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Erbrechtspraxis
ZErb 10/2015
Zur Sittenwidrigkeit von Wiederverheiratungsklausel
in gemeinschaftlichen Verfügungen von Todes wegen
(Berliner Testament)
Von Dr. Manuel Tanck, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht, Mannheim
In gemeinschaftlichen Verfügungen von Todes wegen werden oftmals Regelungen für den Fall getroffen, dass sich der überlebende
Ehepartner wiederverheiratet, sog. Wiederverheiratungsklauseln. Der nachfolgende Beitrag beschäftigt sich u. a. mit der in der Rechtsprechung1 in letzter Zeit zu klärenden Frage der Sittenwidrigkeit einer Wiederverheiratungsklausel, die den überlebenden Ehepartner
zur Herausgabe des geerbten Nachlasses verpflichtet und gibt einen Überblick über den derzeitigen Stand der Diskussion.
I. Allgemeines
1. Sinn und Zweck einer Wiederverheiratungsklausel
Eine Wiederverheiratungsklausel soll grundsätzlich dem Schutz
der Schlusserben vor einer Schmälerung des Nachlasses durch
das Hinzutreten eines neuen pflichtteilsberechtigten Ehegatten dienen.2 Im Falle einer Wiederverheiratung können die
Ansprüche der Schlusserben dadurch gemindert werden, dass
sich der gesetzliche Pflichtteil des neuen Ehepartners auch am
Nachlass des zuerst Verstorbenen berechnet, zumindest dann
wenn die Ehepartner sich gegenseitig als Vollerben eingesetzt
haben (Berliner Testament).
Wiederverheiratungsklauseln sollen daher bewirken, das Vermögen für die gemeinsamen Abkömmlinge zu erhalten. In der
Literatur wird deshalb teilweise die Meinung vertreten, dass es
sich bei solchen Bestimmungen nicht um Strafklauseln handelt.3 Ob es sich bei einer Wiederverheiratungsklausel um eine
Sanktion oder um eine Regelung mit Schutzfunktion4 handelt,
kann bei der Frage der Sittenwidrigkeit einer solchen Bestimmung eine Rolle spielt.5
2. Verschiedene Arten der Wiederverheiratungsklausel
Bei der Gestaltung einer Wiederverheiratungsklausel werden in
der Literatur verschiedene Varianten diskutiert.6 So wird vorgeschlagen, dass der überlebende Ehepartner sich im Falle der
Wiederheirat nach der gesetzlichen Erbfolge auseinandersetzen
oder den geerbten Nachlass an die Abkömmlinge herausgeben
muss.7 Als Alternative wird die Anordnung von auf den Zeitpunkt der Wiederverheiratung aufschiebend bedingten Vermächtnissen vorgeschlagen.8
a) Konstruktive Vor- und Nacherbschaft
Wird die Wiederverheiratungsklausel so formuliert, dass
der überlebende Ehepartner den ererbten Nachlass an die
Abkömmlinge herauszugeben hat, wird dies von der hM so
ausgelegt, dass der überlebende Ehepartner sowohl auflösend
bedingter Vollerbe als auch durch die Wiederheirat aufschiebend bedingter Nacherbe ist (sog. konstruktive Vor- und Nacherbschaft).9 Diese Formulierung verwandelt somit die Einheitslösung in eine Trennungslösung.10
Bei einer solchen konstruktiven Vor- und Nacherbfolge besteht
das Problem, dass die bis zur Wiederverheiratung getätigten
Verfügungen durch den überlebenden Ehepartner als Vollerbe
erfolgten, während ab diesem Zeitpunkt eine von Anfang an
geltende (rückwirkende) Vorerbschaft angenommen wird.11
Für den Ehepartner besteht dann das Risiko, dass er bei Eintritt der Bedingung und dem Verlust seines Erbrechtes nicht
rückwirkend seinen Pflichtteilsanspruch geltend machen kann,
da er dafür die Erbschaft hätte ausschlagen müssen.12 Ein Recht
zur Anfechtung der Erbschaftsannahme wird in diesen Fällen
abgelehnt.13
Für die Abkömmlinge besteht die Gefahr, dass sie bei Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs vergessen, die ggfs. nicht
erkannte und durch eine solche Wiederverheiratung (versteckt)
angeordnete aufschiebend bedingte Nacherbfolge auszuschlagen.14 Nach Auffassung des OLG Köln wird nämlich auch die
bedingte Nacherbfolge von der Vorschrift des § 2306 Abs. 2
