ASANAS – RESTORATIVE YOGA 31 Aktiv Ruhe finden Restorative Yoga Judith Hanson Lasater, eine Yogalehrerin aus der Schule von B. K. S. Iyengar, die schon seit 1971 Yoga unterrichtet, ist wohl die erste Lehrerin, welche die grosse Bedeutung von restorative Yoga erkannte und lehrte. 1995 gab sie ihr erstes Buch heraus. Sie schreibt: «Ich nenne restorative Yogastellungen ‹aktive Entspannung›. Der Körper wird in den Stellungen mit Hilfsmitteln unterstützt. So findet der Körper sein Gleichgewicht bei gleichzeitiger Stimulation und Entspannung. Es gibt Stellungen, die haben eine allgemeine Wirkung, andere wirken auf bestimmte Organe, wie Lunge oder Herz. Alle kreieren spezifische physiologische Wirkungen, die die Gesundheit unterstützen und besonders bei stressbedingten Krankheiten gute Wirkung zeigen.» (1) Neuere Forschungen belegen die Wichtigkeit und Funktionen des faszialen Gewebes in unserem Körper. Das fasziale Gewebe ist zäher als Muskelgewebe und braucht daher etwas länger, bis es entspannen kann und gedehnt wird. Dieses Gewebe ist zudem äusserst gut mit Nerven versorgt und die Hauptlinien stimmen offenbar mit den Meridia- nen oder Sen-Linien überein. Was vermuten lässt, dass wir direkt auch auf der energetischen Ebene einwirken. Ayurvedisch ausgedrückt ist restorative Yoga tiefes Loslassen und Entspannen auf sattvische Art, ohne in die Trägheit von Tamas zu gleiten. Meine Erfahrung zeigt mir, dass Schüler auf allen Ebenen sehr tief loslassen und regenerieren können, wenn ich sie in gut ausgerichtete Stellungen führe, die individuell mit entsprechenden Hilfsmitteln gestützt sind. Ich arbeite dabei immer mit einem Thema. So begleitet mich zum Beispiel das Buch «Die 7 Geheimisse der Schildkröte» (2) durch die Lektionen. Darin geht es um Gelassenheit, Beständigkeit oder Sammlung. So entsteht eine sichere Atmosphäre der Geborgenheit, in der die Schüler in die Tiefen ihres SEINS tauchen können. Text: Rita Wicky-Berni, www.yoga-wicky-berni.ch Modell: Barbara Brunner Fotos: Pascal Corbat, www.pascalcorbat.ch (1) Judith Hanson Lasater. Relax and Renew. Rodmell Press California 1995. (2) A. Schwarz, R. Schweppe. Die 7 Geheimnisse der Schildkröte. Lotos Verlag 2007. Dezember 15/Januar 16 01 32 ASANAS Baddha Konasana Kissenrolle längs auf Matte platzieren. Vor Kissen sitzen, Fusssohlen aneinander. Gurt über Becken, zwischen Beinen durch und über Füsse ziehen. Auf Kissenrolle abliegen, nach Bedarf Kopf unteren Rücken und Oberschenkel mit Decken oder Klötzen stützen. Aussenkanten der Füsse leicht in Boden drücken, Gesäss wenig anheben und mit beiden Händen Gesässmuskel nach unten ziehen. Schultern zurückrollen und sinken lassen, Arme neben Körper auf Boden entspannen. 02 Drehstellung Kissenrolle längs auf Matte. Körper zur Seite gedreht unten am Kissen sitzen, so dass das Ende der Kissenrolle seitlich an Hüfte ist. Knie anwinkeln, Füsse aufstellen und angewinkelte Knie auf Kissenseite sinken lassen. Oberkörper lang ziehen, drehen und Bauch und Brust über Kissen ablegen, Kopf so drehen, dass er von Beinen wegschaut, Arme aktiv lang nach vorne ziehen, dann weich zu Boden sinken lassen. 03 Aktive Vorbereitung Stand in Grätsche. Einatmend Energie von den Füssen zum Becken ziehen, ausatmend über Füsse zur Erde sinken, einatmend Arme heben, ausatmend Arme senken. 2–3 mal im Wechsel. Dann mit Armen oben seitlich dehnen, 2– 3 Atemzüge halten. RESTORATIVE YOGA 04 33 Prasarita Padottanasana Stuhl (eventuell mit Decke) schon vor Übung 3 vorbereiten. Aus Standstellung 3 mit langem Oberkörper nach vorne bewegen, Oberarme auf Stuhl ablegen, Stirn auf Handrücken legen, Wirbelsäule weich in Rücken sinken lassen, Bauchmuskeln leicht an Wirbelsäule heben. Ein paar Atemzüge so lenken: einatmen von inneren Fusssohlen über Innenseite Beine hoch bis innere Leiste, ausatmen von äusseren Hüften, Aussenseite der Beine hinab über Aussenkante der Füsse in die Erde. 05 Upavista Konasana In Grätsche auf gefaltete Decke sitzen. Füsse aktiv, Kniescheiben schauen nach oben, Becken gut aufgerichtet, Rücken lang, auf Stuhl vorbeugen, Stirn auf Handrücken ablegen. Hilfestellung der Lehrerin: Damit die Person nicht erschrickt, spreche ich sie vor dem Berühren kurz an. Ich lege meine Hände mit den Fingern zur Mitte nahe an Leisten, mit weichem Druck nach unten gebe ich etwas mehr Druck mit den Fingern zur Innenseite der Oberschenkel. Diese erdende Hilfestellung ein paar Atemzüge halten. 