 Abs. 4), ggf. für die Lernförderung (§ 34 Abs. 5), für Mittagsverpflegung (§ 34 Abs. 6) und für die kulturelle Betätigung (§ 34 Abs. 7). Abgesehen von der Schülerbeförderung werden die Leistungen durch Gutscheine oder Direktzahlungen an die Anbieter erbracht (§ 34 a Abs. 2). Luthe, IRS 33 Fall Otto (SGB II und XII) (Hilfe in besonderen Lebenslagen nach SGB XII und Grundsicherung nach SGB II) Otto, 40 Jahre, von Beruf Gastwirt, mittlerweile insolvent, leidet lt. amtsärztlichem Gutachten an „Alkoholismus und chronischer Fettleber“. Eine stationäre Behandlung wird vom Amtsarzt für dringend erforderlich gehalten. Otto hat weder Ansprüche an die Sozialversicherung noch an eine Privatversicherung. Er ist ohne Einkommen und Vermögen und wurde nach §§ 8, 44 a SGB II als erwerbsunfähig eingestuft. Die Entziehungskur in der Waldsteinklinik kostet pro Tag 250,-- €. In den ersten 4 Wochen soll die Entzugsbehandlung stattfinden, im folgenden Monat die Entwöhnungsbehandlung und verschiedene Integrationsmaßnahmen. Otto lebt mit der 35-jährigen Karin zusammen (auszugehen ist von einer eheähnlichen Gemeinschaft), die einer Erwerbstätigkeit nachgeht und nach Abzug aller maßgeblichen Kosten (wie etwa Steuern u. Sozialversicherungsbeiträge, vgl. § 11 Abs. 2 SGB II) über ein bereinigtes Einkommen von 715,-- € verfügt (§§ 11 Abs. 2, 30 SGB II). Vermögen liegt bei Karin nicht vor. Für die angemessene 60 qm-Wohnung zahlt sie insgesamt 400 €, zusätzlich eine Heizungspauschale von 50 €. Otto weigert sich, der Krankenversicherungspflicht seit nach 2009 § 193 auch Abs. für 3 Selbstständige geltende Versicherungsvertragsgesetz nachzukommen. Danach müssen alle Personen, die nicht GKV beitreten, bei einem Versicherungsunternehmen eine Krankenversicherung für die stationäre und ambulante Heilbehandlung abzuschließen. Konsequenzen bei Weigerung: Bußgeld und Beitragsnachzahlung. Otto lässt sich hiervon nicht beeindrucken: er könne zurzeit ohnehin nichts zahlen, da er bedürftig sei. Luthe, IRS 34 Allerdings ist Otto später einmal (vielleicht) zum Kostenersatz verpflichtet, weil er – so § 103 SGB XII – „für sich … durch vorsätzliches … Verhalten die Vorraussetzung für die Leistungen der Sozialhilfe herbeigeführt hat.“ Anders gesagt: Er hat keine Versicherung angeschlossen, die nach § 2 SGB XII vorrangig zur Leistung verpflichtet gewesen wäre und erfüllt damit die Anspruchsvoraussetzungen der sozialhilferechtlichen Krankenhilfe, wenn ihm die Aufbringung der Mittel hierfür zurzeit nicht möglich und auch nicht zuzumuten ist (vgl. § 19 Abs. 3 SGB XII). Nach welchem Gesetz werden welche Leistungen gewährt? Ist der Anspruch von Otto auf Hilfe im Hinblick auf sein Alkoholproblem erfüllt? Luthe, IRS 35 Falllösung Otto Vorbemerkungen: Otto verfügt weder über Einkommen noch Vermögen und lebt mit Karin im gemeinsamen Haushalt; sie bilden möglicherweise eine Bedarfsgemeinschaft. In diesem Fall, wo der nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige mit einer erwerbsfähigen Person zusammenlebt, bezieht der erwerbsfähige Hilfebedürftige bei Bedürftigkeit Arbeitslosengeld II, der nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige Sozialgeld nach SGB II. Deshalb muss zunächst geprüft werden, ob die Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II für ihren Lebensunterhalt selbst aufkommen kann oder hiernach Unterhaltsleistungen erhält. Das Arbeitslosengeld II und das Sozialgeld sichern jedoch nur den Lebensunterhalt. Behandlungsleistungen werden im Regelfall im Rahmen der Sozialversicherung des insofern mit Bezug von Arbeitslosengeld II pflichtversicherten Hilfebedürftigen für diesen und dessen in der Familienversicherung mitversicherten Angehörigen erbracht. Der eheähnliche Partner aber wird von der Familienversicherung nicht erfasst, vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2 a SGB V. Zwar sind seit 2007 Personen ohne reguläre KrankenV in der KV grundsätzlich gesetzlich pflichtversichert (§ 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V). Dies gilt nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V jedoch nicht für den in § 5 Abs. 5 SGB V genannten Personenkreis, mithin nicht für hauptberuflich Selbstständige wie im Fall des Otto. Allerdings ist Otto nach § 193 Abs. 3 Versicherungsvertragsgesetz auch als Selbstständiger nunmehr zum Abschluss einer privaten Versicherung verpflichtet, wenn er der gesetzlichen Versicherung nicht beitreten will. Grundsätzlich sind SGB XII-Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 5 Abs. 2 SGB II und § 21 SGB XII ausgeschlossen, wenn der Hilfebedürftige einen Unterhaltsanspruch nach dem SGB II geltend machen kann. Der Ausschluss gilt jedoch nicht für die „Besonderen Leistungen“ des SGB XII (vormals Hilfe in besonderen Lebenslagen). Diese sind nach § 2 SGB XII (Nachranggrundsatz) gleichwohl nur nachrangig zu gewähren, wenn also Leistungsansprüche gegenüber anderen Leistungsträgern nicht bestehen. Insbesondere Ansprüche gegen die KV liegen bei Otto mangels Versicherungspflicht nicht vor. Deshalb müssen für Otto die Kranken- und Rehaleistungen des SGB XII geprüft werden. Luthe, IRS 36 I. Leistungen nach SGB II (Leistungen des SGB II stehen im Fallbeispiel nicht im Vordergrund und werden nur in Kurzform behandelt). 