BGB erfasst.15
b) Die Vermächtnislösung
Alternativ zur (auflösend) bedingten Erbeinsetzung besteht die
Möglichkeit, dass eine Regelung für den Fall der Wiederverheiratung durch aufschiebend bedingte Vermächtnisse angeordnet
wird. Dabei kann einerseits der Umfang des Vermächtnisses
genau festgelegt werden und andererseits bleibt der überlebende Ehegatte Vollerbe und somit uneingeschränkt verfügungsbefugt.16
Das Vermächtnis kann sich hierbei auf den Nachlass des Erstversterbenden, den noch vorhandenen Rest des Nachlasses,
eine bestimmte Quote in Geld, einen bestimmten Betrag oder
1) OLG Zweibrücken FamRZ 2011, 1902 und Saarländisches Oberlandesgericht
Saarbrücken FamRB 2015, 310.
2) Damrau/Tanck/Klessinger, § 2269 Rn 45; Soergel/Wolf, § 2269 Rn 24 ff;
­Staudinger/Kanzleiter, § 2269 Rn 39 ff.
3) Völzmann, RNotZ 2012, 1.
4) Zawar, NJW 1988, 16; Palandt/Weidlich, § 2269 Rn 16; MüKo/Musielak,
§ 2269 Rn 47.
5) J. Mayer, Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, § 2269 Rn 59.
6) Palandt/Weidlich, § 2269 Rn 16.
7) Staudinger/Kanzleiter, § 2269 Rn 40.
8) Staudinger/Kanzleiter, § 2269 Rn 40.
9) BGHZ 96, 198; OLG Köln ZEV 2015, 280. Vgl. hierzu auch Zawar, NJW
1988, 16.
10) Langenfeld, Testamentsgestaltung, Rn 652.
11) Palandt/Weidlich, § 2269 Rn 18; wobei nach überwiegender Meinung zur
Abschwächung dieses Problems in solchen Fällen eine befreite Vorerbschaft
angenommen wird.
12) Palandt/Weidlich, § 2269 Rn 19.
13) J. Mayer, Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbertrag, § 2269 Rn 59.
14) Vgl. Bonefeld, ZErb 2015, 216; Schindler, ZEV 2015, 316.
15) OLG Köln ZEV 2015, 280.
16) J. Mayer, Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, § 2269 Rn 75, 76.
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auch auf einen bestimmten Nachlassgegenstand beziehen.17
Auch kann im Wege des Vermächtnisses wirtschaftlich die
Situation hergestellt werden, die dem Eintritt der gesetzlichen
Erbfolge zum Zeitpunkt des Ablebens des erstversterbenden
Ehepartners entspricht.
Im Rahmen der Gestaltung sollte darauf geachtet werden, dass
das Vermächtnis sinnvollerweise mit dem Zeitpunkt der Wiederverheiratung anfällt und fällig ist.18
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Eine bis auf den Tod des überlebenden Ehepartners andauernde
Vorerbenstellung wird dafür teilweise als ausreichend erachtet.30 Weitergehende Rechtsfolgen und Sanktionen werden als
nicht zulässig erachtet, es sei denn, sie wirken sich im konkreten Fall, bspw. wegen eines großen Eigenvermögens, nicht auf
die Entschließungsfreiheit des überlebenden Ehepartners aus.31
Im Falle der Belastung durch Vermächtnisse wird darauf hingewiesen, dass dem Ehepartner zumindest sein gesetzlicher Erbteil am Nachlass des Erstverstorbenen verbleiben muss.32
3. Tatbestand der Wiederverheiratungsklausel (Eintritt der
Bedingung)
2. Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht des neuen Ehepartners
Bezüglich des Eintritts der Bedingung ist zu klären, ob die Wiederverheiratungsklausel auch bei Begründung einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft nach dem LPartG greifen
soll.19 Aufgrund der gleichen Situation, nämlich des Hinzutretens eines Pflichtteilsberechtigten, wird dies auch für die Fälle
bejaht, in denen die letztwillige Verfügung vor dem In-KraftTreten des LPartG errichtet wurde.20
Bislang nicht berücksichtigt wird in der Diskussion um die
Sittenwidrigkeit einer Wiederverheiratungsklausel die Frage,
inwieweit sich in diesem Zusammenhang ein Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht des neuen Ehepartners auswirkt. In einem solchen
Fall ist eine Absicherung des Vermögensflusses zur eigenen
Familie nicht (mehr) notwendig, sodass dann der Sanktionscharakter der Klausel im Vordergrund steht.
