08. Der objektive Tatbestand – AKTUELL

Einführung in das Strafrecht
Der objektive Tatbestand
Prof. Dr. Felix Herzog
Der objektive Tatbestand
I.
Tatbestand
1.
Objektiver Tatbestand
a.
b.
c.
d.
2.
Täterqualität
Handlung
Erfolg
Kausalität und objektive Zurechnung
Subjektiver Tatbestand
II. Rechtswidrigkeit
III. Schuld
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Einfü
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Der objektive Tatbestand
Die vier Ausformungen des nulla-poena-Satzes
Nulla poena sine lege…
(vgl. § 1 StGB, Art 103 II
GG)
…certa
(= Bestimmtheitsgebot)
…stricta
(= Analogieverbot)
…scripta
(= Gewohnheitsrechtsverbot)
„Gegenprinzip“:
Nullum crimen (Nulla culpa)
sine poena
…praevia
(= Rückwirkungsverbot)
= kein Verbrechen (Schuld)
ohne Strafe
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Einfü
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Der objektive Tatbestand
Die vier Ausformungen des nulla-poena-Satzes
Bestimmtheitsgebot: der Normadressat muss
aus dem Gesetz erkennen können, für
welches Verhalten Strafe droht
Analogieverbot: der Normadressat darf nicht
bestraft werden, weil sein Verhalten einer
unter Strafe gestellten Handlung ähnlich war
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Einfü
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Der objektive Tatbestand
Die vier Ausformungen des nulla-poena-Satzes
Zur Zeit des Nationalsozialismus wurde das
Analogieverbot durch das „Gesetz zur Änderung
des Strafgesetzbuchs“ vom 28. Juni 1935
aufgehoben und stattdessen in § 2 StGB folgendes
kodifiziert:
„Bestraft wird, wer eine Tat begeht, die das
Gesetz für strafbar erklärt oder die nach dem
Grundgedanken eines Strafgesetzes und nach
gesundem Volksempfinden Bestrafung verdient.
Findet auf die Tat kein bestimmtes Strafgesetz
unmittelbar Anwendung, so wird die Tat nach
dem Gesetz bestraft, dessen Grundgedanke auf
sie am besten zutrifft“.
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Einfü
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Der objektive Tatbestand
Die vier Ausformungen des nulla-poena-Satzes
Gewohnheitsrechtsverbot: der Normadressat
darf nicht wegen eines Verstoßes gegen
ungeschriebenes Recht bestraft werden
Rückwirkungsverbot: der Normadressat darf
nicht durch ein nach der begangenen
Handlung erlassenes Strafgesetz bestraft
werden
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Einfü
Einführung in das Strafrecht
Der objektive Tatbestand
Die vier Ausformungen des nulla-poena-Satzes
Rückwirkung: Konstellationen (1.)
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Einfü
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Der objektive Tatbestand
Die vier Ausformungen des nulla-poena-Satzes
Rückwirkung: Konstellationen (2.)
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Einfü
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Der objektive Tatbestand
Die vier Ausformungen des nulla-poena-Satzes
Der Reichstagsbrand und das rückwirkende Strafgesetz
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Der objektive Tatbestand
Die vier Ausformungen des nulla-poena-Satzes
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Einfü
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Der objektive Tatbestand
Täterqualität
die Täterqualität ist nur bei eigenhändigen
Delikten bzw. Sonderdelikten zu prüfen
bei § 212 I StGB z.B. nicht zu prüfen
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Einfü
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Der objektive Tatbestand
Handlung
die gesetzlichen Tatbestände beschreiben
eine bestimmte Handlung des Täters;
in § 212 I StGB z.B. besteht diese
Handlung im Töten
eine Handlung kann in einem Tun oder
Unterlassen liegen
der Begriff Handlung ist nicht unumstritten
es gibt verschiedene Handlungslehren bzw. –
begriffe
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Einfü
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Der objektive Tatbestand
Handlung
der Handlungsbegriff ist nur in den seltensten
Fällen zu erörtern, in denen es an einer
Handlung fehlen kann
Nichthandlungen sind Körperbewegungen:
1. im Schlaf oder im Zustand der Bewusstlosigkeit,
2. aufgrund von vis absoluta,
3. in Form einer bloßen Reflexbewegung.