1.Berechtigung §§ 7, 8, 9 SGB II (Otto und Karin) a)Otto und Karin sind zwischen 15 und 65 Jahre alt (§ 7 Abs. 1 Nr. 1) b)Erwerbsfähigkeit: Es ist nicht absehbar, dass Otto auf absehbare Zeit, d. h. in den nächsten 6 Monaten, erwerbsfähig sein wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 8 Abs. 1). c)Bedarfsgemeinschaft § 7 Abs. 2 und 3: Otto und Karin sind eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 c, Abs. 3a. d)Leistungsausschluss bei stationärer Unterbringung, § 7 Abs. 4: Bei stationärer Unterbringung entfällt der Anspruch nach SGB II; dies gilt jedoch nicht, wenn die Person für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus untergebracht ist. Hiervon ist auszugehen; Otto soll nach dem Sachverhalt zunächst für vier Wochen stationäre Behandlung erhalten. e)Hilfebedürftigkeit § 7 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 9: wenn Einkommen und Vermögen nicht ausreichen(§ 9 Abs. 1 Nr. 2). In einer Bedarfsgemeinschaft sind Eigenmittel des Partners zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 2). Verfügbare Eigenmittel: hier nur Einkommen nach § 11; die Bereinigung nach § 11 b Abs. 1 wurde bereits vorgenommen, also 715,-€. f) Allerdings durfte bislang nach der alten BSHG-Rechtslage ein erwerbstätiges Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, das seinen eigenen Lebensunterhalt selbst bestreiten kann, durch seine Heranziehung für den Angehörigen aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht selbst bedürftig werden. Nur das den eigenen gesetzlich garantierten Unterhalt übersteigende Einkommen durfte für den Angehörigen eingesetzt werden. Die Sozialgerichte sehen dies heute jedoch anders als die früher zuständigen Verwaltungsgerichte: Wegen § 9 Abs. 2 S. 3 SGB II, wonach es bei der Hilfebedürftigkeit auf das Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf ankommt, muss der Einkommensbezieher sein Einkommen für die anderen selbst dann einsetzen, wenn er dadurch selbst hilfebedürftig wird. Prüfungstechnisch bedeutet dies, dass der Bedarf sowohl von Otto als auch von Karin berechnet werden muss und insbesondere das Einkommen von Karin auf beide Partner aufgeteilt werden muss. Luthe, IRS 37 2. Leistungen §§ 19 – 21 SGB II a)Bedarf Karin: - da erwerbsfähig AlG II (§§ 19 i. V. m § 20 Abs. 4) = 364 € - Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs.1: 50 % von 450,-- € = 225,-- €. Gesamt: 589 € b) Bedarf Otto: Sozialgeld nach §§ 19, 20 Abs. 3 SGB II und Unterkunft / Heizung: wie bei Karin, also Gesamt: 589,-- €. 3. Gegenüberstellung von Bedarf und Eigenmitteln: Der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft beträgt das Zweifache von 589 €, also insgesamt 1178,-- €. Karins bereinigtes Einkommen beträgt 715 €. Der ungedeckte Gesamtbedarf nach II § 9 Abs. 2 S. 3 SGB II beläuft sich somit auf 463,-- € (1178 € abzgl. 715 €). Da der Individualbedarf von Karin und Otto gleich ist, hat jeder von ihnen einen Anspruch auf Leistungen in Höhe von 231,50 €. Karin und Otto beziehen die Leistungen auf Antrag (§ 37). Karin kann die Leistung entgegennehmen (§ 38). Die Geldleistung wird auf das inländische Konto überwiesen (§ 42) und monatlich erbracht sowie für 6 Monate bewilligt (§ 41 Abs. 1). Luthe, IRS 38 II. Leistungen nach SGB XII (vgl. §§ 5 SGB II, 21 SGB XII) Otto ist weder sozialversichert noch familienversichert. Nach § 2 Abs.2 SGB XII vorrangige Sozialleistungsträger sind somit nicht vorhanden. Auch besteht keine vorrangige private Absicherung im Krankheitsfall. Zu prüfen sind somit die besonderen Leistungen des SGB XII. § 67 SGB XII, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten: Besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten vorhanden? Nein, keine Ausgrenzungssymptomatik nach § 1 Abs. 3 VO zu § 69; im Übrigen gilt der „interne“ Nachrang nach § 67 S. 2. § 47 SGB XII, vorbeugende Gesundheitshilfe: Nur wenn Sucht im Anfangsstadium. Dies ist hier nicht der Fall. § 48 SGB XII, Krankenhilfe: Die Krankenhilfe des SGB XII wird seit Einführung der generellen Versicherungspflicht nach dem Versicherungsvertragsgesetz von Deutschen nur noch selten in Anspruch genommen; ausgeweitet haben sich jedoch die Leistungen für Menschen aus Süd(ost)europa, die im Zuge der EU-Freizügigkeit nach Deutschland kommen, um hier ein besseres Leben zu haben (vgl. auch § 23 Abs. 1 und 3 SGB XII). Voraussetzung ist eine „Krankheit“. Alkoholsucht gilt rechtlich als Krankheit. Otto ist entgegen seiner Verpflichtung weder gesetzlich noch privat versichert. Deshalb muss die Sozialhilfe die Kosten übernehmen. Otto ist im Fall eines Falles jedoch nach § 103 Abs. 1 SGB XII später ggf. zum Ersatz der Behandlungskosten verpflichtet, weil er die Hilfebedürftigkeit durch seine Weigerung zur Absicherung des Krankheitsrisikos vorsätzlich herbeigeführt hat. Ist die originäre Krankenhilfe nach § 48 S. 1 SGB XII (Hilfe als Leistung des Sozialamts) oder die abgeleitete Krankenhilfe nach § 48 S. 2 SGB XII (Hilfe als Leistung durch die KV) einschlägig? Zwar gelten die Regelungen der abgeleiteten Krankenhilfe für Empfänger von SGB XII-Leistungen nach dem Dritten bis Neunten Kapitel des SGB XII, was bei Otto voraussichtlich der Fall ist (§ 264 Abs. 2 S. 1 SGB V). Zusätzliche Voraussetzung ist nach § 264 Abs. 2 S. 2 SGB V jedoch der Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt nach SGB XII für mindestens einen Monat; dies ist bei Otto jedoch nicht der Fall. Er Luthe, IRS 39 erhält somit die originäre Krankenhilfe des SGB XII und nicht die abgeleitete Krankenhilfe unter Inanspruchnahme der KV. Die insofern zu gewährenden Leistungen entsprechen Krankenversicherung (§ den 52 üblichen Abs.1 S.1 Leistungen SGB XII). der Otto gesetzlichen erhält die Entzugsbehandlung als Krankenbehandlung (entspr. § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB V), die Entwöhnung als Reha (§§ 27 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. 