Gleich mit seinem ersten Roman „Die Chemie des Todes“ gelang

Gleich mit seinem ersten Roman „Die Chemie des Todes“
gelang Simon Beckett der Durchbruch als Autor. Vorher
musste er seine Brötchen in allerlei Jobs verdienen, u.a. als
Hausmeister oder Sprachlehrer. Mit der Figur des forensischen Anthropologen David Hunter hat der britische Autor einen Charakter geschaffen, der, so Beckett, „Potenzial
für mehr als ein Buch besitzt“. Davon können sich die
Beckett-Fans und solche, die es vielleicht noch werden
möchten, nun auch im zweiten Hunter-Roman überzeugen:
„Kalte Asche“ liegt auf Deutsch vor.
© Jerry Bauer
Frage: Durch die Schaffung dieser Reihe haben Sie sich Ihrem Forensiker David Hunter verschrieben, und damit natürlich auch seinem Beruf. Hat Sie die Forensik immer schon gereizt? Wie hat
sich Ihr Interesse entwickelt?
Simon Beckett: Eigentlich hatte ich kein ausgeprägtes Interesse an der Forensik. Aber ich hatte
schon lange, bevor ich mit ihr in Kontakt kam, den Plan, über die „Body Farm“ zu schreiben. Zu
Beginn war mein Interesse rein journalistischer Natur. Aber je mehr ich über Forensik lernte, desto
klarer wurde mir, um was für ein faszinierendes Gebiet es sich dabei handelt.
Frage: War die Serie um David Hunter schon in Ihrem Kopf, als Sie „Die Chemie des Todes“
schrieben? Oder war es eine Entscheidung, die Sie aufgrund des großen Erfolges getroffen haben?
Simon Beckett: Nein, zu Anfang habe ich nicht an eine Fortsetzung gedacht. Als ich mit der Arbeit
an „ Die Chemie des Todes“ begann, wusste ich noch nicht mal, ob das Buch überhaupt veröffentlicht werden würde. Aber mir wurde schon recht bald klar, dass Hunter als Figur das Potenzial für
mehr als ein Buch besitzt. Und so hatte ich, als ich mein erstes Buch beendet hatte, schon ein oder
zwei vage Ideen dafür im Kopf, wie es weitergehen könnte.
Frage: Sie klären in „Die Chemie des Todes“ nicht auf, ob eines der Opfer wirklich schwanger war
oder nicht. Lassen Sie Ihre Leser gerne hin und wieder im Ungewissen?
Simon Beckett: Tatsächlich war ich mir lange nicht sicher, wie ich mich hier entscheiden sollte. Ich
wusste nicht, ob eine Schwangerschaft nicht zu schockierend gewesen wäre. Letztlich erschien es
mir realistischer, wenn der Leser, wie die Figur in meinem Buch, hierüber im Unklaren bliebe. Dabei ging es mir nicht darum, den Leser im Nebel stochern zu lassen, sondern – wie es im Leben nun
mal so ist – Fragen zu formulieren, die niemals beantwortet werden.
Frage: In Ihrem ersten Roman spielen Fliegen die Hauptrolle. In „Kalte Asche“ sind es das Feuer
und die Verbrennung, die das Thema bilden. Wird jedes Ihrer Bücher einen solchen Schwerpunkt
haben? Machen Sie sich vielleicht schon Gedanken über Wasserleichen?
Simon Beckett: Ich habe mit dem Gedanken gespielt, meine Bücher jeweils verschiedenen Aspekten der Forensik zuzuordnen. Das erschien mir dann aber doch als zu einengend und würde vielleicht vieles vorhersehbar machen. Dennoch: Ich bin mir sicher, Hunter wird in Zukunft auch einmal mit Ertrunkenen zu tun haben.
Frage: Handlungsort von „Kalte Asche“ ist die Hebriden-Insel Runa. Wie muss man sich die Welt
vorstellen, in die Hunter hier eintaucht?
Simon Beckett: Ich habe einige schottische Inseln besucht, unter anderem einige der Hebriden. In
der Regel trifft man dort auf eigenständige Gemeinden mit starkem Zusammenhalt, die sich oft als
vom Festland unabhängig betrachten. Als Fremder ist man willkommen, solange man die Dinge so
laufen lässt, wie sie eben laufen, und sich nicht einmischt. Ein Polizist, der auf den Shetland-Inseln
arbeitet und auf den Äußeren Hebriden aufgewachsen ist, hat mir erklärt, nach welchen Regeln das
Leben dort so läuft. Also: Auch wenn Runa eine fiktive Insel ist, so sind die Landschaft und die
Lebensart dieser Gegend in „Kalte Asche“ ziemlich authentisch beschrieben.
Frage: Warum, meinen Sie, ist eigentlich die Zeit des „gepflegten“ Giftmords vorbei? Warum
gehört es inzwischen zum Standard, dass Menschen in Krimis besonders bestialisch umkommen?
Simon Beckett: Es mag einmal ziemlich schockierend gewesen sein, einen Giftmord zu schildern,
aber Geschmäcker und Haltungen ändern sich. Krimileser sind anspruchsvoller geworden, und das
Genre muss sich dem anpassen. Damit möchte ich keineswegs überflüssige und nur um ihrer selbst
willen geschilderte Gewalt in Romanen verteidigen. Aber die meisten Krimis sind realistischer, als
es die der „guten alten Zeiten“ waren, in denen ein Mord eine ziemlich hygienische Angelegenheit
war. Jeder Mord ist unvermeidlicherweise brutal und schrecklich – die meisten Gifte bedeuten z.B.
für ihre Opfer einen schlimmen Todeskampf – und bringt Blut und Schmerz und Angst mit sich. Ich
glaube, die heutige Kriminalliteratur gibt einfach diese Tatsache wieder.
Die Fragen stellte Henrik Flor, Literaturtest.