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Einfü
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Der objektive Tatbestand
Handlung
Vis absoluta ist die unwiderstehliche und damit
den eigenen Willen des Betroffenen ausschließende
Gewalt eines Dritten.
Bsp.: Es handelt nicht, wer in ein Schaufenster
gestoßen wird und schon deshalb nicht
nach
seinem
Willen
eine
Sachbeschädigung begeht.
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Einfü
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Der objektive Tatbestand
Handlung
Reflexbewegungen
werden
ohne
Zwischenschaltung des Gehirns unmittelbar durch einen von
den sensorischen auf die motorischen Nerven
übertragenen Reiz bewirkt.
abzugrenzen
von
Spontanreaktionen,
Kurzschlusshandlungen und automatisierten
Verhaltensweisen
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Einfü
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Der objektive Tatbestand
Erfolg
der Erfolg ist nur zu prüfen bei den sog.
Erfolgsdelikten, nicht bei den schlichten
Tätigkeitsdelikten
beim Handlungsobjekt, z.B. Tod eines
Menschen bei § 212 I StGB
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Einfü
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Der objektive Tatbestand
Kausalität
Kausalität
ist
ein
ungeschriebenes
Tatbestandsmerkmal und Voraussetzung für
die Erfüllung des objektiven Tatbestandes
ursächlicher Zusammenhang zwischen zwei
Elementen, insbesondere zwischen Handlung
und Erfolg
wird ermittelt durch die sog. conditio-sine-quanon-Formel (Äquivalenztheorie)
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Einfü
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Der objektive Tatbestand
Handlung
Eine Handlung ist nach der conditio-sine-qua-nonFormel für den Erfolgseintritt kausal, wenn sie nicht
hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in
seiner konkreten Gestalt entfiele.
Bsp.: Vergiftet T den O, woran dieser
stirbt,kann die Giftgabe nicht hinweggedacht
werden, ohne dass der Tod des O entfiele.
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Einfü
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Der objektive Tatbestand
Kausalität
es kommt auf die Kausalität für den konkreten
Erfolg an, nicht für irgendeinen!
Bsp.: Z erschießt O, der sich wegen der Wirkung
des von T verabreichten Giftes in Krämpfen
windet. Der Schuss des Z kann nicht
hinweggedacht werden, ohne dass der Tod des
O, so wie er eingetreten ist, entfiele. Im Hinblick
auf die Giftgabe ist dagegen die Kausalität für
den Erfolg in seiner konkreten Gestalt zu
verneinen. Der konkrete Erfolg liegt im Tod
durch Erschießen, nicht in einem Tod durch
Vergiftung.
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Einfü
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Der objektive Tatbestand
Kausalität
Ersatz- oder Reserveursachen dürfen nicht
berücksichtigt werden = hypothetische
Kausalverläufe
Bsp.: Der Schuss des Z bleibt für den Tod des
O auch dann kausal, wenn O im gleichen
Augenblick von Y erschossen worden
wäre, hätte nicht Z den Schuss
abgegeben.
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Einfü
Einführung in das Strafrecht
Der objektive Tatbestand
Kausalität
von
mehreren
Verhaltensweisen
(= Bedingungen), die zwar alternativ, aber
nicht kumulativ hinweggedacht werden
können, ohne dass der Erfolg entfiele, ist jede
erfolgsursächlich = Doppelkausalität
Bsp.: Vergiften T und M unabhängig
voneinanderdas Essen des O mit je einer
tödlichen Menge Gift, so können die Giftgaben
zwar jede für sich (= alternativ), aber nicht beide
zusammen
(=
kumulativ)
hinweggedacht
werden, ohne dass der Tod des O entfiele. Für
seinen Tod sind also beide Giftgaben kausal.