Schwieriger gestaltet sich die Frage, ob auch das Eingehen
einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft die Bedingung auslösen soll, da hier der Anknüpfungszeitpunkt nicht hinreichend
genau erfasst werden kann und es im Übrigen mangels Pflichtteilsberechtigung an der Notwendigkeit einer entsprechenden
Regelung fehlt.21
Da allerdings ein Pflichtteilsverzichtsvertrag jederzeit (auch
ohne Kenntnis der Schlusserben) wieder aufgehoben werden
kann, wird man auch in diesem Fall von einer grundsätzlichen
Zulässigkeit einer Wiederverheiratungsklausel ausgehen müssen.
Für die Frage des Inkrafttretens einer Wiederverheiratungsklausel sollte aber grundsätzlich klargestellt werden, ob der Tatbestand der Bedingung auch dann erfüllt ist, wenn der neue Ehepartner einen Pflichtteilsverzicht erklärt. Denn mit einer solchen
Pflichtteilsverzichtserklärung entfällt ein wesentlicher Grund der
Wiederverheiratungsklausel – zumindest solange der Pflichtteilsverzicht nicht wieder aufgehoben wird.
II. Sittenwidrigkeit von Wiederverheiratungsklauseln
1. Stand der Diskussion
Seit der Hohenzollern-Entscheidung22 wird in der Literatur
intensiv die Frage der Sittenwidrigkeit von Wiederverheiratungsklauseln diskutiert.23 Im Vordergrund steht die Problematik, inwieweit durch eine solche Klausel einerseits unzulässiger
Druck auf die nach Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Eheschließungsfreiheit ausgeübt wird, um andererseits die Sicherung
des Nachlasses in der Familie und für etwaige als Schlusserben
bestimmte Abkömmlinge zu erreichen.24
Von einer Unwirksamkeit der Klausel wird ausgegangen, wenn
diese dazu führt, dass der überlebende Ehepartner das gesamte
Erbe verliert und ihm nicht einmal ein Anspruch am Nachlass des Erstverstorbenen in Höhe seines Pflichtteils verbleibt.25
Gleiches soll bei konstruktiver Vor- und Nacherbschaft gelten,
wenn der überlebende Ehepartner als Vorerbe den Nachlass
an den Nacherben herausgeben muss26 und keinen Anspruch
mehr auf den Pflichtteil hat.27
Weiter wird vertreten, dass Wiederverheiratungsklauseln zulässig sind, soweit sie zur Abwehr der „fremden“ Erb- und Pflichtteilsrechte des neuen Ehepartners erforderlich sind28 und den
Abkömmlingen das Vermögen des Erstverstorbenen erhalten.29
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Für die Gestaltung ist es aber deshalb im Sinne einer Ausgewogenen und interessensgerechten Regelung sinnvoll, für den Fall
der Wiederverheiratung den Zustand herzustellen, der nach
der gesetzlichen Rechtslage beim Tod des erstversterbenden
Ehepartners bestand und dem überlebenden Ehepartner nicht
nur seinen Pflichtteilsanspruch (ggfs. auch den Zugewinnausgleich) am Nachlass des Erstversterbenden zu belassen. Sinnvollerweise sollte dies durch eine entsprechende vermächtnisweise Regelung erfolgen.
3. Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts vom
15.10.2014
In der Rechtsprechung hatte erstmals das OLG Zweibrücken
in seinem Beschluss vom 14.3.2011 die Auffassung vertreten,
dass der kompensationslose Verlust der Erbschaft des überlebenden Ehepartners im Fall seiner Wiederverheiratung als sittenwidrig angesehen werden kann und vor dem Hintergrund
der Hohenzollern-Entscheidung33 das Grundbuchamt bei der
17) Vgl. zur „umgekehrten Vermächtnislösung“ Völzmann, RNotZ 2012, 1.
18) Vgl. Völzmann, RNotZ 2012, 1.
19) Vgl. dazu J. Mayer, Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, § 2269
Rn 58.
20) J. Mayer, Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, § 2269 Rn 58.
21) OLG Düsseldorf FamRZ 2014, 421.
22) BVerfG NJW 2004, 2088.
23) Vgl. dazu die umfangreiche Darstellung von J. Mayer, Reimann/Bengel/Mayer,
§ 2269 Rn 59 mwN.
24) Vgl. Völzmann, RNotZ 2012, 1; Adam, MDR 2007, 68.
25) OLG Zweibrücken FamRZ 2011, 1902; Soergel/Loritz, § 2074 Rn 27.
26) Bamberger/Roth/Litzenburger, § 2269 Rn 27.
27) Palandt/Weidlich § 2269 Rn19.
28) J. Mayer, Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, § 2269 Rn 59.
29) MüKo/Musielak, § 2269 Rn 47; Staudinger/Otte, § 2074 Rn 42.
30) J. Mayer, Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, § 2269 Rn 59.
31) Staudinger/Otte, § 2074 Rn 42 ff; J. Mayer, Reimann/Bengel/Mayer, Testament
und Erbvertrag, § 2269 Rn 59.
32) J. Mayer, Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, § 2269 Rn 59.
33) BVerfG FamRZ 2004, 765.
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ZErb 10/2015
Auslegung einer letztwilligen Verfügung die Wirksamkeit einer
entsprechenden Klausel prüfen muss.34
Das Saarländische Oberlandesgericht hat in seinem Urteil vom
15.10.201435 nunmehr ebenfalls die Übertragbarkeit der Erwägungen der Hohenzollern-Entscheidung36 auf die Frage der
Wirksamkeit von Wiederverheiratungsklauseln bejaht.
Für eine Prüfung der Sittenwidrigkeit kommt es danach darauf
an, wie intensiv auf die Entschließungsfreiheit des überlebenden Ehepartners und seine höchstpersönliche Lebensplanung
eingewirkt wird, ob das ihm zugefallene Vermögen geeignet
war, seine Willensentscheidung tatsächlich zu beeinflussen,
inwieweit die Motive des Erblassers anzuerkennen sind und ob
sie das Gewicht der Beeinträchtigung des Betroffenen kompensieren können.
Unter diesen Gesichtspunkten hat das OLG eine Wiederverheiratungsklausel als sittenwidrig angesehen, die den überlebenden Ehepartner dergestalt belastet, dass er im Falle der
Wiederverheiratung den gesamten Nachlass vermächtnisweise
herausgeben muss und ihm nicht einmal der Pflichtteilsanspruch verbleibt.
4. Teil- oder Gesamtnichtigkeit
Strittig ist in der Literatur bei Annahme einer Sittenwidrigkeit
einer Bedingung die Frage der Teil- bzw. Gesamtnichtigkeit
der letztwilligen Verfügung. So wird die Meinung vertreten,
dass die Regelungen zur Teilnichtigkeit (§ 139 BGB, § 2085
BGB) keine Anwendung finden können, da es sich nicht um
einen trennbaren Teil eines Rechtsgeschäfts handelt, sondern
die letztwillige Verfügung mitsamt der Bedingung eine Einheit
darstellt.37 Teilweise wird eine Aufrechterhaltung der letztwilligen Verfügung im Wege der Umdeutung (§ 140 BGB) angenommen.38
Das Saarländische Oberlandesgericht hat in dem oben zitierten
Urteil nunmehr für den Fall der Anordnung eines aufschiebend bedingten Herausgabevermächtnisses die Anwendbarkeit
der Regelungen zur Teilnichtigkeit bejaht und die Alleinerbeneinsetzung des überlebenden Ehepartners aufrechterhalten.