40 SGB V). Ein Bedarfsanteil für Gesundheitspflege ist in der Regelleistungsbemessung bei § 20 Abs. 1 SGB II berücksichtigt. § 24 SGB II (Abweichende Erbringung von Leistungen) ist zu in besonderen „unvorhersehbaren“ Fällen prüfen. 4. Eingliederungshilfe: - Voraussetzungen, § 53 SGB XII a)Nach § 53 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 2 SGB IX und § 3 Nr. 3 EingliederungshilfeVO (zu § 60 SGB XII) liegt eine Behinderung vor. Im Sinne des Gesetzes ist die Teilhabefähigkeit bei Otto wesentlich eingeschränkt. b)Erfolgsprognose (§ 53 Abs. 1 und Abs. 3 SGB XII): Es besteht im Fall von Otto Aussicht, dass die Behinderung beseitigt und er in die Gesellschaft eingegliedert werden kann. c)Personen mit einer „anderen“ Behinderung (etwa weniger als 6 Monate Dauer der Beeinträchtigung, § 53 Abs. 1 S. 2: „Kann“) d)Bei von Behinderung bedrohten Menschen (§ 53 Abs. 1 und 2) ist der Nachrang gegenüber der Krankenhilfe zu beachten, falls diese ausreicht (Abs. 2) e)Liegen die Voraussetzungen vor, besteht ein Rechtsanspruch auf die Leistung (Ausnahme Abs. 1 S. 2 „Kann“) - Leistungen, § 54 SGB XII Grundsätzlich gibt es 5 Leistungsgruppen: - „Insbesondere“ Leistungen des SGB XII Luthe, IRS 40 - die in § 54 Abs. 1 SGB XII in Bezug genommenen Leistungen des SGB IX - Leistungen nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 – 5 mit teilweiser Konkretisierung in EinglhVO, - § 54 Abs. 2 :Besuchshilfen - § 54 Abs. 3: Hilfe für die Betreuung in der Pflegefamilie. Otto erhält medizinische Reha nach § 54 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 26 Abs. 2 SGB IX; auch § 26 Abs. 3 SGB IX. Die Leistungen entsprechen jedoch den Reha-Leistungen der KV (§ 54 Abs. 1 S. 2 SGB XII). Hinsichtlich der Dauer von Reha-Maßnahmen vgl. § 40 Abs. 3 SGB V. Der Grundsatz „ambulant vor stationär“ in § 40 Abs. 1 SGB V ist zu beachten. Art und Umfang der Leistung werden nach § 40 Abs. 3 SGB V nach Ermessen gewährt. Das SGB IX gilt im Übrigen nur, wenn die einzelnen Leistungsgesetze nichts Abweichendes regeln (§ 7 SGB IX und § 53 Abs. 4 SGB XII). So setzt § 53 SGB XII im Gegensatz zu § 2 SGB IX eine „wesentliche“ Behinderung voraus! 5. Pflegeleistungen § 61 SGB XII Voraussetzung ist, dass man Hilfe benötigt bei den täglichen Verrichtungen des § 61 Abs. 1 S 1 i. V. m. Abs. 5. Das ist bei Otto nicht der Fall. Ergebnis: Es besteht sowohl Anspruch auf Krankenhilfe als auch auf Eingliederungshilfe durch den Sozialhilfeträger. Es sind sowohl die erforderliche Akutversorgung (Entzug) als auch die Reha-Leistungen (Entwöhnung, Arbeitserprobung usw.) als Leistung der Krankenhilfe ebenso wie als Leistung der Eingliederungshilfe für Behinderte möglich. Nunmehr kommt es im Rahmen der Abgrenzung darauf an, welche Hilfe am wirksamsten ist (grundsätzlich die Eingliederungshilfe, da umfassender) und welcher Hilfezweck dominiert (hier zunächst die Entzugsbehandlung als Krankenhilfe). Da der Entzug Voraussetzung aller weiterer Maßnahmen ist, dominiert hier die Krankenhilfe. Dies schließt spätere berufliche oder soziale Teilhabeleistungen nach § 54 SGB XII i. V. m. SGB IX nicht aus. Die Entscheidung für die Krankenhilfe hat für Otto Konsequenzen: er muss „zuzahlen“, was bei Leistungen der Eingliederungshilfe in Hinblick auf § 54 Abs.1 S.2 SGB XII noch nicht geklärt ist. Luthe, IRS 41 Sachliche Zuständigkeit: Für die Krankenhilfe nach § 97 Abs. 1 SGB XII der örtliche Träger. Für die spätere Eingliederungshilfe nach § 97 Abs. 3 SGB XII der überörtliche Träger, es sei denn, Landesrecht trifft eine andere Bestimmung (§ 97 Abs. 3 SGB XII). Luthe, IRS 42 Fall Peter (SGB XII) (Hilfe in besonderen Lebenslagen) Peter ist 55 Jahre alt und schwerstpflegebedürftig (§ 64 Abs. 3 SGB XII). Pflegeversicherungsleistungen erhält er nicht. Er bezieht vom Sozialhilfeträger deshalb ein monatliches Pflegegeld in Höhe von 728,-- €. Denn die Pflege wird von seiner Frau sichergestellt. Die angemessenen Unterkunftskosten für die gemeinsame Wohnung betragen monatlich 500,-- €. Die Ehefrau verfügt über ein bereinigtes Einkommen (§ 82 Abs. 2 SGB XII) von monatlich 2.000,-- €. Der Sohn studiert und wird von den Eltern unterhalten; für seine „Studentenbude“ zahlt er 100,-- € monatlich. a) Prüfen Sie, ob und in welcher Höhe eine Eigenleistung verlangt werden kann! Nach der zu § 87 Abs. 1 SGB XII erlassenen Verwaltungsvorschrift sind bei Pflegebedürftigkeit von länger als einem halben Jahr 75 % des die Einkommensgrenze übersteigenden Einkommens einzusetzen. b) Welcher Leistungsträger ist sachlich und örtlich zuständig? Luthe, IRS 43 Falllösung Peter (SGB XII) I.Nachrang §§ 2 Abs. 1, 19 Abs. 3 Die besonderen Leistungen des SGB XII werden nach § 19 Abs. 3 nur gewährt, soweit dem Leistungsberechtigten und den mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Angehörigen die Aufbringung der Mittel aus Einkommen und Vermögen nicht zuzumuten ist. Laut Sachverhalt liegt ein bereinigtes Einkommen (§ 82 SGB XII) in Höhe von 2.000,-- € vor. Dieses muss jedoch nur dann eingesetzt werden, wenn es über der sich nach § 85 SGB XII berechnenden Einkommensgrenze liegt und der Einsatz des übersteigenden Einkommens nach § 87 Abs. 1 SGB XII zumutbar ist. Zusätzlich ist zu prüfen, ob ein Fall des § 88 SGB XII vorliegt. II.Einkommensgrenze Peter ist volljährig; anwendbar ist deshalb § 85 Abs. 1 SGB XII: Grundbetrag nach § 85 Abs. 1 Nr. 1 = das zweifache der Regelbedarfsstufe 1 = (Tatsächliche 808 -- € (2 x 404-- €) Gesamt-)Kosten der Unterkunft nach § 85 Abs. 1 Nr. 2 = 500,-- € (Ehegatten) sowie Familienzuschlag 100,-- € (Sohn) nach § 85 Abs. 1 Nr. 3 = 70 % von Regelbedarfsstufe 1 (404 €), gerundet = für den nicht getrennt lebenden Ehegatten aufgerundet 283 € für den überwiegend unterhaltenden Sohn aufgerundet 283 € Einkommensgrenze: 1.930,-- € Einkommen: 2.000,-- € Einkommen über der Einkommensgrenze: Luthe, IRS 70,-- € 44 III. Einsatz des Einkommens über der Einkommensgrenze, § 87 SGB XII 1. Das Einkommen übersteigt die Einkommensgrenze um 70,-- €. Nach § 87 Abs. 1 S. 1 SGB XII ist in diesem Fall die Aufbringung der Mittel in „angemessenem“ Umfang zuzumuten. Welcher Betrag oberhalb der Grenze einzusetzen ist, ist variabel und vom Einzelfall abhängig. Die Begriffe Angemessenheit und Zumutbarkeit sind ein von den Gerichten voll kontrollierbare unbestimmter Rechtsbegriffe. Bei der Auslegung dieser Begriffe sind die Vorgaben des § 87 Abs. 1 S. 2 zu beachten: Art des Bedarfs (etwa längere Beeinträchtigung der Gesundheit, Gefährdung des Hilfeprozesses bei Eigenmitteleinsatz); Dauer und Höhe der erforderlichen Aufwendungen (etwa eingesetzte Eigenmittel vor Inanspruchnahme des Trägers); besondere Belastungen (Schulden, zukünftige Kosten im Zusammenhang mit ihr); sonstige Grundsätze der Sozialhilfe (Individualisierungsgrundsatz des § 9 Abs. 1, familiengerechte Hilfe nach § 16, Menschenwürde nach § 1). Nach dem Sachverhalt sind besondere Belastungen usw., die über das normale Maß der Pflegebedürftigkeit hinausgehen, allenfalls im Blick auf die vermutlich längere gesundheitliche Beeinträchtigung von Peter („Art des Bedarfs“) zugrunde zu legen. Dies wird durch die bestehende und hierzu ergangene Verwaltungsvorschrift aufgegriffen (hier: 75 % des die Grenze übersteigenden Einkommens als zumutbarer Einkommenseinsatz bei längerer Pflegebedürftigkeit = 25 % bleiben mithin frei). Luthe, IRS 45 2. Überdies gilt hier § 87 Abs. 1 S. 3 SGB XII: „Mindestens“ 60 % des übersteigenden Einkommens bleiben anrechnungsfrei, da Peter schwerstpflegebedürftig nach § 64 Abs. 3 ist. Wenn laut Verwaltungsvorschrift generell Pflegebedürftige – wie im vorstehenden Beispiel – um 25 % geschont werden, kann dieser Betrag nach wohl überwiegender Meinung hinzugerechnet werden: Insgesamt 85 % von 70 € = 59,50 €. 70,-- € - 59,50 € übersteigendes Einkommen Schonbetrag __________ 10,50 € zumutbarer Einkommenseinsatz III. Einsatz des Einkommens unter der Einkommensgrenze nach § 88 SGB XII Diese Vorschrift ist im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Beachte: Auch wenn Einkommen unterhalb der Einkommensgrenze eingesetzt werden muss, darf dies jedoch nicht dazu führen, dass die Bedarfsgemeinschaft hierdurch bedürftig wird. Der Unterhaltsbedarf ist daher die unterste Grenze des Einkommenseinsatzes. V. Zuständigkeit Sachlich zuständig ist nach § 97 Abs.3 Nr.2 SGB XII der überörtliche Träger, es sei denn, nach Abs. 2 wurde durch Landesrecht ein anderer bestimmt. Allerdings können die überörtlichen Träger örtliche Träger nach Landesrecht heranziehen (§ 99 Abs. 2). Örtlich zuständig ist der Träger, in dessen Bereich sich die Leistungsberechtigten tatsächlich aufhalten (§ 98 Abs. 1 SGB XII). Für stationäre Leistungen siehe § 98 Abs. 2 SGB XII. Luthe, IRS 46 „Aktive“ Eingliederungsleistungen nach SGB II (Änderungen 2012 noch nicht berücksichtigt) 1. Allgemeines a)Vorgaben zur Eingliederung = §§ 3, 14, 15, 15 a, 16, 16 a-e, 54 SGB II b) Im Regelfall Ermessen beim „Ob“ und „Wie“ der Maßnahmen : §§ 3 Abs.1, 16 Abs. 1, SGB II; § 3 Abs. 5 SGB III c)Voraussetzung ist bei einigen Leistungen das Vorliegen von Vermittlungshemmnissen: Hohes Lebensalter, Migrationshintergrund, fehlende schulische oder berufliche Qualifikation, gesundheitliche Einschränkungen, Sucht- und Schuldenprobleme, lange Arbeitslosigkeit. d)Weitere Leistungen der Jugendhilfe und der Sozialhilfe sind nicht ausgeschlossen (§§ 5 Abs. 2 SGB II; 10 Abs. 3 S. 2 SGB VIII: der Vorrang des SGB II gilt jedoch nicht, wenn nicht die Eingliederung in das Erwerbsleben, sondern die psychosoziale Unterstützung im Vordergrund steht). e)Leistungsempfänger können sein: Hilfebedürftige, Arbeitgeber, Träger (vgl. zum Trägerbegriff § 21 SGB III: Leistungserbringer und solche Träger, die Leistungen nicht selbst durchführen, sondern durch Dritte durchführen lassen). f) Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II als Grundvoraussetzung (deshalb keine präventiven Leistungen zur Vermeidung von Hilfebedürftigkeit möglich). g)Effektivitätsprobleme bei staatlicher Eingliederung: Mitnahmeeffekt: Der AN wäre auch ohne Förderung beschäftigt worden; der AG „nimmt die Förderung nur mit.