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Einfü
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Der objektive Tatbestand
Kausalität
bei kumulativer Kausalität wird der Erfolg erst
durch das Zusammenwirken mehrerer
unabhängig voneinander gesetzter Ursachen
ausgelöst = kumulative Kausalität
Bsp.: Verabreichen T und M, ohne voneinander
zu wissen, O eine jeweils nicht tödliche
Menge Gift, die erst durch das zufällige
Zusammenwirken tödlich wirkt, so kann
weder die Giftgabe des T, noch diejenige
des M hinweggedacht werden, ohne
dass der Tod des O entfiele.
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Einfü
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Der objektive Tatbestand
Kausalität
bei der überholenden Kausalität führt ein
späteres Ereignis unabhängig von der ersten
Kausalreihe zum Erfolg = überholende
Kausalität
Bsp.: Wäre O von M in Unkenntnis der
Vergiftung und vor Einsetzen der tödlichen
Giftwirkung erschossen worden, so hätte der
Schuss des M das Giftgeben des T „überholt“.
Dann wäre allein der Schuss des M ursächlich
für den Tod des O, so dass sich nur M eines
vollendeten, T allenfalls eines versuchten
Totschlags schuldig gemacht haben könnte.
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Einfü
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Der objektive Tatbestand
Kausalität
die Kausalität der Unterlassung nach der
conditio-cum-qua-non-Formel:
Eine Unterlassung ist dann kausal für den Erfolg,
wenn sie nicht hinzugedacht werden kann, ohne
dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfiele.
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Der objektive Tatbestand
Objektive Zurechnung
Figur der h.L. (herrschende Lehre), um die
Wirkung der Kausalität einzuschränken
um auf der Ebene des objektiven Tatbestandes
die
strafrechtlich
relevanten
von
den
strafrechtlich
irrelevanten
kausalen
Bedingungen zu trennen
ob ein tatbestandsmäßiger Erfolg einem Täter
(„als sein Werk“) objektiv zuzurechnen ist,
bestimmt sich in zwei Schritten:
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Einfü
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Der objektive Tatbestand
Objektive Zurechnung
Ein Erfolg ist objektiv zurechenbar, wenn
die Handlung kausal war und der Täter durch seine
Handlung
ein rechtlich missbilligtes Risiko schafft
(= Überschreiten des erlaubten Risikos),
welches sich im konkreten Erfolg
realisiert (= Risikozusammenhang).
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Der objektive Tatbestand
Objektive Zurechnung
Fallgruppen/Typische Problemfälle I
Allg. Lebensrisiko
und Reichweite des
erlaubten Risikos
Bsp.: Der vom
Neffen N überredete
Erbonkel E findet,
wie von N erhofft,
bei einem
Flugzeugabsturz den
Tod
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Atypischer
Kausalverlauf
Bsp.: A schießt in
Tötungsabsicht auf B.
Der Schwerverletzte B
stirbt durch
Genickbruch, da er
von der Trage fällt, als
der herbeigerufene
Sanitäter S einen
Herzinfarkt erleidet
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Eigenverantwortliche
Selbstgefährdung
Bsp.: A schießt in
Tötungsabsicht auf B
und verletzt diesen
schwer. B stirbt im
Krankenhaus aber nur,
weil er sich völlig
unvorhergesehen
weigert, lebensrettende
Medikamente
einzunehmen
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Der objektive Tatbestand
Objektive Zurechnung
Fallgruppen/Typische Problemfälle II
Schutzzweck der
verletzten Norm
Risikoverringerung
Bsp.: A überfährt in
Hude eine rote Ampel
auf seinem Weg nach
Bremen. In Bremen
kommt es zu einem für
A
unvermeidbaren
Unfall mit B. B stirbt.
Hätte A gehalten, wäre
es nicht zum Unfall
gekommen
Bsp.: A will B mit
dem Knüppel auf
den Kopf schlagen;
C lenkt den Schlag
ab, so dass nur B`s
Schulter
verletzt
wird
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Eigenverantwortliches
Dazwischentreten
eines Dritten
Bsp.: A streckt B mit
einem Schuss nieder.
Der hinzukommende
C gibt dem
sterbenden B, der
schwer leidet, den
Gnadenschuss
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Objektive Zurechnung
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Der objektive Tatbestand
Objektive Zurechnung
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30
Einfü
Einführung in das Strafrecht
Vielen Dank
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