Vom Affentürmchen zum Viktualienmarkt

Münchner Stadtgeschichten
Vom Affentürmchen
zum Viktualienmarkt
Münchner Stadtgeschichten
Vom Affentürmchen
zum Viktualienmarkt
© 2015 Süddeutsche Zeitung GmbH, München
für die Süddeutsche Zeitung Edition
Projektleitung: Daniela Wilhelm-Bernstein, Till Brömer, Melanie Plazotta
Gestaltung: Sibylle Schug, Astrid Shemilt
Herstellung: Thekla Licht, Hermann Weixler
Druck- und Bindearbeiten: optimal media GmbH, Röbel/Müritz
Printed in Germany
ISBN: 978-3-86497-311-6
mit Texten von Hanne Sedlmayer
und Illustrationen von Ingrid Weidner
Servus!
I
ch bin das Münchner Kindl. Vor langer, langer Zeit haben sich meine
Mitbrüder am Petersbergerl angesiedelt. Ohne uns wäre die Stadt
München vielleicht niemals gegründet worden. Ich bin eigentlich ein
Mönch und trage eine Mönchskutte. Zum Münchner Kindl bin ich vor
500 Jahren geworden. Warum, das kann heute niemand mehr so genau
sagen. Inzwischen bin ich als Münchner Kindl überall bekannt und auch im
Wappen der Stadt verewigt.
Jetzt will ich euch gerne lustige und interessante Geschichten über die Stadt
München erzählen. Viel Vergnügen!
Die Sage vom Affentürmchen
S
agen sind alte Erzählungen, die meist zwar einen wahren Kern besitzen,
aber mit viel Fantasie weitererzählt wurden.
Eine davon handelt vom Affentürmchen. Der Turm steht im Alten Hof, der
ersten Burg der Wittelsbacher in München. Herzog Ludwig der Strenge hatte
diese Burg erbaut und bewohnte sie. Mit ihm lebten dort auch exotische
Tiere wie Löwen, Bären, Papageien und Affen. Affen sind bekanntlich
lustige, gelehrige und raffinierte Tiere – und sie „äffen“ alles Mögliche nach.
Ein besonders putziges Äffchen wurde in die herzogliche Familie
aufgenommen: Es durfte mit am Esstisch sitzen, in der Burg herumtoben
und sich mit der Amme im Kinderzimmer aufhalten. Einmal schlief die
Amme neben der Wiege des kleinen Prinzen Ludwig ein. Der Affe schlich
sich zur Wiege, nahm das Baby in seine Arme, schaukelte es hin und her,
genauso, wie es die Amme immer tat. Als die Amme aufwachte und sah, dass
der Affe den Prinzen im Arm hielt‚ schrie sie vor Entsetzen auf. Darüber
erschrak nun der Affe und ergriff die Flucht, den kleinen Ludwig immer
noch fest in seinen Armen. Die alarmierten Burgbewohner versuchten ihn
zu fangen, aber der Affe ließ sich nicht erwischen. Zu guter Letzt sprang er
aus dem Fenster und kletterte übers Dach bis hinauf zur Turmspitze. Dort
blieb er sitzen und schaute zu den vielen aufgeregten und schreienden
Menschen hinunter, den kleinen Ludwig fest umklammernd. Erst als ihn
der Küchenchef mit einem Schmankerl lockte, brachte der Affe den Prinzen
Ludwig wohlbehalten wieder nach unten.
Später wurde dieser Prinz Kaiser Ludwig der Bayer.
Das Alte Rathaus
I
n jeder Stadt zählt das Rathaus zu den wichtigsten und schönsten
Gebäuden. Im Rathaus arbeiten der Bürgermeister und seine Stadträte,
die ihn beraten. Sie kommen regelmäßig zusammen und treffen für die Stadt
wichtige Entscheidungen.
Das erste Rathaus Münchens stand schon vor 700 Jahren an der Stelle
des jetzigen Alten Rathauses. Das Alte Rathaus wurde immer wieder
verschönert und vergrößert. Aber es wurde trotzdem zu klein und man
baute im 19. Jahrhundert ein größeres Gebäude, das jetzige Neue Rathaus.
Was wir heute vom Alten Rathaus sehen, ist nur noch ein kleiner Teil von
früher, dafür aber ein sehr schöner. Im Inneren befindet sich ein herrlicher
Tanzsaal. Nicht zu vergessen ist der Rathausturm mit der Rathausuhr, die
es ungefähr seit dem Jahr 1500 gibt. Dort befand sich auch die Ratsglocke,
deren Schlagen damals die Ratsherren an die Sitzungen erinnerte. Wenn ein
Ratsherr zu spät oder gar nicht zur Sitzung erschien, musste er Strafe zahlen.
Viele Straßen Münchens sind nach Ratsherren der damaligen Zeit benannt:
zum Beispiel Püttrich, Ridler, Schrenk, Ligsalz, Barth, Diener, Impler und
viele mehr.
Das Alte Rathaus wurde von Meister Jörg von Halspach erbaut, der auch der
Baumeister der Frauenkirche war. Erasmus Grasser war der Bildschnitzer,
Jan Polack der Maler. Die Zeit, in der diese Künstler gelebt und gearbeitet
haben, nennt man Gotik.