Bezüglich des Herausgabevermächtnisses war nach Auffassung
des Gerichts im Wege der ergänzenden Testamentsauslegung
dem Vermächtnisnehmer ein Anspruch auf Herausgabe des
Nachlasses des Erstverstorbenen unter Abzug des Pflichtteils
des überlebenden Ehepartners zuzusprechen.39
34) OLG Zweibrücken FamRZ 2011, 1902.
35) Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken FamRB 2015, 310; DNotIReport 2015, 78.
36) BVerfG FamRZ 2004, 765.
37) MüKo/Leipold, § 2074 Rn 27.
38) Palandt/Weidlich, § 2074 Rn 5.
39) In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatten die Ehepartner Gütergemeinschaft vereinbart, sodass die Frage eines etwaigen Zugewinnausgleiches
nicht im Raum stand.
Auf einen Blick
Nach der Entscheidung des OLG Zweibrücken und des Saarländischen Oberlandesgerichts ist nunmehr davon auszugehen, dass die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts zur
Frage der Sittenwidrigkeit von Bedingungen in letztwilligen
Verfügungen und die dazu ergangenen Prüfungsgrundsätze
auch auf Wiederverheiratungsklauseln Anwendung finden.
Klauseln, die zu einer Kompensationslosen Herausgabe des
Nachlasses des Erstverstorbenen an die Schlusserben führen,
sind danach als sittenwidrig anzusehen.
Für die Gestaltung bietet es sich an, eine Regelung zu finden,
die dem überlebenden Ehegatten nicht nur seinen gesetzlichen
Mindestanspruch in Form des Pflichtteils und eines etwaigen
Zugewinnausgleichs sichert, sondern ggfs. eine Beteiligung
am Nachlass entsprechend der gesetzlichen Erbfolge vorsieht. Insbesondere sollte in einer Wiederverheiratungsklausel
auch klargestellt werden, dass diese auch bei Abschluss eines
Pflichtteilsverzichtsvertrags gilt, um Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden.
Verjährungsprobleme des Pflichtteilsberechtigten bei unklarer
Rechtslage unter Geltung des ErbverjRÄndG
Von Jörg Wiederhold, Richter am Landgericht, Frankenthal (Pfalz)1
Im Rahmen der Auseinandersetzung eines Pflichtteilsberechtigten mit den (potentiellen) Erben werden häufiger Situationen auftreten, in denen etwa die Erbenstellung oder die Wirksamkeit bzw. Verbindlichkeit der enterbenden Verfügung unsicher oder
streitig ist. Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit den Auswirkungen des ErbVerjRÄndG auf diese Streitigkeiten unter Berücksichtigung aktueller noch zur alten Rechtslage ergangener Entscheidungen untersucht deren Übertragbarkeit.
I.Einführung
Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts (ErbVerjRÄndG)2 gilt in allen ab dem 1.1.2010
eintretenden Erbfällen für Pflichtteils- und Auskunftsansprüche, auch soweit letztere auf § 242 BGB beruhen können,3 die
dreijährige Regel- sowie die dreißigjährige Höchstverjährungsfrist der §§ 195, 199 Abs. 1 und Abs. 3 a BGB.4
1) Der Autor ist Mitglied einer unter anderem für Anwaltshaftungssachen zuständigen Zivilkammer. Die nachfolgenden Ausführungen geben seine persönliche
Rechtsauffassung wieder.
2) Gesetz vom 24.9.2009, BGBl I S. 3142.
3) Palandt/Weidlich, BGB, 74. Aufl. 2015, § 2317 Rn 11.
4) Für Erbfälle, die vor dem 1.1.2010 eingetreten sind und die zum Stichtag noch
nicht verjährt waren, gilt die Übergangsregelung des Art. 229 § 23 EGBGB.
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