“ Locking-In- Effekt: Während der Teilnahme an der Maßnahme geht wertvolle Luthe, IRS 47 Zeit der eigenen Arbeitsplatzsuche durch den AN verloren. Stigmatisierungseffekt: Geförderte AN gelten nach Teilnahme häufig als arbeitsentwöhnt, die Maßnahmen als nicht praxistauglich bzw. als zu wenig auf individuelle Kompetenzen der geförderten Personen abgestimmt (Überforderung oder Unterforderung). Förderfalle“: Staatliche Ausbildungs- und Weiterbildungsangebote vermindern den Anreiz bei Unternehmen, selbst in die Qualifizierung des Personals zu investieren. Positivselektion: Gefördert werden vor allem die leistungsstärkeren AN, die auch ohne Förderung einen Arbeitsplatz finden würden (näher zum Ganzen Luthe, Bildungsrecht 2003, 280 ff.). Als Alternative wird diskutiert: Vollständiger Wegfall jeglicher Förderleistungen; stattdessen Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung und Abbau von Personal in der Arbeitsverwaltung mit dem Ziel der Absenkung der Arbeitskosten. 2. Leistungen nach § 16 Abs. 1 S. 1 SGB II Vermittlung nach § 35 SGB III: Ausbildungs- und Arbeitsvermittlung (ausnahmsw. als Pflichtleistung) für Ausbildungssuchende, Arbeitssuchende, Arbeitgeber. Leistungen nach § 16 Abs. 1 S. 2 SGB II Beratung §§ 29 ff. SGB III : Berufsberatung und Arbeitsmarktberatung, ggf. Eignungsfeststellung nach § 32 SGB III. Beschäftigung durch Personal-Service-Agenturen nach § 37 c SGB III : Arbeitnehmerverleih mit flankierender Qualifizierung. Unterstützung der Beratung und Vermittlung nach §§ 45 – 47 SGB III : bspw. Bewerbungskosten und Reisekosten (Praxis bei Bewerbungskosten: 260 € pro Jahr). Eignungsfeststellung/Trainingsmaßnahmen nach §§ 32, 48 – 52 SGB III: Maßnahmekosten inkl. Fahrkosten, Kinderbetreuung Berufsorientierung Mobilitätshilfen und Arbeitsmarktberatung nach §§ 33, 34 SGB II nach §§ 53 – 55 SGB III: Übergangsbeihilfe, Reisekostenbeihilfe, Fahrkostenbeihilfe, Trennungskostenbeihilfe, Luthe, IRS 48 Umzugskostenbeihilfe. Vermittlung nach § 35 SGB III Potentialanalyse Förderung nach § 37 SGB III aus dem Vermittlungsbudget nach § 45 SGB III Maßnahmen zur Aktivierung nach § 46 SGB III Weiterbildungsförderung nach §§ 77 – 87 SGB III: Voraussetzungen = Notwendigkeit zur Eingliederung oder zur Abwendung von drohender Arbeitslosigkeit oder wegen fehlenden Berufsabschlusses, zudem vorherige Beratung; Maßnahme und Träger müssen zugelassen sein nach §§ 84, 85 SGB III; Bildungsgutschein nach § 77 Abs. 3 SGB III; zu den Leistungen siehe § 79 SGB III; Berufsausbildungsbeihilfen nach §§ 59 SGB III werden jedoch weiterhin eigenständig von den Arbeitsagenturen (nicht von den ARGEN) geleistet! Eingliederungszuschüsse nach §§ 217 ff. SGB III: Leistungen an Arbeitgeber; Vorauss. sind Vermittlungshemmnisse, Minderleistungen im Förderungszeitraum; Sonderregelung bei Schwerbehinderten nach § 219 i.V.m. § 19 SGB III: besondere Ausschlussgründe in § 221 SGB III; Förderhöhe 50% bzw. 70% des Arbeitsentgelts für 12, 24 oder 36 Monate. Ältere AN, die über einen mehr als 12-monatigen Anspruch auf Arbeitslosengeld verfügen, erhalten einen Eingliederungsgutschein, mit dem sich die Bundesagentur zur Zahlung von Zuschüssen an den AG bei Einstellung des AG verpflichtet (ausnahmsw. Rechtsanspruch!). Eingliederungsgutschein Förderung nach § 223-224 SGB III der Berufsausbildung und der beruflichen Weiterbildung nach §§ 235 a - c SGB III: Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung für AG, wenn ausbildungsbegleitende Hilfen während der Ausbildung gewährt werden oder eine ergänzende außerbetriebliche Ausbildung betrieben wird; für die Aus- und Weiterbildung von Schwerbehinderten vgl. § 235 a SGB III; für die Weiterbildung von AN ohne Berufsabschluss vgl. § 235 c SGB III. Betriebliche Einstiegsqualifizierung nach § 235 b SGB III: Erwerb beruflicher Handlungsfähigkeit für Jugendliche mit eingeschränkten Vermittlungsperspektiven oder ohne Ausbildungsreife oder mit sozialer Benachteiligung, auch im Rahmen der Berufsausbildungsvorbereitung nach § 68 BBiG; AG erhalten für die Dauer von 6 – 12 Monaten Zuschüsse zur Vergütung Luthe, IRS 49 und einen Anteil ihres Sozialversicherungsbeitrages. Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben nach § 236 ff. SGB III: Zuschüsse zur Vergütung in Höhe von max. 60% (ausn.w. 100%) bei Beschäftigung behinderter AN für AG, wenn die Aus- und Weiterbildung sonst nicht zu erreichen ist; außerdem Arbeitshilfen und Kosten bei Probebeschäftigung (§§ 237, 238 SGB III). Förderung der Berufsausbildung und Beschäftigung begleitende Eingliederungshilfen nach §§ 240 – 246 d SGB III: Leistungen an Träger im Rahmen einer zielgruppenbezogenen Benachteiligtenförderung; § 240 gibt die Ziele vor; § 241 Abs. 1 und 4 regeln die sachlichen Voraussetzungen für die Maßnahmen zur Unterstützung der Ausbildung; § 241 Abs. 2 regelt die außerbetriebliche Ausbildung; § 241 Abs. 3 enthält Übergangshilfen zur Überbrückung von Zeiten zwischen zwei Ausbildungen oder zwischen Ausbildung und Beschäftigung; § 241 Abs. 3 a enthält Aktivierungshilfen zur Motivierung der Jugendlichen (Beteiligung anderer Träger – etwa Jugendamt - gilt im SGB II wegen § 16 Abs. 1 S. 5 SGB II nicht); § 241 a SGB III ermöglicht eine sozialpädagogische Begleitung lernbeeinträchtigter und sozial benachteiligter Jugendlicher während einer Berufsausbildungsvorbereitung oder einer Einstiegsqualifizierung (§§ 61, 235 b SGB III); § 242 enthält die persönlichen Voraussetzungen § 243 regelt die Leistungen (Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung nach § 