Jeder Staubsauger hat seinen Klang

Datum: 30.01.2016
Hauptausgabe
Basellandschaftliche Zeitung
4410 Liestal
061/ 927 26 00
www.basellandschaftlichezeitung.ch/
Medienart: Print
Medientyp: Tages- und Wochenpresse
Auflage: 13'588
Erscheinungsweise: 6x wöchentlich
Themen-Nr.: 375.016
Abo-Nr.: 1034417
Seite: 42
Fläche: 70'716 mm²
«Jeder Staubsauger hat seinen Klang»
Neue Musik Carola Bauckholt hat ein Stück komponiert,
in dem Sauger und Pumpen die Hauptinstrumente sind
-4
1
Carola Bauckholt liebt es, mit ungewöhnlichen Instrumenten und Geräuschen zu experimentieren.
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Rüdigerstrasse 15, Postfach, 8027 Zürich
Tel. 044 388 82 00, Fax 044 388 82 01
www.argus.ch
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Ausschnitt Seite: 1/3
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VON ELAINE FITZ GIBBON, ADELE JAKUMEIT UND
DANIEL SCHRÖDER*
Heute Abend hat «The Vacuum Pack»
in der Gare du Nord Premiere. Aufgeführt wird diese Produktion von dem
jungen Basler Ensemble Eunoia. Wie
lief die Zusammenarbeit mit dem
Quintett?
Die drei werdenden Musikjournalisten Normalerweise sitzen Komponisten ja alElaine Fitz Gibbon, Adele Jakumeit und lein zu Hause und versuchen ihre Ideen
Daniel Schröder haben mit ihr bei den aus dem Hirn aufs Papier zu bringen.
Proben über das neue Stück gesprochen, Aber das Ensemble Eunoia ist total daran
über ihre Faszination für Geräusche, und interessiert, viel von sich beizutragen. Zu
warum man manchmal besser im Bade- unseren Proben in der Gare du Nord habe
zimmer probt.
ich nur die für das Stück zentralen Instrumente mitgebracht: Staubsauger und
Woher kommt eigentlich Ihr Interesse Pumpen. In dieser ersten Phase haben wir
für Geräusche?
viel improvisiert und spielerisch nach
Carola Bauckholt: Vielleicht hat mein neuen Klängen gesucht.
Heute Abend hat in der Gare du Nord das
Musiktheater «The Vacuum Pack» Premiere. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Dmitri
Kourliandski hat die Komponistin Carola
Bauckholt dafür die Musik geschrieben.
Kinderwagen gequietscht? [lacht] Wichtig
war die Begegnung mit John Cage - der
hat schon in den 40er-Jahren mit Geräuschen komponiert. Trotzdem werden Geräusche auch heute noch als Störungen
empfunden. Doch je näher man sie betrachtet, desto mehr entdeckt man. Dann
treten sogar lyrische Qualitäten hervor.
Staubsauger und Pumpen?
Genau, ich interessiere mich schon seit
längerem für Sauggeräusche. Zwar arbeiten viele Orchesterinstrumente mit Luft-
druck, aber das geht immer nur in eine
Richtung. In Blasinstrumente muss man
eben reinpusten. Warum kommt aber dieses Einsaugen, was ja so vielfältig in unseUnd wie wird beim Komponieren aus rem Leben da ist, zum Beispiel beim EinAlltagsgeräuschen Musik?
atmen oder beim Staubsaugen, in der MuGeräusche lassen sich nicht kategorisie- sik nicht vor? Ich war dann total stolz, dieren. Sie sind komplexe Wesen, die man se Pumpen gefunden zu haben, die ich in
nur schwer begreift. Andererseits haben
sie auch eine visuelle Komponente. Wenn «The Vacuum Pack» verwende. Die sind
man ein Geräusch hört, sieht man gleich- klanglich unglaublich schön, aber schwer
zeitig, wie es erzeugt wird. Da gibt es zu kontrollieren. So ähnlich ist das auch
bei den Staubsaugern. Wenn man einen
noch viel zu entdecken, zum Glück.
Luftballon an die Schlauchöffnung hält,
macht das einen Höllenlärm. Man kann
Wie gehen Sie da konkret vor?