06 Janu Sirsasana Auf Decke sitzend mit einem Bein angewinkelt, dieses Knie gut gestützt, beide Oberschenkel weich nach innen rotieren, mit langem Rücken nach vorne auf Stuhl dehnen. Mit beiden Seiten arbeiten. Dezember 15/Januar 16 07 34 ASANAS Siddhasana Mit angewinkelten Beinen auf Decke sitzen, anfangs Aussenkante der Füsse in Boden drücken, loslassen und Beine mit Decken oder Klötzen stützen, mit langem Rücken nach vorne auf Stuhl dehnen. Überkreuzen der Beine wechseln. 08 Setu Bandhasana Einen Block quer an Wand legen, Oberschenkel mit Gurt hüftbreit fixieren, Kissen so platzieren, dass oberer Rand gerade am unteren Rand der Schulterblätter zu liegen kommt. Schultern und Kopf sollten den Boden berühren, wenn dies nicht der Fall ist, eine Decke unterlegen. Schultern weich sinken lassen, Füsse behalten Kontakt mit Wand. 09 Adho Mukha Virasana Auf Boden knien, die grossen Zehen berühren sich, Knie etwas breiter als Hüfte, Gesäss auf Fersen sinken lassen (vielleicht braucht es eine Decke dazwischen). Kissenrolle bis ungefähr in die Mitte zwischen die Oberschenkel schieben, Bauch, Brust und Kopf auf Kissen ablegen. Kopfstellung von Zeit zu Zeit ändern von Stirn auf rechte und linke Seite legen. Unterarme und Hände entspannt auf Boden ruhen lassen. Wenn das Ruhenlassen schwer fällt, einatmend Handflächen nach oben drehen, ausatmend nach unten. Hilfestellung der Lehrerin: 1. Hand flach auf Kreuzbein, 2. Hand auf Brustwirbelsäule, nach und nach sanft Druck nach unten geben. Mit 1. Hand mehr Druck nach unten, mit 2. Hand mehr in die Länge ziehen. Druck und Zug können mit Atemrhythmus verbunden werden. RESTORATIVE YOGA 35 Kurmas Lob der Gelassenheit Kurma spricht: «Dem Herzen, das in Gelassenheit zur inneren Ruhe findet, können Regen und Sturm nicht gefährlich werden. Wandelbar sind die Menschen, wandelbar Himmel und Erde, doch still und friedlich bleibt der Geist, der sich nicht bindet. Die Dinge in ewigen Fluss – sie fliessen ganz von allein, und während sich alles wandelt, bleibt doch alles im ewigen Sein.» (2) 10 Viparita Karani Einen Block und Kissenrolle quer an die Wand legen, sich so hinlegen, dass Beine und Gesäss die Wand berühren. Beim Zurückkommen zuerst nur Beine anwinkeln, überkreuzen mit Füssen an Wand, dann so weit wegrutschen, dass ganzer Rücken auf Boden aufliegt und Füsse erhöht auf Kissen lassen. Langsam zur Seite drehen und zurückbewegen. Zum Stundenaufbau: «Restorative» ist ein Fachbegriff aus dem Englischen und bedeutet: heilend, kräftigend, stärkend. Eine reine Restorativ-Yogalektion dauert mindestens 2,5 Stunden. Die erste halbe Stunde gestalte ich aktiv, aufwärmend und schliesse diese mit einer verstärkten Ausatemtechnik ab. Auch während dem Entspannungsteil bringe ich ein- bis zweimal eine aktivierende Stellung hinein, damit das Gleichgewicht von sthira-sukkham gehalten wird. Der Wechsel von einer Stellung zur nächsten sollte sehr langsam erfolgen. In den lang gehaltenen Stellungen (5–12 Minuten) und durch die tiefe Entspannung kühlt der Körper aus. Nachfragen und bei Bedarf während den Stellungen zudecken. Ruhige Musik im Hintergrund kann eine entspannte Atmosphäre schaffen. In den länger gehaltenen Stellungen trägt ein Augenkissen zur inneren Sammlung bei. Jede dieser Stellungen kann auch einzeln in eine normale Yogalektion integriert werden. Die Stunde wird wie üblich in Savasana abgeschlossen.
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