244, Maßnahmekosten nach § 245, sonstige Kosten nach § 246); § 246 a enthält Eingliederungshilfen zur Unterstützung der Beschäftigung nach 246 c und d für förderungsbedürftige jüngere Arbeitnehmer (§ 246 b) für max. 6 Monate; auch hier als Zuschüsse an Träger. Förderung beschäftigter Arbeitnehmer nach § 417 SGB III: befristet auf Maßnahmen, die bis zum 31.12.2010 begonnen wurden; Förderung älterer AN bei Teilnahme an außerbetrieblicher Weiterbildung durch Übernahme der Luthe, IRS 50 Weiterbildungskosten gegenüber dem AN und Übernahme der Lohnkosten gegenüber dem AG; jedoch nur bei kleineren Betrieben bis 250 Mitarbeitern. Eingliederungszuschuss für ältere AN nach § 421 f SGB III: Zuschuss an AG; Förderung durch Zuschuss nach § 218 SGB III auch ohne Vermittlungshemmnis für bis zu 36 Monate, wenn der AN seit mindestens 6 Monaten arbeitslos oder Bezug von Transferkurzarbeitergeld (§ 216 b) oder Teilnahme an Weiterbildung oder einer öffentlich geförderten Beschäftigung wie etwa Arbeitsgelegenheiten; gilt für Förderungen, die bis zum 31.12.2009 begonnen haben. Eingliederungszuschuss Vermittlungsgutschein Tragung für ältere Arbeitnehmer nach § 421 f nach § 421 g SGB III der Beiträge zur Arbeitsförderung für Arbeitgeber nach § 421 k SGB III Außerbetriebliche Berufsausbildung ohne vorherige Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Maßnahme nach § 421 n SGB III Qualifizierungszuschuss für die Einstellung jüngerer Arbeitnehmer nach § 421 o SGB III: Leistung für AG als Zuschuss zum Arbeitsentgelt in Höhe von 50 % ; Ziel ist die betriebsnahe Vermittlung arbeitsmarktnaher Kenntnisse (Abs. 4), auch durch Qualifizierungsbausteine nach § 69 BBiG; Ausstellung einer Bescheinigung durch AG; Vorrang haben jedoch Leistungen, die auf einen beruflichen Abschluss zielen (§§ 59 ff., 235 ff.); gefördert werden unter 25jährige ohne Berufsabschluss mit vorheriger 6-monatiger Arbeitslosigkeit, ansonsten besondere Vermittlungshemmnisse jedoch nicht erforderlich; Förderungsdauer max. 12 Monate; befristet bis 31.12.2010. Eingliederungszuschuss für jüngere Arbeitnehmer nach § 421 p SGB III: für AG bei Beschäftigung jüngerer AN mit Berufsausbildung, die aber mehr als 6 Monate arbeitslos sind; besondere Vermittlungshemmnisse nicht erforderlich; Förderdauer längstens 6 Monate; Förderhöhe zwischen 25% und 50% des Arbeitsentgelts; befristet bis zum 31.12.2010. Erweiterte Berufsorientierung nach § 421 q SGB III: Aufhebung des bisherigen zeitlichen Rahmens von bis zu 4 Wochen und der Beschränkung auf die unterrichtsfreie Zeit in § 33 SGB III; befristet bis zum 31.12.2010. Weiterbildungen für beschäftigte Arbeitnehmer und Alten- und Krankenpfleger nach § 421 t Abs. 4 und 6 SGB III Luthe, IRS 51 4. Leistungen nach § 16 Abs. 1 S. 3 SGB II für behinderte Menschen Rehabilitationsträger ist nach § 6 a SGB IX die Bundesagentur. Sie bereitet die Entscheidung vor und ermittelt den Rehabilitationsbedarf; die ARGE aber bleibt verantwortlich und entscheidet letztverbindlich. Grundvoraussetzungen in § 97 SGB III, insbesondere Erforderlichkeit Kriterien für die Auswahl von Leistungen in § 97 Abs. 2 SGB III Nach § 98 können allgemeine (§ 100 SGB III) und besondere Leistungen (§§ 102 ff. SGB III) erbracht werden; besondere Leistungen werden nach § 98 Abs. 2 SGB III jedoch nur erbracht, wenn die allgemeinen Leistungen nicht ausreichen. § 101 SGB III regelt Modifikationen bei den allgemeinen Leistungen, um behinderten Menschen derer Inanspruchnahme zu erleichtern. Bei den besonderen Leistungen handelt es sich durchgehend um Anspruchsleistungen, auch im SGB II. Die besonderen Leistungen werden in § 103 SGB III aufgezählt und im Folgenden weiter konkretisiert. Durch den Verweis des § 16 Abs. 1 S. 3 SGB II auf § 109 SGB III werden die hier in Bezug genommenen Leistungen der §§ 33, 44, 53 und 54 SGB IX auch im SGB II für anwendbar erklärt. 5. Kommunalleistungen nach § 16 a SGB II Kinder- und Pflegebetreuung, Schuldnerberatung, psychosoziale Betreuung, Suchtberatung. Gilt nur für Bedürftige; präventive Hilfe dagegen nach §§ 11 Abs. 5 i.V.m. 15 SGB XII. 6. Einstiegsgeld nach § 16 b SGB II Ermessensleistungen zur Arbeitsmotivation. 7. Leistungen für Selbstständige nach § 16 c SGB II Ermessensleistungen zur Aufnahme einer selbstständigen Arbeit. 8. Arbeitsgelegenheiten nach § 16 d SGB II Angebot erst nach Wartezeit von ca. 6 Monaten wegen § 2 Abs. 1 S. 2 SGB II. Ausnahmsweise kommen Arbeitsgelegenheiten auch als reguläre Beschäftigung Luthe, IRS 52 nach § 16 Abs. 3 S. 1 SGB II in Betracht, ansonsten nur als Variante mit Mehraufwandsentschädigung außerhalb eines regulären Arbeitsverhältnisses. Voraussetzung ist „Im öffentlichen Interesse“ (Definition in § 261 Abs. 3 SGB III): Arbeit muss der Allgemeinheit dienen, etwa Anstellung bei öffentlichem Träger oder gemeinnützigem Träger. „Zusätzlichkeit“ (vgl. § 261 Abs. 2 SGB III): Keine Verdrängung regulärer Arbeitsverhältnisse, die auch ansonsten durchgeführt würden. Zusätzlich dann, wenn die Arbeiten ohne die Förderung nicht , nicht in diesem Umfang oder erst zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt werden. Ausreichend ist, wenn die Arbeiten zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht absolut notwendig sind oder wenn sie ohne Förderung in einem geringeren Maße oder in zeitlich längeren Intervallen verrichtet werden. 