Im Alltag stosse ich immer wieder auf das zu Hause gar nicht üben.
schöne Geräusche. Aber ich bekomme sie
einfach nicht gepackt, nicht kontrolliert. Kann man sich das also so vorstellen,
Ich kriege sie noch nicht einmal klar ge- dass Sie zuhause eine grosse Werkstatt
hört. Ein Geräusch wirklich zu erfassen zum Experimentieren haben?
und zu verstehen, das ist unglaublich In diesem Fall hat mich Louisa Marxen,
schwer. Wenn es mir dann doch gelingt, die Schlagzeugerin des Eunoia Quintetts,
frage ich mich im nächsten Schritt: Wie zunächst in ihren Proberaum eingeladen.
kann man so ein Geräusch überhaupt imi- Da habe ich ganz schnell gemerkt: Hier
tieren? Wie kann man es modulieren und sind wir falsch, wir müssen ins Badezimformen? Deshalb arbeite ich mit Musikern mer. Dort haben wir dann sehr viel Zeit
zusammen. Intuitiv machen sie die Klänge
im Zusammenspiel musikalisch sinnvoll.
Dabei entdeckt man auch neue Spieltechniken, die das Stück bereichern.
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verbracht. Wir haben Wasser
in die
Schläuche der Pumpen gefüllt. Wenn man
aber noch nicht weiss, wie viel Wasser
man braucht, spritzt es einem ständig um
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die Ohren. Nach und nach haben wir das eigenem Inhalt füllen kann.
charakteristische Tropfen, Gurgeln und
Manche Stellen wirken regelrecht koSchlürfen perfektioniert.
misch, zum Beispiel die Situation, in
Und aus solchen Klängen entwickeln der sich die Schlagzeugerin das Rohr
des Staubsaugers an die Wange drückt
Sie dann das Stück?
Genau, das ist ein ganz wichtiger Punkt. und ihre Zunge hineinsteckt. Besteht
Die Logik des Stücks ist bestimmt durch da nicht die Gefahr des Klamauks?
Klang. Alles ordnet sich dem unter. Über Das muss man ein bisschen ausbalanciedie Folgerichtigkeit der Klänge mache ich ren. Der Klang ist natürlich irre, wenn sie
mir viele Gedanken. Welcher Klang ergibt die Zunge da flattern lässt, in einem Regissich aus den vorherigen? Welchen Klang ter, das ihre Stimme sonst nicht draufhat.
stellt man einem anderen gegenüber? Das ist vielleicht eine banale Stelle, aber
Zum Beispiel bilden Staubsauger und Po- ich liebe sie, weil sie vom Klang her so interessant ist.
saune ein fantastisches Duo.
«The Vacuum Pack» ist als Musikthea-
ter angekündigt, erzählt aber keine
Geschichte. Zwar ist es inszeniert, es
gibt aber kein Libretto. Scheuen Sie
die Verwendung von Texten?
Ein Wort, das hat unglaublich Gewicht
und weist von vornherein in eine be-
«Der Klang ist natürlich
irre, wenn sie die Zunge
da im Staubsaugerrohr
flattern lässt.»
Benötigt man eigentlich einen bestimmten Staubsauger, um «The Vacuum Pack» authentisch aufzuführen?
Bei den Staubsaugern habe ich tatsächlich
die teuersten genommen, weil die einfach
nicht so laut sind. Ich habe auch lang gebraucht, um die Staubsaugerklänge zu notieren der eine jault zum Beispiel immer
ein wenig hoch. Jeder Staubsauger hat seinen eigenen Klang. Das ist wie das ganze
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IN KREFELD GEBOREN
Carola Bauckholt
Carola Bauckholt wurde 1959
in Krefeld geboren. Sie studierte Komposition an der
Musikhochschule Köln u. a.
mit Mauricio Kagel. Sie ist
Gründungsmitglied des
Thürmchen Verlags für zeitgenössische Musikpublikationen. In ihrer Musik verwendet
sie häufig Alltagsgeräusche,
z. B. von Elektrogeräten oder
aus der Natur. An der Gare du
Nord in Basel wird ihr Musiktheater «The Vacuum Pack>, in
Zusammenarbeit mit Dmitri
Kourliandski und dem Eunoia
Quintett aufgeführt.
Stück: analog und total basic, von der
Technik her ganz archaisch.
*Dieser Text entstand im Rahmen eines
stimmte Richtung. Deswegen benutze ich Musikjournalismus-Kurses der Hochschule
gerne eine <Klangsprache>, die jeder mit für Musik/FHNW in Basel.
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