9. Leistungen zur Beschäftigungsförderung nach § 16 e SGB II Bezweckt wird die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen mit mehreren Vermittlungshemmnissen. Hierfür Beschäftigungszuschuss für AG zum Ausgleich der Minderleistung des AN und sonstiger Kosten. Voraussetzungen siehe Abs. 1. Zuschusshöhe max. 75 % des Arbeitsentgelts plus Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung (Abs. 2). Außerdem Übernahme von Qualifizierungskosten in Höhe von monatlich 200 € und sonstiger Aufwendungen (Abs. 3). Förderdauer zunächst 24 bzw. 12 Monate, danach unter besonderen Umständen unbefristet. 10. Freie Förderung nach § 16 f SGB II Neuartige Leistungen, die im Gesetz nicht geregelt sind. 11. Förderung bei Wegfall der Hilfebedürftigkeit nach § 16 g SGB II Möglichkeit der Weiterförderung für eine Übergangszeit. Luthe, IRS 53 Prüfungsschema Fürsorgerecht Luthe Übersicht zu den Leistungen: SGB II 1. Unterhaltsleistungen mit AlG II und Sozialgeld 2. Leistungen zur Eingliederung in Arbeit SGB XII 1. Unterhaltsleistungen - Hilfe zum Lebensunterhalt - Grundsicherung im Alter und bei (dauerhafter) Erwerbsminderung 2. Besondere Leistungen („Leistungen des Fünften bis Neunten Kapitels“, §§ 47 bis 74). Diese werden bestimmten Problemgruppen unabhängig von der Frage der Erwerbsfähigkeit gewährt. Diese Leistungen stehen – im Unterschied zu den Unterhaltsleistungen des SGB II (vgl. §§ 3 Abs. 3, 5 Abs. 2 S. 2 SGB II) - mithin auch den Leistungsempfängern des SGB II zur Verfügung! SGB II A. Organisation Träger: Bundesagentur und kommunaler Träger in § 6 bilden gemeinsame Einrichtung nach § 44 b. Diese hat zwei Organe – den Geschäftsführer (§ 44 d) und die Trägerversammlung (§ 44 c). Kommune finanziert Unterkunft, Bundesagentur alles andere (§ 6) oder: Optionskommune in alleiniger kommunaler Trägerschaft (§ 6 a). Ausschüsse: Bund-Länder-Ausschuss (§ 18 c), Kooperationsausschuss (§§ 18 b, 44 e), örtlicher Beirat (§ 18 d); sie sind für die strategische Planung von Programmen und Zielvereinbarungen (§ 48 b) zuständig und zum Teil Konfliktschlichtungsinstanz. B. Leistungen I. Nachrang öffentlicher Fürsorge 1. Grundsätze: Selbstverantwortlichkeit § 2, Einsatzgemeinschaft/Haushaltsgemeinschaft §§ 7 und 9 Abs. 5, Bedürftigkeit § 9 2. Eigenmittel Luthe, IRS 54 a) Zumutbare Arbeit § 10; Sanktionen §§ 31-32 b) Einkommen § 11 .V. m. AlG II-VO; aa) Nicht als Einkommen zu berücksichtigende Positionen § 11 a bb) Absetzbeträge § 11 b c) Vermögen § 12 i.V.m. AlG II-VO aa) Absetzbeträge § 12 Abs. 2 bb) Schonvermögen § 12 Abs. 3 d) Leistungen Dritter § 5, 9, Abs. 1, § 12 a 3. Sonstige Instrumente zur Durchsetzung des Nachrangprinzips: Anspruchsübergang § 33, Ersatzansprüche § 34, Erbenhaftung § 35 II. Unterhaltsleistungen 1. Grundsätzliche Anspruchsberechtigung § 7 Abs. 1 und 2 2. Arbeitslosengeld II und Sozialgeld § 19 Abs. 1 a) Regelleistung § 20, Besonderheiten beim Sozialgeld § 23 (Kinder!) b) Mehrbedarfe § 21, besonderer Mehrbedarf § 21 Abs. 6 c) Unterkunft und Heizung § 22, Angemessenheit der Kosten auch durch Kommune bestimmbar § 22 a – c, Übernahme von Mietschulden § 22 Abs. 8 d) Abweichende Erbringung von (Sonder-)Leistungen § 24, insb. einmalige Leistungen § 24 Abs. 3 e) Sonderregelung bei Reha/ Zuschuss zu Beiträgen für private KV und PflegeV §§ 25, 26 f) Übernahme Mietschulden § 22 Abs. 5 g) Besondere Unterhaltsleistungen für Auszubildende § 27 (ausnahmsweise Zuschuss zu den Unterkunftskosten und Darlehen) 3. Leistungen für Bildung und Teilhabe a) Voraussetzung für Leistungen des SGB II: keine Bildungsleistungen nach § 6 b BKGG (für Bezieher des Kinderzuschlages oder von Wohngeld) § 19 Abs. 2 b) Ausflug/Klassenfahrten, Schülerbeförderung, Lernförderung, Mittagessen in Schule, Kulturpauschale von 10 € § 28 c) Erbringung durch Gutscheine und Direktzahlungen § 29 III. Leistungen zur Eingliederung in Arbeit 1. Grundsätze: § 2, § 3 Abs. 1 bis 2 b 2. Eingliederungsvereinbarung § 15 3. Leistungen §§ 16 bis 16 g IV. Leistungserbringungsrecht §§ 17, 18 V. Letzter Schritt: Leistungen abzgl. Eigenmittel = Bedarf Luthe, IRS 55 SGB XII Träger: Örtliche und überörtliche Träger nach §§ 3, 97, 98 (Sozialämter und Nds. Landesamt für Soziales, Jugend und Familie) I. Nachrang öffentlicher Fürsorge 1. Grundsätze: Nachrang § 2, Einsatzgemeinschaft § 19 und § 27 Abs. 2 und § 43 Abs. 1, Haushaltsgemeinschaft § 39 2. Eigenmittel a) Zumutbare Tätigkeit § 11 Abs. 3 und 4, Sanktion § 39 a b) Einkommen § 82 i.V.m. RVO, zweckgleiche Leistungen § 83 c) Vermögen § 90 i.V.m. RVO d) Sonstige Instrumente: Einschränkung der Leistung § 26, Anspruchsübergang §§ 93 und 94, Kostenersatz §§ 102 ff. II. Unterhaltsleistungen 1. Grundsätzliche Anspruchsberechtigung § 17 2. Hilfe zum Lebensunterhalt a) Voraussetzungen § 27, grundsätzlicher Umfang und Festlegung durch Regelsätze § 27 a b) abweichende Festlegung § 27 a Abs. 4 c) Notwendiger Lebensunterhalt in Einrichtungen § 27 b d) Festlegung und Fortschreibung von Regelbedarfen §§ 28 – 29 e) Mehrbedarf § 30 f) Einmalige Bedarfe § 31 g) Beiträge für die private Kranken- und Pflegeversicherung § 32 und Vorsorge § 33 h) Bedarfe für Bildung und Teilhabe aa) Ausflug/Klassenfahrten, Schülerbeförderung, Lernförderung, Mittagessen in Schule, Kulturpauschale von 10 € § 34 bb) Erbringung durch Gutscheine und Direktzahlungen § 34 a i) Einzelfall-Sonderbedarf § 37 j) Unterkunft und Heizung § 35, Angemessenheit der Kosten auch durch Kommune bestimmbar § 35 a k) Übernahme von Mietschulden § 36 3. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung §§ 41 ff. a) Voraussetzungen § 41 b) Leistungen § 42 c) Besonderheiten beim Einsatz von Einkommen und Vermögen § 43, auch § 94 Abs. 1 Luthe, IRS 56 III. Besondere Leistungen (des Fünften bis Neunten Kapitels) 1. Leistungsvoraussetzungen und Leistungen §§ 47 bis 74 2. Nachrang (hier ausnw. Nachrang nach den Leistungen prüfen, da der Einkommenseinsatz von der einschlägigen Leistung abhängig) a) Einkommen §§ 82 und 83 aa) Einkommensgrenze § 85 bb) Einkommen über der Einkommensgrenze § 87 cc) Einkommen unter (und über) der Einkommensgrenze § 88 dd) Einkommensberechnung bei mehrfachem Bedarf § 89 ee) Sonderregelung zum Einkommenseinsatz bei Leistungen für Behinderte § 92 ff) Sonderregelung zum Einkommenseinsatz bei Einrichtungsunterbringung § 92 a b) Vermögen § 90 (wie bei HzL) c) Besonderheiten beim Anspruchsübergang § 94 Abs. 2 IV. Allgemeine Aktivierung §§ 10 Abs. 2, 11, 12 V. Leistungserbringungsrecht § 5 Abs. 3, §§ 75 bis 81 VI. Letzter Schritt: Leistungen abzgl. Eigenmittel = Bedarf Luthe, IRS 57 Luthe, IRS 58 Luthe, IRS 59 Luthe, IRS 60 Zuordnung SGB II / XII Erwerbsfähige Personen und Mitglieder ihrer Bedarfsgemeinschaft SGB II Erwerbsfähigkeit §8 SGB II a) Bedarfsgemeinschaft §7 Abs. 3 SGB II Ansonsten SGB XII „Bedürftigkeit“ §9 SGB II Grundvoraussetzung b) Einsatzgemeinschaft Luthe, IRS 61 Sonderbedarfe I. Einzelfall – Sonderbedarf nach §21 Abs. 6 SGB II (Besonderer Bedarf, der nicht in der Regelleistung berücksichtigt wurde) Beihilfe! Das Bundeverfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom 09.02.2010 festgestellt, dass unabweisbarer laufender (nicht einmaliger) Bedarf als sogenannter Härtefall geltend gemacht werden kann, wenn dieser bisher nicht vom Regelsatz gedeckt ist. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit zur praktischen Umsetzung der Vorgaben des Urteils nun eine nähere Definition dieser Härtefälle im Wege einer Geschäftsanweisung an die örtlichen Träger herausgegeben. Nach dieser nicht abschließenden Aufzählung sind die folgenden Bedarfe im Rahmen der Härtefallregelung über die Regelleistung hinaus zu übernehmen: - In Ausnahmefällen nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel (Hautpflegeprodukte bei Neurodermitis, Hygieneartikel bei ausgebrochener HIV – Infektion oder ähnliches) - Putz- oder Haushaltshilfen für Rollstuhlfahrer, sofern diese gewisse Tätigkeiten im Haushalt nicht ohne fremde Hilfe erledigen können und keine Hilfe von anderen erhalten - Regelmäßige Fahrt- oder Übernachtungskosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts mit den Kindern - Im Einzelfall Kosten für Nachhilfeunterricht, sofern hierfür ein besonderer Anlass besteht (z.B. langfristige Erkrankung, Todesfall in der Familie). Weiterhin muss die Aussicht auf Überwindung des Nachhilfebedarfes innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten, längstens bis zum Schuljahresende bestehen. Schulische Förderkurse und ähnliche Angebote sind jedoch vorrangig zu nutzen. Darüber hinaus stellt die Geschäftsanweisung im Rahmen einer Negativliste klar, dass auch in Zukunft über den Regelsatz hinaus keine Kosten für die folgenden Bedarfe übernommen werden: - (Praxisgebühr) - Bekleidung für Übergrößen - Brille - Waschmaschine (sofern nicht im Rahmen der Erstausstattung) - Zahnersatz - Orthopädische Schuhe II. Einzelfall – Sonderbedarf nach §24 Abs. 1 SGB II (der Bedarf ist in der Regelleistung berücksichtigt, er reicht aber ausnahmsweise nicht aus) -> Darlehen! Luthe, IRS 62 Luthe, IRS 63 Wie man aus Bürgern „Hartzer“ macht 1) Ausgangsfall – status quo - Gesetzliches Existenzminimum 800€ - Einkommen (brutto) 800€ - Absetzbetrag wg. Erwerbstätigkeit 100€ (als Beispiel) - Freibetrag wg. Erwerbstätigkeit (20%) 140€ - Berücksichtigungsfähiges Einkommen 560€ - Leistung = 240€ 2) Ausweitung Freibetrag - Gesetzliches Existenzminimum - Einkommen (brutto) - Absetzbetrag wg. Erwerbstätigkeit 100€ (als Beispiel) - Freibetrag wg. Erwerbstätigkeit (50%, 20%) 490€ - Berücksichtigungsfähiges Einkommen 694, 67€ - 800€ 1200€ Leistung = 105, 33€ 3) Ausweitung von Leistung und Freibetrag - Gesetzliches Existenzminimum 1000€ - Einkommen (brutto) 1800€ - Absetzbetrag (Steuern, Sozialvers., wg. Erwerbst. 600€ (als Beispiel) - Freibetrag wg. Erwerbstätigkeit (60%, 30%) 600€ - Berücksichtigungsfähiges Einkommen 600€ - Leistung = 400€ Luthe, IRS 64 Anspruchsübergang Grundsicherung § 43 SGB XII - Bedarfsgemeinschaft nur zwischen Partnern (Abs. 1) - Unterhaltsansprüche nur wenn unter 100.00€ (Abs. 3) Bezug zu §94 - Vermutung (Abs. 3 Satz 2) - Angaben verlangen (Abs. 3 Satz 3) - Wenn Anhaltspunkte dann Auskunft (Abs. 3 Satz 4) - Kein Anspruch, wenn Einkommen über 100.00€ (Abs. 3 Satz 6) Zahlt der Unterhaltspflichtige nicht, dann HZL dann §94 Abs. 1 Satz 1! §94 SGB XII: - Regelfall in Abs. 1 Satz 1 (z.B. bei Pflege der Angehörigen) - Ausnahme Grundsicherung in Abs. 1 Satz 3 - Sonderfall: bei Unterhaltsansprüchen Behinderter gegenüber den Eltern in Abs. 2 - „Härte“ in Abs. 3 Fall: Eltern = Grundsicherung, Kinder über 100.000€, gemeinsamer Haushalt. Bedarfsgemeinschaft? Anspruchsübergang? Luthe, IRS 65 Luthe, IRS 66 Luthe, IRS 67 Luthe, IRS 68 Luthe, IRS 69
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